KK: Herr Thiesen, wie hat sich das erste Halbjahr 2012 bislang für Mitsubishi Electric entwickelt?
Holger Thiesen: Das erste Halbjahr 2012 ist für uns insgesamt sehr positiv verlaufen. Wir sind nach wie vor überrascht davon, wie wenig sich die vermeintliche Krise derzeit auf unser Geschäft auswirkt. Damit spreche ich nach meinen Informationen nicht nur für Mitsubishi Electric, sondern für die ganze Branche. Verhalten hat sich aufgrund des wiederum eher durchwachsenen Sommers das Privatkundengeschäft entwickelt. Wir haben dabei den Vorteil, dass wir das im Bereich der Privatkunden mehr als überzeugend durch unser Wärmepumpenangebot auffangen können. Gleichzeitig kompensieren wir den schwachen Sommer auch durch die Breite der europäischen Länder, für die wir verantwortlich sind. Wenn ich mir derzeit die Planungen und den Auftragseingang für das zweite Halbjahr ansehe, hat die Branche eher ein Problem, dass zu wenige Einbau-Kapazitäten am Markt vorhanden sind. Die Auftragsvorlagen des Fachhandwerks scheinen daher sehr zufriedenstellend zu sein. Insofern wäre es derzeit vermessen, über negative Aussichten für das zweite Halbjahr zu sprechen.
KK: Sie bewerten sowohl den derzeitigen Markt als auch den Ausblick als rundweg positiv?
Holger Thiesen: Leider nicht vollständig. Äußerst kritisch sehen wir den hektischen Aktionismus von Marktteilnehmern, die nahezu im Wochenrhythmus neue Rabattaktionen initiieren und so Unruhe in den Markt bringen. Wir glauben da eher an kontinuierliche Marktbetreuung und an eine solide Basis durch Serviceleistungen und Kundensupport in Verbindung mit hoher Produktqualität statt permanenter Rabatte. 20 Prozent auf alles ist eine Strategie, die sich auch in anderen Branchen auf Dauer nicht ausgezahlt hat.
KK: Trotz aller guten Prognosen durch Sie haben Sie das Thema Eurokrise in den Märkten wahrgenommen?
Holger Thiesen: Eindeutig ja und zwar anhand der Aufträge der öffentlichen Hand. Egal in welchem Land diese Investitionen sind massiv zurückgegangen. Die von allen Seiten gewünschten und geforderten Sparmaßnahmen wirken sich hier deutlich aus. Auf der anderen Seite wird das aber durch die Nachfrage aus dem Gewerbe- und Dienstleistungsbereich mehr als nur kompensiert. Positiv für uns war auch die diesjährige Fußball-Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine, wo wir insgesamt drei Stadien mit unserer Klimatechnik ausgerüstet haben.
KK: Welche Erwartungen haben Sie derzeit an 2013? Wird es weitergehen mit dem deutlichen Wachstum oder geht Mitsubishi Electric jetzt in eine Konsolidierungsphase?
Holger Thiesen: Wir rechnen anhand der aktuellen Daten mit einem weiter anhaltenden Wachstum auch im Jahr 2013. Dabei setzen wir sowohl auf unser Produkt- als auch Service-Portfolio und die Tatsache, dass der Trend zu hocheffizienten Lösungen in der Heiz- und Klimatechnik weiter fortschreiten wird. Dazu wird das Produktumfeld von der Planung bis zur Ausführung und Wartung immer komplexer. Das wird begleitet von neuen Herausforderungen wie der ErP-Richtlinie. Diese Entwicklungen zusammen mit unserem wachsenden Kundenkreis bestimmen, welche Unterstützung im Markt benötigt wird. Das werden wir auch bei der Personalplanung spiegeln.
Wenn Sie beispielsweise unseren Bereich air to water, also das klassische Geschäft mit Luft/Wasser-Wärmepumpen anschauen, dann werden wir insbesondere mit einer weiteren Erschließung der Märkte weiter in Personal investieren müssen. Aber auch das Thema Fachplanung ist für uns von entscheidender Bedeutung. Wenn Kälte- und Klimaanlagenbauer oder Fachplaner verstärkt Kaltwassererzeuger durch VRF-Technik ersetzen oder wenn traditionelle Heiz- und Klimatechnik unter dem Dach der VRF R2-Technologie zusammengeführt wird, ist das auch das Ergebnis intensiver Beratung und Information in die Branche. Dafür benötigen wir noch mehr entsprechend ausgebildete Mitarbeiter, die dieses Fachwissen überzeugend vermitteln und die Fachingenieure entsprechend beraten können. Wir wissen, dass wir es gerade auch im Markt der Fachplanung mit einer enorm gut ausgebildeten Klientel zu tun haben, die wir fachlich überzeugen wollen. Dafür haben wir mittlerweile ein eigens ausgebildetes Team, das zukünftig verstärkt wird. Derzeit suchen wir z. B.in der Region München nach weiteren Mitarbeitern, die das Aufgabenfeld der Fachplanerberatung kompetent für uns umsetzen.
KK: Bei diesem permanenten Wachstum ist es insbesondere auch die Organisation dahinter, die darüber entscheidet, wie erfolgreich man weiter am Markt agieren wird. Wie stellen Sie sich hier weiter auf?
Holger Thiesen: Das Wichtigste für uns ist zunächst, dass wir uns auf die Fahne geschrieben haben, die unterschiedlichen Produkt- und Lösungsbedarfe in den europäischen Märkten genau zu verstehen und diese so noch besser zu bedienen. In der Vergangenheit war es ein Phänomen aller asiatischen Hersteller, dass die Kernmärkte in Asien lagen und die hier abgeleiteten Produkte in Europa vermarktet worden sind. Bei uns hat sich das seit Langem gedreht, weil Mitsubishi Electric schon früh erkannt hat, welches Potenzial die europäischen Märkte haben. An dieser Stelle müssen wir aber unserer Muttergesellschaft in Japan Antworten bereitstellen können, was die Bedürfnisse in Europa konkret sind. Für diese Antworten brauchen wir einen engen Kontakt zum Kunden über den Vertrieb. Darüber hinaus wird aber auch ein generelles Verständnis dafür benötigt, wie Produktlösungen funktionieren, welche Anforderungen und Ansprüche verschiedenste Kundengruppen haben. Es gibt ja nicht nur den Kälte- und Klimaanlagenbauer, Fachplaner oder SHK-Fachhandwerker, sondern auch kommerzielle Anwender, die vielleicht eine Effizienzbetrachtung für ihre Geschäfte brauchen. Es gibt Vermieter und Immobiliengesellschaften mit ihren ganz eigenen Ansprüchen, wie beispielsweise einer Einzelkostenabrechnung.
Um solche Fragen konsolidiert aufbereiten zu können, haben wir unseren Marketingbereich komplett neu aufgestellt und hier ein sehr gutes Team aufgebaut. Weg vom reinen Produkt-Management und hin zu einem Mix aus Produkt- und Segmentsicht. Dadurch bringen wir die Markt- und Kundenseite mit unseren Lösungen und Anwendungsmöglichkeiten in Einklang und entwickeln darüber hinaus neue zukunftsfähige Technologien und Produkte. Dann haben wir auch den Bereich Service komplett neu aufgestellt und in die Bereiche Wärmepumpen und Klima mit ihren völlig unterschiedlichen Anforderungen aufgeteilt. Und auch im Vertrieb haben wir uns deutlich weiter verstärkt. Dabei gibt es für uns keinen Allround-Mitarbeiter im Vertrieb mehr. Vielmehr haben wir eigene Teams für die Kundengruppen aufgebaut, die genau die Sprache des jeweiligen Marktes sprechen. In puncto Auftragsverarbeitung setzen wir auf den Einsatz von Systemen, die uns viel weitergehender als bislang unterstützen können.
KK: Wenn Sie den Bereich Wärmepumpen im Segment Endkunden ansprechen, ist das für Sie ein Geschäft, das gerade einmal drei Jahre alt ist. Sind Sie bereits ausreichend mit dem SHK-Fachhandwerk vernetzt oder dominieren nach wie vor Kälte- und Klimaanlagenbauer auf die aber nur die wenigsten Endkunden zugehen werden, wenn sie eine neue Heizanlage benötigen?
Holger Thiesen: Drei Jahre im Markt heißt auch drei Jahre Erfahrung: Und unser Ansatz, den wir damals gewählt haben, nämlich der selektive Vertrieb über ausgebildete Partner mit einem entsprechendem Qualitätsniveau, hat sich als richtig herausgestellt. Dass wir naturgemäß über unser angestammtes Kundenklientel gekommen sind, ist nur natürlich. Aber richtigerweise muss jetzt der nächste Schritt erfolgen in den Flächenmarkt, der sicherlich vom Hei-zungsbauer dominiert wird. Dabei fällt es mir zunehmend schwerer, hier Differenzierungen nach Kälte- und Klimaanlagenbauer oder SHK-Fachhandwerker zu treffen. Wir reden von Spezialisten, die sich mit der Gebäude- und Systemtechnik auskennen. Wir haben mittlerweile eine Fülle an Experten im Handwerk als Partner gewinnen können, die das Thema Zukunftstechnologien für erneuerbare Energien gleich welcher Art fächerübergreifend verstehen und sich auch so aufgestellt haben. Auf der Chillventa werden wir neue Komplettsets vorstellen, die den Markt Wärmepumpe gerade für diese Klientel noch einfacher gestalten können. Bei uns ist jeder Fachhandwerker willkommen, der bereit ist, in Trainingsmaßnahmen zu investieren und dadurch am wachsenden Markt mit uns zusammen zu partizipieren. Dabei genießt bei uns der persönliche Draht zum Fachhandwerker jederzeit eine wichtige Bedeutung.
KK: Mit welcher Strategie werden Sie künftig im Markt agieren? Stehen eher neue Märkte oder eher neue Produktsegmente im Fokus?
Holger Thiesen: Regional stehen keine weiteren Märkte auf der Tagesordnung Anwendungsmärkte aber schon. Hier sehe ich enorme Potenziale in vielen Feldern. Sei es die Wärmepumpen- oder die VRF-Technik. In vielen Bereichen wird mit einer sehr traditionellen Struktur hinsichtlich der Technologien gearbeitet, die derzeit nach und nach aufgebrochen wird. Wenn wir den Blick in Nachbarländer werfen, dann sehen wir, dass hier TGA-Aufgaben der Wärme-, Warmwasser- und Kälteerzeugung unter dem Dach der hocheffizienten VRF-Technologie zusammengeführt werden. Gerade junge Kälte- und Klimaanlagenbauer sowie Fachplaner, die auch im Ausland aktiv sind, sammeln hier ihre Erfahrungen über die Möglichkeiten der Kostenreduzierung bei der Wärme-, Kälte- und Frischluftversorgung. Das sind Partner, denen es um die energetische Gesamtbetrachtung eines Gebäudes geht und die innovative Lösungen kennen- und schätzen gelernt haben.
KK: Können Sie uns einen kurzen Ausblick in Richtung Neuheiten zur Chillventa ge-ben? Womit können wir rechnen?
Holger Thiesen: Wenn wir unsere Studien und Zukunftsentwicklungen ansehen, geht es immer wieder auch um das Thema Wie wird sich die Zukunft von Kältemitteln gestalten?. Generell rechnen wir mit einer Verschärfung der Vorschriften hinsichtlich Zusammensetzung und Menge der eingesetzten Kältemittel. Wir haben hierauf eine Antwort entwickelt, die auf einem Mix aus den Medien Kältemittel und Wasser basiert. Dieses völlig neuartige System stellen wir erstmals auf der Chillventa vor. In unserem neuen Bürogebäude ist es bereits als Prototyp im Einsatz und verbindet hier die Möglichkeiten der hohen Effizienz von VRF-Anlagen mit den Vorteilen eines wassergeführten Systems.
Mit Blick auf die kommende ErP-Richtlinie nicht nur ab 2013 mit der LOT 10, sondern auch im Hinblick auf LOT 12 haben wir Produktlinien überarbeitet oder vollständig neu entwickelt. Die Neuerungen im Einzelnen vorzustellen würde hier zu weit führen, aber neue Klimageräte aus der bisherigen Deluxe-Wandgeräteserie werden künftig z. B. einen 3D-isee-Sensor be-inhalten, der das Gerät enorm energieeffizient und gleichzeitig unerreichbar komfortabel macht. Es geht dabei letztendlich darum, wie man seine klimatisierte Umgebung wahrnehmen möchte, ob man von der Luft umspült, direkt angeblasen etc. werden soll. Diese Form der dreidimensionalen Intelligenz ist neu am Markt. Dazu werden wir neue Plasma-Quad-Filter vorstellen, die nachweislich Schimmelpilze, Bakterien, Viren und allergene Stoffe in der Atemluft neutralisieren können.
Ein weiteres Highlight auf der Chillventa wird unser Kompressoren-Kompetenzcenter sein. Der Kompressor ist und bleibt das Herzstück jeder Wärmepumpe und jeder Klimaanlage. Wir sind weltweit der technologisch führende Hersteller von Kompressoren und beliefern damit zahlreiche Unternehmen der Branche. Im Rahmen der Chillventa wollen wir das anhand der Themen Effizienz, Wirkungsgrad und ErP-Richtlinie noch einmal verdeutlichen. Wir bieten dabei auch anhand zahlreicher Modelle einen Blick hinter den Vorhang der technologisch äußerst aufwendigen Kompressoren-Herstellung.
KK: Eine abschließende Frage zum Stichwort ErP-Richtlinie, Herr Thiesen. Wie sehr werden die Bestimmungen der ErP-Richtlinie den Markt aus Ihrer Einschätzung heraus verändern?
Holger Thiesen: Viele Marktteilnehmer haben die Auswirkungen der ErP-Richtlinie aus unserer Sicht heraus noch nicht in dem Fokus, der notwendig ist. Letztendlich bedeutet die neue Verordnung, dass ab dem 1. Januar 2013 keine Klimatechnik bis 12 kW Kälteleistung mehr ohne ErP-Kennzeichnung in die EU eingeführt werden darf. Das Ganze wird sich mit dem Inkrafttreten des LOT 12 auch auf die größeren Leistungsklassen ausdehnen. Wer hier als Hersteller nicht vorgesorgt hat, kann schnell mit unbequemen Tatsachen konfrontiert werden. Denn die Ökodesign-Richtlinien sind ohne Invertertechnik nicht umzusetzen. Der Standard der Zukunft wird bei Wärmepumpen und Klimageräten deswegen fortschrittlichste Invertertechnik sein. Invertertechnologie lässt sich aber nicht kurzfristig einfach in einem Produkt einsetzen, sondern man muss hier als Hersteller lange Erfahrung gesammelt haben, um einen hocheffizienten und reibungslosen Betrieb gewährleisten zu können.
KK: Herr Thiesen, vielen Dank für das Gespräch. -