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Oberflächennahe Geothermie zwischen Marktschwäche und Qualitätsprogrammen

Wärmepumpenmarkt funktioniert nur mit besserer Qualitätssicherung

    Der Markt für Erdreich-Wärmepumpen, insbesondere mit Erdwärmesonden, ist durch die Hebungsschäden in Baden-Württemberg nachhaltig gestört. Die jetzt vorliegenden Erkenntnisse aus den vom Land Baden-Württemberg und neuerdings auch von der Internationalen Energieagentur (IEA) initiierten Forschungsprojekten zeigen, dass die bisher eingesetzten Verfahren und Materialien zur Verfüllung des Ringraums zwischen Erdwärmesonde und Erdreich (Gebirge) oftmals ungeeignet sind und deshalb keine dauerhafte Dichtigkeit garantiert werden kann. Auch hat es den Anschein, dass Normen, Vorschriften und Richtlinien den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nur unzureichend abbilden bzw. durch die jetzt vorliegenden Forschungsergebnisse überholt sind.

    Wissenschaftler bestätigen Risiken

    Die aktuellen Ergebnisse des vom Land Baden-Württemberg finanzierten Verbund-Forschungsprojektes EWS-tech der Projektpartner Solites, dem European Institute for Energy Research (EIFER), dem Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW), der Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (MPA  Karlsruhe) sowie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) lassen vermuten, dass die bisher niedergebrachten Erdwärmesonden (EWS) mit hoher Wahrscheinlichkeit Fehlstellen aufweisen. Auch scheinen die heutigen Erkenntnisse rund um die Verfüllung von EWS bei Weitem nicht für eine qualitativ hochwertige und langzeitstabile Ringraumverfüllung auszureichen. Grundlage für die jetzt vorgestellten, sehr ernüchternden Ergebnisse sind Laborversuche mit 16 verschiedenen EWS-Verfüllbaustoffen, 36  Verfüllversuche an transparenten, 6 m hohen, nicht besandeten PMMA-Rohren unter realitätsnahen Randbedingungen sowie acht Versuche an realen 30 m tiefen EWS-Sonden. Solites zieht aus den Versuchen folgende Rückschlüsse:

    Bei den Verfüllbaustoffen gibt es deutliche produktabhängige Qualitätsunterschiede

    Thermisch verbesserte Verfüllbaustoffe auf Quarzsandbasis tendieren eher zum Entmischen und zur Bildung von Kanalstrukturen

    Eine hohe Anmischintensität der Suspension führt zu geringeren Absetzmaßen

    Mit Kolloidal- bzw. Chargenmischern können homogene Suspensionseigenschaften über den gesamten Verpressvorgang einfacher sichergestellt werden

    Eine einfachere Sondengeometrie (Koaxialsonden statt Doppel-U-EWS) reduziert die Wahrscheinlichkeit der Bildung von Kanalstrukturen

    Die Bildung von Fehlstellen wird eindeutig durch den Sondenrohrverlauf beeinflusst, da in vielen Bohrlöchern die Sonde eine zufällige Lage einnimmt

    Aus Sicht der Wissenschaftler sind jetzt die Hersteller der Verfüllbaustoffe in der Pflicht, genauere Angaben zur Labor- und Baustellen-Anmischtechnik ihrer Produkte zu machen. Wichtig sei auch eine Erstprüfung für jeden einzelnen Baustoff im Labor oder im Technikum sowie eine Annahme- und Identitätsprüfung auf der Baustelle. Ziel der Projektaktivitäten von EWS-tech II“ ist die Entwicklung eines Pflichtenheftes für EWS-Verfüllbaustoffe und deren Einbauverfahren.

    Praktiker und Bauherren hätten sich an dieser Stelle gewünscht, wie nach dem Vorliegen dieser wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse die Bestand-Erdwärmesonden einzuschätzen sind. Hier stellt sich die Frage, ob die bis dato abgeteuften EWS dem Stand der Technik entsprechen und inwieweit mit Zeitbomben“ gerechnet werden muss.

    Rückbaukosten von EWS werden unterschätzt

    Die Lebensdauer von Erdwärmesonden wird von den Sondenherstellern mit rund einhundert Jahren veranschlagt. Manche EWS sind erst wenige Jahre in Betrieb, da wird bereits über deren Rückbau nachgedacht, insbesondere im geologisch schwierigen Baden-Württemberg. Insofern ist es wichtig zu wissen, wie bei Hebungsschäden wie in Staufen im Breisgau, in Böblingen oder in Leonberg vorzugehen ist: zum einen unter dem Aspekt der Beweissicherung, zum anderen aber auch um mögliche Spätschäden zu begrenzen.

    Langfristig gesehen sind Erfahrungen mit dem Rückbau von EWS wichtig, um am Ende des Lebenszyklus einer EWS keine Altlasten zu hinterlassen. Hier stellt sich nach den jetzt vorliegenden Erfahrungen die Frage, ob bei der wirtschaftlichen Be-wertung von Erdwärmesonden in Zukunft die Kosten für den Rückbau bereits einkalkuliert werden müssten.

    Bei einem Sanierungsprojekt der Heinz Burkhardt GmbH  &  Co.  KG, Neuweiler, ging es in erster Linie darum, den Ursachen von Hebeschäden in Böblingen durch mangelhafte Erdwärmesonden in Form einer Beweissicherung nachzugehen. Aufgabe von Burkhardt war es, die genaue Lage von Grundwasserleitern und Grundwasserstauern sowie deren Potenziale zu erkunden und zu dokumentieren. Gleichzeitig sollte festgestellt werden, ob quellfähiges Gestein im Untergrund vorhanden ist und ob nicht fachgerecht abgedichtete Erdwärmesonden zu den Hebungsschäden geführt haben. Eine besondere Herausforderung bei der Sanierung der EWS-Anlage war die Nähe der Erkundungsbohrung zur Bodenseewasserleitung und deren Hebung von immerhin 50 cm.

    Über die Kosten dieser Erkundungsbohrung schwieg sich Burkhardt aus. In einem anderen Fall, zwei Erdwärmesonden-Sanierungen in der Siemensstraße 11, Böblingen, wurden vom Umweltministerium über das Regierungspräsidium Stuttgart dem Landratsamt Böblingen Mittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Hintergrund dieser vom Land Baden-Württemberg vorfinanzierten EWS-Sanierung ist das noch nicht abgeschlossene Insolvenzverfahren des verantwortlichen Bohrunternehmens Gungl, das im September 2015 beim Amtsgericht Stuttgart Insolvenz angemeldet hat. Gungl wird nach einem Bericht in der Leonberger Kreiszeitung für 17 in den Jahren 2006 bis 2008 unsachgemäß durchgeführte Erdwärmesondenbohrungen verantwortlich gemacht. Die Schadensumme soll bei 50 bis 60 Millionen Euro liegen. Die Online-Ausgabe der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung hat die Zeitleiste Zerreißprobe“ eingerichtet, auf der die Geothermie-Schäden sehr umfassend dokumentiert sind (www.szbz.de Stichwort Zerreißprobe“), auch mit Links zu Gutachten.

    Wärmeträger Wasser“ oft wirtschaftlicher

    Dann nehmen wir eben Wasser als Wärmeträger, heißt es oft, wenn Behörden in Wasserschutzgebieten keine EWS mit Sole als Wärmeträger zulassen. Was dabei oft verkannt wird: die Planung einer solchen Anlage ist viel anspruchsvoller als die einer Sole-Anlage. Stephan Pohl, Geo Consult Pohl, Berndorf, ist jedoch überzeugt, dass die Vorteile von Wasser überwiegen und Wasser-Anlagen“ langfristig sogar wirtschaftlicher sind. Seine Argumente für den Wärmeträger Wasser:

    Fast immer genehmigungsfähig

    Höhere Jahresarbeitszahlen und damit geringere Betriebskosten über die Lebenszeit der Anlage

    Geringere Viskosität und somit geringere Druckverluste, entsprechend niedriger sind die Kosten für den Pumpenstrom

    Bessere Wärmeübertragung, auch bei niedrigeren Strömungsgeschwin-digkeiten

    Effizienterer Kühlbetrieb, da nur ein Kreislauf ohne zusätzlichen Wärmeübertrager

    Die Tücken einer EWS-Anlage mit Wasser als Wärmeträger liegen nach den Erfahrungen von Pohl in der Bereitstellung von Spitzenlast, da Wasser auch bei Temperaturen von über 0 °C im Plattenwärmeübertrager wegen sogenannter Coldspots“ einfrieren kann. Pohl empfiehlt deshalb +2,5 °C als unterste Grenztemperatur. Voraussetzung für einen sicheren Betrieb der Wärmepumpe mit Wasser sei eine exakte Abstimmung der Heizungs- bzw. Kühlanlage mit der EWS-Anlage, die Einhaltung vorgegebener Durchflussmengen nach den Vorgaben der Wärmepumpenhersteller sowie auf das Medium Wasser abgestimmte Ein- und Ausschaltfunktionen von Umwälzpumpen und dem Wärmepumpengerät. Pohl: Diese Wärmepumpenanlagen brauchen eine Vor- und Nachlaufzeit für die EWS-Umwälzpumpe von mindestens einer Minute, sonst kann es durch die Nachverdampfung von Kältemittel im Plattenwärmeüberträger zur Eisbildung kommen.“ Wichtig sei es, sich beim Gerätehersteller die Freigabe für Wasser als Wärmeträger bestätigen zu lassen. Doch das schütze nicht in jedem Fall vor Schäden. Prüfen Sie die Platzierung der Fühler, akzeptieren sie keine Anlegefühler. Wichtig ist, dass die Temperaturmessung hinter dem Wärmeübertrager erfolgt.“

    Im Zweifel lieber Speichersonden anstatt Brunnen

    Grundwasser-Wärmepumpen überzeugen mit Leistungszahlen von 5, in urbanen Wärmeinseln mit ihren typisch höheren Grundwassertemperaturen auch darüber. Die Sicherheit einer Wärmequelle mit vergleichsweise hoher Grundwassertemperatur verleitet manchen Brunnenbauer zu einem eher pauschalen Planungsansatz, der langfristig jedoch keinen störungsfreien Betrieb der Wärmepumpenanlage garantiert.

    Für den Sachverständigen Michael Tholen, Oldenburg, ist die vor Ort vorgefundene Wasserqualität das wichtigste Kriterium, ob sich eine vordergründig hochwirtschaftliche Grundwasser-Wärmepumpe auf Dauer lohnt. Tholen: Bei den geringsten Zweifeln an der Wasserqualität und der angetroffenen Geologie entscheiden Sie sich am besten für eine andere Wärmequelle.“ Ausschlaggebend sei der Eisen- und Mangangehalt, der auf keinen Fall 0,3 mg/l überschreiten sollte. Viele Brunnenfachleute nennen sogar 0,2 mg/l oder 0,1 mg/l als Grenzwert, so Tholen. Auf keinen Fall dürfe man sich an DIN EN 15450 (Heizungsanlagen in Gebäuden) orientieren. Der dort genannte Grenzwert für Eisen und Mangan von 1 mg/l sei ein viel zu hoher Wert und in der Brunnenbaupraxis unüblich. Wichtig für die Wasseranalyse sei ein kleiner Probebrunnen, dessen Tiefe der geplanten Endtiefe entsprechen sollte. Pohl dazu: Wasserentnahmen aus geringeren Tiefen liefern günstigere Werte, da oberflächennahes Grundwasser bereits mit Luft in Kontakt gekommen und Teile der Wasserbestandteile schon oxidiert sind.“ Auf Wasseranalysen von Grundwasser-Wärmepumpenanlagen in der Nachbarschaft könne man sich nicht verlassen, da dort womöglich eine ganz andere geologische Formation vorliege. Eine Enteisenung des Wassers sei bei einer Wärmepumpe in jedem Fall unwirtschaftlich. Tholen: Wählen Sie im Zweifelsfall lieber eine Speichersonde oder ein anderes geschlossenes System. Lassen Sie bei mehr als 0,3 mg/l Eisen im Grundwasser die Finger davon.“ Auch wenn die Wasserqualität stimmt müsse der Bauherr einkalkulieren, dass eine Brunnenanlage immer pflegebedürftig ist.

    Grundwasserpumpen meist zu groß

    Ein typisches Problem bei älteren Brunnenwasser-Wärmepumpenanlagen sei die zu große Fördermenge und der zu hohe Förderdruck der Grundwasserpumpe. Die Ursache liege darin, dass der Handel lange Zeit keine geeigneten (kleinen) Unterwasserpumpen anbot. Eine Wasser/Wasser-Wärmepumpe mit einer Heizleistung von 7 kW komme mit einer Fördermenge von rund 2 m3/h, eine 10-kW-Wärmepumpe mit rund 3 m3/h aus, so Tholen. Erst seit Kurzem werden passende“ Grundwasserpumpen für diesen Leistungsbereich angeboten.

    Neben der ausreichend tiefen Anordnung der Förderpumpe (Faustregel: min-destens doppelte Absenktiefe) und der Beobachtung der möglichen Aufstauhöhe im Schluckbrunnen (Überlaufgefahr bei zu geringer Dimensionierung) empfiehlt Tholen, Entnahme- und Schluckbrunnen möglichst luftdicht auszuführen und die Versickerungsleitung tief in den Schluckbrunnen einzuführen. Dadurch könne die Alterung des Brunnens hinausgezögert und somit die Wartungskosten vermindert werden.

    Wichtig sei auch, die Brunnencharakteristik der Entnahmestelle in Form einer Q-s-Linie zu messen, um die Leistung des Brunnens, sein Absenkverhalten und mögliche Reserven für die Brunnenalterung zu dokumentieren. Auch der Schluckbrunnen müsse wegen der zwangsweisen Alterung ausreichende Leistungsreserven aufweisen. Besonderen Wert müsse auf eine ausführliche Dokumentation gelegt werden, da Brunnenanlagen in der Regel über Jahrzehnte in Betrieb sind. Die Erfahrungen hätten leider gezeigt, dass wichtige Daten für spätere Regeneriermaßnahmen nicht zur Verfügung stehen und damit eine planvolle Herangehensweise kaum möglich ist. Tholen abschließend: Eine Brunnenanlage für eine Wasser/Wasser-Wärmepumpe wird immer pflegebedürftig sein.“

    Fazit

    Nach der Häufung von Schäden mit Erdwärmesondenanlagen in Baden-Württemberg zeigt sich, dass für eine qualitativ hochwertige Erdwärmesondenanlage die heute geltenden anerkannten Regeln der Technik“ nicht ausreichend sind bzw. bei Anlagen kleiner Leistung oft nicht umgesetzt werden. Irritierend ist, dass jahrelang mit Verfüllbaustoffen gearbeitet wurde, die sich im Nachhinein als ungeeignet erweisen und von denen eine potenzielle Gefahr bei den Bestandsanlagen ausgeht. Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass Bauherren, Fachbetriebe und TGA-Planer bei kleinerer Heizleistung die immer effizienter werdenden Luft/Wasser-Wärmepumpen favorisieren.

    IEA startet EWS-Arbeitsgruppe: Erhebliche Probleme durch unerfahrene Akteure

    Die Qualitätssicherung von Erdwärmesonden (EWS) am Bohrloch scheint längst nicht mehr nur ein Problem in Baden-Württemberg zu sein. Anfang 2016 formierte sich innerhalb der Internationalen Energieagentur (IEA), Paris, die Arbeitsgruppe IEA ECES Annex 27 mit dem Ziel, auf internationaler Ebene Maßnahmen zur Qualitätssicherung von Erdwärmesonden in die Wege zu leiten und weiter zu entwickeln. Aktuell beteiligen sich daran weltweit zwölf Länder, darunter China, Kanada, Dänemark, Schweden und die Türkei; Operating Agent für das auf drei Jahre angelegte Projekt ist Manfred Reuß vom ZAE Bayern.

    Reuß räumt ein, dass sich auf dem zeitweise rasch wachsenden Markt auch unerfahrene Akteure tummeln, deren Anlagen zu erheblichen Problemen führen. Durch die Schadensfälle in Baden-Württemberg seien die Auflagen für EWS-Bohrungen verschärft worden und damit die Kosten gestiegen. Das halte potenzielle Bauherren von Investitionen in solche Anlagen ab. Weitere Ursachen für den Rückgang an Neuanlagen sei der weiter steigende Dämmstandard bei Gebäuden und der damit verbundene Trend, Zitat, statt teure energieeffiziente erdgekoppelte Wärmepumpen, lieber schlechte, aber billigere Luft/Wasser-Wärmepumpengeräte einzusetzen.“ Letztendlich beeinflusse auch der Ölpreisverfall den Wärmepumpenmarkt negativ.

    Auswahl spezifischer Ziele der aus nationalen Expertengremien zusammengesetzten Gruppe:

    -Zusammenstellung und Analyse von nationalen Normen und Richtlinien für EWS-Anlagen

    -Ermittlung von Problemfeldern und F&E-Bedarf

    -Ausarbeitung eines Handbuchs von Richtlinien zur korrekten Planung und zum Bau von EWS-Anlagen

    -Untersuchung und Analyse von typischen Betriebsproblemen

    -Erarbeitung von Richtlinien für die Betriebsmessung, für die vorbeugende Instandhaltung und für die Sanierung von Bestands-EWS

    -Ausarbeitung von Informationen für Genehmigungsbehörden sowie von Richtlinien und Normen.

    Interessant für TGA-Fachplaner und ausführende HLKK-Unternehmen ist, dass auch der gesamte Planungsprozess inklusive Anlagenauslegung, Hydraulik, Genehmigungsverfahren und Ausschreibung abgebildet werden soll.

    Wolfgang Schmid,

    freier Fachjournalist für Technische Gebäude-ausrüstung, München

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