Beim SWR Baden-Baden werden Gebäude mit unterschiedlicher Nutzung aus einem Liegenschaftsnetz mit Wärme und Kälte versorgt. Die Verwaltungs-, Produktions- und Rechenzentrumsgebäude benötigen auch im Sommer Heizwärme und müssen auch im Winter klimatisiert werden, sodass es einen kontinuierlichen und gleichzeitigen Wärme- und Kältebedarf gibt.
Im Zuge der Modernisierung einer Heizzentrale im Alfred-Döblin-Haus wurde der Einsatz einer Großwärmepumpe zur Nutzung der Kältemaschinenabwärme erwogen. Die Maschine sollte parallel zu zwei neuen Großkesseln Heizwärme bei 40 / 80 °C erzeugen und dazu das Kühlwassernetz der vorhandenen R 134 a-Maschinen nutzen.Ziel war die Verringerung von Abwärmeverlusten aus den Rückkühlern der Kältemaschinen und die Reduzierung des Gasbezugs. Als wirtschaftlicher stellte sich jedoch die gekoppelte Wärme- und Kälteerzeugung heraus. Dabei wird nicht das Kühlwassernetz als Wärmequelle genutzt, sondern direkt das Klima-Kaltwassernetz.
Besonderes Augenmerk lag auf der Wahl eines umweltneutralen Kältemittels, das auch in Zukunft ohne Einschränkungen, beispielsweise durch eine zukünftige F-Gase-Verordnung, genutzt werden kann. Diese Anforderungen werden durch den natürlichen Stoff Kohlendioxid erfüllt. Kohlendioxid als Kältemittel hat innerhalb der Gruppe der umweltneutralen Kältemittel zusätzlich den Vorteil, dass es ungiftig und vor allem nicht brennbar ist. Damit ist es auch für Anwendungen in der Gebäudetechnik prädestiniert.
Technologie thermeco2 für die Wärme-Kälte-Kopplung
Für herkömmliche Wärmepumpen ist der Einsatzfall Südwestrundfunk aufgrund der hohen Vorlauftemperaturen der bestehenden Heizungsanlage (70 bis 80 °C) ungeeignet. Eine Alternative fand der zuständige unabhängige Energieberater des SWR bei thermea, Hersteller von transkritischen CO2-Hochtemperaturwärmepumpen.
Eine solche Wärmepumpe bietet die Möglichkeit, die geforderten Kälte- und Heizungsnetztemperaturen gleichzeitig zu erzeugen. Weiterhin ist durch die präzise und flexible Steuerung der Wärmepumpe die Betriebssicherheit in allen denkbaren Betriebssituationen gegeben.
Für die Lösung der Aufgabe wurde der Maschinentyp thermeco2 HHR 360 in Wasser/Wasser-Ausführung in Zusammenarbeit mit dem Planer ausgewählt. Die Maschine ist mit vier halbhermetischen Hubkolbenverdichtern ausgerüstet, die auf einen hochdruckseitig transkritischen CO2-Kreislauf mit innerem Wärmeübertrager arbeitet. Da sich wegen der transkritischen Prozessführung das Kältemittel bei der Wärmeabgabe an das Heizmedium nicht verflüssigt, spricht man nicht von Kondensatoren, sondern von Gaskühlern.
Die Maschine ist mit allen erforderlichen Sicherheitseinrichtungen für eine einfache Installation vorbereitet. Anwender müssen lediglich den Verdampfer- und Gaskühlerkreislauf anschließen sowie die Stromeinspeisung und den Anschluss an die übergeordnete Steuerung herstellen. Alle Leistungsdaten sowie die Konformität zu den Europäischen Normen wurden vor der Auslieferung im Werksprobelauf und mit einer Werksabnahme nachgewiesen.
Projektablauf SWR
Hans-Günther Olbrich ist ein unabhängiger Energieberater, der im Sommer 2010 vom SWR beauftragt wurde, die Modernisierung der Heizzentrale im Alfred-Döblin-Haus zu begleiten. Zunächst wurde von ihm eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Bei der anschließenden Suche nach Optimierungsmaßnahmen wendete sich der Energieberater mit der Idee der Wärmerückgewinnung aus den Kälteanlagen an thermea. Gemeinsam wurde diese Idee wirtschaftlich betrachtet und zur Wärme-Kälte-Kopplung weiterentwickelt, die sich als wirtschaftlicher erwies. Im August 2010 stand die technische Lösung fest und ein Kostenrahmen konnte für das Haushaltsjahr 2011 beantragt werden.
Die Ausschreibung der Projektleistungen erfolgte durch den SWR selbst. thermea unterstützte die Planung mit Hinweisen zur Ausrüstung der hydraulischen Anlage und Regelung der Gesamtanlage. Im Ausschreibungsverfahren wurde die A. Knopf GmbH, Bühlertal,ausgewählt. Der Anlagenbauer bestellte die Maschine und erledigte die Einbringung und Installation der vormontierten und kompakten Einheit.
Einbindung der Wärmepumpe in die hydraulischen Systeme
Die Wärmepumpe nutzt als Wärmequelle das Klima-Kaltwassernetz und kann somit auch als Kältemaschine bezeichnet werden. Die Einbindung erfolgt analog und parallel zu den vorhandenen Kältemaschinen. Im Gegensatz zu einer Kältemaschine im klassischen Sinne erzeugt sie jedoch keine Niedertemperaturabwärme, die mithilfe eines Rückkühlwerkes an die Umgebung abgeführt werden muss, sondern speist die entstehende Wärme auf hohem Temperaturniveau direkt in das Heizungsnetz ein.
Heizungsseitig sorgen drei parallel eingebundene Pufferspeicher (Tichelmann-System) für eine Kurzzeitspeicherung und hydraulische Entkopplung zum Liegenschaftsnetz. Die Speicherladung erfolgt durch eine drehzahlgeregelte Pumpe. Die Drehzahl der Pumpe wird von der Wärme-pumpensteuerung so eingestellt, dass der Vorlauftemperatursollwert eingehalten wird.
Die Kälte- bzw. Wärmeleistung der Wärmepumpe kann in vier Stufen durch An- und Abschaltung der vier Verdichter geregelt werden. Zusätzlich kann die Leistung eines Verdichters stufenlos angepasst werden. Die Leistungsstufe der Maschine wird nach der Kältelast (Kaltwassertemperaturen am Verteiler) geregelt. Die Verdampferaustrittstemperatur kann bei konstantem Volumenstrom der Verdampferpumpe mittels Drei-Wege-Mischventil geregelt werden.
Eine Besonderheit gibt das Schaltungsdetail (Bild 5) wieder: Am Standort ist es möglich, dass zeitweise Rücklauftemperaturen über 50 °C auftreten. Bei CO2-Wärmepumpen steigen die Heiz- und die Kälteleistung mit sinkender Rücklauftemperatur stark an. Daher ist es bei der gleichzeitigen Erzeugung von Wärme und Kälte sinnvoll, die Rücklauftemperatur aus dem Heizungssystem abzusenken, um eine möglichst große Kälteleistung zu erhalten. Im Projekt wurde dieser Aspekt gezielt genutzt und zur Absenkung der Rücklauftemperatur ein Wärmeübertrager installiert, der das teilweise 50 °C warme Rücklaufwasser im Gegenstrom zum Kühlwasserkreislauf auf max. 45 °C abkühlt.
Die Vorteile:
- Kälteerzeugung mit gleichzeitiger Teilwärmenutzung auf hohem Temperaturniveau.
- Ein großer Teil der Abwärme aus der Kälteerzeugung kann im Heizungssystem genutzt werden. Es werden von einem 40-K-Temperaturband (40 / 80 °C) zeitweise maximal 10 K, also 25 Prozent, über den Rückkühler abgeführt, somit stehen als Heizleistung immer noch 233 von 311 kW zur Verfügung.
- Geringe Belastung des Rückkühlwerkes trotz 200 kW Kälteleistung.
- Es müssen nur 311 kW x 0,25 = 78 kW über das Rückkühlwerk abgeführt werden.
- Bei sinkender Rücklauftemperatur vollständige Wärmenutzung im Heizsystem und keine Belastung des Rückkühlwerkes. Niedrige Rücklauftemperaturen sind generell anzustreben (geringere Pumpenleistung, geringere Wärmeverluste)
- Bei fehlendem Wärmebedarf ist alternativ reiner Kältemaschinenbetrieb mit vollständiger Rückkühlung möglich. In diesem Fall erfolgt eine Absenkung der Vorlauftemperatur.
- Als Besonderheit erhöht die Hochtemperaturrückkühlung bis 40 / 80 °C an extrem heißen Tagen zusätzlich die Betriebssicherheit.
- Sicherer und konstanter Anlagenbetrieb mit konstanter Kälteleistung.
Zusammenfassung
Durch die transkritische Prozessführung ist es möglich, mit einer einstufigen Wärmepumpe Wärme von einem Klimakaltwassernetz in ein Hochtemperatur-Heizungsnetz zu transportieren. Das Maschinenkonzept der Baureihe thermeco2 zeichnet sich durch eine kompakte Bauweise und nahezu Wartungsfreiheit aus.
Betrachtet man die erzeugte Jahresheizarbeit der Wärmepumpe und berücksichtigt die gleichzeitig erzeugte Kühlarbeit sowie die vermiedene Rückkühlarbeit, so können durch den Einsatz der Maschinen schon jetzt ein Drittel der Heizkosten eingespart werden. Wenn die Heizungsrücklauftemperaturen in Zukunft im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen weiter abgesenkt werden, so verbessert sich die Wirtschaftlichkeit weiter.
Der aktuelle Entwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung für fluorierte Treibhausgase (F-Gase-Verordnung) enthält deutlich verschärfte Regeln für den Umgang mit den etablierten FKW- und HFKW-Kältemitteln. Das Kältemittel Kohlendioxid befreit den Betreiber jetzt und in Zukunft von Nachweispflichten über Leckageverluste und Anlagendichtheit, da CO2 mit einem Global Warming Potential (GWP) von 1,0 keinen zusätzlichen Beitrag zum Treibhauseffekt hat. Insofern schafft dieses natürliche Kältemittel mit Umweltneutralität Investitionssicherheit, die in der erwarteten Lebensdauer der Maschine an Bedeutung gewinnen wird.
Kürzlich hat der Südwestrundfunk eine weitere Hochtemperaturwärmepumpe thermeco2 HHR 520 größerer Leistung, aber mit fast unverändertem Konzept, für Baden-Baden bestellt. Diese Anlage wird einen anderen Teil der Liegenschaft mit Wärme und Kälte versorgen. -
Dipl.-Ing. (FH) Jan Hübner
Verkauf und Realisierung, thermea. Energiesysteme GmbH, Ottendorf-Okrilla