Manfred Reuß vom Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung, ZAE Bayern, brachte das Thema Qualitätssicherung bei Erdwärmesonden (EWS) gleich zu Beginn seines Vortrags auf dem Deutschen Geothermiekongress in München (12. bis 14. September 2017) auf den Punkt: Ja, es gibt Anlagen mit erheblichen technischen Problemen, und ja, wir wissen noch nicht, wie sich das auf Erdwärmepumpen auswirkt. Reuß ist Projektleiter der Arbeitsgruppe IEA-ECES-Annex 27 Qualitätssicherung bei Erdwärmesonden in Planung, Bau und Betrieb“. Er und rund 30 Experten aus Belgien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Japan, Kanada, Korea, Niederlande, Schweden, Türkei und USA haben sich zum Ziel gesetzt, grundlegende Informationen zur Qualitätssicherung von Erdwärmesonden zu erarbeiten, damit diese Erkenntnisse dann in nationale Handbücher, EWS-Leitfäden, Normen, Richtlinien und Vorschriften einfließen können. Dabei soll das umfangreiche internationale Know-how vor allem den Genehmigungsbehörden, Planern, ausführenden Unternehmen und Betreibern zur Verfügung gestellt werden. Wichtig für den Planungsprozess seien zuverlässige Daten über mögliche EWS-Standorte, damit das Energiekonzept darauf abgestimmt werden kann, so Reuß. Bei der Ausführungsplanung seien neben der Anlagenauslegung insbesondere das Hydraulikkonzept sowie die EWS-Anlage, das Rohrmaterial und die Verteiler zu berücksichtigen. Die Frage, welche Art von Verfüllbaustoff für EWS geeignet ist, wird derzeit in peripheren Forschungsprojekten diskutiert. Ziel der Planung müsse ein hoher Vorfertigungsgrad sein, da an der Bohrstelle meist nicht genügend Zeit zur Klärung wichtiger Details bestehe, betont Reuß.
Nicht zu unterschätzen sei beispielsweise die Komplexität der Druckprüfung einer EWS, da gerade bei einem eigentlich so simplen Vorgang viele Fehler gemacht werden könnten. Auch die Prozedere für die Inbetriebnahme und die Betriebsüberwachung müssten neu definiert werden, insbesondere wegen der Wechselbeziehung von Wärmepumpe, EWS-Auslegung, Betriebsparameter und Grundwasser. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass EWS-Rohre verstopfen oder undicht werden können, oder dass sich im Nachhinein Probleme durch schlechtes Verfüllen der EWS im Bohrloch einstellen. Neue Möglichkeiten der Rohrinspektion mittels Mikrosensor, z. B. von enOware, seien heute schon in der Lage, die Qualität einer Erdwärmesonde im Bohrloch auch nachträglich zu beurteilen beziehungsweise zu dokumentieren, sagt Reuß.
Empfehlungskatalog für Verfüllbaustoffe in Vorbereitung
Die Hoffnungen vieler Marktteilnehmer auf entlastende Ergebnisse hinsichtlich Verfüllbaustoffen, Verfüllvorgang und Anmischverfahren sind durch die Schlussfolgerungen aus dem inzwischen abgeschlossenen Verbund-Forschungsprojekt EWS-tech“ erst einmal gedämpft. Ich freue mich nicht über die Ergebnisse! Danke für die schlechte Nachricht“, kommentierte ein Tagungsteilnehmer das Resümee des Vortrags von Mathieu Riegger, Steinbeis-Innovations gGmbH Solites. Das durch das vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg geförderte Projekt beschäftigte sich mit grundlegenden Fragen zum Verfüllmaterial und zur Verfüllqualität bei Erdwärmesonden. Dazu wurde ein dreistufiges Vorgehen aus Labor-, Technikums- und Realmaßstabsversuchen gewählt. Bei den bisher 12 durchgeführten von 36 geplanten Technikumsversuchen zur Visualisierung des Verfüllvorgangs in transparenten Rohren zeigte sich, dass der Verfüllvorgang und das Verhalten des Verfüllmaterials komplexer sind als bisher angenommen. Auszüge aus dem Zwischenbericht 2016:
Die Suspensionen mit erhöhtem Wassergehalt (+5 Prozent) zeigten für alle Ver- pressmaterialien direkte Auswirkungen auf die physikalische Suspensionseigenschaften wie eine verringerte Dichte, eine erhöhte Filtratwasserabgabe, eine erniedrigte Vis- kosität und ein erhöhtes Wassersetzmaß.
Die Prüfung bei erniedrigter Umgebungstemperatur (+10 °C) führte bei fast allen Untersuchungsmethoden zu einer Verzögerung der Aushärtungs- und Stabilisierungsprozesse.
Hinsichtlich der Baustelleneignung der im Labor angewandten Methoden müssen aktuell noch Einschränkungen gemacht werden.
Fazit: Es besteht noch weiterer Forschungsbedarf, um Anwendern ein praxisnahes, baustellentaugliches Prüfkonzept an die Hand zu geben.
Im aktuell laufenden Forschungsvorhaben EWS-tech II“ (Projektdauer 4/2016 bis 12/2018) sollen folgende Aspekte untersucht werden:
Bewertung des Verhaltens von EWS-Verfüllbaustoffen bei verschieden ausgeprägten Grundwasserströmungen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Bohrungen, die mehrere Grundwasserstockwerke mit unterschiedlichen Druckpotenzialen verbinden.
Bewertung des Einflusses der Rauigkeit der Bohrlochwandung auf die Systemdurchlässigkeit unter Berücksichtigung der Wechselwirkung unterschiedlicher Verfüllbaustoffe, Wand-Topographien und Grundwasserströmungen.
Vor- und Nachteile sowie Eignungsgrenzen dotierter Verfüllbaustoffe und Bewertung der dazugehörenden geophysikalischen Messverfahren.
Langzeitintegrität verfüllter EWS-Bohrungen.
Ein zentrales Ziel des Forschungsvorhabens ist die Herausgabe eines Empfehlungskatalogs für EWS-Verfüllbaustoffe mit Schwerpunkt auf Anforderungskriterien (auch hinsichtlich der magnetischen Dotierung), Hinweise auf Verfüllstrategien bei Vorliegen von Grundwasserströmungen im Bohrloch sowie einer Bewertung der Nachweisgrenzen und der Aussagekraft der automatischen Abdichtungsüberwachung. Wie es heißt, hat die Art der Magnetite als Zuschlagstoff zum Verpressmaterial einen großen Einfluss auf die zu messende magnetische Suszeptibilität. So hätten die Versuche mit magnetisch dotierten Zuschlagstoffen gezeigt, dass es bei einem variablen Wasser-/Feststoffverhältnis zu Qualitätsveränderungen beim Verfüllmaterial während des Verpressvorgangs kommen kann.
Ausblick
Die Häufung von Schäden durch nicht fachgerecht ausgeführte Erdwärmesondenbohrungen – insbesondere in geologisch anspruchsvollen Gebieten wie beispielsweise in Baden-Württemberg – führt zu einer generellen Neubewertung der Vorgehensweise von der Planung über die Ausführung bis zum Betrieb von Wärmepumpen mit Erdwärmesonden als Wärmequelle. Dabei spielt die Auswahl des Verfüllmaterials, der Verfüllvorgang und damit auch die Art der Mischeinrichtung in Zukunft eine noch wichtigere Rolle. Zahlreiche periphere Forschungsprojekte rund um das Thema Dokumentation von Bohrlöchern und EWS deuten darauf hin, dass künftig die Qualitätskontrolle von EWS ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor sein wird. Eine weitere Hürde für EWS als Wärmequelle für Wärmepumpen könnte in der Nachweispflicht liegen, dass auf kleinen Grundstücken die Bohrung grundstückstreu“ niedergebracht wurde. Umso wichtiger ist die Entwicklung preisgünstiger Methoden und Tools, um die steigenden Dokumentations-, Prüf- und Messauflagen am Bohrloch praxisnah und sicher erfüllen zu können.
Wolfgang Schmid,
freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München