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Dichte Luftleitungen als Basis des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)

Undichtigkeiten mit gravierenden Folgen (Teil 2)

Neben der visuellen Inspektion bietet eine messtechnische Überprüfung, die meist in Anlehnung an die DIN EN 12599 erfolgt, die Möglichkeit, den Leckagevolumenstrom zu quantifizieren und damit die Dichtheitsklasse eines Systems zu bestimmen. Das Problem ist, dass die messtechnische Prüfung meist lediglich an Teilstücken erfolgt und nur dann zwingend durchgeführt werden muss, wenn sie im Leistungsverzeichnis (LV) ausdrücklich angegeben wurde.

Ist dies – wie häufig – nicht der Fall, sind die Abnahmekriterien Ermessensspielraum von Sachverständigen. „Dabei sind wir nicht nur gefragt, wenn Zusagen nicht eingehalten werden (z.B. Dichtheitsklasse C) und der Bauherr dann eine Neuinstallation der Luftleitungen verlangt, was durchaus mal mit Kosten in sechsstelliger Größenordnung verbunden ist“, so Reinhard Siegismund.

Solche Fehler bei der Montage von Luftleitungen dürfte es überhaupt nicht geben – gibt es aber doch!

Bild: Mez-Technik

Solche Fehler bei der Montage von Luftleitungen dürfte es überhaupt nicht geben – gibt es aber doch!
Mit einer visuellen Dichtheitsprüfung lassen sich (nicht offensichtliche) Leckagen mit Hilfe von Sprühnebel oder einer Seifenlauge identifizieren, da sich an undichten Stellen Blasen bilden. Typische Fehlerstellen für Undichtigkeiten sind Kanten und Falze sowie Verbundstellen.

Bild: Mez-Technik

Mit einer visuellen Dichtheitsprüfung lassen sich (nicht offensichtliche) Leckagen mit Hilfe von Sprühnebel oder einer Seifenlauge identifizieren, da sich an undichten Stellen Blasen bilden. Typische Fehlerstellen für Undichtigkeiten sind Kanten und Falze sowie Verbundstellen.

Viel Aufwand für meist wenig Erfolg

Wurden in einem Luftleitungssystem durch visuelle oder messtechnische Prüfungen Undichtigkeiten identifiziert, gilt es diese abzudichten. Dieser Prozess erfolgte lange Zeit manuell und iterativ – sprich eine Undichtigkeit nach der anderen, beginnend bei großen Leckagen hin zu immer kleineren Leckagen. Je nach Art der Undichtigkeit kommen dabei Dichtbänder, Kaltschrumpfbänder und vieles mehr zum Einsatz. Mit viel Aufwand, Zeit, einer guten Zugänglichkeit des Systems sowie ausreichend Erfahrung, Sorgfalt und Genauigkeit des Ausführenden kann damit durchaus Dichtheitsklasse B oder gar C erreicht werden. Meist sind dies jedoch Ausnahmefälle, und für Anlagenbauer und Planer würde eine vorab garantierte Dichtheitsklasse C große Risiken bedeuten.

Dichtheitsklasse C auf dem Papier, A in der Realität

Ist das Luftleitungssystem dann „fertig“ abgedichtet und die geforderte Dichtheitsklasse erreicht, wird die Abdichtung beendet und der Anlagenbauer bestätigt die Dichtheit der Anlage. Dabei ist jedoch zu beachten, welcher Anteil des Luftleitungssystems zur Bestimmung der Dichtheitsklasse geprüft wurde: 100 Prozent, 50 Prozent oder nur die in der DIN EN 12599 als Referenz angegeben 10 m² bzw. 10 Prozent der Leitungsoberfläche mit repräsentativem Querschnitt aller Bauteile.

Ist Letzteres der Fall, ist in der Praxis keine aussagekräftige und repräsentative Aussage über die Dichtheit des gesamten Luftleitungssystems möglich. Denn selbst bei Luftleitungssystemen, die in der Gesamtheit eine Dichtheitsklasse A oder schlechter aufweisen, existieren oftmals Teilabschnitte, die der Dichtheitsklasse C entsprechen. Wird genau einer dieser Abschnitt überprüft, könnte es passieren, dass einem Luftleitungssystem mit einer Dichtheitsklasse schlechter A – also Leckageraten von rund 15 Prozent und mehr – eine Dichtheitsklasse C (0,67 Prozent Leckagerate) bestätigt wird. Eine Dichtheitsklasse, die für den Bauherren auf dem Papier gut aussieht, in der Praxis jedoch durch hohe Leckageraten zu unnötig hohen Mehrkosten führen und Einbußen in der Energieeffizienz bedeuten würde.

Detlef Malinowsky, Sachverständiger, Referent für TGA-Technik, KfW- und BAFA-gelisteter Berater sowie Vorstand der Energiegenossenschaft und des Gewerbeverbands.

Bild: Malinowsky

Detlef Malinowsky, Sachverständiger, Referent für TGA-Technik, KfW- und BAFA-gelisteter Berater sowie Vorstand der Energiegenossenschaft und des Gewerbeverbands.
Marcel Riethmüller, Geschäftsführer der ecogreen Energie GmbH & Co. KG.

Bild: Riethmüller

Marcel Riethmüller, Geschäftsführer der ecogreen Energie GmbH & Co. KG.
Valerie Leprince, Geschäftsführerin von PLEIAQ.

Bild: Leprince

Valerie Leprince, Geschäftsführerin von PLEIAQ.

Von C nach A in wenigen Schritten

Zusammengefasst bedeutet dies, dass nahezu jeder einzelne Schritt der Prozesskette im Luftleitungsbau die Qualität und damit die Dichtheit des gesamten Luftleitungssystems negativ beeinflussen kann (siehe Tabelle 1). Wird also beispielsweise die Dichtheitsklasse C (0,67 Prozent Leckagerate) ausgeschrieben, lässt sich prozessbedingt ohne eine nachträgliche Abdichtung in der Praxis meist bestenfalls Dichtheitsklasse A (6 Prozent Leckagerate) erreichen.

Werden – wie vielmals – nur die Mindestanforderung der Dichtheitsklasse B in den Ausschreibungen von (öffentlichen) Auftraggebern oder Planern gefordert, liegen die Leckageraten im Betrieb durchschnittlich bei 15 Prozent und mehr. Folglich werden Luftleitungssysteme genau genommen entgegen der selbst erlassenen Anforderungen bei einer nicht mehr definierten Dichtheitsklasse betrieben, die 2,5-Mal der schlechtesten Dichtheitsklasse A entspricht. In der Konsequenz bedeutet dies erhebliche Energie- und Effizienzverluste sowie unnötig hohe Kosten und zahlreiche weitere Nachteile.

So bestätigt Detlef Malinowsky, Sachverständiger, Referent für TGA-Technik, KfW und BAFA gelisteter Berater sowie Vorstand der Energiegenossenschaft und des Gewerbeverbands: „Die Dichtheit von Luftleitungssystemen entspricht meiner eigenen Einschätzung nach in der Praxis in etwa 50 Prozent der Fälle keiner Dichtheitsklasse. Dies bedeutet, dass die Luftleitungen sehr undicht sind und in der Folge:

  • Geräusche in Zwischendecken entstehen, die bis in den Nutzraum störend zu hören sind;
  • ungewollte Luftüberströmungen und damit Geruchsbelästigungen bedingen, weil beispielsweise die Luft von einem geruchsintensiven Raum, wie einer Cafeteria, in eine Bürofläche strömt;
  • die Luftverteilung in einem verzweigten Luftkanalsystem fehlt und deshalb das System nicht lufttechnisch einreguliert werden kann;
  • lufttechnisch unterversorgte Räume und damit eine schlechte Luftqualität durch zu hohe CO2-Werte resultieren;
  • Fehlfunktionen von Volumenstromreglern unvermeidbar sind, weil der Vordruck zu niedrig ist;
  • der Energieaufwand am Ventilator unnötig steigt, um die Leckageluftmengen auszugleichen;
  • keine Reserven vorhanden sind, um steigende Filterdrücke zu überwinden, die durch eine Verschmutzung während des Betriebs entstehen (in der Regel laufen die meisten neuen RLT-Anlagen bereits nach der Abnahme mit der maximalen Leistung).
  • Dies bedeutet, dass die meisten RLT-Anlagen eigentlich gar nicht abgenommen werden dürften, weil keine der Anlagen die geplante Funktion erfüllen kann.“ Marcel Riethmüller pflichtet ihm bei: „Wenn ich die montierten Kanäle teilweise sehe und auch höre, würde ich mich freuen, wenn wir in der Praxis überhaupt die Dichtheitsklasse B erreichen würden.“

    Valerie Leprince, Geschäftsführerin von PLEIAQ, berichtet: „Eine kürzlich im Rahmen der Arbeitsgruppe des „Tightvent Airtightness Association Committee (TAAC, Tightvent Ausschuss für Luftdichtheit) durchgeführte Umfrage zeigt, dass das Bewusstsein in Europa – mit Ausnahme Schwedens – bezüglich der Luftdichtheit von Luftleitungssystemen sehr gering ist. Darüber hinaus haben kürzlich in Frankreich im Rahmen des Effinergie+-Labels durchgeführte Messungen gezeigt, dass fast 50 Prozent der Luftleitungssysteme eine Luftdichtheit von 2,5-Mal der Dichtheitsklasse A oder sogar noch schlechter aufweisen und das, obwohl sie so geplant wurden, dass sie die vom Effinergie+ Label mindestens geforderte Dichtheitsklasse A erreichen sollten. Dies zeigt eindeutig, dass sich die bisherigen Baugewohnheiten ändern müssen.“

    Jens Amberg, Erfinder des Luftenergiezählers und Geschäftsführer der Luftmeister GmbH, Kirchzarten.

    Bild: Amberg

    Jens Amberg, Erfinder des Luftenergiezählers und Geschäftsführer der Luftmeister GmbH, Kirchzarten.
    Wolf Rienhardt, selbständig tätig auf den Gebieten Planung, Training, Beratung in der HLKS-Technik und Mitglied im Deutschen Fachverband für Luft und Wasserhygiene (DFLW).

    Bild:Rienhard

    Wolf Rienhardt, selbständig tätig auf den Gebieten Planung, Training, Beratung in der HLKS-Technik und Mitglied im Deutschen Fachverband für Luft und Wasserhygiene (DFLW).
    Christian Podeswa, Schulungsreferent bei der Helios Ventilatoren GmbH & Co. KG.

    Bild: Podeswa

    Christian Podeswa, Schulungsreferent bei der Helios Ventilatoren GmbH & Co. KG.

    50 Prozent Mehrkosten durch undichte Leitungen

    Eine Änderung der Baugewohnheiten, die die Bedeutung dichter Luftleitungssysteme in den Fokus rückt, ist nicht nur aus energetischer Sicht sinnvoll. Vielmehr lassen sich mit dichten Leitungssystemen auch finanzielle Mehrkosten vermeiden, die oft unbeachtet durch den Verlust an Wärme und Kälte entstehen. So berichtet Jens Amberg, Erfinder des Luftenergiezählers und Geschäftsführer der Luftmeister GmbH, Kirchzarten: „Meist wird bei der Dichtheit von Luftleitungen nur auf den Verlust von Luftmengen geachtet, also die Kubikmeter Luft, die entweichen und nicht nutzbar sind. Einen mindestens ebenso großen Stellenwert haben aber die Verluste an kostspieliger Wärme oder Kälte, die luftseitig transportiert werden.“

    Wolf Rienhardt, selbständig tätig auf den Gebieten Planung, Training, Beratung in der HLKS-Technik und Mitglied im Deutschen Fachverband für Luft und Wasserhygiene (DFLW), berechnet beispielhaft die durch Undichtigkeiten verursachten Mehrkosten einer Teilklimaanlage (Lüften, Filtern, Heizen, Kühlen) für die Luftförderung und Lufterwärmung in einer Winterperiode (auf Grundlage statistischer Wetterdaten für den Standort Mühldorf/Inn) mit rund 370 Euro (Luftbehandlung) bzw. 385 Euro (Luftbehandlung und Luftförderung).

    Valerie Leprince bestätigt diese Zahlen und sagt: „Verschiedene Berechnungen, Untersuchungen und Studien haben gezeigt, dass sich durch die Beseitigung von Undichtigkeiten in Luftleitungssystemen die Heizlasten zwischen 5 und 18 Prozent, die Kühllasten zwischen 10 und 29 Prozent reduzieren lassen. Zudem führen Leckagen in Luftleitungssystemen dazu, dass rund 30 bis 75 Prozent mehr Ventilatorleistung und in RLT-Anlagen eine um bis zu 48 Prozent höhere Kühlleistung erforderlich ist. Durch die zuverlässige Beseitigung der Leckagen lassen sich hingegen bis zu 50 Prozent der Energiekosten der eingesetzten Ventilatoren einsparen.“

    Ein weiterer Punkt ist, dass sich Leckagen in Luftleitungssystemen auch auf die Baukosten negativ auswirken. So werden Lüftungs-, Teilklima- und RLT-Anlagen bereits bei der Planung überdimensioniert und die Volumenströme um 15 bis 20 Prozent höher angesetzt, damit der real benötigte Mindestluftwechsel gewährleistet werden kann. Die Folge sind unnötig hohe Kosten sowie überdimensionierte Lüftungsgeräte, ein höherer Platzbedarf für größere Leitungen und Bauteile sowie ein Mehraufwand bei der Schalldämmung und Statik.

    Während Bauherren und Betreiber bei der Energieeffizienz eher mal ein Auge zudrücken, führen nach Christian Podeswa die immer mehr in den Vordergrund rückenden Mehrkosten durch undichte Luftleitungssysteme langsam aber sicher zu einem Umdenken. „Neben den gesetzlichen Vorgaben und normungstechnischen Grundlagen, die immer mehr auf eine höhere Effizienz von Lüftungsanlagen abzielen, werden Betreiber zunehmend auf die Wirtschaftlichkeit einer Lüftungsanlage aufmerksam.

    Eine entscheidende große Rolle spielt dabei die Dichtheit. Denn: Wofür zahle ich und was bringt mir aufbereitete Luft in der Zwischendecke, wo es doch eigentlich in den Nutzungsräumen bereitgestellt werden soll? Detlef Malinowsky unterstützt diese Aussage mit einer Beobachtung aus der Praxis: „Welche Bereiche in einem Bürogebäude haben die beste Luftqualität?“ Die Antwort lautet: „Die Schächte und Zwischendecken!“

    Im Luftleitungsbau ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Wie dieser aussehen könnte und welche konkreten Lösungen es gibt, beschreibt Teil 3 der Artikelserie in der KK 05/2021.

    Dr.-Ing. Tina Weinberger,
    Freie Fachjournalistin und Inhaberin der Agentur „Die Text-Ingenieurin“ in Stutensee.

    Bild:  Weinberger

    Jörg Mez,
    Geschäftsführer der Mez-Technik GmbH, Reutlingen (Co-Autor).

    Bild: Mez-Technik / Mez

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