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Kommunale Versorgung

Kalte Wärmenetze gewinnen an Boden

Wärmepumpen spielen auch hier die Schlüsselrolle. Denn in Kombination mit Wärmenetzen sind sie in der Lage, viele Haushalte effizient und kostengünstig mit „grüner“ Wärme zu versorgen. Hinzu kommt die Fähigkeit moderner Wärmepumpen, Gebäude und Wohnungen auch sanft zu kühlen. Ein Effekt, der angesichts der immer heißer werdenden Sommer zunehmend gefragt ist.

Andreas Wimmer, Projektmanager Energiekonzepte bei ait Wärmepumpen: „Die passive Kühlung wird immer wichtiger. Dabei leiten wir an heißen Tagen einfach Wärme aus dem Gebäude ins Erdreich. Dieser Kühleffekt ist sehr energieeffizient, fast kostenlos, und erhöht den Wohnkomfort. Zugleich regenerieren wir die Wärmequelle ein Stück weit, denn das Erdreich speichert einen Teil der Wärme und gibt sie am Beginn der Heizsaison wieder an die Wärmepumpen ab.“

So hat ait unter anderem schon vor Jahren Wärmepumpen mit serienmäßig integrierten Kühlkits speziell für den Einsatz in kommunalen Quartieren entwickelt. Und heute sind fast alle Maschinen des Herstellers auch mit Kühlfunktion ausgestattet.

Die passive Kühlung wird immer wichtiger.

Wärmeplanung ist Pflicht

Dass die Kommunen derzeit verstärkt auf Wärmenetze setzen, ist zum einen den gesetzlichen Vorgaben geschuldet. Denn das seit Januar 2024 geltende Wärmeplanungsgesetz stellt die Planer vor klare Aufgaben: „Für Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern muss bis zum Juni 2026 ein Wärmeplan erstellt werden. Für Gemeindegebiete mit bis zu 100.000 Einwohnern ist dafür Zeit bis zum 30. Juni 2028.“

Dabei geht es darum, die „Erzeugung und Bereitstellung von Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme (…) auf die Nutzung erneuerbarer Energien und unvermeidbarer Abwärme“ umzustellen, so der Gesetzgeber weiter. Zum anderen sind es schlicht die baulichen Rahmenbedingungen, die eine übergeordnete Wärmeversorgung erfordern. So arbeiten Wärmepumpen in eng bebauten, oft über Jahrhunderte gewachsenen Stadtquartieren optimal, wenn sie ihre Primärenergie aus einem kalten Wärmenetz beziehen.

Und auch in Neubaugebieten, die heute ebenfalls durch eine dichte Bebauung geprägt sind, ist die Versorgung von Wärmepumpen mit kalter Nahwärme oft die energetisch beste Lösung.

Gefragtes Knowhow

Andreas Glatzer gehört ebenfalls zum Energiekonzepte-Team bei ait Wärmepumpen: „Immer mehr Kommunen suchen energieeffiziente Quartierslösungen, aber haben natürlich selbst nicht das Knowhow dafür.“ Also habe man dieses Knowhow gezielt aufgebaut und ein Netzwerk von kompetenten Partnern wie Ingenieurbüros, Hochschulen oder Monitoring- und Steuerungs-Spezialisten geschaffen.

„Damit können wir Kommunen und Planern alles zur Verfügung stellen, was sie bei der Entwicklung eines neuen Quartiers in Sachen Wärmeversorgung brauchen. Von der Machbarkeitsstudie und Projektierung über die Erschließung der Wärmequelle, den Bau des Versorgungsnetzes und die Installation der Wärmepumpen bis hin zum Monitoring.“

Für Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern muss bis zum Juni 2026 ein Wärmeplan erstellt werden.

Abwärme liefert Primärenergie

Ein wesentlicher Vorteil für kommunale Planer: Sie können häufig auf Primärenergiequellen zugreifen, die privaten Bauträgern und kleineren Projekten nicht zugänglich sind. Städtische Abwasserkanäle etwa, die ganzjährig ein stabiles, relativ hohes Temperaturniveau – meist zwischen 8 °C und 12 °C – liefern. Oder Abwärme aus industriellen Prozessen oder Rechenzentren. Versorgungskonzepte mit dezentralen Wärmepumpen setzen unter anderem auf die Nutzung solcher Primärenergiequellen. Dabei arbeiten in jeder Wohnung oder jedem Haus einzelne Wärmepumpen – beispielsweise analog einer Gas-Etagenheizung. Sie werden über ein kaltes Wärmenetz mit Primärenergie versorgt, aus der sie mit vergleichsweise wenig Stromeinsatz Heizenergie produzieren. Das ist gerade bei Projekten mit vielen Wohneinheiten ein erhebliches Plus. So obliegt die Erzeugung von Brauchwarmwasser dem jeweiligen Wohnungseigner oder -mieter. Dadurch werden die strengen Vorgaben der Trinkwasserverordnung wegen Verunreinigung oder Legionellengefahr elegant umgangen.

Denn: Ein dezentraler Warmwasserspeicher, wie er bereits in einer kompakten Wärmepumpe integriert ist, hat üblicherweise ein Volumen von 200 Litern. Damit ist er als Kleinanlage von der regelmäßigen Kontrollpflicht ausgenommen, die für eine zentrale Trinkwasserversorgung bei einer Großanlage ab drei Wohneinheiten vorgeschriebenen ist. Zum anderen braucht sich der Quartiersbetreiber bei einer solchen dezentralen Lösung nicht um die Abrechnung der Heizkosten zu kümmern. Vielmehr ist jeder Wohnungseigner oder -mieter für seine Heizkosten selbst verantwortlich – die Abrechnung mit dem Stromversorger läuft einfach über den wohnungseigenen Stromzähler.

In Tiefgaragen oder Keller-Geschossen lässt sich mit kompakter Kältetechnik viel Leistung verstecken.

Bild: ait / alpha innotec / Michel Oehlen Fotografie

In Tiefgaragen oder Keller-Geschossen lässt sich mit kompakter Kältetechnik viel Leistung verstecken.

Semi-dezentrale Lösungen

Eine komplett dezentrale Wärmeversorgung – eine Wärmepumpe pro Wohneinheit – lässt sich allerdings nicht immer realisieren. Zwar nehmen heutige Wärmepumpen sehr wenig Raum in Anspruch – ein Quadratmeter Aufstellfläche ist in aller Regel mehr als ausreichend. Dennoch ist dieser Platz manchem Investor zu wertvoll, um ihn für die Heizung zu reservieren. Hinzu kommt: In vielen Fällen stellt der Quartiersbetreiber, zum Beispiel der kommunale Energieversorger, nicht nur das Wärmenetz zur Verfügung, sondern auch die Wärmepumpen.

Der Aufwand für deren Wartung und Instandhaltung lässt sich deutlich verringern, wenn lediglich eine oder mehrere Heizzentralen technisch zu betreuen sind. In solchen Fällen wird beispielsweise jedes Mehrfamilienhaus mit einer großen Wärmepumpe ausgestattet, die alle Wohneinheiten im Haus versorgt.

Fallen die Erneuerbaren über längere Zeit aus, muss gespeicherte Energie eingespeist werden.

Die Steuerung im Mijnwater-Projekt hat das Grubenwasser aus dem Bergwerk im Blick.

Bild: ait / alpha innotec /Michel Oehlen Fotografie

Die Steuerung im Mijnwater-Projekt hat das Grubenwasser aus dem Bergwerk im Blick.

Keine Verteilverluste

Dass gerade kalte Wärmenetze an Bedeutung gewinnen, liegt nicht zuletzt daran, dass sie in der Regel durch ihr niedriges Temperaturniveau keine oder allenfalls minimale Verteilverluste generieren. So liefert ein kaltes Netz den angeschlossenen dezentralen Wärmepumpen je nach Auslegung und Wärmequelle Primärenergie mit 6° bis 12° Celsius. Im Gegensatz zu warmen Netzen, die den Energieträger auf Heizungs-Temperaturniveau transportieren. Außerdem macht die relativ geringe Temperaturdifferenz zwischen der Wärmequelle und der Vorlauftemperatur moderner Flächenheizsysteme – sie liegt in der Regel zwischen 35 °C und 45 °C – Wärmepumpensysteme sehr effizient.

Faktor Netzdienlichkeit

Neben ihrem effizienten Umgang mit Energie und ihrer klimaschonenden Arbeit haben Wärmepumpen einen weiteren Effekt, der bei der Planung kommunaler Netze durchaus eine Rolle spielt: die Netzdienlichkeit. Sie ist wichtig vor dem Hintergrund der hohen Volatilität erneuerbarer Energien. Scheint die Sonne über einen längeren Zeitraum oder wehen kräftige Winde, müssen die so entstehenden Erzeugungsspitzen über flexible Verbraucher abgefedert werden. Fallen andererseits die Erneuerbaren über längere Zeit aus, muss gespeicherte Energie eingespeist werden.

Die öffentlichen Stromnetze brauchen also ausgleichende Elemente wie die Wärmepumpe. Sie kann die Erzeugung und den Bedarf von Wärme entkoppeln. Beispielsweise indem sie nachts arbeitet und die Wärme in einen thermischen Speicher einspeist. Das können Wasserspeicher für Heizung oder Brauchwasser sein – oder Multifunktionsspeicher, die beide Kreisläufe bedienen. Auch Wände, Böden und Decken von Gebäuden können als Wärmepuffer dienen. In diesem Fall werden wasserführende Leitungen als Verteilsystem in den Betonkern eingebracht. Von dort kann die zwischengespeicherte Energie morgens oder tagsüber abgerufen werden – eine wesentliche Voraussetzung für die Netzdienlichkeit der Wärmepumpe.

Um dies optimal zu nutzen, „haben die Betreiber der Wärmenetze üblicherweise Zugriff auf die `smart grid´ Schnittstelle der angeschlossenen Wärmepumpen“, erklärt Vladimir Tsintsiper. Er arbeitet seit vielen Jahren für ait Wärmepumpen – unter anderem als Projektierer für Quartierslösungen.

Abwasser als Energiequelle

„Wohnen westlich des Schlossparks“ heißt ein neues Quartier der Stadt Wiesbaden. Sie versorgt die dortigen Wohnungen über ein kaltes Wärmenetz im Verbund mit Wärmepumpen. Als Primärenergiequelle dient der nahegelegene Abwasserkanal.

Die fünf Mehrfamilienhäuser im Quartier sind jeweils mit einer Wärmepumpe von ait Wärmepumpen vom Typ alpha innotec SWP 561H ausgestattet – Profi-Wärmepumpen mit einer Leistung von jeweils 50 Kilowatt. Zwei große Pufferspeicher in jedem Mehrfamilienhaus sorgen dafür, dass den Wohnungen jederzeit ausreichend Heizungswasser zur Verfügung steht. Für die Wärmeversorgung der Einfamilien- und Reihenhäuser arbeitet in jedem Haus eine kleinere Wärmepumpe vom Typ alpha innotec WZSV mit 9 kW Leistung.

Auch ein großes neues Quartier in Neustadt am Rübenberge wird über ein kaltes Wärmenetz versorgt. Den größten Teil der dafür benötigten Primärenergie liefert ein in der Nähe verlegtes Erdkollektorfeld mit annähernd 15.000 m² Fläche. Eine weitere Energiequelle ist das Regenrückhaltebecken, das eigens für das neue Quartier gebaut wurde. Oder die Betreiber des niederländischen Quartiers „Mijnwater“. Sie nutzen Grubenwasser aus einem Bergwerk als Wärmequelle. Schon jetzt versorgt das ehrgeizige Projekt mehr als 200.000 m² beheizte beziehungsweise gekühlte Fläche, bis 2025 sollen es eine Million Quadratmeter werden.

Die genannten Projekte sind neben vielen anderen mit Unterstützung der Experten von ait Wärmepumpen unter der Leitung von André Bernhardt entstanden. Andreas Wimmer: „Mit unseren Konzepten verbessern wir den effizienten Umgang mit Energie deutlich, das schont die Budgets der Bewohner und unser Klima.“

Sein Kollege Andreas Glatzer ist davon überzeugt, dass die Stadtquartiere der Zukunft fast alle auf der Basis solcher oder ähnlicher Versorgungskonzepte entstehen werden.■

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