Häufig nehmen wir das Raumklima zu Hause oder am Arbeitsplatz als gegeben hin. Zwar werden zu hohe oder zu niedrige Temperaturen noch bewusst wahrgenommen, aber bereits bei der Luftfeuchtigkeit reicht das subjektive Empfinden als Bewertungskriterium oft nicht mehr aus.
Um einer Schädigung sowohl unserer Gesundheit als auch der Bausubstanz vorzubeugen, muss also die Luftqualität im Rahmen eines Belüftungskonzeptes durch technische Maßnahmen geregelt werden. Für die wenigsten Bestandswohnungen gibt es jedoch ein Lüftungskonzept, das bereits in der Bauphase erstellt wurde. Selbst Neubauten werden trotz geltender DIN-Normen nicht zwangsläufig im Einklang mit grundlegenden Erkenntnissen realisiert. Das Resultat heißt: Schimmel.
Doch auch wenn es keinen offensichtlichen Schimmelbefall gibt, können bei schlechter Belüftung körperliche Beschwerden auftreten, etwa wenn der CO2-Gehalt in der Atemluft dauerhaft zu hoch ist oder wenn Schadstoffe, die von Möbeln oder Baustoffen in die Umgebungsluft gelangen, nicht in ausreichendem Maße abgeführt werden.
Norm weist den Weg
Im Mai 2009 wurde die Norm DIN 1946-6 Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe / Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung“, welche die Belüftung bei Neubauten und Sanierungen regelt, verabschiedet. Sowohl für Bauherren als auch für Mieter ist die DIN-Norm hilfreich, denn im Kontext dieser Regelung wird das Problem einer zu guten“ Isolierung aufgegriffen.
Wiesen Häuser und Wohnungen früher in der Regel eine geringere Dämmung auf und waren somit luftdurchlässiger, sorgen moderne Techniken und Materialien heute dafür, dass bei geschlossenen Fenstern praktisch kein Luftaustausch mehr stattfindet. Allerdings ist ein Mieter lediglich verpflichtet, zweimal am Tag durch Stoßlüften das Raumklima auszugleichen. Sollte ein Objekt mithilfe dieser Maßnahme nicht ausreichend zu belüften sein und kommt es beispielsweise zur Schimmelbildung, liegt dies in der Verantwortung des Vermieters.
Doch auch Bauherren bekommen Rückendeckung durch diese DIN-Norm, denn sie sind zwar verpflichtet, bei einem Neubau oder einer Sanierung ein Lüftungskonzept erarbeiten zu lassen, doch ist hier der zuständige Lüftungsspezialist in der Pflicht, sollte es nachträglich zu Problemen kommen.
Auswahlkriterien für das Lüftungssystem
Derzeit hat man als Bauherr oder verantwortlicher Planer die Wahl zwischen zentralen und dezentralen Lüftungen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass eine dezentrale Lüftung in der Regel kostengünstiger ist und weniger Aufwand bedeutet – dies gilt sowohl für die Installation als auch für die Wartung.
Hinzu kommt, dass man eine zentrale Lüftung normalerweise nur bei einem Neubau oder einer umfangreichen Sanierung ohne unverhältnismäßigen Aufwand installieren kann. Bauartbedingt benötigen zentrale Lüftungen nämlich neben einem Ein- und Auslass auch ein Kanalsystem, durch das die Luft im Gebäude oder in der Wohnung geleitet wird.
In kleineren Wohnungen müssen zwar keine großen Metallrohre unter der Decke entlanglaufen, jedoch sind auch die Kunststofflösungen, die hier zum Einsatz kommen, mit einigem baulichen Aufwand verbunden: Es müssen Luftführungen mit flachem Querschnitt in einer Zwischenwand oder unter dem Fußboden verlegt werden. Ein weiteres Problem ist die Reinigung. Sind die schmalen Kanäle erst einmal im Gebäude verlegt, ist eine regelmäßige Reinigung – jedenfalls in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen – nicht mehr ohne Weiteres möglich.
Die Staubfilter und Kanäle dezentraler Lüftungseinheiten dagegen sind einfach zugänglich und lassen sich problemlos auswaschen. Für Allergiker lassen sich überdies Pollenfilter in die Lüfter integrieren. Ihr Austausch gestaltet sich ebenso komplikationslos.
Auch im Rahmen der Installation erfordern dezentrale Lüftungen deutlich weniger bauliche Maßnahmen als zentrale Lüftungen. Zwar benötigt die dezentrale Variante ebenfalls Wanddurchbrüche in den Außenwänden, doch darüber hinaus müssen Planer und Bauherren mit keinen weiteren Maßnahmen rechnen.
Dezentrale Systeme mit weiteren Vorteilen
Ein weiterer positiver Aspekt: Dezentrale Lösungen sind problemlos erweiterbar. So ist es beispielsweise denkbar, dass im Grundkonzept zur Objektbelüftung vorerst nur stark belastete Räume wie beispielsweise Badezimmer, Raucherzimmer oder Küchen mit einer dezentralen Lüftung versehen werden und man nachträglich das Belüftungskonzept noch ausbaut. Für dezentrale Anlagen sprechen zusätzlich die ästhetischen Gesichtspunkte, denn die Systeme verschwinden größtenteils in den Wänden.
Die jeweiligen Geräte werden meist neben einem Fenster auf Höhe der Fensterstürze oder oben in den Zimmerecken positioniert. Falls möglich, nutzt man eine vorhandene Heizung zur Erwärmung der einströmenden Luft. Moderne Varianten der dezentralen Lüftungen arbeiten allerdings mit Keramik-Wärmespeichern, wodurch eine Wärmerückgewinnung (WRG) möglich ist. In diesem Fall ist jede dezentrale Lüftungseinheit mit einem eigenen Ventilator und Wärmespeicher ausgestattet. Der Wirkungsgrad dieser wartungsarmen Elemente liegt teils bei bis zu 90 Prozent.
Angesichts immer weiter steigender Energiepreise ergibt es kaum Sinn, im Wohnumfeld eine Anlage ohne WRG einzusetzen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Ventilatoren der Lüftungssysteme Strom verbrauchen. Bei dezentralen Lüftungssystemen liegt der Stromverbrauch bei 1 bis 3 W Leistungsaufnahme. Mithilfe der Steuerung der Lüftungsanlagen kann der Nutzer zu festgelegten Zeiten lüften. In selten genutzten Räumen kann so die Lüftung reduziert und an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden – eine Möglichkeit, die es bei zentralen Lüftungen in dieser Form nicht gibt.
Auch im Servicefall überwiegen die Vorteile dezentraler Lüftungsanlagen: Getauscht wird nur das betroffene Gerät, nicht das Gesamtsystem.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz eines dezentralen Lüftungssystems in kleineren Neubauten oder bei der Modernisierung von Wohnungen mit überschaubaren Ausgaben verbunden ist, da einerseits die Anschaffung vergleichsweise günstig ist und andererseits die Wartung nicht zu versteckten Kosten führt. Eine zentrale Lüftung ist zwar bei großflächigen Objekten, wie beispielsweise Großraumbüros oder Hallen, wirtschaftlicher oder sogar technisch unumgänglich, in privaten Wohnräumen hingegen ist eine dezentrale Lüftung in jedem Fall die bessere und kostengünstigere Wahl.
Joachim Schrader,
Gebäudeenergieberater in Andernach