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IV. Röpke-Symposium zur „Eigentümerverantwortung in der Sozialen Marktwirtschaft“

Wirtschaftlicher Humanismus Ein Konzept für die Welt

Wie es um die Eigentümerverantwortung in der Sozialen Marktwirtschaft gegenwärtig bestellt ist, dazu nahm ein interdisziplinär besetztes Expertenforum am 1. Dezember 2010 in Düsseldorf eine Bestandsaufnahme vor. Die einhundert Konferenzteilnehmer (unter ihnen die ehemalige NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben und Hartmut Schauerte, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium a. D.) kamen unter Moderation von FAZ-Herausgeber HolgerSteltzner zu einer wenig ermutigenden Zwischenbilanz: Trotz Finanz- und globaler Wirtschaftskrise mit anschließenden Staatskrisen (Griechenland, Irland) lässt sich auf dem Gebiet der Verantwortungs-genauen Haftungs-Kultur in den Chefetagen von Kapitalgesellschaften und Banken noch kaum eine Verhaltens- bzw. institutionelle Veränderung beobachten.

Auf dem IV. Röpke-Symposium der Handwerkskammer Düsseldorf und des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags (NWHT) gemeinsam mit dem Bund Katholischer Unternehmer widmeten sich insgesamt 16 Nationalökonomen und Finanzwissenschaftler, Philosophen, Spitzenrepräsen-tanten von Wirtschaftsverbänden und Publizisten ethischen, betriebs- und volkswirtschaftlichen, aktien- und wettbewerbsrechtlichen sowie den politischen Dimensionen des Schlüsselthemas.

Den Startimpuls für die Podiumsdiskussion setzte Prof. Wolfgang Schulhoff, Handwerksunternehmer und Wirtschaftswissenschaftler, Präsident der gastgebenden Kammer und des NWHT: Wir müssen dafür sorgen, dass der vollhaftende Unternehmer wieder als Normalfall in einer Marktwirtschaft angesehen wird. Gemeinsame Ursache der Finanz- wie der nachfolgenden Währungskrise sei der systematische Irrglaube, dass im Notfall schon jemand anderes zahlt. Eigentums- und Vertragsfreiheit setze in der demokratischen Wirtschaftsverfassung jedoch zwingend voraus, für die eingegangenen Risiken persönlich geradezustehen, d. h. zu haften. Nachhaltigkeit sei ohne die Verantwortlichkeit des Eigentümers nicht erreichbar.

Eigentum setze aber auch dem Staat enge Grenzen. Nur wenn wir einen klaren Begriff vom Eigentum haben, verfügen wir über den Maßstab zu beurteilen, welche Entscheidungen der Staat an sich ziehen darf, so Schulhoff. Dem klassischen Eigentümer-Unternehmer müsse wieder mehr Luft zum Atmen gegeben werden.

Mit Blick auf die Krise des Euro-Verbunds stellte Schulhoff fest, dass der Euro-Raum in immer größeren Schritten in eine Transferunion gerate. Das ist der Abschied von der Stabilitätskultur, so Schulhoff. Ein klarer Vertragsbruch. Die Zeche müsse am Ende der Steuerzahler tragen. So wird der Euro zu einem Sprengsatz der europäischen Integration!

Den inneren Zusammenhang von Eigentum und Verantwortung beleuchteten vertiefend Prof. Dr. Alfred Schüller (Marburg) und Prof. Dr. Otto Depenheuer (Köln). Letzterer mahnte in seinem Vortrag über die Rückkehr der Persönlichkeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Rechtskultur eine Renaissance des verantwortlich handelnden Individuums in einem umfassenden Sinne an. In unserer hochkomplexen globalisierten Gesellschaft sei die personelle Verantwortung zu Lasten einer Systemverantwortung die jedoch ins Leere laufe verloren gegangen. Die bloße Pflichterfüllung der Handlungsvorgaben des Staates an­-hand zahlenbasierter Rechtspflichten reiche nicht. Man solle sich nicht von Zahlen das Handeln vorschreiben lassen. Zahlen ersetzen nicht pflichtgemäßes Denken. Wir brauchen Persönlichkeiten, die Entscheidungen treffen und für riskante Entscheidungen persönlich einstehen, sagte Depenheuer.

Samariter-Dilemma

Das Haftungsprinzip entwickle sich in den entwickelten Industrie- und Wohlfahrtsstaaten fortschreitend in Richtung einer entpersönlichten Haftung, lautete Prof. Schüllers zentrale These. Diesem Trend könne durch eine Repersonalisierung des Gesellschaftsrechts für Aktiengesellschaften in Streubesitz entgegengewirkt werden. Statt Ausgabenkürzungen wachse die Staatsverschuldung seit den 60er-Jahren und auch die EU beschreitet den Weg des Wohlfahrtsstaates. Er nannte dies das Samariter-Dilemma, das dazu führe, dass die Selbstheilungskräfte der Gesellschaft eingeschränkt und der Staat in die Haftung genommen werde für zuvor subventioniert aufgebaute neue Industrien und Gewerbezweige. An die Stelle der fehlenden Haftung der Manager solle eine Individualhaftung mit Stärkung der Aktionärsrechte treten. Eine Lehre der Krise sei, dass man zum Trennbankensystem zurückkehren müsse. Dies habe in den USA lange Zeit gut funktioniert.

Für eine umfassendere Verantwortlichkeit der Aktionäre plädierte anschließend auch Martin Wilde vom Bund Katholischer Unternehmer. Aktionäre sollten stärker an Unternehmensentscheidungen beteiligt werden, u. a. durch eine erhöhte Dividende bei persönlicher Anwesenheit bei Aktionärsversammlungen. Für institutionelle Anleger sollte die Teilnahme verpflichtend werden. Aktionäre sollten auch Zugang zum Aufsichtsrat erhalten.

Prof. Dr. Erich Weede (Bonn) bekräftigte die Forderung für den Typus des Eigentümer-Unternehmers. Denn: Fallen Leitung und Eigentum zusammen, werden die Anreize zur Risiko- und Fehlervermeidung optimiert. Fallen sie auseinander, sinke die Hemmschwelle gegenüber riskanten Entscheidungen, so Weede, der den zweiten Vertiefungs-Block (Verantwortung in Kapitalgesellschaften) zum rechtlichen Pflichtenheft von Vorständen, Aufsichtsräten und Aktionären und Interessenkonflikten eröffnete. Um Anreiz-Verzerrungen zu minimieren, seien Bonuszahlungen an Manager durch Verlustbeteiligungen auszugleichen. Gesetzgeberische Eingriffe in die Unterneh-mensverfassungen seien grundsätzlich problematisch, da sie den permanenten Austausch ineffizienter betrieblicher Strukturen und damit die Marktanpassung eher behinderten, führte Weede aus.

Staatlich finanziertes Unternehmenswachstum gehört abgewrackt

Thomas Minder (Trybol AG, Schweiz) ging noch weiter: Staatliche Interventionen mit dem Ziel, Konzerne von nicht mehr steuerbarer Größe zu schaffen oder zu stützen, seien kontraproduktiv. Nicht Freiheit und Wettbewerb gehörten abgewrackt, sondern Finanzanreize und staatlich finanziertes Unternehmenswachstum. Wachstum ohne Grenzen habe seine Grenzen, so Minder. Verantwortungsloses Handeln mithilfe von Staatssubventionen, das ist Planwirtschaft. Aktionäre sollten über die Vergütung von Vorständen abstimmen. Boni bei gleichzeitigen Verlusten dürfe es nicht mehr geben beim Champagner-Managementum, in dem sogar Aufsichtsräten bei Nicht-Wiederwahl eine Abfindung gezahlt werde. Top-Manager müssten im Gegenteil in Haftung genommen werden. Multis dürften trotz Krise und Verlusten nicht zu Super-Mammuts heranwachsen. Egoismus und Raffgier seien schließlich die Gründe für die Finanzkrise gewesen. Kleine Unternehmen und Existenzgründer müssten gefördert werden.

Wer einen Bock gebaut hat, der hat keinen Anspruch auf eine Abfindung

Prof. Rudolf Hickel wollte die generelle Kritik an den Managern so nicht stehen lassen. Man darf nicht derart verallgemeinern, so der Bremer Ökonom. Er sprach sich seinerseits für ein Aktienrecht aus, das die Verantwortlichkeit der Konzernleitung gegenüber dem Wohl des Gesamt-Unternehmens mit seinen Beschäftigten und langfristigen Per­spektiven schärfe. Insbesondere der Bankenmarkt müsse noch stärker reguliert werden. Die Stunde ist gut für ordoliberale Politik, stellte Hickel fest. Den größten Regelungsbedarf sah Hickel bei den Boni: Hier findet Abzockerei statt. Und mit Blick auf die Querelen um Nonnenmacher bei der HSH-Nordbank: Wer einen Bock gebaut hat, der hat keinen Anspruch auf eine Abfindung. Ebenso müssten Hedgefonds reguliert werden. Hickels Fazit: Wir brauchen dringend mehr Regulierung, damit die Marktwirtschaft wieder leben kann.

Konkrete Forderungen an den Gesetzgeber prägten die weitere Konferenzdebatte. Der Geschäftsführer des Wilhelm-Röpke-Instituts (Erfurt), Dr. Joachim Zweynert, warnte vor ungeregeltem Wettbewerb. Der Düsseldorfer Volkswirtschaftler Prof. Dr. Jörg Thieme stellte drei Regulierungsbe­reiche in den Mittelpunkt: Die Währungsverfassung müsse die Preisstabilität gewährleisten. Haftungsausschlüsse der Entscheidungsträger seien zu beseitigen. Und der Finanzsektor sei mit dem marktwirtschaftlichen System kompatibel zu machen. Dessen Grundpfeiler: Kartellrecht, Haftungs- und Transparenzbestimmungen, seien als Leitplanken sozial verantwortlicher Betriebsführung unverzichtbar.

Dies gelte umso mehr, als die bereits von Wilhelm Röpke befürchtete Dominanz des Gewinnerzielungsprinzips gegenüber anderen Werten mittlerweile eingetreten sei, so der Mittelstandsökonom Prof. Dr. Werner Teufelsbauer (Regensburg / Wien): Vertrauen wird vom öffentlichen zum wohlfeilen privaten Gut, mit dem Ratingagenturen gute Geschäfte machen. Corporate Social Responsibility (CSR) als Konzept einer firmenindividuellen Selbstbindung folge als Auffangstrategie zwar derselben Privatisierungslogik. Der CSR-Ansatz greife allerdings zu kurz, mangele es ihm doch an Transparenz, da jeder Konzern eigene CSR-Statuten erstelle. Teufelsbauer schlug vor, den Spieß umzudrehen und dem Ökonomischen Humanismus eines Wilhelm Röpke mehr PR zu verschaffen. Die Gelegenheit des guten Images der deutschen und österreichischen Wirtschaft sei auszunutzen, um den Ansatz Röpkes zu einer weltweiten Trademark zu machen.

Bilanztransparenz als spezifisches Korrelat zur Haftungsfreistellung

Auf Gefahren aus dem internationalen Rechtsrahmen hob Dr. Andreas Möhlenkamp vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (Düsseldorf) ab. Möhlenkamp arbeitete die von der EU betriebene Ausweitung der Bilanztransparenz als für mittelständische und inhabergeführte Unternehmen verfehlten Ansatz heraus. Die Bilanztransparenz sei ein spezifisches Korrelat zur Haftungsfreistellung in Kapitalgesellschaften. Möhlenkamp wies darüber hinaus für den heimischen mittelständischen Wirtschaftsbereich die angloamerikanische Tradition einer Rechnungslegung zurück, die auf den künftigen Unternehmenserfolg und auf den Zeitwert des Betriebsvermögens abstelle. Die damit verbundene Aufdeckung stiller Reserven konterkariere das im deutschen Handelsrecht angelegte Vorsichtsprinzip des ehrbaren Kaufmanns.

Mit Ziel-Maßnahmen, die von allen Experten gewollte Renaissance des persönlich haftenden Unternehmers zu fördern, befasste sich der vierte und letzte Konferenzblock. Prof. Gerrit Meijer (Maastricht) stellte in einem ideengeschichtlichen Aufriss die integrale Bedeutung dieses Unternehmertypus für die günstige wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller sozialmarktlich geprägten Staaten heraus.

Falsche politische Weichenstellungen nicht zuletzt eine mittelstandsfeindliche Steuer- und Abgabenpolitik engten die unternehmerische Freiheit über Gebühr ein und gefährdeten in letzter Konsequenz den Typus des Inhaber-Unternehmers, arbeitete anschließend Toni Hinterdobler, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, heraus.

Der Vorsitzende der Baugewerblichen Verbände Nordrhein, Rüdiger Otto, beschwor noch einmal eindrucksvoll die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit fördernde Persönlichkeitsprägung beim Typus des Inhaber-Unternehmers. Dieser weise die Fähigkeit auf, Risiken nicht nur täglich einzugehen, sondern sie auch auszuhalten. Mittelständische Unternehmen seien auf eine den Wettbewerb fördernde Ordnungspolitik angewiesen, um zu permanenter Modernisierung angehalten zu sein. Handlungsbedarf bestehe insbesondere bei der Zahlungsmoral und gegen den ausufernden Bürokratismus der öffentlichen Hand. Der Papierkrieg muss ein Ende haben, mahnte Otto.

Fazit

In fünf Positionen fasste der Hauptgeschäftsführer der gastgebenden Kammer und Leiter des Kompetenzzentrums Soziale Marktwirtschaft, Dr. Thomas Köster, den Konferenzverlauf abschließend zusammen.

1.Das Symposium habe den vollhaftenden Eigentümer-Unternehmer als unternehmerisches Leitbild bestätigt.

2.Haftungsbegrenzungen seien ein nur ­ausnahmsweise sinnvolles Privileg. Breiteten sich haftungsbeschränkende Rechtsformen aus, dann durchlaufe die Wirtschaftsordnung eine Transformation, die das Eigentümer-Unternehmertum bedrohe.

3.Durch Beseitigung rechtlicher und steuerlicher Diskriminierungstatbestände seien Personen­gesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften zu stärken.

4.Die Verantwortungskultur in Publikums-Aktiengesellschaften sei unter anderem durch Abschaffung der derzeit üblichen Praktik einer Hintereinander-Staffelung von Haftungsfreistellungen für Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat zu stärken.

5.Und ein wirtschaftlicher Humanismus sei als Trademark in die Welt zu tragen. -

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