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Auf dem Hänger mit Martin Seidel von Loxstedter Kühltechnik  

Kältetechnik an Bord

KältenKlub: Martin, schön, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Erzähl doch mal, was gibt es für Kältetechnikanlagen auf Schiffen und wie unterscheiden sie sich voneinander?

Seidel: Klar, gerne! Also, ähnlich wie an Land gibt es auf Schiffen Proviantanlagen, das sind im Grunde die Kühlräume, in denen Lebensmittel für die Besatzung gelagert werden. Bei einem Kreuzfahrtschiff kannst du dir vorstellen, dass es bis zu 20 Kühlräume gibt. Auf einem normalen Frachter gibt es meistens nur einen Kühlraum und vielleicht noch einen Tiefkühlraum. Die Klimatisierung ist auch ein großes Thema, weil man auf einem Schiff ja keine Fenster öffnen kann – sonst würde Wasser reinkommen, und das wollen wir ja nicht! Daher haben Schiffe Vollbelüftungsanlagen, die klimatisiert werden müssen. Je nachdem, was für ein Schiffstyp das ist, kommen noch weitere Kälteanlagen hinzu, wie zum Beispiel Kühlcontainer auf Containerschiffen.

Die Bedingungen auf See sind ganz anders als an Land

KältenKlub: Das klingt schon mal sehr vielseitig. Wie sieht es mit Fischereischiffen aus?

Seidel: Ja, genau! Auf Fischdampfern ist das Ganze nochmal eine Nummer größer. Da sprechen wir von Schiffen, die bis zu 100 Tonnen Fisch pro Tag fangen, verarbeiten und einfrieren. Der Fisch wird in Kartons verpackt und tiefgefroren im Lagerraum aufbewahrt, bis das Schiff wieder an Land kommt. Dann gibt es noch Gastanker, die ihre Ladung gekühlt transportieren müssen, um den Druck niedrig zu halten. Da gehen wir bis auf minus 103 Grad runter – das sind dann schon recht beeindruckende Anlagen.

KältenKlub: Minus 103 Grad? Das sind ja extreme Temperaturen! Wie sieht so eine Anlage technisch aus?**

Seidel: Ja, das ist ziemlich kalt! Solche Anlagen sind oft Kaskadensysteme, wo ein Kältekreislauf den nächsten kühlt. Insgesamt haben wir da vier Verdichterstufen im Einsatz. Das sind zwei Zylinder für die Niederdruckstufe und zweistufige Schraubenverdichter für die Hochdruckstufe. Je nach Bedarf kann das System aus einer oder mehreren Anlagen bestehen.

KältenKlub: Wie beeinflussen Wellengang und Temperaturunterschiede die Kältetechnik an Bord? Gibt es da besondere Anforderungen?

Seidel: Auf jeden Fall! Die Bedingungen auf See sind ganz anders als an Land. Zum Beispiel können die Wassertemperaturen je nach Region stark variieren. In arktischen Gewässern kann das Wasser minus zwei bis minus drei Grad kalt sein. Da müssen wir die Kühlwassermenge genau regeln, sonst würde der Verflüssigungsdruck zu niedrig werden und das Expansionsventil nicht mehr richtig funktionieren. Außerdem müssen die Anlagen den Vibrationen und Bewegungen des Schiffes standhalten – da ist eine solide Befestigung der Rohrleitungen extrem wichtig.

KältenKlub: Auf welchen Arten von Schiffen arbeitest du denn so? Ist da alles dabei von Frachtern bis hin zu Luxusjachten?

Seidel: Ja, tatsächlich! Ich habe schon auf fast jedem Schiffstyp gearbeitet. Von kleinen Fischkuttern hier an der Küste bis hin zu großen Fischfabrikschiffen. Wir betreuen auch Behördenschiffe, Ölauffangschiffe, Seenotrettungskreuzer und Forschungsschiffe wie die Polarstern. Bei Luxusyachten sind wir auch im Einsatz, allerdings meistens im Servicebereich. Auf solchen Yachten gibt es oft viele Kühlräume, weil alles streng getrennt ist – für den Eigner, die Gäste und die Crew.

KältenKlub: Das klingt nach einer Menge Abwechslung. Wie sieht es mit der Wartung aus, vor allem wenn die Schiffe auf langer Reise sind?

Seidel: Die meisten Schiffe haben Ingenieure an Bord, die für die Wartung zuständig sind. Bei kleineren Problemen können sie oft selbst Hand anlegen. Wenn es größere Schwierigkeiten gibt, kontaktieren sie uns oder einen lokalen Agenten. Manchmal fliege ich auch direkt hin, um vor Ort zu helfen. Das kann schon mal bedeuten, dass ich nach Thailand oder Singapur fliege, um einen Verdichter zu reparieren, den die Crew auseinandergebaut hat.

KältenKlub: Hast du ein Beispiel für so einen Einsatz?

Seidel: Ja, letztes Jahr war ich in Thailand. Da hatte ein Schiff Probleme mit einem Verdichter. Die Crew hatte ihn komplett auseinandergebaut – da standen nur noch das Graugussgehäuse und zwei Kisten mit Einzelteilen. Der neue Ingenieur wollte sich da nicht ranwagen, also bin ich hingeflogen und habe den Verdichter wieder zusammengesetzt. Das war schon eine Herausforderung, aber am Ende hat alles funktioniert.

KältenKlub: Wie oft bist du unterwegs? Bist du viel auf Reisen oder eher im Büro?

Seidel: Das variiert. Es gibt Jahre, da bin ich fast ständig unterwegs – letztes Jahr war ich das erste halbe Jahr de facto komplett auf Reisen. Dieses Jahr ist es bisher etwas ruhiger. Manchmal sind es kurze Einsätze, manchmal längere Aufenthalte im Ausland. Aber es wird nie langweilig!

Im Moment ist noch viel R404A im Einsatz, vor allem für Proviant- und Klimaanlagen

KältenKlub: Welche Kältemittel kommen denn hauptsächlich zum Einsatz auf Schiffen?

Seidel: Im Moment ist noch viel R404A im Einsatz, vor allem für Proviant- und Klimaanlagen. Manche Reedereien stellen gerade auf R407F um, was nicht immer optimal ist, da die Verdichter damit manchmal Probleme bekommen. Auf Fischtrawlern haben wir oft Ammoniak als Kältemittel, besonders bei großen Anlagen mit Plattenfrostern. R22 gibt es auch noch vereinzelt, aber das wird immer weniger, da die Klassifizierungsgesellschaften darauf achten, dass umweltfreundlichere Kältemittel eingesetzt werden.

KältenKlub: Gibt es große Unterschiede zwischen Schiffskälte und Landkälte?

Seidel: Die Grundprinzipien sind ähnlich, aber es gibt wichtige Unterschiede. Zum Beispiel müssen die Rohrleitungen auf Schiffen sehr fest montiert sein, um den Vibrationen standzuhalten. Auch Außengeräte sind selten, da sie seewasserfest sein müssen und anderen Anforderungen unterliegen. Außerdem haben wir auf Schiffen andere Herausforderungen durch die Umgebungsbedingungen wie Salzwasser und wechselnde Temperaturen.

KältenKlub: Martin, vielen Dank für das spannende Gespräch! Hast du noch etwas, das du unseren Lesern mitgeben möchtest?

Seidel: Gerne! Die Kältetechnik auf Schiffen ist ein faszinierendes Feld mit vielen Herausforderungen. Es macht Spaß, immer wieder vor neuen Aufgaben zu stehen und Lösungen zu finden. Wer Interesse an Technik und Abwechslung hat, dem kann ich diesen Bereich nur empfehlen. ■

(Externer Link)www.lokue.de

Bild: KältenKlub