Wer seine Anlage mit höchstmöglicher Energieeffizienz betreiben möchte, sollte individuelle Alternativen für das bestehende oder zukünftige Kühlkonzept evaluieren.
Warum sollten Unternehmen sich konkrete Gedanken über mehr Energieeffizienz im Rechenzentrum machen? Das wachsende Datenvolumen ist ein Grund dafür. So gilt generell die Aussage, dass sich das globale Datenvolumen etwa alle 18 Monate verdoppelt. Die Digitalisierung sowie das Internet der Dinge werden ein explosionsartiges Wachstum des Datenverkehrs weiter fördern. So geht zum Beispiel der Cisco Global Cloud Index von einem jährlichen Anstieg um 25 Prozent des IP-basierten (Internet Protocol) Datenverkehrs in Rechenzentren bis 2019 aus. Von 2014 bis 2019 hätte sich das IP-Datenvolumen damit verdreifacht. Für IT-Verantwortliche bedeutet das, dass sie Kapazitäten für Storage und Netzwerk weiter ausbauen müssen. Dagegen wird die in einem Rechenzentrum installierte Prozessorleistung nicht in dem gleichem Maße steigen – allein schon dadurch, dass bei den Herstellungsprozessen in der Halbleitertechnik derzeit physikalische Grenzen erreicht werden, die kaum noch eine Steigerung der Transistordichte erlauben.
ASHRAE und die warme Luft zum Kühlen
Auf dem Weg zu weniger Stromverbrauch führt der erste Stopp zu dem US-Industrieverband ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers). Gemeinsam mit Herstellern von IT-Systemen wurde dort die Empfehlung entwickelt, dass Kunden die Serverzulufttemperaturen auf bis zu 26 °C anheben können. Wer heute noch ein 18 °C kaltes Rechenzentrum betreibt, wirft sein IT-Budget sprichwörtlich zum Fenster hinaus. Allerdings sind den Temperaturen auch Grenzen nach oben gesetzt: Wird ein 26 °C warmer Luftstrom zur Kühlung verwendet, führt dies im Schnitt etwa zu einer um 10 °C erwärmten Ausgangstemperatur. Betreibt ein Unternehmen ein Rechenzentrum, in dem regelmäßig Umbauten und Erweiterungen vorgenommen werden, wird es bei Raumkühlung mit rund 36 °C schon recht warm für die Techniker. Gleichzeitig lässt sich das Prinzip einer höheren Einblastemperatur auch nicht beliebig erweitern. Bei 30 °C warmer Eingangsluft kann sich diese auf 40 °C erhitzen, was Menschen schon als unangenehm heiß empfinden.
Für wen ein Kühlkonzept lohnt
Für wen genau lohnt sich die individuelle Ausarbeitung eines Kühlkonzepts? Es sind meist größere Installationen, bei denen sich geringere Energiekosten über die Jahre hinweg zu relevanten Summen addieren. Noch vor einigen Jahren wurden viele Kühlkonzepte in der Annahme entwickelt, dass die Energiedichte innerhalb der IT-Schränke weiter zunehmen wird. Dies trat jedoch nicht ein, da IT-Komponenten wie Server immer effizienter wurden. Heute liegt die mittlere Leistung in IT-Racks im Schnitt zwischen 5 und 7 kW – im Vergleich dazu erreichen HPC-Systeme bis zu 40 kW pro Rack. Bei kleineren Installationen geht daher der Trend hin zu kompakten DX-Kühlgeräten, also zu kompressorbasierten Systemen mit Kühlmitteln wie R410A oder R134a. Die DX-basierte Kühlung ist für kleine bis mittlere Gesamtleistungen bis etwa 40 kW Verlustleistung bei homogener Leistungsverteilung über die IT-Racks hinweg gut geeignet.
Technologie sucht Anwendung
Theoretisch können IT-Verantwortliche bei der Planung großer Rechenzentren auf eine Vielzahl alternativer Konzepte zurückgreifen, um die auf ihren Bedarf zugeschnittene Lösung herauszufinden. In der Praxis entstehen jedoch nur wenige Anlagen komplett neu. Unternehmen sollten daher auf erfahrene externe Spezialisten setzen und gemeinsam ein passendes Energiekonzept entwickeln. Als Beispiel sind im Folgenden nur einige der vielen alternativen Kühlkonzepte aufgeführt, die heute von großen RZ-Betreibern verwendet werden.
Interessante technische Lösungen finden sich häufig im Bereich der Forschung und an Hochschulen: herausgefordert durch die extrem hohen Rechenleistungen bei gleichzeitigem Anspruch nach umweltfreundlich und bezahlbaren Lösungen. So nutzen einige HPC-Datacenter das Prinzip der direkten Wasserkühlung, um die Wärme unmittelbar von der CPU abzuführen. Das Konzept ist vergleichbar mit der im privaten Bereich bei Highend-Gaming-PCs verwendeten Wasserkühlung: Ein direkt auf dem Prozessor angebrachter Kühlkörper wird von Wasser durchströmt. Der SuperMUC-Großcomputer im Leibniz-Rechenzentrum München nutzt dieses Prinzip und arbeitet mit 40 °C warmem Wasser. SuperMUC gilt als einer der energieeffizientesten Supercomputer weltweit. Die ETH Zürich startete vor einigen Jahren das Projekt Aquasar, bei dem die Rechner mit 60 °C Wassertemperatur im Vorlauf arbeiten. Das 65 °C heiße Wasser aus dem Rücklauf wird durch einen Wärmeübertrager an einen externen, zweiten Wärmekreislauf weitergegeben, der direkt das Gebäudeheizsystem der ETH Zürich speist. Laut Hochschule spart dieses Konzept rund 40 Prozent der Energiekosten und damit rund eine Million Euro jährlich.
Luft ins Rechenzentrum schaufeln
Wer den Aufwand einer Flüssigkeitskühlung scheut und eine große homogene RZ-Fläche kühlen muss, kann auf rotierende Wärmeübertrager setzen, die mit kühler Außenluft arbeiten. Voraussetzung: Es ist sehr viel Platz vorhanden. Bei der sogenannten Kyoto-Kühlung bewegen große Räder mit Durchmessern von mehreren Metern die Luftmassen. Über die eingebauten Wärmeübertrager wird die im Rechenzentrum vorhandene Luft durch die kältere Außenluft gekühlt. Der Unterschied zur direkten Freikühlung ist, dass keine Außenluft direkt ins Rechenzentrum dringt. Bei warmen Außentemperaturen sind jedoch zusätzliche Kältekompressoren notwendig. Ein bekanntes Beispiel für die Implementierung liefert das Rechenzentrum bei Noris Network in Nürnberg, das bei hoher Auslastung einen PUE von 1,2 erreicht. Im Vergleich zu herkömmlichen Klimaanlagen gehen die Hersteller dieser Luft/Luft-Wärmeübertrager von über 70 Prozent weniger Energie für Kühlung und Betrieb des Rechenzentrums aus. Laut Erfahrung von Rittal rentieren sich Anlagen mit Kyoto-Kühlung etwa ab einer Kühlleistung von 200 kW.
„Grüne“ Kühlung
Keine Sorgen um den Wasserverbrauch müssen sich Unternehmen machen, die ihre Anlage mit Meerwasser kühlen. In Norwegen entsteht derzeit in Zusammenarbeit mit Rittal das Lefdal Mine Datacenter, bei dem in einer stillgelegten Mine an der Küste ein komplettes Rechenzentrum aufgebaut wird. Das kalte Fjordwasser bietet eine ausgezeichnete Basis für eine wasserbasierte IT-Kühlung. Dazu kommen die traditionell günstigen Strompreise, da Norwegen über 95 Prozent seines Stromes aus regenerativen Quellen bezieht. Bei Kühlung mit vergleichsweise aggressivem Salzwasser ist allerdings eine durchgängige Titanbeschichtung aller Leitungen des Kühlkreislaufes erforderlich.
Fazit: Der Umwelt zuliebe
Bei all den Maßnahmen für mehr Energieeffizienz sollten Unternehmen auch mögliche Auswirkungen auf die Umwelt beachten. Bei dem Einsatz von DX-Klimasystemen deutet sich ein Wandel bei Verwendung der bisher genutzten Kältemittel an, da diese den Treibhauseffekt verstärken können. Künftige Systeme könnten daher mit Methan oder CO2 arbeiten. Wer Meereswasser zur Kühlung verwendet, muss sich über mögliche Auswirkungen auf die Wassertemperatur normalerweise keine Sorgen machen, da die zurückgeführten Wärmemengen zu gering sind. Ein Effekt der Erwärmung tritt eher bei Flusswasser auf, wie man es in der Nähe von Atomkraftwerken beobachten kann. Die Kühlung über Geothermie ist ebenfalls nur begrenzt einsetzbar, da hier Vorgaben zur Temperatur des in die Erde zurückgeleiteten Wassers einzuhalten sind.
In Zukunft werden sich Kühlkonzepte verstärkt damit beschäftigten, wie sich die von der IT erzeugte Wärme für die Gebäudetechnik nutzen lässt. Das Niveau der erreichten Wärme ist oftmals jedoch so niedrig, dass sich damit alleine keine Gebäude erwärmen lassen. Es empfiehlt sich ein Gesamtkonzept zu erstellen, das je nach Standort ganzjährig funktioniert und verschiedene Technologien kombiniert. Das Fazit der IT-Experten von Rittal fällt jedenfalls eindeutig aus: Wer sich nur ausreichend mit alternativen Konzepten beschäftigt und eine Vorstellung davon hat, wie sich das eigene Geschäftsmodell und damit die Nutzung der IT-Systeme in den kommenden Jahren entwickelt, der findet ein günstiges, umweltfreundliches und zukunftssicheres Konzept für die IT-Klimatisierung.
Bernd Hanstein,
Hauptabteilungsleiter Produktmanagement IT, Rittal, Herborn
Christian Abels,
Referent Produktkommunikation, Rittal, Herborn