Die Geothermie bleibt weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Diese Bekundung kommt nicht von einem Lobbyverband, sondern von Eva de Haas, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Dabei stand gerade im Südwest-Staat die Fortführung der oberflächennahen Geothermie aufgrund spektakulärer Schadensfälle lange Zeit auf der Kippe. Die Aussage, „Noch ein Staufen und die Geothermie ist in Baden-Württemberg am Ende“, zieht sich seither wie ein roter Faden durch die einschlägigen Fachveranstaltungen. Unstrittig ist: Alle Schadensfälle in Baden-Württemberg beruhen nachweislich auf Ausführungsmängeln und menschlichem Versagen. Im Jahr 2009 reagierte das Landesamt für Geologie des Regierungspräsidiums Freiburg darauf mit einer landesweiten Begrenzung der Bohrtiefe bis zum ersten Grundwasserstockwerk, was faktisch einem Baustopp gleichkam. Zeitgleich wurden auch die Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und Wassergesetz BW (WG) ergänzt. So sind nach § 37 WG alle Erdwärmesonden (EWS) erlaubnispflichtig. Im Zweifelsfall gelten die Vorgaben der LQS EWS, die zu einer Geothermie-Verordnung weiterentwickelt werden soll, so Eva de Haas.
Mit der Einführung der Qualitätssicherungsmaßnahme LQS EWS Ende 2011 setzte Baden-Württemberg den Schludrigkeiten am Bohrloch ein Ende. Eva de Haas: „Neben der Qualifizierung des Bohrgeräteführers ist eine Mindestausrüstung auf Baustellen heute Pflicht, ebenso die taggleiche Abdichtung der EWS-Bohrung. In geologisch und hydrogeologisch schwierigen Gebieten ist die Grundwasseransprache durch einen externen Sachverständigen inzwischen obligatorisch.“ Um mehr Gewissheit über die Qualität der Ringraumverfüllung sowie über Anomalien im Untergrund zu erhalten initiierte das Land Baden-Württemberg im Rahmen der Qualitätssicherungs-Leitlinie auch die Entwicklung von automatischen Abdichtungsüberwachungssystemen. Ziel ist es, den Suspensionsspiegel in der Bohrung sowie die eingebrachte Suspensionsmenge dem Geräteführer während des gesamten Abdichtungsvorgangs anzuzeigen und digital zu dokumentieren.
Aktuell sind drei Systeme im Einsatz, zwei befinden sich in der Feldtestphase und ein weiteres System ist noch in der Entwicklung. Wichtig sei es, den Bohrführern baustellenreife Geräte mit hoher Messgenauigkeit zur Verfügung zu stellen mit der Option, die Messung nach einer gewissen Zeit wiederholen zu können. Gleichzeitig sollen durch den Einsatz der Abdichtungsüberwachungsgeräte die (teuren) Präsenzzeiten von Sachverständigen auf der Baustelle reduziert werden. Weitere Qualitätssteigerungen am Bohrloch erhoffen sich die Akteure durch den Einsatz dotierter Verfüllmaterialien (Zirkonsande, magnetische Dotierung). Nach Abschluss der Testphase der automatischen Abdichtungssysteme werde Baden-Württemberg die Verfahren verbindlich in das LQS EWS-Qualitätsaudit aufnehmen, so Eva de Haas.
Notfalls auch Sanktionen
Rein theoretisch betrachtet reichen die meisten der bestehenden Gesetze, Verordnungen und Richtlinien aus, funktionsfähige und effiziente geothermische Wärmepumpenanlagen zu erstellen, auch unter komplexen geologischen und hydrogeologischen Bedingungen. Warum es in der Praxis dennoch zu Problemen am Bohrloch kommen kann, hat nach Ansicht des Geologen Dr. Claus Heske einen ganz einfachen Grund: „Auf den Baustellen werden keine Vorschriften und Richtlinien gelesen.“ Dennoch ist der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e. V. überzeugt, dass der aktuelle Katalog an Qualitätsanforderungen ausreicht. „Bevor neue Vorgaben gemacht werden, muss zunächst sichergestellt sein, dass die bestehenden Normen, Richtlinien und Leitlinien umgesetzt und eingehalten werden“, sagt Dr. Martin Sabel vom BWP. Zusätzliche Qualitätskriterien solle man erst diskutieren, wenn sich herausstellt, dass die bestehenden Anforderungen nicht ausreichen. Wichtig sei, das Auditsystem nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 120-2 (Qualitätsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik und oberflächennahe Geothermie, Erdwärmesonden) am Markt zu etablieren und die dort genannten Kriterien der Selbstverpflichtung bei den zertifizierten Unternehmen vor Ort auch unangemeldet zu überprüfen. Dazu bedürfe es objektiver und möglichst messbarer Kriterien in Form von Checklisten. Wer als zertifiziertes Unternehmen gegen die vereinbarten Qualitätsanforderungen verstoße, müsse mit Sanktionsmaßnahmen aus einem abgestuften Katalog rechnen, so Dr. Sabel. Auch bei der heizungstechnischen Planung sieht Dr. Sabel noch Optimierungsspielraum. So müssten der Wärmebedarf, das Heizsystem und die Wärmequelle besser aufeinander abgestimmt werden. Wichtig sei es, den Nutzer und dessen Heiz- und Hygienegewohnheiten mit einzubeziehen. So spiele in hochwärmegedämmten Wohngebäuden der Warmwasserverbrauch bei der Auslegung der Wärmepumpe eine zunehmend größere Rolle. Sabel konkret: „Wellnessduschen im Niedrigenergiehaus überfordern oftmals die Leistung der Wärmepumpe und der Wärmequelle.“ Auch müsse man die vom Energieversorger auferlegten Sperrzeiten bei der Konzeption der Gesamtanlage stärker berücksichtigen, insbesondere unter dem Aspekt Smart-Grid-geführter Wärmepumpen.
Frost-Tau-Beständigkeit in der Diskussion
Nach wie vor sehr kontrovers diskutiert wird das Thema Frost-Tau-Beständigkeit im Ringraum einer Erdwärmesonde. Zur Erinnerung: Bei lang anhaltendem Spitzenlastbetrieb der Wärmepumpe kann es durch das Auffrieren des Sondenringraumes und des umgebenden Erdreichs zu Undichtigkeiten in der Hinterfüllung und damit zur Wasserzirkulation zwischen dem oberen und unteren Grundwasserstockwerk über den Ringraum kommen. Parallel dazu fordern die Genehmigungsbehörden zunehmend reines Wasser als Wärmeträgermedium, was einem frostfreien Betrieb gleichkommt. Diese Vorgaben beeinflussen die Entzugsleistung der Sonde und damit die Sondenlänge ganz erheblich und somit die Wirtschaftlichkeit von Erdwärmesonden insgesamt. Eine Minderung der Entzugslast von 50 W/m (Vorgabe nach VDI 4640, Blatt 2) auf 40 W/m (Vorgabe der schweizerischen Richtlinie SIA 384/6) führt beispielsweise zu einer Verlängerung der Sonde von 100 auf 125 m, so Dr. Markus Kübert, Tewag GmbH, Regensburg. Simulationsrechnungen mit Entzugsleistungen von 50, 45 und 40 W/m und den entsprechenden Sondenlängen von 100, 111, 125 m hätten ergeben, so Kübert, dass bei Einhaltung praxisgerechter Rahmenbedingungen (Wärmepumpe = 5 kW, Laufzeit 1 800 h/a, Entzugsarbeit Wärmepumpe = 9 000 kWh/a bei EWS Ein-/Austrittstemperaturen von 3/0 °C) keine Durchfrostung des Ringraums eintritt, bei Temperaturen <3/0 °C über einen längeren Zeitraum jedoch mit einer signifikanten Durchfrostung zu rechnen ist. Da in der Praxis die Sondenrohre einer Doppel-U-Sonde nicht zentrisch, sondern eher beliebig im Rohrloch verteilt sind, lassen sich die Simulationsergebnisse nicht ohne Weiteres in die Praxis übertragen. Kübert regt deshalb an, die Simulationsergebnisse mit Monitoring-Datensätzen von realen Anlagen abzugleichen und zu verifizieren. Wichtig sei es, tatsächliche Taktzyklen von Wärmepumpenanlagen bei dieser Betrachtung zu berücksichtigen. Ob sich allerdings der Betreiber einer Wärmepumpe an die Planungsgrundlagen und speziell vorgegebenen Betriebsweisen hält, muss bezweifelt werden.
Energie-Contracting mit dezentralen Wärmepumpen
Viele Gemeinden wollen in Neubaugebieten nur noch Wärmepumpen oder andere regenerative Heizungsanlagen zuzulassen. Dabei werden oft mehrere Lösungen in Erwägung gezogen, z. B. zentrale oder dezentrale Erdwärmesonden, ggf. in Kombination mit solarer Unterstützung, zentrale oder dezentrale Grundwasserbrunnen, kalte Nahwärmesysteme oder zentral mit Groß-Wärmepumpen beheizte Nahwärmesysteme.
Auch die Stadtwerke Troisdorf evaluierten verschiedene Möglichkeiten der Energiegewinnung. Sie entschieden sich für eine „innovative geothermische Anlage“, die auf drei bestehenden Brunnen einer stillgelegten Trinkwassergewinnungsanlage basiert. Die Versorgungsstruktur mit Grundwasser für zwei in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Siedlungen (Wärmebedarf 750 kW, voraussichtliche Wärmepumpen-Betriebsstunden 2 100/a, Wärmearbeit ca. 1 300 MWh/a) erfolgt durch zwei separate Systeme, die aus Redundanzgründen miteinander gekoppelt sind. Um die Investitionskosten für die Eigenheimbesitzer möglichst niedrig zu halten, bieten die Stadtwerke die Wärmepumpe als Energie-Contracting an. Die Abrechnung erfolgt über die Menge an genutztem Grundwasser und dem Stromverbrauch der Wärmepumpe. Der Kundenvertrag mit den Stadtwerken ist mit der Verpflichtung verbunden, eine Fußbodenheizung bzw. eine statische Heizung mit einer maximalen Vorlauftemperatur von 35 °C einzubauen. Für die Trinkwassererwärmung stehen maximal 60 °C Vorlauftemperatur zur Verfügung. Nach ersten Schätzungen liegen die Wärmekosten für den Nutzer etwa gleichauf mit denen einer Erdgasheizung. Für den Nutzer entfallen jedoch die Investitionskosten für die Wärmepumpe. Die geothermische Begutachtung und Planung lag bei Dr. Erich Mands von der Fa. UBeG Dr. Mands & M. Sauer GbR, Wetzlar.
Neue Berechnungsverfahren für thermische Bauteile
Die thermische Aktivierung erdberührenderBauteile als Wärmequelle für geothermische Heiz- und Kühlsysteme ist weit wirtschaftlicher als Erdwärmesonden, versichern Sylvia Kürten von der RWTH Aachen und Dr. Darius Mottaghy von der Geophysica Beratungsgesellschaft mbH, Aachen. Dabei gehe es darum, ohnehin erforderliche Bauteile durch die Integration von Wärmeübertragerrohren thermisch zu aktivieren. Beispiele sind Energiepfähle, Energiebodenplatten, Energietunnel, Energieschlitzwände und neuerdings auch Energiespundwände. Vorteil ist, dass diese Bauteile meist eine Abdichtungsfunktion gegen das strömende Grundwasser übernehmen, sodass oftmals sehr hohe Entzugsleistungen möglich sind. Bei der neu entwickelten Energiespundwand der SPS Energy GmbH, Horhausen, könne so mit Entzugsleistungen von 40 bis 350 W/m2gerechnet werden, bei Energieschlitzwänden mit 20 bis 100 W/m2 und bei Bodenplatten mit 15 bis 30 W/m2. Allerdings gebe es bei der Berechnung der Entzugsleistungen solcher Bauteile noch erheblichen Diskussionsbedarf, zumal die heute gültige VDI-Richtlinie 4640 „Thermische Nutzung des Untergrundes, erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen“, nur sehr vage Ergebnisse liefere und nicht alle am Markt verfügbaren Systeme abbilde, so die Referenten. Vor diesem Hintergrund entwickelte der Lehrstuhl für Geotechnik im Bauwesen (GIB) der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit Geophysica und mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU; Aktenzeichen 29546) ein Berechnungsmodell für thermoaktive Bauteile. In diesem werden analog zur Berechnung von Erdwärmesonden alle relevanten Wärmeübergangsvorgänge zusammengefasst. Durch die Einbindung des Moduls in das Finite-Differenzen-Programm „Shemat-Suite“ können, so die Referenten, alle relevanten Vorgänge im Wärmeübertragersystem (Volumenstrom, Rohranordnung, Bauteilabmessung etc.) sowie im Untergrund (Wärmetransport, Temperaturverteilung, Grundwasserströmung etc.) abgebildet werden.
Alternative Wärmequellen stärker im Fokus
Die Schadensfälle in Baden-Württemberg mit Erdwärmesonden zeigen auf dem Markt für Wärmepumpen bereits Wirkung: Die Absatzzahlen erdgekoppelter Wärmepumpen sind rückläufig, die von Luft/Wasser-Wärmepumpen steigen, obwohl erdgekoppelte Wärmepumpen deutlich bessere Jahresarbeitszahlen aufweisen. Viele Aussteller der Geotherm haben auf diese Veränderungen reagiert und alternative Quellenerschließungssysteme als Ersatz für Erdwärmesonden vorgestellt.
Gerd Lugert, Frank GmbH, Mörfelden-Walldorf, empfiehlt sowohl Sonden mit geringer Einbautiefe als auch Wärmequellensysteme zur Nutzung von Abwasser und Oberflächengewässern. Für Bohrtiefen von 6 bis 12 m hat Frank die Vertical Thermpipe entwickelt, die sich bei hohem Grundwasserstand anbietet und zeitsparend mittels Hohlschneckenbohrer eingebaut werden kann.
Steht Abwasser in ausreichenden Mengen zur Verfügung, könne die konventionelle Abwasserleitung durch eine PSK-Thermpipe ersetzt werden. Das innen glatte Kunststoffrohr mit äußerer Rohrumwicklung habe den Vorteil, dass keine Einbauten im Gerinne notwendig sind, so Lugert. Durch die an der Außenseite des Abwasserrohrs anliegenden Rohre könne auch das umgebende Erdreich als Wärmequelle genutzt werden. Voraussetzung sei, dass eine Abwassermenge von mindestens 5 l/s zur Verfügung steht und der Kanal mindestens DN 300 groß ist. Rund 20 Prozent der Wärme komme bei diesem System aus dem Abwasser, 80 Prozent aus dem umgebenden Erdreich. Der Vorteil gegenüber Kanaleinbausystemen sei, dass die Wärmegewinnung auch ohne oder mit geringem Abwasserstrom funktioniere.
Fazit
Die Qualitätsoffensive durch die vom Land Baden-Württemberg initiierte Leitlinie „LQS EWS“ zeigt Wirkung. Offen ist, ob unter den verschärften Bedingungen Erdwärmesonden für Kleinanlagen bezahlbar bleiben. Durch die Begrenzung der Bohrlochtiefe auf den Gipsspiegel rücken andere Energiegewinnungsverfahren, zum Beispiel Erdkollektoren, Energiepfähle, Schlitzwände, Spundwände und Brunnen, mehr in den Fokus. Einer der Gewinner bei den Problemen rund um das Bohrloch ist zweifellos die Luft/Wasser-Wärmepumpe. -
Wolfgang Schmid
freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München