Wer immer nur auf die eigene Branche fokussiert und periphere Innovationen ignoriert oder falsch einschätzt, kann innerhalb kürzester Zeit vom Marktführer zum Nobody absteigen. Gregor Schiffer, Future Management Group, prognostiziert der gesamten TGA-Branche gravierende Umwälzungen, angefangen bei Innovationen wie dem mitdenkenden Kühlschrank, der Smartphone-gesteuerten Haustechnik bis zum Elektromobil, dessen Akkus sich über netzdienliche Geschäftsmodelle unter Einbeziehung der Gebäudestromversorgung womöglich schneller amortisieren als über günstigere Kilometerkosten. Wie wichtig die Beschäftigung mit der Zukunft ist, verdeutlichte Schiffer an einigen spektakulären Fehleinschätzungen von Weltunternehmen wie Kodak und Fuji-Film bei der Digitalfotographie oder dem Versandhaus Quelle, das durch den Erfolg von Amazon vom Markt verdrängt wurde. Selbst IT-Größen wie Steve Ballmer, ehemaliger Chef von Microsoft, haben Marktentwicklungen falsch eingeschätzt. Er monierte zum Beispiel, dass ein Handy für Business-Kunden für damals immerhin 500 Euro nicht einmal Tasten hatte. Heute sind Smartphones ohne Touchscreen kaum mehr vorstellbar.
Als relevante Entwicklung für Elektrogeräte mit Stecker hält Schiffer das transparente Elektrokabel, das den Stromverbrauch eines Gerätes durch unterschiedliche Leuchtstärken anzeigt. Ebenso wichtig sei der intelligente Stromzähler als Basis für neue Geschäftsmodelle mit lastabhängigen Strompreisen oder smarte Thermostate, wie die des US-Unternehmens Nest. Auch piezoelektrischen Elementen, wie sie Enocean bereits einsetzt, wird eine große Zukunft vorausgesagt.
Dass viele der IT-orientierten Innovationen im Hintergrund persönliche Daten über den Nutzer und seine Lebensgewohnheiten sammeln und diese womöglich mit anderen aus dem Netz gewonnenen Profilen des Nutzers abgleichen, wurde bei der Präsentation ausgeblendet. Insgesamt kam das Thema Nutzungsrecht von persönlichen und anlagentechnischen Daten zur Generierung neuer Geschäftsmodelle bei der Einschätzung künftiger IT-orientierter Energiesparinnovationen zu kurz.
Die Aussagen von Schiffer zum Internet der Dinge beschränkten sich eher auf smarte Gimmicks wie intelligente Kochtöpfe, Gabeln, die zum langsameren Essen motivieren oder Zahnbürsten, die das Putzverhalten auf dem iPhone dokumentieren. Die Frage, wer da im Hintergrund auf die Daten spekuliert, blieb unbeantwortet. Auch die intelligente Toilette mit automatisierter Urin- und Stuhluntersuchung auf eventuelle Erkrankungen ist womöglich nur so lange ein Must-have“, bis die ganz privaten Daten im Internet gehandelt werden und die international aufgestellten Data Digger mögliche Datenlecks eingestehen müssen.
Insofern darf bezweifelt werden, ob das viel beschriebene intelligente Gebäude mit Datenspeicherung in der Cloud von Erfolg gekrönt sein wird. Man stelle sich vor, der Bewegungsmelder an der Decke schaltet nicht nur das Licht ein und regelt die Raumtemperatur, sondern legt auch Bewegungsprofile der Beschäftigten beziehungsweise der Bewohner an, misst vielleicht auch noch die Kopftemperatur per Infrarotsensor und greift irgendwann einmal über die drahtlose Hirnstrommessung auch die Gedanken ab. Spätestens im Jahr 2050 soll das neurowissenschaftliche Gedanken-Interface von Apple Einzug in die Entwicklungsabteilungen der Industrie halten, so Schiffer. Eher vorstellbar ist da eine neue Generation von preisgünstigen Industrierobotern, die eine Produktion in Hochlohnländern wieder wirtschaftlich attraktiv macht.
Eine wichtige Rolle werden mit Sicherheit Quadrocopter und Drohnen beim Sammeln von gebäudespezifischen Geodaten sowie in der Logistik einnehmen, zum Beispiel zum Aufspüren von für Solarstrom geeigneten Dachflächen in Städten oder um kurzfristig Ersatzteile oder Medikamente anzuliefern. Doch auch hier scheint die Phantasie oftmals noch größer zu sein als die Kenntnis über die Legalität solcher Befliegungen“. Ein nicht kalkulierbarer Nebeneffekt der Hochrüstung mit stationären, fahrenden und fliegenden Videokameras sowie von Datenbrillen wird sein, dass es in Zukunft kaum mehr Orte gibt, die nicht observiert werden. Auch hier wurde die Frage ausgeklammert, ob beziehungsweise wie lange der Bürger bereit ist, seine Daten und damit seine Verbrauchs- und Lebensgewohnheiten für die Kommerzialisierung durch Dritte zur Verfügung zu stellen.
2030-Seiten-Pflichtlektüre
Kaum eine Branche ist in den letzten 30 Jahren so sehr von globalen, europäischen und nationalen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen beeinflusst worden wie die Kältetechnik. Prof. Dr.-Ing. Michael Arnemann, Institut für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik, Hochschule Karlsruhe, gab auf dem Zeitsprung-Forum einen Rückblick auf die Regulierung der Treibhausemissionen vom Montreal Protokoll im Jahr 1987 bis zur aktuellen F-Gase-Verordnung. Dabei wurde deutlich, dass sich die anfänglich von der Branche als geschäftsschädigend empfundenen Verordnungen zur maßgeblichen Triebkraft für die heute hocheffizienten und umweltschonenden Kälteerzeugungsverfahren entwickelt haben. Aktuell bestimmen weniger die globalen, sondern in erster Linie EU-Richtlinien, wie die Renewable Energy Directive, Ecodesign Directive, Energy Performance of Buildings Directive und die Energy Efficiency Directive, die Trends in der Kälte- und Klimatechnik. Arnemann kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Informationsflut aus Brüssel zum Thema Kältetechnik und Umweltschutz kaum mehr zu bewältigen sei und sich der Verordnungsgeber zu wenig um die praktische Umsetzung kümmere. Auch entstünden durch die Verordnungen kontraproduktive Entwicklungen, zum Beispiel ein wachsender Kältebedarf im Sommer durch hochwärmegedämmte Gebäude. Schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklung und den Markt für Kältetechnik attestiert Arnemann der neuen, seit 14. April 2014 gültigen F-Gase-Verordnung. Wer in dieser Branche arbeitet, kommt nicht daran vorbei, die 2030 Seiten durchzulesen“, betont Arnemann, weist aber auch auf den Kältemittel-Report Nr. 17 des Kältemaschinenherstellers Bitzer hin, der einen schnellen Überblick über die sich verändernde Kältemittelwelt vermittle. Die wichtigste Änderung im Umgang mit fluorierten Kältemitteln sieht Arnemann in der Abkehr von der Bewertung der Kältemittel nach Kilogramm zugunsten des CO2-Äquivalents, um daraus das Treibhauspotenzial Global Warming Potential“ (GWP) zu berechnen. Aus Sicht von Arnemann ist die Zeit reif, sich mehr mit der Rolle von Lecküberwachungssystemen zu beschäftigen, zumal davon auszugehen ist, dass die Preise für F-Gase durch Kontingentierung und Strafsteuern weiter steigen und es ab 2018 zu Verknappungen im Servicebereich kommen kann. Für den Fachhandwerker gibt es jedoch auch eine erfreuliche Meldung: Die bei Baumarktprodukten so beliebten Split-Klimageräte mit vorgefüllten Kältemittelleitungen und Schnellkupplungen sind nicht mehr erlaubt, beziehungsweise Geräte und Anlagen dieser Art dürfen nur noch von qualifiziertem Fachpersonal in Betrieb genommen werden.
Kälteanlagenbestand zur Gebäudebeheizung nutzen
Kälteanlagen könnten viel mehr von der Energiewende profitieren, da sie einen si-gnifikanten Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen leisten. Arnemann betonte, dass Optimierungsmaßnahmen an Kälteanlagen im Vergleich zu vielen anderen Energieeffizienzbemühungen mit viel niedrigeren Investitionen je eingesparter Tonne CO2 realisierbar seien. Selbst bestehende Kälteanlagen könnten einen erheblichen Beitrag zur direkten Gebäudebeheizung leisten beziehungsweise ihre Abwärme über ein kaltes Nahwärmenetz als Wärmequelle für Wärmepumpen zur Verfügung stellen. Die Herausforderung für die Kältetechnik liege darin, überhaupt als eigenständige Branche von der Allgemeinheit erkannt zu werden. Außerdem sei die Kältebranche in zu viele Organisationen“ zersplittert, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Auch reagiere die Kältebranche nur und agiere nicht konstruktiv mit ihrem Wissen und ihren Innovationen, die zweifelsfrei vorhanden seien. Arnemann: Leider werden die großen Potenziale der Kältetechnik bei der Energiewende vom Gesetzgeber noch nicht erkannt. Immerhin sind in Deutschland 110 bis 120 Millionen Kälteanlagen und Wärmepumpen installiert, die etwa 16 Prozent der Elektroenergie verbrauchen.“
Große Energieeinsparpotenziale sieht Arnemann in Supermärkten durch den Einbau integrierter Anlagen mit hybrider Wärmenutzung, bei Hauswärmepumpen und bei Wärmepumpen und Kälteanlagen in Gewerbe und Industrie. Speziell in der Industrie mit ihren oft parallelen Anwärm- und Abkühlprozessen sei die Wärmepumpe erst in den Anfängen. Arnemann resümiert: Das Potenzial an netzdienlichen Kälteanlagen mit thermischen Energiespeichern wurde so gut wie noch nicht zur Kenntnis genommen.“
Verkaufserfolg durch IT-gestützten Service
Auch Klaus Helmes, Coach für Strategische Vertriebsentwicklung, kritisiert die stark zersplitterte Kältebranche und den latenten Hang, Entscheidungen vor sich herzuschieben. Die Branche ist bekannt dafür, dass Veränderungen als störend empfunden werden. Aber der Wechsel kommt mit Macht!“ Eines der Hauptthemen wird in Zukunft nach Einschätzung von Helmes die Kältemittel-Leckageüberwachung sein, denn fluorierte Kältemittel werden knapp und teuer. Seiner Einschätzung nach könnten schon bald spezielle Service-Apps die Überwachung von Kälteanlagen revolutionieren. Dabei gehe es nicht nur um das frühzeitige Erkennen von Kältemittelverlusten oder von Betriebsstörungen der Maschinen, sondern auch um die Transparenz von Effizienzdaten, die sowohl für den Kunden als auch für das Serviceunternehmen wichtig sind. Mehr noch: Durch Benchmarking des Energieverbrauchs gleichartiger Maschinen bei unterschiedlichen Kunden könnten auf allen Seiten Lerneffekte angeregt werden. Der nächste Schritt sei dann ein sogenannter E-Call, also ein selbstgestarteter Anruf der Maschine im Servicecenter, der gleichzeitig hinterlegte Handlungsanleitungen für das Servicepersonal abruft und Optionen zur automatischen Bestellung von Ersatzteilen vorschlägt. Auch die Fernüberwachung von Kältemaschinen per Videokamera oder eine professionelle Anleitung des Monteurs durch einen sogenannten Second Level Support in der Serviceleitzentrale seien schon bald Realität. Schwierige Serviceaufgaben könnten künftig durch eine Datenbrille unterstützt werden, mit deren Hilfe der Servicemonteur direkt in den Handbüchern blättert. Helmes geht davon aus, dass mit der Zunahme an gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen und dem Vordrängen preisgünstiger IT-Lösungen zur Anlagenüberwachung mehr und mehr Kunden ihre Überwachungs- und Serviceleistungen an Dritte vergeben werden. Dies auch unter dem Aspekt, dass ein beim Kunden angestellter Kältefachmann heute kaum mehr in der Lage ist, gesetzeskonforme Leistungsinhalte verlustfrei umzusetzen. Mit Spannung erwartet Helmes, wie die Branche die Kältemittelfrage (Vorschriften, Monitoring, Lecküberwachung, Steuern, Kosten) löst. Aus seiner Sicht wird sich das Kältemittel-Monitoring in naher Zukunft zu einer der zentralen Fragen für die Kältebranche entwickeln.
Wartungsangebot aus 26 Modulen
Abgesehen von einem nicht ganz zum Thema Energieeffizienz passenden bombastischen Werbefilm mit Star-War-Fragmenten präsentierte Cofely auf dem Expertenforum die eigenen Innovationen eher zurückhaltend. Holger Ritzenhofen, Serviceleiter Cofely Refrigeration, signalisierte, das Unternehmen sei für die zukünftigen Entwicklungen gut aufgestellt. In Deutschland gibt es zehn Niederlassungen mit 22 Gebietsmonteuren in vier Regionen; der sogenannte Remote-Service ist in Lindau angesiedelt. Kunden könnten sich aus 26 Wartungsmodulen die vier maßgeschneiderten Partner-Pakete Basic, Function, Complete und Premium zusammenstellen. Wie im Kältebereich zu erwarten, bietet Cofely einen 24/7-Einsatz mit Reaktionszeiten von unter vier Stunden an. Neben dem Zentrallager in Lindau werden wichtige Ersatzteile auch dezentral in den Niederlassungen bevorratet. Gewartet werden außer Cofely-Kälteanlagen und Cofely-Kühltürmen auch Fremdfabrikate. Die Dienstleistungspakete umfassen neben den klassischen Wartungsarbeiten auch Unterstützung bei der Umsetzung von gesetzeskonformen Anlagen, die Erfüllung von Betreiberpflichten, wie periodische Dichtheitskontrollen und die Überprüfung der Anlageneffizienz.
Erkennungszeichen Quantum
Kein anderes Produkt hat Cofely so geprägt wie der drehzahlgeregelte Radialturboverdichter Quantum. Die Highlights: ölfreie Lagerung der Antriebswelle mit Magnetlagertechnologie, geringer Anlaufstrom, auto-matische Leistungsanpassung an den tatsächlichen Kältebedarf und hohe Energieeffizienz im Teillastbereich. Inzwischen seien ihnen andere Firmen mit Turbocor-Technologie auf den Fersen, räumte Vertriebsleiter Thomas Bartmann ein. Deshalb baue man das Portfolio aus, zum Beispiel mit dem Spektrum“, einem drehzahlgeregelten Schraubenverdichter mit integriertem Frequenzumrichter für besonders hohe beziehungsweise tiefe Nutztemperaturen. Die Anwendungsbereiche erstrecken sich von industriellen und gewerblichen Wärmepumpen bis hin zur Prozesskühlung von –10 °C bei gleichzeitiger Brauchwassererwärmung oberhalb von 60 °C. Für den Flüssigkeitskühlsatz Pensum“, einem Kompaktaggregat mit Scrollverdichtern (45 bis 460 kW Kälteleistung, auf das Kältemittel R 410 A optimiert), werden unterschiedliche Effizienzpakete für die spezifischen Anwendungen in Industrie, TGA und Rechenzentren angeboten. Als nachhaltige Kältelösung wurde der Flüssigkeitskühlsatz Amon“ (50 bis 200 kW Kälteleistung) in das Programm aufgenommen. Die NH3-Maschine ist Kältemittel-minimiert und arbeitet mit drehzahlgeregelten Hubkolbenverdichtern. Besonders gefragt ist das NH3-Kompaktaggregat in der Schweiz aufgrund der dortigen restriktiven F-Gase-Politik. Sein Vorteil sei die Plug-&-Play-Installation, so Bartmann. Das heißt, alle Funktionen sind in dem gasdichten und mit allen Sicherheitsausrüstungen ausgeführten Gehäuse bereits integriert.
Fazit
Die Digitalisierung der Arbeitswelt, der Gebäudetechnik und des Alltags nimmt rasant zu. Die Zeitsprung“-Veranstaltung von Cofely hat aufgezeigt, welches Potenzial die IT für die eher abwartend reagierende Kältebranche bietet. Doch nicht alles was IT-seitig machbar ist, muss auch für die Kältebranche gut und richtig sein. Unklar ist beispielsweise, in welchem Umfang Daten aus dem Energiemonitoring durch Dritte genutzt werden dürfen. Die bekannten Datenkraken stehen bereits bei Fuß, um mit Gebäudedaten neue Geschäftsfelder für sich aufzubauen. Die viel gepriesene Datenbrille für den Wartungsmonteur ist schon vor der breiten Markteinführung in Verruf geraten, weil Glassholes“ (Schimpfwort in den USA für Leute mit Google-Brille) diese Innovation für voyeuristische Zwecke missbrauchen.
Wolfgang Schmid,
freier Fachjournalist für Technische Gebäude-ausrüstung, München