Denn wenn sich negative Kommentare hochschaukeln und Verantwortliche nicht angemessen reagieren, kann das einem Unternehmen und seinem Image schnell schaden. So ist wohl jedes Unternehmen, das sich mit dem Social Web beschäftigt, bereits auf Nörgler gestoßen, denen man es scheinbar nicht recht machen kann. Die Anonymität im Internet tut ihr Übriges, sodass sich diese „Trolle“ an vielen Orten im Netz tummeln. Doch sich deshalb nicht an den virtuellen Gesprächen zu beteiligen, ist keine Alternative. Die Diskussion im Netz findet sowieso statt – im schlechtesten Fall ohne das betroffene Unternehmen. Hinzu kommt: Kommentare und Bewertungen beeinflussen Kaufentscheidungen beträchtlich. So vertrauen Verbraucher beispielsweise Online-Bewertungen mittlerweile mehr als persönlichen Empfehlungen durch Freunde oder Familienmitglieder.
Alles eine Frage der Übung
Dies zeigt auch ein vergangenes Beispiel: Im Prospekt von Aldi Nord führt eine hellhäutige junge Frau die „Farbvariante Damen“ vor, während schräg hinter ihr ein junger Mann mit dunkler Hautfarbe die Fleece-Jacke für Herren zeigt. Doch letzterer Fakt allein reichte Nutzern auf X – ehemals Twitter – für hämische und rassistische Bemerkungen. Aldi Nord landete so in den Trends der Kurznachrichtenplattform. Um des Shitstorms Herr zu werden, sperrte die Social-Media-Abteilung der Supermarktkette nicht nur die Accounts, die Beschimpfungen verbreitet hatten, sondern auch zahlreiche andere User. Diese konnten weiter ungehindert auf X posten, nur nicht mehr direkt auf Beiträge von Aldi Nord antworten oder sie direkt über ihre Accounts abrufen. Nutzer beschuldigten Aldi Nord daraufhin, Blocklisten zu verwenden, die angeblich von Antifa-Mitgliedern erstellt worden seien. Dies zeigt, dass sich früher oder später also jedes Unternehmen damit auseinandersetzen muss, wie es mit weniger positiven Kommentaren und Rezensionen umgehen möchte. Das Gute: Der professionelle Umgang mit Unruhestiftern im Netz lässt sich erlernen. Mit etwas Übung und Erfahrung entstehen aus schlechten Bewertungen oftmals später sogar positive Ergebnisse.
Genau abwägen
Social Media lebt vom Austausch und von der kommunikativen Auseinandersetzung. Wenn Unternehmen dem einen Riegel vorschieben, haben sie die Funktionsweise dieser Plattformen nicht verstanden. Eine Löschung von Beiträgen ist also wirklich nur in den seltensten Fällen zu empfehlen. Dann nämlich, wenn es zu Beleidigungen oder zu rechtsbedenklichen Statements kommt. Der Nachteil dieser Vorgehensweise besteht jedoch darin, dass sowohl Autor als auch Leser des ursprünglichen Posts sehen, dass dieser gelöscht wurde. Meist folgen darauf weitere negative Reaktionen. Auf Facebook gibt es die Möglichkeit, den jeweiligen Kommentar zu verbergen. Die Autorin oder der Autor des Postings merkt dies nicht, da sie oder er die Äußerung noch immer sieht. Einzig die anderen User sehen verborgene Inhalte nicht, sodass Reaktionen darauf ausbleiben. Doch das Verbergen von Kommentaren eignet sich wirklich nur in den Fällen, in denen keine Basis für Kritik besteht. Wenn die Kritikerin oder der Kritiker nur versuchen, das Unternehmen schlecht zu machen, ohne wirklich Feedback zu äußern, das der Brand nützt, dann kann sich dies als eine strategisch sinnvolle Variante erweisen. Marketingverantwortliche gehen einfach nicht auf die negativen Kommentare ein und lassen sie für alle anderen Leser sichtbar im Kommentarfeld. Dies kann dann Sinn machen, wenn es zuvor schon viele positive oder zumindest neutrale Kommentare gegeben hat.
Chancen erkennen
Ungehobelte, rechtsverletzende Kommentare können Unternehmen also ruhigen Gewissens löschen. User, die immer wieder auf Social Media pöbeln, lassen sich auch gerne blockieren. Doch bevor Brands einen Kommentar löschen, sollten sie auch sicher sein, dass sie keinen anderen Weg sehen, die Situation zu entschärfen. Schließlich will niemand Gleiches mit Gleichem vergelten. Negative Kommentare können jedoch auch helfen, die eigenen Produkte und die eigenen Leistungen zu verbessern. Wichtig ist, dass Marken dies auch gegenüber unzufriedenen Kunden äußern. Sie sollten auf negative Kommentare eingehen, zeigen, dass sie die Kritik wahrgenommen haben und eine Veränderung anstoßen möchten. Selbst wenn sie nicht direkt die Lösung haben, zeigen sie, dass sie den Kommentar gelesen und verstanden haben und sich nun um eine Besserung bemühen. Das gilt es dann auch in einem Antwortkommentar zum Ausdruck zu bringen. Negative Kommentare wertzuschätzen und als Anregung für die eigene Verbesserung zu sehen, mag zwar schwierig sein, lohnt sich aber dennoch deutlich. Denn ein kritikfähiges und aktiv auf die Kundinnen und Kunden eingehendes Unternehmen wird immer positiver bewertet als Brands, die schlechte Bewertungen nur ignorieren oder einfach löschen lassen. Kritik ist also auch eine Chance: Kunden, die negative Kommentare verfassen, haben die Marke noch nicht aufgegeben, im Gegensatz zu den Stillen, die zumindest innerlich bereits abgewandert sind. Mit Ausnahme von offensichtlichen Trollen und den üblichen Hatern sollten Unternehmen Kritik im Social Web offen, hilfsbereit und wertschätzend begegnen – eben „social“ im wahrsten Sinne des Wortes.