Vor jeder Investition steht jedoch die Frage, welche Maßnahmen vorrangig angegangen werden sollen und welche hinten angestellt werden können, da sie ein ungünstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Energiemanagementsysteme können einen wesentlichen Beitrag zur Identifikation von Energieeinsparpotenzialen und zum Nachweis des Erfolgs umgesetzter Maßnahmen und Konzepte leisten. Automatisierte Auswertungen ermöglichen eine kontinuierliche Dokumentation der Energieverbräuche bzw. -kosten und visualisieren so die Energieeffizienz der Gebäude(technik). Energiemanagement ist keine rein technische Aufgabe, sondern die Summe aller Maßnahmen, die geplant und durchgeführt werden, um ein vorgegebenes Komfort- bzw. Produktionsniveau (Industrie und Gewerbe) mit minimalem Energieaufwand einzuhalten. Nachfolgend liegt der Fokus jedoch im Wesentlichen auf den technischen Aspekten des Energiemanagements und beleuchtet die notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen für Energiemanagementsysteme.
Bild 1 symbolisiert den Informationskreislauf für das technische Energiemanagementsystem eines Gebäudes. Die Energieströme werden erfasst, ggf. normiert, für spätere Auswertungen archiviert und in lesbarer Form aufbereitet (visualisiert). Durch das professionelle Auswerten der Verbrauchsberichte lassen sich Optimierungspotenziale identifizieren. Durchgeführte Optimierungen verkleinern die Energieströme. Mit der kontinuierlichen Aufzeichnung der momentanen Energieverbrauchswerte wird somit auch die Wirkung umgesetzter Optimierungen abgebildet. Angemerkt sei, dass bereits für stabile Energieverbräuche ein Energiemanagement erforderlich ist. Die Erfahrung zeigt, dass sonst in Gebäuden nach der Inbetriebnahme der Energieverbrauch zunimmt und sich unkontrolliert häufig nach einiger Zeit gegenüber dem Stand nach der Inbetriebnahme verdoppelt.
Datenerfassung
Die Basis für jede Form von Energiemanagement bildet die Erfassung von Verbrauchswerten. Hierzu muss eine geeignete Zählerinfrastruktur vorhanden sein bzw. geschaffen werden. Diese Zählerinfrastruktur bedarf einer sorgfältigen Planung, die sich daran orientieren muss, welcher Detaillierungsgrad vom Kunden für eine spätere Auswertung gewünscht wird. Nur was gemessen wird, kann zur Auswertung genutzt und kontrolliert werden. Drei Beispiele mit zunehmendem Detaillierungsgrad:
- Soll ausschließlich der Verbrauch an Endenergie eines Gebäudes erfasst werden, ist es ausreichend, einen Zähler für elektrische Energie, einen Zähler für Erdgas oder Heizöl und gegebenenfalls einen Zähler für Wasser in den Hauptversorgungsleitungen des Gebäudes zu installieren, bzw. die vorhandenen zu nutzen. Mit dieser Minimalausstattung ist es nicht möglich, Verbräuche einzelnen Bereichen bzw. Verwendungsarten (z. B. Elektrizität für Beleuchtung und für Heiz- bzw. Kühlzwecke) zuzuordnen.
- Zuordnung von Verbräuchen zu Gewerken: Soll beispielsweise erfasst werden, wie viel elektrische Energie jeweils für Heizung, Kühlung, Beleuch-tung und Lüftung eingesetzt wird, müssen Unterzähler installiert werden.
- Erfassung von Verbräuchen definierter Verbrauchergruppen oder einzelner Verbraucher innerhalb eines Gewerks: Ein Supermarktbesitzer interessiert sich gegebenenfalls dafür, wie viel Energie er jeweils für die Kühlung von Lebensmitteln in Kühlhäusern, in Tiefkühltruhen, in Kühlregalen und in Verkaufstheken aufwendet. In diesem Falle müssen für jede einzelne dieser Gruppen separate Zähler installiert werden. Ähnlich verhält es sich, wenn Heizkosten beispielsweise separat für einzelne Stockwerke / Nutzungsbereiche erfasst werden sollen: Hierfür müssen pro Stockwerk / Nutzungsbereich separate Zähler gesetzt werden.
Das dritte Beispiel verdeutlicht, dass eine Zählerinfrastruktur auch eine entsprechende elektrische und hydraulische Infrastruktur voraussetzt: Sollen Kühlgeräte gruppenweise erfasst werden, muss für jede Gruppe eine getrennte Zuleitung existieren, in welcher der Zähler installiert wird. Bei einer Heizkostenerfassung je Stockwerk bieten sich getrennte Heizkreise pro Etage mit Wärmemengenzähler an.
Um einen möglichst guten Kompromiss zwischen Investitionskosten und Detaillierungsgrad der erfassten Informationen zu finden, ist eine sorgfältige Planung der gesamten Infrastruktur erforderlich. Dabei unterstützen auch die CentraLine-Partner, denn zu der Planung gehört die Festlegung, wie Messwerte vom Zähler in die Automatisierungs- und die Managementebene gelangen. Üblicherweise werden hierzu Bussysteme für die Zähleraufschaltung verwendet. Das CentraLine-System unterstützt neben der direkten Anbindung von Pulszählern alle wichtigen Bussysteme für Zähleraufschaltung (Meterbus, ModBus, LON etc.) in einem einzigen Gerät und bietet so eine hohe Flexibilität.
Be- und Verarbeitung der Daten
Der gemessene Verbrauch alleine lässt noch keine Schlussfolgerungen zu, ob es sich um einen zu hohen oder einen akzeptablen Energieverbrauch handelt. Verbrauchsdaten müssen normiert werden, um aussagekräftig zu sein. Durch die Normierung erhält man Energiekennzahlen, die eine Vergleichbarkeit sicherstellen. Ein einfaches Beispiel:
Der jährliche Heizenergieverbrauch eines Gebäudes A mit 500 m2 Nutzfläche sollte normalerweise geringer als der eines Gebäudes B mit 1000 m2 Nutzfläche sein (Bild 2), wenn man ähnliche Bausubstanz, Nutzung und geografische Lage voraussetzt. Um die Gebäude energetisch vergleichen zu können, ist eine Normierung des Energieverbrauchs auf die genutzte Fläche sinnvoll. Die Energiekennzahl hätte dann die Einheit kWh / (m2 a) (oder kWh/(m3 a), falls statt der Fläche der umbaute Raum als Bezugsgröße verwendet werden soll). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es für Gebäude sehr unterschiedliche Flächen- und Volumenberechnungsmethoden gibt. Der Vergleich in Bild 2 zeigt, dass Ge-bäude B zwar erwartungsgemäß einen insge-samt höheren Verbrauch an Heizenergie als Gebäude A aufweist, Gebäude B pro Flächeneinheit jedoch weniger Heizenergie verbraucht. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass Gebäude B effizienter mit Energie um-geht. Andere Faktoren, wie Nutzungstyp, klimatische Bedingungen etc., haben erheblichen Einfluss auf die Energieeffizienz. Die reinen Verbrauchsdaten können (müssen) ggf. durch andere Größen angereichert werden, um solche Einflüsse zu kompensieren.
Gradtagzahlen (GTZ) bzw. Heizgradtage (HGT, G) sind Maße für den Wärmebedarf eines Gebäudes während der Heizperiode und können zur Witterungsbereinigung von Verbrauchswerten herangezogen werden. Auf einen Zeitabschnitt bezogen (beispielsweise einen Kalendermonat), machen sie Aussagen zu saisonalen und regionalen Bedarfsschwankungen. Entsprechendes gilt für Kühlgradtage. Nach VDI 3807 werden zur Berechnung der Heizgradtage eine individualisierte, gebäudespezifische Heizgrenze thg (z. B. 15 °C) und die mittlere Außentemperatur ta in Beziehung gesetzt. Gezählt werden nur Tage, an denen die Außentemperatur unter der Heizgrenze liegt.
HGThg Heizgradtage der betrachteten Periode, bezogen auf die Heizgrenze
z Anzahl der Heiztage in der betrachteten Periode mit einer mittleren Außentemperatur unterhalb der individuellen Heizgrenze
thg Heizgrenze (z. B. 15 °C)
ta mittlere Außentemperatur des jeweiligen Heiztages
Die Gradtagzahlen berechnen sich nach VDI 2067 ähnlich, wobei statt der Heizgrenze die mittlere Raumtemperatur eingesetzt wird. Zur Witterungsbereinigung kann der zeitliche Verlauf der Gradtage und der Energieverbrauch im Rahmen der Auswertung in einem gemeinsamen Diagramm dargestellt werden (Bild 3). Alternativ können die Gradtage direkt in die Normierung einbezogen werden, indem beispielsweise der Energieverbrauch auf den Heizbedarf normiert wird: Man dividiert dazu den gemessenen Verbrauch durch die Gradtagzahlen der jeweiligen Periode (Bild 4) und verwendet somit als Energiekennzahl kWh/HGT. Eine besondere Vorschrift ist erforderlich, wenn in einer Periode HGT = 0 ist.
Oft erfolgt eine Kombination verschiedener Normierungen: Beispielsweise berücksichtigt die Energiekennzahl kWh/(HGT m2) eine Witterungsbereinigung und eine Normierung auf die (genutzte) Fläche.
Welche Energiekennzahlen zu bilden sind, hängt stark davon ab, wie der Gebäudenutzer Energieeffizienz definiert. Für einen Brauereibesitzer ist der Energieeinsatz pro produzierter Flasche Bier interessant, für eine Stadtverwaltung an einer Schule der Verbrauch pro Quadratmeter Nutzfläche und pro Lehrstunde. Bei der Planung eines Energiemanagementsystems müssen also Kennzahlen definiert werden, die für den Anwender verständlich und aussagekräftig sind.
Normierung im Automationssystem
Wichtig ist, dass das eingesetzte technische System flexibel genug ist, um verschiedenste Normierungen und beliebige mathematische Operationen zur Anreicherung von Daten zu gewährleisten, etwa die Berechnung der Heizgradtage aus der gemittelten Außentemperatur. Anpassungen und Änderungen an der Kennzahlenberechnung müssen schnell und unkompliziert durchführbar sein. Die flexible Umsetzung mathematischer Beziehungen kann auch für Konvertierungen genutzt werden, die im Energiemanagement häufig vorkommen, da Energieverbräuche teilweise indirekt gemessen werden. Beispiele hierfür sind:
- Erdgasverbrauch: Dieser wird meist als (Norm)Volumen (m3) gemessen. Der Energieverbrauch ergibt sich aus dem Produkt des Volumens und des Energiegehalts (Heizwert, sortenabhängig, zwischen 9,7 12,5 kWh/m3).
- Heizölverbrauch: Dieser wird in der Regel in l gemessen. Der Energieverbrauch ergibt sich aus dem Produkt des verbrauchten Volumens in l, der Dichte (0,820 0,845 kg/l) und des Energiegehalts (Heizwert: 11,8 kWh/kg).
Hier stellt sich auch die Frage, an welcher Stelle der Systemarchitektur die Normierung, Konvertierung und Datenanreicherung durchgeführt werden soll. Viele Energiemanagementsysteme führen diese Operationen auf der Managementebene durch. Das CentraLine-System überlässt es dem Systempartner, ob er mathematische Zusammenhänge auf der Management- oder auf Automatisierungsebene implementiert. Die Vorgehensweise zur Umsetzung ist in beiden Fällen identisch. Eine Implementierung auf Automatisierungsebene bietet jedoch den Vorteil, dass die Automatisierungsstationen ständig in Betrieb sind, und nicht wie ein PC auf Managementebene vom Anwender heruntergefahren werden können. Damit ist eine höhere Verfügbarkeit und somit eine bessere Datenqualität und -konsistenz gewährleistet. Darüber hinaus kann die Automatisierungsstation bereits Vorauswertungen machen, zum Beispiel die Berechnung und Anzeige von Tages-, Monats- und Jahreswerten.
Das CentraLine-System erlaubt einen vollständigen Fernzugriff über einen Standard-Webbrowser sowohl auf den Supervisor als auch auf einzelne Automatisierungsstationen. Über den Browser können dabei nicht nur Verbrauchswerte abgefragt, sondern eine entsprechende Berechtigung vorausgesetzt alle notwendigen mathematischen Zusammenhänge programmiert und geändert werden. Teure Anfahrtswege entfallen und eine flexible Anpassung des Systems im laufenden Betrieb ist möglich. Dies beinhaltet auch die Einbindung zusätzlicher Zähler in die Datenerfassung.
Archivierung von Daten / Kennzahlen
Erfasste Verbrauchsdaten und normierte Energiekennzahlen müssen gespeichert werden, um deren Zeitverläufe zu protokollieren. Da beim Energieverbrauch Langzeitbetrachtungen interessant sind, erfolgt die Speicherung der Daten meistens auf der Managementebene, da ein PC-basiertes System über erheblich mehr Speicherplatz verfügt als ein Datenlogger auf der Automatisierungsebene. Der Nachteil hierbei ist, dass Daten verloren gehen, wenn der PC heruntergefahren wird. Dies ist beispielsweise bei Betriebssystem-Updates der Fall.
Das CentraLine-AX-System kombiniert die Vorteile der ständigen Verfügbarkeit einer Automatisierungsstation mit dem hohen Speicherplatzangebot der Supervisor-Software (Bild 5). Die Automatisierungsstation dient als Zwischenspeicher und kann Verbrauchsdaten für einen begrenzten Zeitraum puffern, wenn der Supervisor offline ist. Der Zeitraum hängt vom Datenaufkommen ab und kann mehrere Wochen umfassen. Ist der Supervisor online, holt er sich die Daten aus den Automatisierungsstationen und legt sie für die Langzeitspeicherung in einer Datenbank ab. Dieses Vorgehen garantiert eine lückenlose Verbrauchswerterfassung. Die Datenbank der Supervisor-Software kann in die informationstechnischen Backup-Prozesse des Unternehmens integriert werden, wodurch die regelmäßige Sicherung der Daten gewährleistet ist.
Im zweiten Teil und letzten des Beitrags liegt der Fokus auf der Visualisierung und Auswertung von Verbrauchsdaten. Es wird erläutert, wie Optimierungspotenzial entdeckt und analysiert wird. -
Michael Rader
Product Marketing Manager für CentraLine c/o Honeywell, Schönaich