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KONSEQUENZEN AUS DER NEUEN F-GAS-VERORDNUNG

Jetzt nochmal richtig Gas geben? Teil 3: PFAS-Verbot?

PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, eine Gruppe von Chemikalien, die seit den 1940er Jahren entwickelt wurden. Sie werden aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften wie Hitzebeständigkeit, Wasser- und Fettabweisung sowie chemischer Persistenz in einer Vielzahl von Produkten aus allen Bereichen eingesetzt. Bei diesen organischen Verbindungen sind die Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (poly­fluoriert) durch Fluoratome ersetzt worden.

In den letzten Jahrzehnten wurde bekannt, dass PFAS eine potenzielle Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit darstellen können. Studien haben gezeigt, dass sie sich in der Umwelt nicht abbauen und sich in Organismen anreichern können. Einige PFAS-Verbindungen wurden mit Gesundheitsproblemen wie Krebs, hormonellen Störungen und Beeinträchtigungen des Immunsystems in Verbindung gebracht. Ein Beleg für diesen Verdacht wurde bislang noch nicht erbracht und ist Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen. Aufgrund dieser Bedenken haben viele Länder aber bereits begonnen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Einsatz von PFAS zu reduzieren. Einige haben bestimmte PFAS-Verbindungen verboten oder ihre Verwendung stark eingeschränkt. Es wurden auch Richtlinien für sichere Trinkwasserstandards und Grenzwerte für PFAS in Lebensmitteln festgelegt. Ein generelles Verbot der gesamten PFAS-Stoffgruppe hätte jedoch umfangreiche Auswirkungen auf den Maschinenbau und damit auch auf die Kälte- und Wärmepumpentechnik.

Die aktuelle Entwicklung konzentriert sich auf die Erforschung von Alternativen zu PFAS und die Implementierung von Methoden zur Reinigung von PFAS-belasteten Umweltbereichen. Es gibt Bemühungen, umweltfreundlichere Beschichtungen und Textilien zu entwickeln, welche die gleichen Eigenschaften wie PFAS auf­weisen, aber weniger schädlich sind.

Welche Substanzen sind überhaupt PFAS?

Welche Bedingungen (Definitionen) muss eine Chemikalie erfüllen, um als PFAS zu gelten? Sie muss mobil, persistent und bioakkumulativ sein. Mobil bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Chemikalie sich als Substanz innerhalb der Atmosphäre bewegen kann und nicht fest an einen Stoff oder ein Material gebunden ist. Persistent heißt, dass sich die Chemikalie in der Umwelt nicht weiter zersetzt oder abbaut, sondern in ihrer Form bestehen bleibt. Deswegen werden PFAS auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Bioakkumulativ ist eine Chemikalie dann, wenn sie sich zum Beispiel in der Atmosphäre befindet, durch Regen ausgewaschen wird und dadurch in die Flüsse und die Umwelt gelangt. Über die Nahrungskette kommen die Chemikalien dann in den Menschen. Dass PFAS mobil und persistent sind, ist mittlerweile belegt. Das Merkmal „bioakkumulativ“ wird aktuell noch untersucht.

Und was haben PFAS genau mit Kältemitteln und der Branche zu tun? Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die F-Gas-Verordnung ein Teil des Klimaschutzprogramms der Europäischen Union (EU) ist. Die Regulierungen zu PFAS sind Teil des EU-Chemikalienrechts. Hierbei geht es um alle Chemikalien, die in Prozessen verwendet werden und EU-Bürger in irgendeiner Form betreffen können. PFAS sind in diesem Zusammenhang eine Produktgruppe aus der Fluorchemie, die mehr als 10.000 unterschiedliche Substanzen enthält. Diese Substanzen sind aufgrund ihrer chemischen Struktur durch die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) als PFAS definiert. Einen Einfluss auf das Klima oder CO2-Emissionen durch PFAS werden im EU Chemikalienrecht nicht reguliert.

Kältemittel selber gehören zur Gruppe der fluorierten Gase. Teilfluorierte Kohlenwasserstoffe, die derzeit hauptsächlich in Form verschiedener Kältemittel genutzt werden, zersetzen sich in der Atmosphäre durch fotochemische Reaktionen in verschiedene Substanzen. Ein Teil dieser Substanzen ist die Trifluoressigsäure (TFA). Und diese Trifluoressigsäure fällt wiederum unter die OECD PFAS Definition. Nicht das Kältemittel an sich, sondern deren Abbau­produkte in der Atmosphäre erfüllen damit die Definition eines PFAS.

Weitere Substanzen die unter die PFAS Definition fallen, sind zum Beispiel Fluorpolymere die in Fluorelastomeren, Kunststoffen und Ölen im Maschinenbau essentiell sind. Aber auch Anwendungen in Kälte-, Klima-, Wärmepumpen- und Lüftungsanalagen sowie Konstruktions- und Beschichtungswerkstoffe für Bauteile, Dichtungsmaterialien in Dichtungssystemen aller Art, elektrotechnische- und elektronische Komponenten gehören dazu.

Trifluoressigsäure (TFA) hat auch natürlichen Ursprung

In Bezug auf die Zersetzung von fluorierten Kältemitteln in der Atmosphäre ist es wichtig zu wissen, dass Trifluoressigsäure (TFA) nicht nur einen künstlichen, sondern auch einen natürlichen Ursprung hat –nämlich Vulkanismus. Bei Vulkanausbrüchen wird Trifluoressigsäure weit in die Atmosphäre geschleudert und gelangt so unter anderem auch in die Weltmeere, welche die Chemikalie wiederum auf das Land eintragen. Welchen Anteil natürliche und künstliche Quellen an der Emission von Trifluoressigsäure in die Atmosphäre haben, ist noch nicht geklärt und ist aktuell ebenfalls Thema mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen.

Bereits 2019 wurde die Europäische Kommission durch den EU-Ministerrat dazu aufgefordert, einen Aktionsplan zu entwickeln, um alle nicht wesentlichen Verwendungen von PFAS zu unterbinden. Auf der Basis einer Initiative der Niederlande und unter der Co-Leitung von Deutschland wurde gemeinsam mit Dänemark, Norwegen und Schweden Anfang 2023 ein Beschränkungsvorschlag eingereicht, um ein Verbot zur Herstellung und Verwendung von PFAS zu erreichen. Mitte Februar wurde dieser Beschränkungsvorschlag durch die Europäische Chemikalienagentur veröffentlicht. Dieser Vorschlag konnte im Herbst vergangenen Jahres im öffentlichen Verfahren durch EU-Bürger, Unternehmen und Institutionen kommentiert werden.

Insgesamt wurde eine große Zahl von Kommentaren zu den betroffenen Substanzen und deren Anwendung bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Im weiteren Verfahren prüfen die Kommissionen zur Risikobewertung der Chemikalien (RAC) und Sozio-ökonomischen Auswirkung von Verboten (SEAC) innerhalb der ECHA die Kommentare und die vermeintliche Regulierung der betroffenen Substanzen. Am Ende wird ein Bericht zum Beschränkungsvorschlag erstellt und an die EU Kommission übermittelt, die dann wiederum einen endgültigen Gesetzesvorschlag unterbreitet und diesen den EU-Mitgliedsstaaten zur Diskussion und Entscheidung vorlegen wird.

„Würde es dazu kommen, dass die rund 10.000 Substanzen, die PFAS direkt oder in ihren Abbauprodukten enthalten, in wenigen Jahren verboten werden würden, beträfe das nicht nur die Heizungs-, Klima- und Kältebranche sondern nahezu jeden industriellen Prozess in der gesamten EU“, so Michael Lechte, Manager Produktmarketing bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems. „Es könnten weder Autos, noch Smartphones, Flugzeug- und Windturbinen, Solarkollektoren oder viele medizinische Produkte mehr hergestellt werden. Deswegen wird nun sehr genau geprüft, wo PFAS notwendig sind und es keine technischen Alternativen gibt.“

Vor welcher Mammutaufgabe die Europäische Kommission damit steht, zeigen die rund 5600 Rückmeldungen auf den Beschränkungsvorschlag, die von Bürgern, Unternehmen und Institutionen eingegangen sind. Hier werden unter anderem die sozioökonomischen Auswirkungen geprüft, wenn PFAS in bestimmten Anwendungen oder Prozessen nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Im Jahr 2025 soll dann ein Gesetzesvorschlag durch die EU erstellt werden, nachdem alle Studien abgeschlossen worden sind.

Für Kältemittel gibt es schon teilweise Alternativen

Wie wäre die Branche dann von einem möglichen PFAS-Verbot betroffen? „Mit den Kältemitteln, die hinsichtlich den neuen Regeln der F-Gas-Verordnung künftig insbesondere eingesetzt werden, steht die Branche in vielen Anwendungen auf der sicheren Seite“, informiert Lechte dazu. „Denn sowohl R 32 als auch R 290 fallen nicht unter die PFAS Definition. Betroffen wären dagegen Kältemittel wie R 134a, R 410A, R 407C und auch ungesättigte teilfluorierte Stoffe (HFO) wie R 1234 yf oder R 1234 ze.

Dass aber ein vollständiges PFAS-Verbot kommen wird, scheint kaum realistisch, denn dadurch würden letztendlich auch die Ziele der Energie- und Mobilitätswende untergraben. Auch an dieser Stelle sind die thematischen und sachlichen Verflechtungen zwischen PFAS-Verbot und F-Gas-Verordnung zu sehen, die durchaus vorhanden sind, aber letztendlich aus völlig unterschiedlichen Perspektiven andere Themen betreffen.

Nach den letzten Informationen plant die EU-Kommission deshalb PFAS als Gruppe generell einer Beschränkung zu unterziehen und dabei alle Anwendungen in nicht-essentielle, substituierbare und essentielle Produkte bzw. Verfahren einzuteilen. Konkrete Auswirkungen auf die Branche können und werden sich deshalb weder kurz- noch mittelfristig zeigen. Langfristig ist dagegen nicht nur innerhalb der Kälte-, Klima- und Heizungsbranche, sondern innerhalb nahezu jedes Produktionszweiges der Industrie mit neuen Vorschriften hinsichtlich der Verwendung von PFAS zu rechnen.

Lechte: „Mit den Kältemitteln, die hinsichtlich der Regeln der F-Gas-Verordnung künftig eingesetzt werden, steht die Branche in vielen Anwendungen auf der sicheren Seite. Denn sowohl R32 als auch R290 fallen nicht unter die PFAS-Definition.“

Bild: Mitsubishi Electric

Lechte: „Mit den Kältemitteln, die hinsichtlich der Regeln der F-Gas-Verordnung künftig eingesetzt werden, steht die Branche in vielen Anwendungen auf der sicheren Seite. Denn sowohl R32 als auch R290 fallen nicht unter die PFAS-Definition.“

Die Fachschulen üben Kritik

In der KK 05/2024 erschien der zweite Teil (Jetzt noch mal richtig Gas geben? Teil 2) dieser Artikelserie über Konsequenzen, die sich aus der novellierten F-Gase-Verordnung für Fachbetriebe ergeben. Im dort veröffentlichten Interview mit Michael Lechte von Mitsubishi Electric war mehrmals die Aussage zu lesen, dass der Umgang mit leicht entflammbaren Kältemitteln wie Propan bisher in der Ausbildung des Fachhandwerks in der Regel nicht behandelt worden sei.

Die innungseigenen Fachschulen haben sich hierauf an die KK-Redaktion gewandt. Die Fachschulen weisen darauf hin, dass sowohl die Innungen als auch die Fachbetriebe in den letzten Jahren bereits viel Geld und Zeit in die Aus- und Weiterbildung im Umgang mit brennbaren Kältemitteln investiert hätten und dass der Umgang mit diesen Kältemitteln sowohl fester Bestandteil der Lehrlings- und Meisterausbildung sei als auch in zahlreichen Seminaren geschult werde.

In einer der nächsten Ausgaben der KK werden die Fachschulen und der BIV in einem gemeinsamen Interview die Aktivitäten in diesem Zusammenhang ausführlich vorstellen, um zu belegen, dass sich die Branche bereits seit Jahren intensiv auf die Verwendung alternativer (brennbarer) Kältemittel vorbereitet.

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