Die akquirierten Interessenten gilt es nun dahingehend zu überprüfen, ob sie die fachlichen, die wirtschaftlichen und die persönlichen Voraussetzungen für eine Nachfolge im Unternehmen erfüllen. Zu diesem Zweck führen wir mit jedem Interessenten ein ausführliches telefonisches Interview nach einem vorgegebenen Schema und einem projektspezifischen Fragenkatalog. Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied, ob das Interview mit dem Geschäftsführer eines Branchenunternehmens oder mit einem jungen Meister, der sich selbstständig machen möchte, geführt wird.
Beginnen wir mit dem Geschäftsführer aus der Branche. Zunächst ist es wichtig zu wissen, was der Zweck der angestrebten Übernahme ist. Soll eine Geschäftserweiterung, eine Verlagerung oder die Errichtung einer Niederlassung vorgenommen werden. Wenn dieser Punkt geklärt ist, stellt sich die Frage, ob die beiden Unternehmen überhaupt zueinander passen.
Weiterhin ist zu prüfen, wie sich die umsatzmäßigen und personellen Größenverhältnisse zwischen den beiden Unternehmen verhalten (Porsche-VW-Syndrom). Sollen beide Unternehmen führungsmäßig zusammengelegt werden oder gibt es in einem der beiden Unternehmen eine Führungskraft, die diese Aufgabe nach einer zwei- bis viermonatigen Einarbeitungsphase durch den Verkäufer übernehmen kann.
Der zweite große Block der Vorprüfung befasst sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Käuferseite. Anhand von geeigneten Unterlagen, wie Jahresabschlüsse, Bank- und Bonitätsauskünfte, wird die grundsätzliche finanzielle Potenz geprüft. Mit dem aus diesen Unterlagen und aus den geführten Gesprächen gewonnenen Wissen erörtern wir mit beiden Parteien die vom potenziellen Erwerber vorgesehene Finanzierungsstruktur.
Ganz anders verläuft das Prüfverfahren bei einem Existenzgründer. In diesem Fall sind die Punkte der fachlichen Eignung und der beruflichen Erfahrung die ersten Gesprächsgegenstände. Ein ausführlicher Lebenslauf liefert wichtige Anhaltspunkte für die Fragen, wann die beruflichen Qualifikationen erreicht wurden und wie viel Personalverantwortung der Interessent bisher hatte. Weiterhin ist zu prüfen, ob er seine bisherigen beruflichen Stationen in ähnlichen mittelständischen Strukturen oder in einem Großunternehmen absolviert hat. Wir haben schon häufig erfahren müssen, dass sich fachlich sehr gute Kandidaten aus großen Unternehmen oder sogar aus Konzernen in mittelständischen Strukturen schwer getan haben, da sie zum Beispiel aus ihren früheren Tätigkeiten eine geregelte Arbeitszeit ohne Überstunden gewohnt waren. Ideal sind junge Meister, die in ähnlich strukturierten Betrieben in Bezug auf Umsatz, Mitarbeiter und Kundenstruktur aufgewachsen“ sind.
Von ganz zentraler Bedeutung für die Verkäuferseite ist bei einem Existenzgründer die genaue Prüfung, und wenn das nicht möglich ist, zumindest aber die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, wie sicher die Genehmigungen der Finanzierung durch die Banken und ggf. die öffentlichen Stellen, wie Kfw und Bürgschaftsbanken, sind.
Es mag den Leser verwundern, dass in diesem und im letzten Kapitel gar nicht die Rede von der Kaufpreisbildung war. Das hat seinen Grund darin, dass wir das Thema Kaufpreis in diesem Stadium des Projekts nicht so in den Vordergrund stellen. Wir legen jedem Interessenten zu Beginn des Gesprächs die mit unserem Mandanten festgelegte Bandbreite des Kaufpreises mit den aufgrund der Analyse gewonnenen Argumenten zur Bewertung des Unternehmens offen. Falls erhebliche Meinungsunterschiede in der Bewertung des zu verkaufenden Unternehmens bestehen, kann das den Abbruch der Gespräche bedeuten. Wichtig ist es in diesem Stadium, der Gegenseite ausreichend Raum für ihre Argumente hinsichtlich der Bewertung zu lassen. In der Regel einigt man sich aber nach dem Austausch der Argumente auf eine vernünftige Bandbreite. Eine sinnvolle Spreizung der Bandbreite ist zum Beispiel 500 000 bis 800 000 Euro oder 850 000 bis 1,2 Mio. Euro. Die niedrigere Zahl sollte in etwa die Preisuntergrenze des Mandanten widerspiegeln. In Richtung auf die Obergrenze kann sich der Kaufpreis bewegen, wenn mehrere, sehr interessierte Käufer vorhanden sind.
Die Stunde der Wahrheit für die tatsächliche Höhe des Kaufpreises kommt aber immer erst mit der intensiven Prüfung des Unternehmens (Due Diligence) durch den Käufer und seine Berater. Eine Prüfung des Unternehmens, die normal verläuft, stabilisiert den Kaufpreis. Wenn im Rahmen der Prüfung unerwartete Dinge (Leichen im Keller“) entdeckt werden, beeinflusst das den Kaufpreis in der Regel in negativer Richtung. Damit die Due Diligence kein Waterloo wird, ist zu rechtzeitiger und sorgfältiger Vorbereitung zu raten. Damit befassen wir uns in der nächsten Ausgabe.
Dirk G. Müller,
Geschäftsführer der Beratungsfirma DMConsulting, Berlin / München