Die Tücken der oberflächennahen Geothermie wurden lange Zeit verkannt. Auch wenn das Risiko von Geothermieschäden nach einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bei nur 0,002 Prozent liegt, ist die Verunsicherung in der Brancheund bei potenziellen Anwendern groß. Hinzu kommen erste Forderungen von Geologen und Wissenschaftlern nach einer geothermischen Bewirtschaftung des Erdreichs. Mit einer solchen Datenbasis könnten thermische Wechselbeziehungen von Geothermieanlagen besser vorausgesagt und damit negative Rückkopplungseffekte auf die Energieeffizienz geothermischer Wärmepumpen vermieden werden. Wer allerdings den nicht unerheblichen Aufwand für die geothermische Datensammlung und -aufbereitung tragen soll ist unklar, ebenso wie die Zusatzkosten, die dem Bauherrn durch den höheren Planungsaufwand und verschärfte Qualitätsanforderungen am Bohrloch entstehen.
Der Hype war schuld
Zur Risikominimierung habe Baden-Württemberg bereits 2009 mit einer Tiefenbeschränkung bei Erdwärmesonden auf den Gipsspiegel reagiert. Deshalb stehe nur noch etwa 15 Prozent der Landesfläche für Erdwärmesondenbohrungen zur Verfügung, eine starke Einschränkung, sagt de Haas. Zusätzlich zu den Maßnahmen der LQS EWS“, Leitlinie Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ (Einführung 7.10.2014, http://www.um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/erneuerbare-energien/geothermie/lqs-ews/) werde bei Erdwärmesonden die automatische Abdichtungsüberwachung vorangetrieben. Seit dem 1. Juli 2012 muss in Baden-Württemberg mit den Antragsunterlagen für die Zulassung der Erdwärmesondenanlage auch ein Nachweis vorgelegt werden, welche messtechnischen Systeme zur automatischen Überwachung des Abdichtungsvorgangs im Bohrloch die ausführende Bohrfirma gekauft oder bestellt hat. Die Bohrfreigabe wird erst erteilt, wenn die Messgeräte installiert und einsatzfähig sind.
De Haas räumt ein, dass es rund um die Erdwärmesondenbohrung noch Optimierungsbedarf gebe, besonders bei den Baustoffen für die Verfüllung des Bohrlochs und der Mischtechnik. Auch der frostfreie Betrieb der Erdwärmesonden bzw. eine Austrittstemperatur des Wärmeträgermediums aus der Wärmepumpe von höher als 3 °C gelte inzwischen als verbindlich. Wichtig seien jetzt Forschungsvorhaben, wie man defekte Erdwärmesonden zuverlässig saniert bzw. überbohrt. Künftig sollen die Erkenntnisse aus der LQS EWS in Baden-Württemberg auch in das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und das Wassergesetz BW (§ 43 WG) mit einfließen. Konkret bedeutet das: Alle Erdwärmesonden in Baden-Württemberg sind erlaubnispflichtig und die LQS EWS wird verbindliche Rechtsgrundlage. Damit will der Südweststaat seine Führungsrolle bei der Qualitätssicherung rund um das Bohrloch trotz aller Schwierigkeiten weiter ausbauen. Das unterstreicht auch der Titel des Vortrags von Lorinser und de Haas: Geothermie – jetzt erst recht!“
Mehr Nachhaltigkeit durch Nutzungsmanagement
Doch die nächste Hürde für die oberflächennahe Geothermie ist bereits in Sicht: In Ballungsgebieten, wie beispielsweise München, sind Konflikte um die Nutzung des geothermischen Potenzials bereits vorprogrammiert. Die Städte müssten sich darauf einstellen, ein geothermisches Nutzungsmanagement zu etablieren, so der Tenor der Fachtagung. Nähere Angaben über die wichtigen geothermischen Zielparameter, wie Volumenstrom, Grundwassertemperatur, potenzielle thermische Leistung, erhoffen sich Geologen, Genehmigungsbehörden und Planer vom Projekt GEPO – Geothermisches Potenzial der Münchner Schotterebene (http://www.hydro.geo.tum.de/projects/gepo), das in Kooperation von Bayerischem Landesamt für Umwelt (LfU) und dem Lehrstuhl für Hydrogeologieder Technischen Universität München (TUM) im Rahmen der Innovationsoffensive oberflächennahe Geothermie“ im Zeitraum von 2012 bis 2015 durchgeführt wird.
Vorrangiges Ziel der Bayerischen Staatsregierung in puncto Geothermie seien langfristige Entwicklungsprognosen durch ein numerisches Wärmetransportmodell. Dazu zählen auch 3D-Modelle, um quartäre Rinnenstrukturen sichtbar zu machen. Diese Rinnen hätten einen deutlichen Einfluss auf den Grundwasservolumenstrom und damit auf das geothermische Potenzial. Rinnen mit hoher Mächtigkeit eignen sich vorzüglich zur Kühlung von Gebäuden und Rechenzentren“, bemerkt Zosseder. Ideal für die Nutzung von kaltem Grundwasser seien auch U-Bahn-Dücker, da dort meist hohe Wasservolumina zur Verfügung stehen, die häufig sogar ohne zusätzliche Pumpenenergie genutzt werden könnten. Die Stadtwerke München sind gerade dabei, ein Fernkältenetz auf der Basis von Grundwasser aufzubauen. Es existieren bereits etwa 180 unterirdische Bauwerke, bei denen anstauendes Grundwasser für Kühlzwecke gesammelt wird (https://www.swm.de/ Fernkälte). BMW nutzt beispielsweise im Stadtteil Milbertshofen das Grundwasser von acht U-Bahn-Dückern und zwei Brunnenanlagen zur Kühlung des Forschungs- und Innovationszentrums (FIZ). Dort werden auf einer Fläche von rund 500 000 m² von etwa 9 200 Mitarbeitern die künftigen BMW-Modelle entwickelt (Bild 3).
Grundwassertemperaturen werden sich signifikant verändern
die Grundwassertemperaturen werden sich signifikant verändern
flächige Ausbreitungen von Temperaturanomalien nehmen zu
Grundwassernutzungen beeinflussen sich gegenseitig
Einzelbetrachtungen von Wärmequellen in Ballungsgebieten sind problematisch
Vorausgegangen waren detaillierte Untersuchungen der Geologie in Biberach entlang des Flusses Riss“ mittels konkreter Messungen und anschließender Modellbildung und Simulation. Dazu zählen Pumpversuche mit Erfassung der Pumprate und des Grundwasserspiegels, die Analyse der Grundwasserinhaltsstoffe, die Messung der Grundwassertemperatur sowie wasserrechtliche Genehmigungsauflagen. Entscheidend für die Stabilität einer geothermischen Wärmequelle ist die räumliche Verteilung des Grundwassers und das jeweilige Gewässer, das den Zu- und Abstrom von Grundwasser beeinflusst.“ Durch Modellrechnungen konnte Dr. Klein gemeinsam mit den Kollegen Dr. Hermann Schad, IMES GmbH, Wangen (http://www.imes-gmbh.net), sowie Prof. Rolf Schrodi und Stephan Klopp von der Henke und Partner GmbH, Stuttgart (http://www.henke.geo.de), die Ausbreitung von Wärme- und Kältefahnen im Grundwasser von Biberach in Abhängigkeit der Nutzungsdauer (3, 6, 10 Jahre) graphisch darstellen (Bild 4). Klein dazu: Die Temperaturschwankungen im Abstrom von geothermisch genutzten Grundwasserbrunnen sind signifikant. Langfristig hat das eklatante Auswirkungen auf die thermische Grundwassernutzung.“ Wichtig sei deshalb eine gesunde Mischung aus Heiz- und Kühlbetrieb unter Berücksichtigung der Phasenverschiebung zwischen Heiz- und Kühlsaison. Dadurch könnten die Temperaturfahnen im Untergrund erheblich verkürzt werden. Langfristig gesehen sei jedoch ein thermisches Grundwasser-Management notwendig, das auf der Zusammenführung von Informationen über bestehende Grundwassernutzungen, geologischen und hydrogeologischen Informationen sowie Grundwasserströmungs- und Wärmetransportmodellen aufbaut. Die einzig offene Frage sei, wer den nicht unerheblichen Aufwand für diese Dienstleistung trägt.
Modulieren statt Ein-/Aus-Betrieb
Die Effizienz einer Geothermie-Wärmepumpen-Anlage hängt nicht nur von der Dimensionierung und den thermischen und geologischen Rahmenbedingungen ab, sondern zu einem großen Teil vom Wärmepumpengerät selbst. Dass die Wärmepumpe noch ein weites Feld an Verbesserungen bietet, ist kein Geheimnis: Die Feldtests von Marek Miara von Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (http://www.wo-monitor.ise.fraunhofer.de) und Dr. Falk Auer von der lokalen Agenda 21-Gruppe aus Lahr (http://www.agenda-energie-lahr.de/leistungwaermepumpen.html) und nicht zuletzt die Untersuchungen des Schweizer Wärmepumpendoktors Peter Hubacher im Auftrag der Fachvereinigung Wärmepumpen (FWS) (http://www.fws.ch)deckten gravierende Mängel bei Geräten, Auslegung, Montage und Betrieb auf. Ty-pische Schwachstellen waren überdimensionierte Geräte mit Ein-/Aus-Regelung, zu große Pufferspeicher und Umwälzpumpen, falsch eingestellte Regler oder eine zu komplexe Hydraulik bzw. Regelungsstrategie.
Weitere Besonderheiten der neuen Ecoforest-Wärmepumpe seien die Rückgewinnung der Inverterabwärme über passive Wärmeübertrager direkt in den Heizwasserkreislauf (Lüfter zur Inverterkühlung entfallen), ein asymmetrischer Plattenwärmeübertrager zur optimierten Verteilung des Kältemittels sowie die parallele Auskopplung von Wärme für die Trinkwassererwärmung (an der heißesten Stelle im Prozess) und für die Heizung. Auch die im Wärmepumpenprozess entstehende Kälte könne unmittelbar genutzt werden, so Graf. Allerdings gäbe es auch einige keinesfalls triviale Herausforderungen bei invertergeregelten Wärmepumpen.
So sei es zwingend notwendig, dass drehzahlgeregelte Kompressoren erst bei Leerlaufdrehzahl abschalten (da keine Kältemittelsammler eingebaut), was besondere Anforderungen an die Rundsteueranlagen der EVUs oder an eine Smart-Grid-Funktion stelle. Besser sei es, auf Sondertarife mit Abschaltzeiten ganz zu verzichten, da sich diese eher schädlich auf den Betrieb der Wärmepumpe auswirken. Auch die variablen Strömungsgeschwindigkeiten im Sole- und Heizkreis müssten bei der Konzeption der Wärmequelle stärker berücksichtigt werden. Kurze, parallel angeordnete Wärmequellen seien eher ungünstig, da sich einzelne Sonden oder Register aufgrund der geringen Fließgeschwindigkeit abmelden“.
Das hydraulische Konzept sei in einem solchen Fall anspruchsvoll. Eine Lösung sei, die abgemeldete Sonde durch zyklisches Hochfahren des Sondenkreislaufs auf 100 Prozent Volumenstrom wieder zu aktivieren. Auch sei im Heizkreis eine Mindest-umlaufmenge notwendig, sonst schaltet die Wärmepumpe wegen Hochdruckstörung ab und erst nach einer Wartezeit von 20 Minuten wieder ein. Grundsätzlich müssen sich der Planer und Installateur mehr Gedanken über die Anlagenhydraulik, das Einzelraumregelungskonzept und den elektrischen Anschluss machen. Graf dazu: Binden Sie Ihren Elektriker frühzeitig ein und klären Sie, ob ein 230-Volt-Anschluss ohne zeitliche Unterbrechung für die Funktion der Wärmepumpe nicht günstiger ist als ein Sondertarif mit Drehstromanschluss.
Geschludert wird schon bei der Planung
Im ersten Feldtest lag die JAZ-Band-breite der gemessenen Luft/Wasser-Heiz-wärmepumpen nur zwischen 1,6 und 3; in der zweiten Runde hätten drei von zehn Luft/Wasser-Wärmepumpen eine JAZ von über 3,2 erreicht, so Auer. Großwärmepumpen (60 bis 80 kW Heizleistung) schnitten in der zweiten Feldtestphase mit einer JAZ von bis zu 4,4 deutlich besser ab als in Phase 1. Als außergewöhnlich effizient hätten sich in der zweiten Untersuchungsphase eine Erdkollektor-Wärmepumpen-Anlage und eine CO2-Erdsonden-Wärmepumpen-Anlage erwiesen. Spitzenreiter mit einer JAZ von über 5 war eine solarthermisch unterstützte Wärmepumpe mit Hybrid- und Erdkollektor. Besonders hervorgehoben hat Auer das Anlagekonzept mit direktverdampfender CO2-Erdsonde, da diese sehr effizient arbeite und keinen Pumpenstrom benötige. Vorteil sei außerdem, dass CO2-Sonden in Baden-Württemberg auch in Wasserschutzgebieten Zone III eingebracht werden dürften.
Die Gründe für das schlechte Abschneiden von Wärmepumpen sieht Auer in der Planung (da wird geschludert“), in den teilweise recht großen Förderpumpen bei Grundwasser-Wärmepumpen und Erdwärmesonden (300 Watt sind zu viel; kleine Bohrlochdurchmesser verursachen mehr Pumpenenergie“) und in zu komplexen Anlagen mit mehreren Wärmequellen (Halten Sie sich an die Empfehlungen des Schweizer Wärmepumpendoktors Peter Hubacher: Je einfacher die Anlage, desto besser die JAZ“). Schuld an dem Dilemma seien aber auch die Vertriebsingenieure der Wärmepumpen-Hersteller, denen – so Auer – oftmals die physikalischen Grundkenntnisse fehlten. Namentlich kritisierte Auer den Trend zu Luft/Wasser-Wärmepumpen, da diese gerade dann, wenn sie die höchste Heizleistung erbringen müssen, mit dem physikalisch vorgegebenen schlechtesten COP arbeiten. Wenig Freude an ihrer Sole/Wasser-Wärmepumpe hätten auch die Betreiber von Anlagen mit Erdkörben als Wärmequelle. In vielen Fällen kann sich das Erdreich innerhalb der Körbe nicht regenerieren. Das Eis baut sich über die Jahre immer weiter auf! Finger davon!“, rät Auer.
Auch Wärmepumpen mit Eisspeichern müssten kritisch gesehen werden. Bestenfalls könne man mit einer JAZ zwischen 3 und 3,5 rechnen. Generell empfiehlt Auer, mehr auf Details wie Rohrdämmungen (nicht ausreichend), Heizkurven (meist zu hoch), Nachtabsenkungen (zu tief) und Hydraulik (nicht abgeglichen) zu achten. Es gebe aber auch Wärmepumpen-Anlagen, bei denen die Notheizstäbe die Hauptwärmearbeit übernommen hätten. Stellen Sie diese grundsätzlich AUS“, empfiehlt Auer. Der etwas provokante Vortrag von Dr. Auer erhielt bei der Bewertung der Veranstaltung von den Teilnehmern übrigens die Bestnote.
Hybridisierung der Wärmequellen
Die oberflächennahe Geothermie hat durch die Problemfälle in Baden-Württemberg nach dem Hype der Jahre 2005 bis 2006 einen offenbar heilsamen Dämpfer erhalten. Die Risiken werden heute etwas genauer analysiert, die Kosten für Investitionen und Betrieb mit Risikozuschlägen versehen. Gewinner ist die Luft/Wasser-Wärmepumpe, trotz schlechterer Jahresperformance gegenüber geothermischen Wärmepumpenanlagen.
Fazit
Die Komplexität der Zusammenhänge bei der oberflächennahen Geothermie wird bisher von den Marktakteuren offenbar unterschätzt. Aktuelle Warnungen vor einer Übernutzung“ des geothermischen Untergrunds und die Forderung nach einem thermischen Management deuten darauf hin, dass das geothermische Potenzial langfristig gesehen begrenzter ist, als von den Lobbygruppen kommuniziert. Ob die oberflächennahe Geothermie weiterhin einen Platz unter den zukunftsträchtigen Energien einnehmen wird, entscheidet der zunehmend verunsicherte Bauherr. Der etwas forsche Slogan der Landesregierung Baden-Württemberg Geothermie – jetzt erst recht!“, scheint hier nicht so recht die Stimmung an der Basis widerzuspiegeln. Geothermie – vorwärts mit Bedacht!“ entspricht eher dem aktuellen Stimmungsbild.
Wolfgang Schmid,
freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München