Obschon im Mittelpunkt des Interesses, liegt der Anteil des Stroms am Endenergiebedarf von Deutschland bei lediglich 20 Prozent, der Verkehr benötigt weitere 30 Prozent. Den größten Anteil am Endenergiebedarf nimmt jedoch die Erzeugung von Kälte und Wärme ein. Laut AGEB Anwendungsbilanzen e. V. liegt der Anteil industrieller Prozesswärme allein bei über 18 Prozent des Endenergiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland.
Wie geht es mit der Dekarbonisierung weiter?
Die angestrebte Dekarbonisierung hatte bereits in den vergangenen Jahren große Auswirkungen auf die Industrie. Große Teile davon sind in den europäischen CO2-Zertifikatehandel eingebunden, was einen entsprechenden Handlungsdruck bewirkt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Weitestgehend unbeachtet wurde eine Senkung der CO2-Emissionen der Industrie durch den sogenannten Fuel-Switch erzielt: Durch die Substituierung von Öl durch Erdgas als Energieträger der Kesselanlagen konnten die Zielvorgaben erreicht werden. Doch der Fuel-Switch ist weitgehend ausgereizt, denn viele Anlagen sind bereits umgerüstet. Alternativ kann eine weitere Technik dazu beitragen, die Dekarbonisierung auch in künftigen Dekaden fortzusetzen, nämlich die Industriewärmepumpen.
Diese elektrisch angetriebenen Kompressionswärmepumpen profitieren vom Ausbau der regenerativen Stromerzeugung und können auf dieser Basis Kälte und Wärme klimaneutral erzeugen. Durch den fallenden Primärenergiefaktor von Strom trägt der Einsatz von Wärmepumpen auch in künftigen Jahren zur Effizienzsteigerung in der energetischen Unternehmensbilanz bei.
Ökologisch und ökonomisch sinnvoll
In der Planungsphase neuer Produktionsanlagen trifft der oftmals ideologische Umweltgedanke auf rationale ökonomische Überlegungen. Dient beispielsweise das vorhandene Kaltwassernetz als Wärmequelle für Industriewärmepumpen, wird dadurch das Kaltwassernetz gekühlt und das Warmwassernetz erwärmt. Die Investitionskosten für zusätzliche Kühlleistung entfallen und die laufenden Betriebskosten werden verringert. Dies gelingt durch eine simultane Nutzung der Kühl- und Heizenergieströme, wodurch konventionelle Kesselanlagen entfallen können oder zumindest deutlich kleiner ausfallen.
Ein entsprechendes Industriewärmepumpen-Projekt setzt die Fellbacher Combitherm GmbH um. Mit der Baureihe Ansor stehen Anlagen zur Verfügung, die auf die Anforderungen der Industrie zugeschnitten sind:
Praxisbeispiel Produktionshalle
In Süddeutschland entsteht eine Produktionshalle mit einer Prozesswasser-Wärmepumpe Ansor HKWG 2/38I. Die Anlage stellt eine nutzbare Heizleistung von 1 200 kW bereit und beinhaltet eine Umschaltmöglichkeit auf Mischbetrieb, Kältebetrieb und Naturalkühlung. Im Auslegungsfall wird Warmwasser von 45 °C erzeugt, maximal sind 60 °C möglich.
Zusätzlich zur Deckung des Heizbedarfs der Produktionshalle unterstützt die Wärmepumpe das Kaltwassernetz im Mischbetrieb durch die Bereitstellung von 1 010 kW Produktionskälte bei 31/23 °C. Der reine Heiz-COP beträgt 6,3. Durch die zusätzliche Nutzung der Kälteleistung im Mischbetrieb wird ein Gesamt-COP (Heizen + Kühlen) von 11,6 erreicht. Im Mischbetrieb ist sowohl der nach Heizbedarf geführte als auch der nach Kältebedarf geführte Betrieb möglich. Die Betriebsart kann vom Betreiber frei gewählt werden. Alle Informationen werden der Gebäudeleittechnik via BACnet übermittelt.
Neben der Wärmepumpe Ansor HKWG 2/38I werden zwei Kälteanlagen Ansor KWG 2/38I mit jeweils 1 200 kW Kälteleistung installiert. Im reinen Kältebetrieb liefert die Wärmepumpe ebenfalls 1 200 kW Kälteleistung bei 12/6 °C. Insgesamt stehen der Produktionshalle damit 3 600 kW Kälteleistung zur Prozesskühlung und als Klimakälte zur Verfügung.
Die freie Kühlung oder auch Naturalkühlung dient vornehmlich in der Übergangszeit dazu, die Effizienz auf Ebene der Jahresbilanz zu erhöhen. Liegt kein Heizbedarf vor, kann die Anlage die Kälteleistung bei niedrigen Außentemperaturen direkt über die Rückkühler abführen. In dieser Betriebsart bleiben die Verdichter ausgeschaltet.
Umrüstung auf HFO-Kältemittel möglich
Im Rahmen des ganzheitlichen Regelkonzepts der Ansor-Baureihe sind die Ventilatoren der Rückkühler, die Frequenzumrichter-geregelten Verdichter sowie die Hydraulikpumpen aufeinander abgestimmt, was die Effizienz insbesondere im Teillastbetrieb steigert. Beim süddeutschen Projekt entschied man sich für das Kältemittel R513A, da es langfristig eine einfache Umrüstung auf HFO-Kältemittel ermöglicht. Die redundante Ausführung der Hydraulikpumpen erhöht die Betriebssicherheit der Produktionsanlagen.
Der Aufbau der Wärmepumpe ist individuell an die Aufstellbedingungen sowie die Einbringsituation angepasst: Umbauarbeiten vor Ort sollen vermieden werden, um den Produktionsausfall zu begrenzen. Eine Maßnahme dafür ist es, den Schaltkasten separat von der Maschine aufzustellen. Das standardmäßige Touch-Panel der Ansor-Baureihe ermöglicht dem Betreiber und dem Service-Team eine intuitive, projektspezifische Visulisierung aller relevanten Daten während des laufenden Betriebs. Zusätzlich ist eine Smart-Grid-Vorbereitung möglich. Hierdurch könnte der Betreiber mit der Wärmepumpenanlage am Regelleistungsmarkt teilnehmen und seine Energiekosten mithilfe von Strompreisprognosen weiter senken.
Fazit
Das in Süddeutschland umgesetzte Heiz- und Kühlkonzept trägt dazu bei, die Betriebskosten des Betreibers zu verringern. Durch die Nutzung regenerativer Energiequellen können außerdem drohende Risiken aufgrund umweltpolitischer Veränderungen vermieden werden. Insgesamt ist das Industriehallen-Projekt mit Industriewärmepumpen von Combitherm dazu geeignet, klimaneutral und zukunftssicher zu heizen, zu klimatisieren und zu kühlen. ■