Die Digitalisierung im Handwerk ist im deutschsprachigen Raum eher noch die Ausnahme als die Regel. In der Schweiz will man das ändern, auch um den, Zitat einer Pressenotiz zur Swissbau 2022, „hervorragenden Ruf des schweizerischen Handwerks“ abzusichern.
„Die Digitalisierung ist in vollem Gange“
Nukleus für eine breite Digitalisierungsoffensive im Heizungshandwerk ist das von der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS) initiierte Wärmepumpen-System-Modul (WPSM). Es handelt sich dabei um eine gemeinsame Effizienz- und Qualitätsinitiative von Wärmepumpen-Herstellern und -Lieferanten sowie Branchenverbänden wie suisstec, Gebäudeklima Schweiz, dem Schweizerischen Verein von Gebäudetechnik-Ingenieuren (SWKI) und dem Bundesamt für Energie (BFE).
In vielen Kantonen ist das WPSM-Gütesiegel inzwischen Voraussetzung für die Förderung des Umstiegs von fossilen und direktelektrischen Heizsystemen auf Wärmepumpen. Ausschlaggebend für die Digitalisierungsoffensive der FWS ist die steigende Anzahl der Zertifikat-Anträge von ursprünglich 511 im Jahr 2017 (Beginn der Zertifikatvergabe) auf geschätzte 25.000 Anträge bis Ende 2021.
Durch diese Flut an WPSM-Anträgen sah sich das FWS gezwungen, Antragseingabe, Antragsprüfung sowie die Meldung an Kantone, Lieferanten und Stichprobenkontrolleuren auf eine digitale Basis zu stellen. Dadurch stehen alle Daten der jeweiligen Wärmepumpenanlage für alle Beteiligte quasi auf Knopfdruck zur Verfügung. Zertifizierte Fachbetriebe werden dadurch in die Lage versetzt, den Antrag auf das Anlagezertifikat (und damit auch auf die Förderung) selbst vorzunehmen. Folgende vier Schritte sind notwendig:
Zur Unterstützung der Digitalisierung des Wärmepumpen-Zertifikats WPSM initiierte die FWS außerdem ein Aus- und Weiterbildungsprogramm (Blended Learning) als Kombination von Präsenzveranstaltung und E-Learning.
Georges Guggenheim, Ressortleiter Aus- und Weiterbildung bei der FWS, sieht in der Digitalisierung der WPSM-Anträge eine echte Arbeitserleichterung, da die Menge an Anträgen konventionell nicht mehr zu bearbeiten waren. Sein Resümee: „Die Digitalisierung rund um die Wärmepumpe ist in der Schweiz in vollem Gange.“
Kältemittel: Meldepflicht für Kälteanlagen und Wärmepumpen
Der Betrieb von Kälte- und Klimaanlagen, Wärmepumpen und Geräten mit Kältemittelfüllung ist in der Schweiz in der Chemikalien-Risikoreduktionsverordnung, Anhang 2.10 (ChemRRV) reguliert. Bislang liegt der tatsächliche HFKW-Verbrauch in der Schweiz gemäß den Zielvorgaben des Montreal-Protokolls deutlich unter dem Absenkungspfad der F-Gase-Verordnung. Damit dies auch weiterhin so bleibt, hat das schweizerische Bundesamt für Umwelt (BAFU) folgende Neuerungen auf den Weg gebracht:
Der Vollzug der Regelungen erfolgt durch den Bund, die Kontroll- instanz liegt bei den Kantonen. Henry Wöhrnschimmel, stellvertretender Sektionschef des Bundesamtes für Umwelt, geht davon aus, dass es ab 2024/2025 weitere, noch strengere Regeln beim Einsatz von Kältemitteln in Wärmepumpen geben wird. Auf die Frage, mit welcher Leckagemenge man bei Wärmepumpen in der Schweiz rechnen müsse, antwortete Wöhrnschimmel diplomatisch, „sie ist nicht Null“.
Offen bleibt die Frage, welche Kosten durch geplante Melde- und Prüfpflichten sowie die Einschränkungen bei den Kältemitteln entstehen und wie sich diese Kosten auf die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe auswirken.
Elektromobilität begünstigt Eigenverbrauchsoptimierung
Eine weitgehend mit Photovoltaikstrom betriebene Wärmepumpe gilt derzeit auch in der Schweiz als ideales Konzept für die Dekarbonisierung des Gebäudeenergieverbrauchs. Begünstigt wird der Wunsch nach einer möglichst hohen PV-Stromdeckung durch die Einbindung einer häuslichen Ladestation für ein Elektrofahrzeug, das mittelfristig eine bidirektionale Ladefunktion übernehmen könnte. Dabei zeigt sich, dass solche Anlagenkonzepte bei konventioneller Betriebsweise nur einen geringen Anteil zur Stromautarkie eines Gebäudes beitragen.
Nach Ansicht von Andreas Kuhn, Geschäftsführer der Solar Manager AG, Muri/Schweiz, funktioniert so ein System nur durch eine Priorisierung über ein fabrikatneutrales Energiemanagementsystem. Im ungünstigsten Fall konkurrieren Wärmepumpe, elektrische Haushaltsgeräte und Ladestation um das zur Verfügung stehende PV-Stromangebot. Wenn es schlimm kommt, schaltet sich auch noch der Heizstab der Wärmepumpe ein, beispielsweise wenn ein Legionellenprogramm den Trinkwassererwärmer hochheizt.
So könne beispielsweise durch den Einbau des von Kuhn entwickelten Solarmanagers der Autarkieanteil eines Haushalts mit vier Personen (26 kWh/d Photovoltaik-Produktion, 25 kWh/d Verbrauch) von 21 Prozent (ohne Optimierung) auf 46 Prozent (durch Warmwasserpriorisierung) und weiter auf bis zu 98 Prozent (Heizung, Warmwasser, Batterie, Elektroauto) durch eine entsprechende Priorisierung gesteigert werden. Wichtig sei eine zentrale, funktionsübergreifende Regelung mittels „Master“, offenen, herstellerunabhängigen Schnittstellen sowie eine einfache Bedienung durch den Nutzer per App.
Der Solarmanager sei in der Lage, mehr als 200 Geräte integral nach Kundenwunsch zu steuern/regeln. Speziell bei Wärmepumpenanlagen empfiehlt Kuhn die Speicherung überschüssiger Wärme in der Gebäudemasse durch eine dynamische Sollwertverschiebung. Smart-Grid-Ready-Funktionen hält Kuhn dagegen eher für kontraproduktiv. Zitat: „Ich sehe Smart-Grid-Ready durch den PV-Anlagenboom eher als ein Auslaufmodell“. Wichtig sei die Einbindung des Heizstabs in das Priorisierungskonzept. Dieser dürfe erst freigegeben werden, wenn die Erwärmung des Trinkwassers durch die Wärmepumpe bei etwa 50 Grad Warmwassertemperatur liege.
Zur besseren Entscheidungsfindung werden die wichtigsten Kennzahlen auf der App-Oberfläche visualisiert, zum Beispiel Stromüberschüsse, die durch elektrische Verbraucher, wie Spül- oder Waschmaschinen, genutzt werden können. Wo immer möglich, empfiehlt Kuhn eine LAN-basierende Kommunikation. Inzwischen hat das Unternehmen rund 2.500 Anwender aufgeschaltet, davon etwa 700 Wärmepumpen und nahezu 1.000 Ladestationen.
Installationszeit einer Wärmepumpe unter zwei Stunden möglich
Die Kosten für die Installation einer Wärmepumpe liegen aktuell in Deutschland bei etwa 10.000 Euro, aufgrund fehlender Erfahrungen der Installateure oftmals noch höher. „Das können wir uns auf Dauer nicht leisten. Mit solchen Preisen ist die Wärmepumpe nicht wettbewerbsfähig“, bemängelt Dr.-Ing. Marek Miara vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme die aktuelle Situation in einem kürzlich geführten Interview mit dem Autor (siehe KK11/2021, S. 28).
Offensichtlich ist diese Botschaft bei Viessmann bereits angekommen, denn Rainer Gutensohn von der Viessmann (Schweiz) AG stellte am Beispiel der neuen Propan-Wärmepumpe Vitocal 25X-A unter anderem folgende Attribute heraus:
Wer als Bauherr jemals die Installation eines Heizgerätes oder einer Wärmepumpe mitverfolgte, der wundert sich über den doch recht hohen Anspruch von Viessmann, eine Installationszeit von 2 h sei möglich. Erreicht werde dies durch den im Gerät integrierten Pufferspeicher mit 16 l Inhalt, einem integrierten Überstromventil, einem Expansionsgefäß mit 18 l Inhalt sowie einer integrierten Wannenheizung für die Abtaufunktion, so Gutensohn.
Zeitverkürzend wirke sich auch die geführte Inbetriebnahme via Vitoguide und die automatische Entlüftung während der Inbetriebnahme aus. Die typischen „Angstmacher“ bei der Installation einer Wärmepumpe, wie Mindestvolumen, Mindestumlaufmenge, Kodieradresse und Fehlercodes, gehörten damit der Vergangenheit an, meint Gutensohn. Außerdem sei das Gerät leicht teilbar; eine wichtige Eigenschaft für die Modernisierung bestehender Heizungsanlagen mittels Wärmepumpe.
Die spezielle Hydraulik der Wärmepumpe beruht in erster Linie auf einem Abtaupuffer, einem Volumenstromsensor, einem 4/3-Wegemischer und einem Drucksensor. Im Hinblick auf die höheren Sicherheitsanforderungen für Propan-Wärmepumpen ist die Außeneinheit mit einem Sicherheits-Gasabscheider ausgerüstet. Mit der Wahl des Kältemittels Propan (R290) mit einem Global Warming Potential (GWP) von 3 (zum Vergleich: R32 GWP=675) sei das System in der Lage, auch 70/55°C-Heizsysteme zu bedienen, so Gutensohn.
Besonderer Wert wurde bei der R290-Wärmepumpe auf die Reduktion der Schallausbreitung gelegt. Stichwort dazu ist der Begriff „Psychoakustik“, der so viel bedeutet, wie „was man nicht sieht, nimmt man anders wahr“. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass sichtbar drehende Ventilatoren einer Außeneinheit in der menschlichen Wahrnehmung eine höhere Schallleistung abgeben als nicht sichtbare Rotoren. Viessmann gibt an, dass sich die Schallleistung der neuen Außeneinheiten von 54 dB (A) nach 5 m auf 35 dB(A) reduziert.
Fazit
Planung, Installation und Inbetriebnahme einer Wärmepumpe sind keinesfalls trivial. Mit der Digitalisierung und Standardisierung von Planung, Genehmigung, Förderung, Realisierung und Effizienzkontrolle nach zwei Jahren Betriebszeit setzt die Fachvereinigung Wärmepumpe Schweiz sowie ihre peripheren Verbände neue Maßstäbe bei der Qualitätssicherung.
Kritische Themen, wie Lärmbelästigung durch Luft/Wasser-Wärmepumpen, werden proaktiv angegangen, ebenso die Fragen rund um das Thema Kältemittel und CO2-Reduzierung. Besonders beeindruckt den Autor der Anspruch von Viessmann, innerhalb von 2 h eine Luft/Wasser-Wärmepumpe installieren zu können.
Parallel zum Verfassen dieses Textes bemühten sich zwei Tage lang (zeitweise) bis zu fünf Monteure sowie zwei Elektriker, ein modernes Brennwertgerät zu installieren. Es ist also noch viel Luft für funktionellere Montage- und Inbetriebnahmemodi. ■
Wärmepumpen-System-Modul WPSM
Das Qualitätszertifikat WPSM ist eine gemeinsame Entwicklung von Wärmepumpen-Herstellern und -Lieferanten sowie der schweizerischen SHK-/HLK-Verbände. Auch das Bundesamt für Energie ist in die Trägerschaft des WPSM eingebunden.
Das Zertifikat gibt vor, dass bei Berechnung und Auslegung der Wärmepumpenanlagen standardisierte Abläufe eingehalten werden und die Hersteller abgestimmte Komponenten verwenden. Auch die Inbetriebnahme einer Wärmepumpenanlage erfolgt nach standardisierten Vorgaben.
Nach Abschluss der Installationsarbeiten reicht der Installateur seine Berechnungen an die neutrale Prüfstelle des FWS ein, die auf Basis dieser Unterlagen ein Anlagenzertifikat erstellt und dieses an den Bauherrn weitergibt. Dieses Zertifikat ist gleichzeitig die Grundlage für die Auszahlung einer Förderung in Höhe von 2.000 sFr., die je nach Kanton variieren kann. Die Kosten für das Zertifikat liegen bei 380 sFr. zuzüglich Mehrwertsteuer und werden dem Bauherrn in Rechnung gestellt.
Eine Besonderheit des WPSM-Zertifikats ist die Kontrolle im 3. Jahr nach der Inbetriebnahme der Wärmepumpe durch den Lieferanten. Damit werde die Energieeffizienz der Anlage gesichert und gleichzeitig die Komfortansprüche der Bewohner berücksichtigt, so die Initiatoren.