Sinnvolle Ergänzungen zur Kosteneinsparung stellen regenerative Energien wie Photovoltaik zur Stromerzeugung dar. Bei bestehenden Anlagen, deren Verträge auslaufen oder bereits ausgelaufen sind, stellt sich die berechtigte Frage, wie der beste Weg für die Zukunft gestaltet werden kann. Denn für eine optimale Wirtschaftlichkeit von Neu- und Bestandsanlagen stellt die bisherige Möglichkeit der Energiespeicherung in Überschusszeiten eine große Hürde dar. Aufgrund der geringen Einspeisevergütungen lohnt es sich nicht, die überschüssige Energie dem öffentlichen Markt zur Verfügung zu stellen.
Kälteanlagenbauermeister und Brauerei-Experte Tobias Schlögl (Fa. Trane Roggenkamp) ist dennoch der Meinung, PV-Anlagen sind speziell für Brauereien die ideale Lösung, da sich die Stromausbeute über das Jahr gesehen parallel zum Bierausstoß verhält.
Das vorliegende Praxisbeispiel der 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel stellt von der Entstehung bis zu den Ergebnissen dar, wie mit dem Budget einer kleinen mittelständischen Brauerei eine wirtschaftliche Lösung realisiert werden konnte.
Ausgangsituation
Die Lagerkellerkühlung der Brauerei wird seit 1965 mittels einer Linde NH3-Direktverdampfungs-Kälteanlage und einem Verdunstungskondensator umgesetzt. Die 300 kg NH3 wird über unisolierte, bereits stark oxidierte Stahlrohre in die Lagerkeller geführt. Geschalten werden muss über einen Handschalter, da keine Regelung vorhanden war. Die Folge: Der Keller ist immer nass und die Situation in den Lagerkellern sorgt für einen erhöhten Energieaufwand und Probleme bei der Temperierung. Die Bedingungen zur Bierlagerung sind suboptimal, vor allem im Sommer.
Vorbereitung & Umsetzung
Eine vorab durchgeführte energetische Beratung hat ein Einsparpotenzial von ca. 35,2 MWh/a ergeben. In der Vor-Ort-Analyse durch Trane Roggenkamp wird das Einsparpotenzial ebenfalls entsprechend hoch bewertet. „Das alternative Kälteanlagenkonzept ohne Kolbenverdichter und Ammoniak war zwar zu Beginn ungewöhnlich, jedoch hat das Gesamtsystem schließlich überzeugt. Das Gesamtkonzept inklusive einer vollautomatischen Steuerung, die alle Bereiche und Kühlstellen der gesamten Brauereikühlung umfasst, war zudem mit unserem Budget realisierbar“, erzählt der Brauereiinhaber. Der Einbau der neuen Brauereikühlung erfolgt in einem bisher ungenutzten Raum der Brauerei. Die alte Kühlung konnte bis kurz vor der Umstellung weiterlaufen. Das neue System läuft seit Beginn vollautomatisch und ohne Ausfall. Die Automatisierung der Anlage kann über die webbrowserbasierte Visualisierung von überall und jederzeit eingesehen und parametriert werden. Regelungsanpassungen werden im weiteren Verlauf per Fernwartung und größere Änderungen und Kontrollen vor Ort durchgeführt.
Folgende Verbesserungen ergeben sich durch die Erneuerung:
Neuanlage
Um dem Budget zu entsprechen, wird eine kostenoptimierte Serienkältemaschine verwendet, mit vier Leistungsstufen und zwei unabhängigen Kältekreisläufen mit Scrollverdichtern. Großzügig dimensionierte, trockene Verflüssiger führen die Abwärme leise und effizient an die Umgebung ab. Hierbei ist keine Besprühung bzw. Berieselung nötig, somit unterliegen die Verflüssiger nicht der 42. BImSchV. Die Kondensationstemperaturen sind zwischen 25 °C und theoretisch sogar 67 °C, womit eine Hochdruckstörung fast ausgeschlossen ist. Mit einem niedrigen Hilfsenergiebedarf durch hocheffiziente, drehzahlgeregelte Pumpen; größere Luftkühler und ausreichend große Rohrleitungsdimensionen, wird die Gesamteffizienz weiter verbessert. Durch Einbindung des Gärkellers ist nur noch die zweistufige Würzekühlung am Eiswasserbecken angeschlossen. Die Verbesserung des Gesamtsystems ist durch homogenere und tiefere Kühlung des Gär- und Lagerkellers sichtbar. Der seit dem Umbau fortlaufend analysierte Stromverbrauch sank deutlich, was folgende Bewertung möglich macht.
Auswertung
Die Entwicklung des Energieverbrauchs für die Kühlung ist in der Abbildung dargestellt. Der Bierausstoß der Brauerei war seit 2017 konstant. Der Strombedarf ist wie prognostiziert gesunken, obwohl eine deutlich höhere Kühlleistung abgerufen wurde. 2022 will die Brauerei die Würzekühlung durch einen Glykol-Eisspeicher ins Gesamtsystem einbinden, eine weitere Energiekostenreduktion ist zu erwarten. Trotz der benannten Einsparungen ist der Gesamtenergiebezug vom Netz hoch. Es resultieren hohe Stromkosten, ein schlechter CO2-Fußabdruck und die Leistungspeaks führen zu sehr hohen Bereitstellungskosten vom Energieanbieter.
Eigenstromerzeugung
Im Juni 2020 wird eine PV-Anlage mit 84 kWp auf dem Brauereihauptgebäude in Betrieb genommen. Durch die PV-Anlage wird der Netzbezug um weiter 60MWh/a gesenkt, zusätzlich findet eine Einspeisung von 15 bis 20 MWh/a statt. Die sinkende Einspeisevergütung und die EEG-Umlage legen eine Maximierung der Eigenstromnutzung nahe. Mit dem bestehenden Trane Roggenkamp Equipment wird 2021 eine PV-Überschussregelung umgesetzt bzw. die bestehende Regellogik erweitert. Tagsüber ist eine Leistungssteigerung der Kältemaschine ohne zusätzlichen Strom aus dem Netz möglich. Überschüsse werden über die leistungsgeregelte Kältemaschine abgeleitet und die Lagerkeller dienen hierbei als thermische Batterie – die Bierbatterie.
Bei Stromüberschuss läuft die Kühlung der Lagerkeller an und speichert die überschüssig erzeugte PV-Energie in Form von Kälte in den Lagertanks ein. Die Lagerkeller werden dadurch etwas unterkühlt. Mit einem Lagervolumen von 3000 hl können 340 kWh thermisch gespeichert werden, wenn das Bier um 1 °C tiefer abgekühlt wird. Durch die Überschussregelung sinken die Raumlufttemperaturen – je nach Solarstrahlung – für etwa 5 bis 6 Stunden auf bis zu – 1,5 °C im Raum ab und steigen im Laufe der Nacht wieder auf die Solltemperatur an. Meist ist damit nachts keine weitere Kühlung notwendig.
Unter Betrachtung der Energieeinsparung von 32,8 MWh/a, der Eigenstromnutzung von etwa 60 MW/a und der erweiterten Eigenstromnutzung durch die Überschussregelung von 15 MW/a reduziert sich der Strombezug vom Netz von 211 583 kWh/a auf 103 783 kWh/a. Das Resultat: Eine Halbierung des Gesamtstrombezugs vom Netz.
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Das neue System bringt dauerhaft ein Drittel mehr Leistung, trotzdem ist der Stromverbrauch der Kältemaschinen von 2017 – 2020 um 35,8 Prozent gesunken. Die Gesamteinsparung durch das System beträgt 28 000 €/a für die Brauerei. Die Amortisationszeit der Eigenstromerzeugung verkürzt sich durch die PV-Überschussregelung.
Fazit
Nicht nur der niedrigere Stromverbrauch, sondern auch die verbesserte Konstanz der Kühlung, die sich in der Verfeinerung und Kontinuität der Produktqualität darstellt, sind der neuen Anlage zu verdanken. Eine zukunftsorientierte und umweltfokussierte Technik wirkt sich zudem positiv auf das Brauerei-Image aus. Tobias Schlögl ist überzeugt, dass glykolbasierende, indirekte Kühlsysteme mit geringen Kältemittelmengen die Zukunft sind.