In der Europäischen Union (EU) fallen täglich durchschnittlich elf Menschen dem Feuer zum Opfer. Das sind bei einer Bevölkerung von 505 Mio. in den 28 EU-Mitgliedsstaaten rund 4000 Brandopfer pro Jahr. Über die Hälfte der Brände finden in Gebäuden oder Fahrzeugen statt und 90 Pro- zent der Todesopfer resultieren aus diesen Bränden.
Nur wenige werden allerdings Opfer der Flammen, die Mehrheit – 95 Prozent der Brandtoten! – erliegen den Folgen einer Rauchvergiftung. Im Brandfall ist es für eingeschlossene Menschen und das Rettungspersonal daher lebensentscheidend, Rettungswege schnell zu finden. Das ist nur bei einer geringen Rauchentwicklung möglich.
Auch für die Industrie haben Brände fatale Folgen: Jeder dritte Brand führt nach Angaben der Versicherungswirtschaft zu Sachschäden von mehr als 500 000 Euro. Insgesamt entsteht in Europa jährlich ein Sachschaden von 126 Mrd. Euro durch Brände. Auch hier gilt: Rauchgase richten häufig einen größeren Schaden als das Feuer selbst an. Die Folgeschäden durch Ruß und korrosive Gase belaufen sich bei Großschäden auf über 50 Prozent der Gesamtkosten. Von den Folgekosten durch Betriebsausfälle ganz zu schweigen. Die Vermeidung von Schäden durch Rauch und Ruß an Sachwerten ist im Industriebau in der Regel kein ausgewiesenes Schutzziel.
Geringe Brandlast durch technische Isolierungen
Um die Geschwindigkeit der Brandausbreitung zu begrenzen, ist die Verwendung von brennbaren Bauprodukten in Gebäuden in der Regel eingeschränkt. Es kann allerdings nicht komplett auf den Ein-satz von Kunststoffen, beispielsweise auf Kabel oder synthetische Dämmstoffe, verzichtet werden. Der Beitrag brennbarer Baustoffe wird in Relation zum Gebäudeinhalt (z. B. zur Inneneinrichtung) jedoch häufig überbewertet und besitzt nur einen sehr geringen Anteil an der Brandlast. Aufgrund ihrer niedrigen Dichte enthalten Schaumstoffe zudem in der Regel nur 2 bis 3 Volumenprozent brennbares Material und stellen daher im Vergleich zu kompakten Materialien nur eine geringe Brandlast dar [1].
Beurteilung des Brandverhaltens
Entscheidend für die Beurteilung des Brandverhaltens von synthetischen Dämmstoffen ist die Brandentstehungsphase. Die charakteristischen Parameter für das Brandverhalten von Bauprodukten (Bild 1) sind:
Entzündbarkeit
Wärmefreisetzung (oder Temperaturanstieg)
Flammenausbreitung
Rauchentwicklung und
brennendes Abtropfen/Abfallen
Realistischere Prüfung des Brandverhaltens im SBI-Test
Während technische Dämmstoffe in den nationalen Prüfverfahren für Baustoffe primär nach ihrer Flammwidrigkeit bewertet wurden, sind die Bewertungskriterien des europäischen SBI-Tests wesentlich komplexer und erlauben eine realistischere Beurteilung des Brandverhaltens der verschiedenen Produkte. Die Klassifizierungsnorm DIN EN 13501-1 [2] unterscheidet die Brandklassen A1, A2, B, C, D, E, F. Die Tabelle 1 zeigt die neuen Euroklassen, das angestrebte Sicherheitsziel sowie ihre Zuordnung zur bisherigen Brandklassifizierung nach DIN 4102-1.
Um die Euroklassen für lineare Produkte (wie beispielsweise Dämmschläuche) von ebenen Produkten (Dämmplatten) zu unterscheiden, werden diese mit einem tiefer gestellten L” (Kurzzeichen L für linear) gekennzeichnet. Im SBI-Test werden auch die Rauchentwicklung und das brennende Abtropfen von Bauprodukten gemessen. Hierfür wurden zusätzliche Klassen entwickelt, die mit s“ (Kurzzeichen s für smoke) und d“ (Kurzzeichen d für droplets) be-zeichnet werden (Tabelle 2).
Die Euroklasse E wird nach EN ISO 11925-2 [3] im Entzündbarkeitstest geprüft. Für die Klassen A2 bis D ist eine Klassifizierung zusätzlich nach dem neuen SBI-Prüfverfahren (Single-Burning-Item-Test) nach EN 13823 [4] erforderlich. Der Entzündbarkeitstest bewertet die Entzündbarkeit eines Bauprodukts, indem es einer kleinen Flamme ausgesetzt wird.
Beim SBI-Test wird der potenzielle Beitrag eines Bauproduktes zu einem sich entwickelnden Brand bei einer Brandsituation be-wertet, die einen einzelnen, brennenden Gegenstand (Single Burning Item, SBI) in einer Raumecke nahe an diesem Bauprodukt simuliert (Bild 2). Der Test stellt eine realistische Brandsituation nach, wie sie beispielsweise durch einen brennenden Papierkorb in einer Ecke des Raumes entstehen kann. Für ebene Produkte sind die Grenzwerte der Tabelle 1 der EN 13501-1 und für lineare Produkte die Werte der Tabelle 3 dieser Norm anzuwenden. Die für das Brandverhalten relevanten Grenzwerte für ebene Produkte sind im Vergleich zu den Klassifizierungswerten für lineare Produkte um einiges niedriger, also schwieriger zu erreichen.
Zielkonflikt: Brennbarkeit versus Rauchentwicklung
Wie alle organischen Dämmstoffe sind flexible elastomere Dämmstoffe (FEF) brennbar. Um eine optimale Brandschutzausrüstung des Dämmstoffs zu erreichen, werden unterschiedliche Flammschutzmittel zugegeben [5]. Flammschutzmittel sind Zuschlagstoffe, die durch physikalische und/oder chemische Wirkungsweise die Entflammbarkeit und Abbrandgeschwindigkeit herabsetzen, die Brennbarkeit der Stoffe selbst aber nicht aufheben. Bislang konnten technische Dämmstoffe auf organischer Basis die beste Baustoffklassifizierung für brennbare Baustoffe nur mithilfe halogenhaltiger Systeme erreichen, da andere Flammschutzmittel nur in relativ niedrigen Temperaturbereichen wirksam sind, während halogenhaltige Systeme im Temperaturbereich von 600 bis 800 °C direkt in den Verbrennungsprozess eingreifen.
Typische Bestandteile von Flammschutzmitteln sind Chlor und Brom. Bromierte Flammschutzmittel inhibieren im Brandfall zwar sehr effektiv die Verbrennung, führen aber durch ihren Wirkmechanismus und ihre Wirkung gerade in der Gasphase zu einer starken Rauchentwicklung. Daher erreichen Standard-Elastomerprodukte im SBI-Test zwar eine gute Brandklassifizierung – die Mehrzahl der Premiumprodukte wird als B“, also schwerentflammbar“ eingestuft – sie neigen jedoch zu einer hohen Rauchentwicklung und werden überwiegend als s3“ klassifiziert. Elastomere Dämmstoffe mit einer niedrigeren Rauchentwicklung (s2“ oder sogar s1“) erreichten dagegen in der Vergangenheit nur die Brandklasse E oder allenfalls D.
Elastomere Dämmstoffe mit geringer Rauchentwicklung
Dem Dämmstoffhersteller Armacell ist es gelungen, diesen Zielkonflikt zu lösen: Dank der Entwicklung neuartiger, intrinsisch flammwidriger Polymere und des Einsatzes ablativer Schutzadditive kann vollständig auf die Zugabe bromierter Flammschutzmittel verzichtet werden. Die Schaumqualität Armaflex Ultima vereint erstmalig eine sehr hohe Flammwidrigkeit mit einer minimalen Rauchentwicklung. Der blaue Elastomerschaum erzielt die bis dahin mit flexiblen Dämmstoffen unerreichte Brandklasse B/BL-s1, d0.
Das Produkt wurde auf der Basis der neuartigen Armaprene-Technik entwickelt, die sowohl in den USA als auch in Europa patentiert ist. Wie das Bild 3 zeigt, weist Armaflex Ultima im Vergleich zu einem Standard-Elastomerprodukt eine zehnmal geringere Rauchentwicklung auf.
Neuer Sicherheitsstandard in der technischen Isolierung
Die auf der Armaprene-Technik basierende neue Schaumqualität ist die weltweit erste flexible technische Dämmung mit der Brandklasse B/BL-s1, d0 und bietet damit eine hohe Sicherheit im Brandfall. Nach der Markteinführung 2012 wurde die Rezeptur weiter verbessert und das Armaflex Ultima-Sortiment sukzessive vervollständigt. Heute steht der erste flexible technische Dämmstoff mit äußerst geringer Rauchdichte als komplettes B/BL-s1, d0 Sortiment zur Verfügung. Da die für das Brandverhalten relevanten Grenzwerte für Dämmstoffplatten bedeutend niedriger als für Schläuche sind, hatte Armacell zunächst nur eine B-s2, d0 Platte einführen können. Inzwischen gibt es auch eine Dämmplatte, die im europäischen Brandtest B-s1, d0 erzielt. Das beschichtete Material verfügt über eine höhere mechanische Belastbarkeit als herkömmliche Elastomerprodukte.
Zur Dämmung von Rohrleitungen mit großen Außendurchmessern (> 89 mm 300 mm) hat Armacell zudem sogenannte offene Schläuche“ im Programm – unbeschichtete geschlitzte Schläuche, die ebenfalls die Brandklasse BL-s1, d0 erreichen. Im Sortiment sind auch Schläuche und Platten mit einer Dämmschichtdicke von 32 mm. Neben Schläuchen und Platten in Standard- und selbstklebender Ausführung liegt auch der Rohrträger Armafix als Ultima-Variante vor. Die Systemlösung für die Aufhängung von Kälteleitungen wird jetzt mit einem Auflagersegment aus recycliertem PET gefertigt.
Ein gutes Brandverhalten ist jedoch nur eine der zentralen Anforderungen an technische Dämmstoffe. Die Produkte müssen zudem über eine geringe Wärmeleitfähigkeit und einen hohen Wasserdampfdiffusionswiderstand verfügen. Sie sollen geschlossenzellig sein und sich auch unter schwierigen Baustellenbedingungen einfach und sicher verarbeiten lassen.
Brandschutz hat höchste Priorität
Viele europäische Länder haben die An- forderungen an die Rauchentwicklung der eingesetzten Bauprodukte bereits deutlich verschärft. So dürfen beispielsweise in Schweden in sogenannten Br1-Gebäuden, das sind Gebäude, die eines besonderen Brandschutzes bedürfen, wie Hotels oder auch Krankenhäuser, nur technische Dämmstoffe eingesetzt werden, die mindestens die Brandklasse B/BL-s1, d0 erreichen. Mit seinem Armaflex-Ultima-Sortiment bietet Armacell ein flexibles, geschlossenzelliges Produkt mit der Brandklassifizierung B/BL-s1, d0, mit dem diese Anforderungen erfüllt werden können (Tabelle 3).
Egal, ob beim Bau neuer oder bei der Sanierung bestehender Wohn- und Bürogebäude, Schulen, Krankenhäuser, Hotels oder Industrie- und Gewerbebauten – der vorbeugende Brandschutz muss höchste Priorität besitzen. Das Entstehen eines Feuers kann nie komplett ausgeschlossen werden, die Folgen eines möglichen Brandes können jedoch minimiert werden.
Fazit
Um das primäre Schutzziel des Brandschutzes (Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten ermöglichen) zu erfüllen, hat die Rauchentwicklung der eingesetzten Bauprodukte eine große Bedeutung. Während technische Dämmstoffe bisher primär nach ihrer Flammwidrigkeit klassifiziert wurden, sind die Bewertungskriterien des europäischen SBI-Tests wesentlich komplexer und erlauben eine realistischere Beurteilung des Brandverhaltens.
Mit Armaflex Ultima steht ein flexibler technischer Dämmstoff mit sehr geringer Rauchentwicklung zur Verfügung. Im Vergleich zu einem Standard-Elastomerprodukt weist Armaflex Ultima eine zehnmal geringere Rauchentwicklung auf.
Michaela Störkmann,
Technical Manager EMEA bei Armacell, Münster
Fußnoten
Literatur
[1] Jürgen Troitzsch: Plastics Flammability Handbook – Principles, Regulations, Testing and Approval, 3rd Edition. München: Carl Hanser Verlag, 2004
[2] DIN EN 13501-1: Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten; Deutsche Fassung EN 13501-1:2007+A1:2009
[3] EN ISO 11925-2: Prüfungen zum Brandverhalten – Entzündbarkeit von Produkten bei direkter Flammeneinwirkung – Teil 2: Einzelflammentest (ISO 11925-2:2010); Deutsche Fassung EN ISO 11925-2:2010
[4] EN 13823: Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten – Thermische Beanspruchung durch einen einzelnen brennenden Gegenstand für Bauprodukte mit Ausnahme von Bodenbelägen; Deutsche Fassung DIN EN 13823:2010
[5] Dipl.-Ing. Michaela Störkmann: Brandverhalten elastomerer Dämmstoffe. In: Isoliertechnik 5/2000, Seite 48 bis 55