Die Notwendigkeit eines ausreichenden Luftwechsels energetisch dichter Bauten wurde unter anderem durch eine Umfrage (Pressemeldung vom Mai 2017) unter den Mitgliedern des Fachverbands Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB) belegt. Im Rahmen der nach EnEV-Abschlussmessungen durchgeführten Luftdichtheitsmessungen beträgt die im Schnitt ermittelte Luftwechselrate pro Stunde (n 50-Messung) 1,0 h-1 in Mehrfamilienhäusern bzw. 0,9 h-1 in Einfamilienhäusern.
Diese Messwerte liegen weit unter den geforderten Maximalwerten nach ENEV bzw. aktuellem GEG, wobei der GEG-Wert von 3,0 h-1 kein Maßstab für ein luftdichtes Bauen ist. Bedenkt man, dass eine n 50-Messung von 1,0 h-1 (gemessen bei 50 Pa Druckdifferenz) unter realen Bedingungen einen Luftaustausch von ca. 0,1 h-1 bei einem angenommenen Fassadenunterdruck von 5 Pa bedeutet, so ist es nachvollziehbar, dass die Lüftungsverantwortung immer häufiger an ein mechanisches Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung (WRG) übergeben wird.
Ausreichend Luftwechsel, aber automatisch!
Solche Systeme sorgen bei fachgerechter Planung und Montage für einen höheren Wohnkomfort und stellen den hygienisch notwendigen Luftwechsel jederzeit sicher. Bei ungeregelten und nicht bedarfsgeführten Lüftungssystemen jedoch klagen Nutzer und Betreiber nicht selten über eine zu trockene Innenraumluft in der kalten Jahreszeit. Negative Folgen sind eine Reizung der Schleimhäute, der Augen, der Atemwegen und damit verbunden das Risiko eines geschwächten Immunsystems. Darüber hinaus können auch Schäden an der Bausubstanz oder der Wohnungseinrichtung, wie z. B. Risse im Parkettfußboden, beobachtet werden.
Dies alles ist selbstverständlich weniger den Lüftungssystemen, als einem bekannten physikalischem Prinzip beim Luftaustausch geschuldet. Kalte Außenluft, welche eine niedrigere absolute Luftfeuchte als die Raumluft aufweist, kann mit Eintritt in die Wohnungseinheit und nachfolgender Erwärmung Feuchte aufnehmen und damit die resultierende Raumluftfeuchte absenken. Daneben verursacht der Nutzer der Wohnung durch seine Aktivität (Kochen, Duschen, Atmen) Feuchtelasten, die den Feuchtigkeitsgehalt wieder ansteigen lassen. Doch reichen diese im Winter oftmals nicht aus um eine empfohlene Raumluftfeuchte von 40 bis 60 Prozent zu erreichen.
Im Winter oft zu trockene Luft
Ein konkretes Beispiel (h,x – Diagramm nach Mollier) veranschaulicht den Prozess: Bei einem Außenluftzustand von 0 °C, einer rel. Außenluftfeuchte von 75 Prozent und einem Luftwechsel von n = 0,5 und der damit verbundenen Feuchteanhebung von durchschnittlich 2 g Wasser pro kg trockene Luft durch die Bewohner bei einer Raumtemperatur von 20 °C resultiert der dargestellte Prozess mit einer relativen Raumluftfeuchte von 33 Prozent.
Es wird deutlich, dass bei der klassischen konstanten Nennlüftung die empfohlene Raumluftfeuchte trotz der Berücksichtigung des menschgemachten Feuchteeintrags nicht erreicht wird. Durch immer größer werdende Wohnflächen pro Kopf und zahlreiche Zu- und Ablufträume (ca. drei bis vier Ablufträume in einer 4-Zimmer-Wohnung) besteht die Gefahr eines vom Bedarf losgelösten Anlagenluftwechsel im Winter und damit der unerwünschten überhöhten Senkung der Raumluftfeuchtigkeit.
Klassische Maßnahmen wie Wasserdepots an Heizungen oder elektrisch betriebene Befeuchtungsgeräte mit Verneblern oder Zerstäubern können diese unerwünschten Raumluftkonditionen in den wenigsten Fällen vollständig vermeiden helfen. Die optimale Luftfeuchtigkeit ist nur schwer zu erreichen und die Gefahr einer Verkeimung durchaus gegeben.
Ausreichende Luftfeuchte auf verschiedenen Wegen
Beim Einsatz von modernen Lüftungssystemen können unterschiedliche innovative Strategien zur Erhaltung der Luftfeuchtigkeit angewendet werden.
Die erste ist der Einsatz eines Lüftungssystems mit einer raumweisen Bedarfsermittlung des tatsächlich benötigten Luftwechsels. Idealerweise orientiert sich diese Bedarfserfassung an einer relevanten Führungsgröße wie der relativen Luftfeuchtigkeit und / oder der CO2-Konzentration der Luft. Diese beiden Führungsgrößen korrelieren im Zuluftbereich einer Wohnung in der Regel.
Die zweite Strategie ist die Integration einer Feuchterückgewinnung. Damit wird aus der abzuführenden Abluft die enthaltene Feuchtigkeit entzogen und der Zuluft wieder zugeführt.
Als letzte und aufwendigste Strategie bleibt die aktive Luftbefeuchtung der Außenluft im Lüftungsgerät. Diese Methode ist bislang hauptsächlich der gewerblichen Lüftung vorbehalten.
Luftaustrocknung vermeiden – weniger Luftwechsel im Winter?
In der kalten Jahreszeit reichen geringere Luftmengen aus, um die in der Wohnung erzeugten Feuchtelasten abzutransportieren. Somit kann zur Einhaltung eines für die Bausubstanz und die Gesundheit erforderlichen Raumluftfeuchtebereichs der Anlagenluftwechsel im Winter reduziert werden.
Zahlreiche Lüftungssysteme gehen allerdings nicht auf den tatsächlichen gemessenen Frischluftbedarf ein, sondern fördern unabhängig davon immer dieselben Luftmengen bei allen Betriebsfällen. Dies führt zwangsläufig oft zu einer überhöhten Absenkung der relativen Raumluftfeuchte in den Wohnungen.
Das Fraunhofer Institut für Bauphysik hat schon 2011 [1] diese Korrelation untersucht. Verglichen wurden damals für ein Einfamilienhaus die durchschnittliche relative Raumluftfeuchte während der gesamten Heizperiode für eine bedarfsgeführte und eine konstant laufende Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG). Ergebnis war, dass gerade in den kältesten Monaten die sich einstellende Raumluftfeuchte um ganze 10 Prozentpunkte niedriger als bei Verwendung einer bedarfsgeführten Lüftungsanlage mit Feuchteerfassung ist.
Beim Einsatz eines bedarfsgeführten Lüftungssystems werden die Luftmengen durch eine permanente und raumweise Erfassung des tatsächlichen Bedarfs an die Nutzung und Belegung einer Wohnung angepasst. So wird beispielsweise der Abluftvolumenstrom im Bad erhöht, wenn dort gerade geduscht wird. Oder der Zuluftvolumenstrom wird tagsüber automatisch im Kinderzimmer gesenkt, wenn sich das Kind in der Schule befindet und es somit zu keiner Erhöhung des Frischluftbedarfs in diesem Raum kommt. Durch diese genau definierten Luftmengen werden nicht nur die Lüftungswärmeverluste im Gebäude minimiert, sondern auch die Luftqualität in Form der relativen Raumluftfeuchte und der CO2-Konzentration trotz Betriebsoptimierung gesichert.
Hierbei wird ohne zusätzliche Enthalpie-Wärmeübertrager im Lüftungssystem der Feuchtigkeitsgehalt ausschließlich durch eine optimierte Zonenregelung (raumweise Anpassung der Zu- und Abluftströme) und Luftmengenregulierung auf einem gesundheitlich unbedenklichen und angenehmen Niveau gehalten und gleichzeitig die Bausubstanz erhalten.
Bedarfsgeführte Lüftungssysteme schaffen auch den weiteren Vorteil der Verringerung der Filterverschmutzung. Die Standzeiten der Filter verlängern sich bei gleichen Bedingungen im Vergleich zu konstanten Zu- und Abluftsystemen auf die doppelte Lebensdauer. Das wiederum senkt den Strömungswiderstand und damit den Stromverbrauch der Ventilatoren.
Strategie der Feuchterückgewinnung – regenerativ oder rekuperativ
Unter Feuchterückgewinnung wird das Anreichern der durch einen Wärmeübertrager erwärmten Zuluft verstanden. Hierbei wird Wasserdampf dem Luftstrom zugefügt und erhöht somit den Feuchtegehalt der Luft. Die Art des verwendeten Wärmeübertragers hat einen entscheidenden Einfluss auf die Weise, wie die Feuchterückgewinnung realisiert wird. Grundsätzlich werden bei Zu- und Abluftsystemen mit WRG zwei Arten von Wärmeübertragern verwendet, nämlich regenerative oder rekuperative.
Regenerative Wärmeübertrager zeichnen sich dadurch aus, dass der warme Abluftstrom und der kalte Außenluftstrom zeitlich versetzt ein und dieselbe Oberfläche berühren. Umgesetzt wird dies mittels rotierender Speichermedien oder wechselweise beaufschlagter stationärer Speichermedien wie beispielsweise Keramiken. Diese Art der Wärmeübertrager ermöglichen es, durch geeignete Oberflächenbeschichtungen die Wasserdampfsorption, angetrieben über die Oberflächentemperaturdifferenzen, zu betreiben.
Bei rotierenden Speichermedien kann über die Rotationsgeschwindigkeit Einfluss auf die Höhe der Feuchterückgewinnung genommen werden, wobei jedoch auch immer die Wärmerückgewinnung mit beeinflusst wird. Stationäre Speichermedien erlauben einen Einfluss über die Zeitspanne zwischen den Wechselbeaufschlagungen der Luftrichtung, jedoch ebenfalls verbunden mit einer Beeinflussung der Wärmerückgewinnung.
Allen regenerativen Wärmeübertragern ist gemeinsam, dass sie zur Feuchterückgewinnung den Wassergehalt in der Abluft nutzen. Neben den sorptiven Wärmeübertragern besteht auch die Möglichkeit, einen Teil der Feuchte durch Verdunstung des Kondensats bei regenerativen Wärmeübertragern ohne sorptive Funktion zu bewerkstelligen. Durch Überschreiten der Sättigungsgrenze der Abluft beim Erwärmen des Wärmeübertragers entsteht Kondensation, die entsprechend anteilig durch den erwärmten Außenluftvolumenstrom aufgenommen und in den Wohnbereich rücktransportiert wird. Siehe hierzu auch die aktuelle Ausgabe der DIN EN 13141-7.
Rekuperative Wärmeübertrager stellen die zweite Klasse unter den Wärmeübertragern dar. Hierbei berühren sich die Medien unterschiedlicher Temperatur nicht, sondern sind durch eine Trennschicht voneinander getrennt. Dazu gehören auch Enthalpie-Wärmeübertrager. Die Trennschicht kann aus einem Polymer bestehen und muss sowohl bei der Wärme- als auch der Feuchterückgewinnung überwunden werden.
Für die Feuchterückgewinnung, die einen Stofftransport von Wasser bedingt, ist es daher notwendig, dass eine semipermeable Membran verwendet wird, die Wassermolekülen den Übergang von der Abluftseite hin zur Zuluftseite ermöglicht. Dieser Übergang basiert auf einem Konzentrationsgefälle und ist daher nicht direkt beeinfluss- oder regelbar. Hierbei findet ein Wärme- und Feuchtetransfer sowohl im Sommer als auch im Winter statt und kann nur mittels eines separaten Bypass bei Bedarf umgangen werden.
Feuchterückgewinnung aktiv oder passiv
Die Feuchterückgewinnung über Wärmeübertrager von Lüftungsgeräten wird als passive Luftbefeuchtung bezeichnet, wohingegen die aktive Luftbefeuchtung den Einsatz von Hilfselementen, beispielsweise elektrisch betriebener Raumluftbefeuchter, voraussetzt. Der Vorteil der passiven Feuchtrückgewinnung liegt darin, dass keine weiteren Gerätschaften benötigt werden und sie sich relativ einfach mit bedarfsgeführten Wohnungslüftungsanlagen kombinieren lässt. Aktive Feuchterückgewinnung ermöglicht hingegen einen größeren Einfluss auf die Größe und den Ort der Feuchterückgewinnung, wobei zusätzliche Anschaffungs- und Betriebskosten entstehen.
Die Wahl des passenden Baumaterials kann den Feuchtehaushalt innerhalb einer Wohneinheit ebenfalls maßgeblich beeinflussen. So stellen einige Materialien, wie Lehm und offenporiges Holz, einen Puffer für Feuchte dar. Sie nehmen wie ein Schwamm Feuchtigkeitsspitzen auf und geben diese wieder zurück an die Raumluft.
Ob bei einem Einsatz von rekuperativen oder regenerativen Wärmeübertragern: Die Menge an Feuchte, die wiedergewonnen werden kann, hängt vor allem von der in der Wohneinheit vorliegenden Grundfeuchtigkeit ab. Somit ist die resultierende Feuchte nur in gewissen Grenzen beeinflussbar.
Fazit
Aus der dichten Bauweise von Gebäuden und dem immer häufigeren Einsatz von Lüftungssystemen ohne Erfassung des realen Bedarfs resultieren in der Praxis nicht selten zu niedrige Luftfeuchtigkeitswerte im Winter, also zu trockene Luft. Die zentrale Luftmengensteuerung an einem Panel sowie die Einstellung von Tellerventilen bei Inbetriebnahme alleine reichen eben nicht aus! Dazu kommt, dass der Nutzer einer Wohnung selten in der Lage ist den Lüftungsbedarf selbst zu erkennen und dementsprechend den Anlagenluftwechsel anzupassen.
Eine Erfassung des Lüftungsbedarfs in jedem einzelnen Raum einer Wohnung ermöglicht mithilfe von Messsensoren und Motoreinstellungen eine permanente Anpassung der Anlagenluftwechselrate. Dadurch wird in der Regel im Winter der Luftwechsel reduziert und die Raumluftfeuchte bleibt auch bei kalten Tagen auf einem hygienisch unbedenklichen Niveau.
Neben dieser Strategie besteht die Möglichkeit der Feuchterückgewinnung über den Wärmeübertrager von Lüftungssystemen. Hier nutzen regenerative Wärmeübertrager den Wassergehalt in der Abluft. Beim Einsatz von rekuperativen Wärmeübertragern ermöglicht eine semipermeable Membran den Übergang der Wassermoleküle von der Abluftseite hin zur Zuluftseite. Bei der Feuchterückgewinnung über den Wärmeübertrager ist jedoch stets der hygienische Aspekt einer potentiell möglichen Keimbildung kritisch zu prüfen.