Es handelt sich dabei um das bislang größte Verbundforschungsvorhaben des Fernwärme-Spitzenverbandes AGFW. Mit dem Forschungsprojekt sollen Erfahrungen gesammelt werden, wie Großwärmepumpen in Wärmenetzen eingesetzt werden können. Zusammen mit anderen Energiequellen wie Biomasse, Solarthermie, Abwärme oder Tiefengeothermie sorgen Flusswärmepumpen künftig dafür, dass ein immer größerer Anteil der Fernwärme aus klimaneutralen Quellen stammt.
Auf die Förderbedingungen kommt es an
Damit Unternehmen die Transformation und den Ausbau ihrer Wärmenetze weiter vorantreiben können, sind passende Förderkonditionen erforderlich. Für das Gelingen der Wärmewende in Deutschland werden laut AGFW mindestens 3 Mrd. Euro jährlich für erforderlich gehalten. Bleibt es allerdings beim bislang angekündigten Budget, werden die Fördermittel bereits in einem Jahr ausgeschöpft sein.
Fernwärme und Wärmepumpen kein Widerspruch mehr
Das aktuelle Forschungsprojekt ist auch deshalb von besonderer Relevanz, weil es den scheinbaren Widerspruch zwischen Wärmepumpen und Fernwärme als Versorgungsoption auflöst. Wärmepumpen in der Mannheimer Größenordnung können durchaus für Wärmenetze genutzt werden.
Es sei wichtig, alle technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Dekarbonisierung der Wärmenetze voranzutreiben. Mit den Erkenntnissen aus dem Reallabor können die Einsatzmöglichkeiten von Großwärmepumpen auch an anderen Standorten in Deutschland verbessert und so dazu beitragen werden, dass weitere Unternehmen diese Technik einsetzen, so der AGFW.
Auch nach der Inbetriebnahme gehen die Forschungen in Mannheim weiter. Im Rahmen des regulären Betriebs können weitere Daten gesammelt werden, die dabei helfen, die Techniken und Fahrweisen zu verfeinern.
Funktion und Potential der Mannheimer Wärmepumpe
Das Flusswasser des Rheins in Mannheim wird im Sommer bis zu 25 °C warm, im Winter sind es nur etwa 5 °C. Diese Wärmeenergie reicht aus, um das Kältemittel in der Wärmepumpe zu verdampfen und dabei das entnommene Rheinwasser um ca. 2 bis 5 °C abzukühlen.
Der Kältemitteldampf wird dann mithilfe eines strombetriebenen Verdichters komprimiert, damit Druck und Temperatur steigen. Die erzeugte Wärme des Kältemitteldampfs wird durch Kondensation in einem Wärmeübertrager dem Fernheizwasser übergeben: 83°C bis zu 99° C heißes Wasser kann so erreicht werden.
Währenddessen verflüssigt sich das Kältemittel wieder, im Wärmeübertrager des Flusswassers wird es wieder entspannt. Dabei kühlt es sich ab und nimmt bei niedriger Temperatur wieder Wärmeenergie des Flusswassers auf – der Kreislauf beginnt von Neuem. Das entnommene Flusswasser, etwa 700 l Rheinwasser pro Sekunde, wird dabei leicht abgekühlt und in den Rhein zurückgeleitet. Durch die im Vergleich dennoch kleinen Wassermengen ist eine Abkühlung im Rhein nicht messbar.
Die Wärmepumpe nutzt zusätzlich die bereits existierende Kühlwasserinfrastruktur. So muss baulich nicht in den Rhein bzw. das Rheinufer eingegriffen werden. Das benötigte Flusswasser, welches unterirdisch zur Anlage gepumpt wird, bezieht die Wärmepumpe über ein vorhandenes Wassereinlaufbauwerk am Standort. Das aufgeheizte Wasser wird direkt in das Fernwärmenetz eingespeist oder im vorhandenen Wärmespeicher (1500 MWh Kapazität) zwischengespeichert.
Das Kältemittel der Flusswärmepumpe wird in einem geschlossenen Kreislauf geführt und kann daher nicht ins Rheinwasser übergehen. Vorsorglich wurde ein Kältemittel-Detektionssystem installiert, das kleinste Kältemittelmengen im Wasser erkennen kann, bei Bedarf einen Alarm und ein sofortiges Abschalten der Anlage auslöst.
Der COP-Wert der MVV-Flusswärmepumpe beträgt im Jahresmittel ca. 2,7, d.h. für 2,7 kWh Fernwärme wird eine Kilowattstunde Strom in der Wärmepumpe (genauer im Verdichter) benötigt. Der COP ist im Jahresverlauf nicht konstant, sondern abhängig von der Temperatur des Rheins sowie der benötigten Temperatur im Fernwärmesystem. So ist die Effizienz bei niedrigen Rheintemperaturen im Winter etwas geringer, im Sommer etwas höher.
Das technische Potenzial ist groß: Allein in Mannheim könnten Rhein und Neckar selbst bei konservativer Schätzung mindestens 500 MW thermisch entzogen werden. Dies entspricht der maximalen Wärmeleistung des Block 9 im Großkraftwerk Mannheim (GKM) und würde ausreichen, um rund 50.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen.
Projektpartner aus ganz Deutschland
2019 zählte das Konsortium zu den Gewinnern des von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ausgelobten Ideenwettbewerbs „Reallabore der Energiewende“. Diese bringen Innovationen in der Praxis unter realen Bedingungen zum Einsatz, um Erfahrungen zu sammeln und die Erkenntnisse für die erfolgreiche Transformation des gesamten deutschen Energiesystems anzuwenden.
Koordiniert durch den AGFW, untersuchen die Partner im Rahmen des Reallabors GWP, wie Großwärmepumpen an Kraftwerksstandorten verschiedener Ausprägung betrieben werden können und was bei der Einspeisung in das Fernwärmenetz zu beachten ist.
An Kraftwerksstandorten in Berlin, Stuttgart, Mannheim und Rosenheim werden dazu Großwärmepumpen errichtet und im Realbetrieb getestet. Das Gesamtprojektvolumen beträgt 45 Mio. Euro. 21 Mio. Euro entfallen auf die Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium, 24 Mio. Euro werden von den Partnern erbracht.
Das Konsortium möchte mit fünf unterschiedlichen Teilprojekten herausfinden, wie man Umweltwärme zum Beispiel aus dem Rhein beim Einsatz von Großwärmepumpen (GWP) für die Heizwasserproduktion technisch und wirtschaftlich unter aktuellen energiepolitischen Rahmenbedingungen nutzen kann und damit einen Beitrag zur CO2 Reduzierung leistet.
Großwärmepumpen bieten dabei eine Reihe von Vorteilen, weswegen ihr Einsatz in der Praxis genau untersucht werden soll. Sie stellen die derzeit effizienteste Möglichkeit zur Sektorkopplung in der Fernwärme dar. Damit helfen sie, die Energiewende schneller umzusetzen, indem sie Abwärme nutzbar machen.
Partner des Konsortiums sind die Versorgungsunternehmen EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Fernheizwerk Neukölln AG, MVV Energie AG, Stadtwerke Rosenheim GmbH & Co. KG, Vattenfall Wärme Berlin AG sowie die beiden Forschungsinstitute IER Universität Stuttgart und Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. ■
AGFW
Der AGFW (Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V.) vertritt mit seiner technischen, betriebswirtschaftlichen, juristischen, energie- und umweltpolitischen Expertise die Interessen von mehr als 670 Unternehmen der Wärmewirtschaft und blickt auf über 50 Jahre Verbandsarbeit zurück. Der in Frankfurt am Main ansässige Verband vereint neben Stadtwerken auch Energiedienstleister und Unternehmen, die mit der Planung, Entwicklung und Herstellung von Wärme-/Kälteerzeugungs- und Verteilungsanlagen befasst sind. Darüber hinaus ist der AGFW mit seinem fernwärmespezifischen Regelwerk wichtiger Regelsetzer und standardisiert die Fern-wärmetechnik national und international.