Bereits vor acht Jahren hatten die vier Partner des Forschungsverbunds die Idee, mit Sonnenkraft die notwendige Kälteenergie für den Betrieb eines gekühlten Lagerraums zu erzeugen. Vorstellung war es, dass in Ländern mit ausreichender Sonnenscheindauer einerseits und einem Mangel an eigenen Primärenergievorkommen andererseits solarbetriebene Kühlanlagen den steigenden Bedarf an Kühllagerkapazitäten eines stark wachsenden Agrarsektors decken sollten. Länder wie zum Beispiel Tunesien oder Marokko und auch solche in Südeuropa erfüllen die klimatischen Voraussetzungen ideal und sind an dieser Technik sehr interessiert. Das Potenzial für solarthermisch generierte Prozesswärme ist in diesen Ländern sehr hoch, da die Summe der durch konzentrierende Kollektoren nutzbaren Direktstrahlung bei jährlich 1900 bis 2500 kWh / m2 liegt.
Zum Forschungsverbund gehören die Kramer GmbH (Umkirch) als Spezialist für den Kühllager- und Gewerbebau, die Katholing Bauplan GmbH (Bindlach) als Architekturbüro, das Planungsbüro Nürnberger Ingenieurgesellschaft mbH (Mülsen) als Spezialplaner für Anlagenbau und Haustechnik sowie die Kälte Grohmann GmbH & Co. KG (Irchenrieth) als Fachfirma für Kälteanlagenbau. Zur wissenschaftlichen Betreuung und Weiterentwicklung zogen die vier Partner das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg hinzu, das über umfassende Erfahrungen und Marktkenntnisse im Bereich der solaren Kühlung verfügt. Als Kooperationspartner für das Herzstück der Anlage, den Sonnenkollektor, konnte das Freiburger Unternehmen Industrial Solar gewonnen werden, das auf die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb solcher Komponenten spezialisiert ist.
Ziel des AgroKühl genannten Projektes ist es, ein ganzheitliches und nachhaltiges Kühllager mit integrierter Energieerzeugung, wobei bei dieser und der Lagerung möglichst geringe Energieverluste anfallen sollen. In einer ersten Stufe wurde dazu eine Pilotanlage kleiner Kühlleistung in Umkirch geplant und errichtet. Aus dem Aufbau und dem Betrieb dieser Pilotanlage sollen dann alle notwendigen Erkenntnisse für das reale Kühlhaus für die Zielanwendungen gewonnen werden.
Die Pilotanlage lässt Lagertemperaturen um 0 °C zu und beinhaltet eine Speichermöglichkeit zur Überbrückung der Nächte sowie von Schlechtwetterperioden. Zudem besteht eine Rückkühlmöglichkeit ohne Wasserverbrauch. Ebenso soll der Stromverbrauch der Anlage deutlich unter dem der konventioneller Kühltechnik liegen. Auf Basis dieser Anforderungen wurde ein System zusammengestellt und auf dem Gelände der Firma Kramer in Umkirch errichtet.
Alle Komponenten, die Steuerung und die Messdatenerfassung der Pilotanlage wurden entsprechend der geplanten Betriebszustände der Anlage ausgelegt. Hauptkomponenten sind der Sonnenkollektor, die Absorptionskältemaschine, zwei Eisspeicher, der Kühlraum selbst, die hydraulischen Komponenten sowie die Anlagensteuerung.
Verstellbare Spiegel sammeln die Sonnenenergie
Die Antriebsenergie für die Kälteerzeugung liefert ein linear konzentrierender Fresnel-Sonnenkollektor von Industrial Solar, Freiburg. Bei diesem Kollektor wird durch bewegliche Spiegelreihen die einfallende direkte Sonnenstrahlung auf ein evakuiertes Absorberrohr gebündelt. Dadurch können im Rohr Temperaturen bis 400 °C erreicht werden, während die systemseitig begrenzte maximale Austrittstemperatur 180 °C beträgt. Die Apertur- oder Spiegelfläche, also die Fläche, die die Sonnenstrahlung auffängt, ist 88 m2 groß und besteht aus vier jeweils 4 Meter langen Kollektorelementen mit jeweils elf 0,5 Meter breiten Spiegeln. Der Kollektor produziert unter Nennbedingungen (1000 W/m2 bei direkter, senkrechter Sonneneinstrahlung) eine thermische Leistung von 48,4 kW.
Der Kollektor wurde im Verhältnis zur Absorptionskältemaschine aus zwei Gründen überdimensioniert: Durch die relativ kurze Länge des Kollektors kommt es bei niedrigem Sonnenstand zu verhältnismäßig hohen Reihenendverlusten. Diese werden durch einen größeren Kollektor kompensiert. Zudem sind durch den nicht idealen Aufstellungsort konzentrierende Kollektortechnik braucht immer Direktstrahlung, die in Deutschland wesentlich seltener auftritt als in den Zielgebieten des Projektes nicht so häufig ideale Messbedingungen gegeben. Durch einen größeren Kollektor lässt sich die Wärmeproduktion über den Tag erweitern, sodass mehr Erkenntnisse gesammelt werden können.
Absorptionskältemaschine: Wärmeübertrager statt Gasbrenner
Als thermisch angetriebene Kältemaschine enthält die Pilotanlage eine Wasser-Ammoniak-Absorptionskältemaschine (AKM) mit integriertem trockenem Rückkühlwerk, hergestellt vom italienischen Unternehmen Robur S.p.A. Diese Kältemaschine mit einer Kälteleistung von etwa 12 kW bei einer Umgebungstemperatur von 35 °C und einem COP-Wert von 0,6 ist eine umgerüstete gasbetriebene Absorptionskältemaschine. Bei der Umrüstung wurde der Gasbrenner durch einen Fluid-Wärmeübertrager ersetzt. Im Rahmen der Pilotanlage wird die AKM bei Temperaturen von 180 °C und mit Druckwasser betrieben und erzeugt eine Soletemperatur von bis zu 7 °C.
Eisspeicher: Wenn die Sonne nicht scheint
Die beiden parallel betriebenen Eisspeicher der Pilotanlage kommen von Consolar und wurden ursprünglich für ein solarunterstütztes Wärmepumpensystem entwickelt. Sie stellen eine Schmelzenthalpie von insgesamt 52 kWh bereit und haben ein Wasservolumen von 565,6 Liter. Die beiden Eisspeicher sind jeweils 1,17 Meter hoch und durchmessen 0,72 Meter. Der Kapillarrohr-Wärmeübertrager hat eine Oberfläche von 16 m2 und ein Wärmeübertragungsvermögen von 1,2 bis 1,8 kW/K.
Die Eisspeicher sind mit 25 mm EPDM-Zellschaum isoliert und drucklos mit Wasser befüllt. In den Behältern befindet sich jeweils ein Bündel Kapillarrohre, durch die die Sole des LT-Kreislaufes gepumpt wird. Dadurch gefriert das Wasser und kann so die thermische Energie speichern.
Kühlraum: Alles drin
Der Kühlraum hat eine Grundfläche von 4 x 8 Meter und ein Volumen von etwa 100 m³, ist in Sandwichelement-Bauweise ausgeführt und in einen Vorraum und den eigentlichen Kühlraum gegliedert. Der Vorraum beherbergt die gesamte Hydraulik des LT-Kreises (Pumpe, Ventile etc.), die Eisspeicher und die Schaltschränke für die Messdatenerfassung und Regelung.
Die Dämmung besteht aus Sandwich-Paneelen mit einem Dämmkern aus Polyurethanschaum mit einer Dicke von 120 mm. Als Deckschichten fungiert beidseits verzinktes und lackiertes Stahlblech. Gleiches gilt für die Decke und den Boden, der zusätzlich mit einer Siebdruck Holzplatte zur Lastverteilung ausgestattet ist. Der PUR-Dämmkern hat einen mittleren U-Wert einschließlich Zuschlag von 0,178 W/m2 K, der Wärmedurchgangskoeffizient nach EN 13165 ist mit 0,193 W/m2 K angegeben.
Beim Pilotprojekt wird der Kühlraum nicht mit Lebensmitteln beschickt, sondern als thermische Masse dienen 360 Kisten Mineralwasser. Der Eintrag thermischer Lasten wird mithilfe von sechs Heizlüftern simuliert, sodass ein Wärmeeintrag von 0 bis 12 kW möglich ist. Zur Ankopplung des LT-Kreislaufes ist ein Solekühler von Güntner mit einer Übertragungsleistung von 11,3 kW installiert.
Hydraulik-Kreislauf: Reines Wasser als Medium
Die Hydraulik gliedert sich in zwei Kreisläufe, nämlich einen Hochtemperaturkreislauf (HT) und einen Niedertemperaturkreislauf (LT). Der HT-Kreislauf besteht aus Edelstahlrohren mit Mapress-Verbindungen. Als Wärmeträgermedium dient Wasser bei einem Systemdruck von etwa 13 bar. Dieser Druck wurde gewählt, damit das Wasser bei 180 °C noch nicht siedet, sondern flüssig bleibt. Der Volumenstrom wird durch die Spezifikationen der Absorptionskältemaschine vorgegeben und liegt bei 2500 bis 3500 l/h. Im Winter muss die Anlage wegen der Frostgefahr entleert werden. Geprüft wird der Einsatz eines speziellen Frostschutzmittels, das bei Temperaturen bis 200 °C stabil bleibt.
Der LT-Kreislauf besteht aus Stahlrohren, die ebenfalls mit Mapress-Verbindungen verbunden sind. Das Wärmeträgermedium ist hier ein Wasser-Glykol-Gemisch, das bei Temperaturen < 0 °C noch flüssig bleibt. Der Volumenstrom wird durch die Spezifikationen der AKM vorgegeben und liegt bei 2500 l/h. Beide Kreisläufe werden mit elektronisch geregelten Pumpen angetrieben.
Umfassende Messdatenerfassung
Die Pilotanlage ist mit umfangreicher Sensorik ausgestattet, mit deren Hilfe der Betrieb überwacht und gesteuert wird. Alle Sensoren werden in einem Zeitintervall von 3 s ausgelesen und die Daten lokal gespeichert. Die gesammelten Messdaten werden einmal pro Tag automatisch an das Fraunhofer ISE gesendet und dort ausgewertet. Zudem stellt ein Teil der Sensoren die Grundlage für die automatische Steuerung der Pilotanlage dar.
Steuerung zwischen manuell und vollautomatisch
Das System wird mittels verschiedener Aktoren gesteuert, nämlich diversen Pumpen und 3-Wege-Ventilen, dem Solarkollektor, der Kältemaschine und dem Solekühler. Das System kann manuell, teil- oder vollautomatisch betrieben werden.
- Manuell: Alle Aktoren sind einzeln schaltbar.
- Teilautomatisch: Es können verschiedene Betriebszustände ausgewählt werden; die Aktoren werden vom System entsprechend gesteuert.
- Vollautomatisch: Das System entscheidet auf der Grundlage seiner Programmierung sowie von aktuellen Betriebsbedingungen, welcher Betriebszustand gewählt wird. Die Aktoren werden entsprechend gesteuert.
Über einen Anschluss an das Kramer-Internet-Netzwerk ist eine Steuerung und Überwachung der Anlage von jedem Ort aus mithilfe eines Internet-Browsers und entsprechender Software möglich.
Verschiedene Betriebszustände wählbar
Der Betrieb des solarbetriebenen Kühlraums ist mithilfe von fünf unterschiedlichen Betriebszuständen (BZ) teil- oder vollautomatisch steuerbar.
BZ0: Stand-by-Betrieb
Dieser Betriebszustand besteht immer dann, wenn keiner der anderen Betriebszustände aktiv ist.
BZ1: Kollektor vorwärmen
Wenn die Sonneneinstrahlung einen bestimmten Grenzwert überschreitet, wird der Kollektor fokussiert und die HT-Pumpe in niedriger Drehzahl betrieben, um so den Kollektorkreis vorzuwärmen.
BZ2: Direkte Kühlung
Wenn der Sonnenkollektor eine ausreichende Temperatur erreicht hat und im Kühlraum Kühlbedarf besteht, wird der Volumenstrom im Sonnenkollektor erhöht. Kältemaschine, LT-Pumpe und Solekühler werden aktiviert und die 3-Wege-Ventile so geschaltet, um den Kühlraum direkt mit Kälte zu versorgen.
BZ3: Eisspeicher laden
Wenn der Sonnenkollektor eine ausreichend hohe Temperatur und damit Wärmemenge zum Betrieb der Kältemaschine liefern könnte, der Kühlraum jedoch keinen Bedarf hat, werden die beiden Eisspeicher geladen.
BZ4: Eisspeicher entladen
Wenn der Sonnenkollektor keine ausreichende Wärme zum Betrieb der Kältemaschine bereitstellen kann, der Kühlraum aber Kältebedarf anmeldet, werden die zuvor geladenen Eisspeicher wieder entladen, um so den Kühlraum auf einem gewünschten Temperaturniveau zu halten.
BZ5: Sonnenkollektor vorwärmen und Eisspeicher entladen
Diese Betriebsart kombiniert die beiden Betriebsarten BZ1 und BZ4 miteinander. Es ist zwar ausreichend Sonneneinstrahlung vorhanden, aber der Sonnenkollektor hat noch nicht das geforderte Temperaturniveau erreicht. Gleichzeitig hat der Kühlraum Kühlbedarf und die Eisspeicher sind teilweise oder ganz geladen.
Vorläufiges Fazit
Die Betreiber des solarbetriebenen Kühlraums sind derzeit dabei, bisherige Erkenntnisse aus der ersten Betriebsphase genau auszuwerten. Dazu gehören die umfassenden Messdaten aus der bisherigen Sonnenernte. Bisher arbeitet die Anlage einwandfrei und erforderte noch keine Wartung. Die Steuerung per Mobiltelefon funktioniert reibungslos. Der Inhalt des Kühlraums wird auf einer Temperatur von etwa 0 °C gehalten, wobei der Nachtbetrieb mit den Eisspeichern ohne Beanstandungen vonstattengeht. Nach ersten groben Auswertungen liegt der Strombedarf der Anlage etwa 2/3 unter dem einer Kompressionskühlanlage, wobei auch hier noch Optimierungsspielraum besteht. Der Pilotbetrieb soll bis zum Spätsommer 2013 andauern. Im nächsten Schritt ist dann ein größerer solarbetriebener Kühlraum in einem der Zielländer unter Realbedingungen geplant. Hierzu laufen derzeit bereits die ersten Sondierungsgespräche. -
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