So müsste der Paradigmenwechsel im Luftleitungsbau aussehen:
Wolf Rienhardt formuliert das erforderliche Umdenken und zugleich Zurückbesinnen auf alte Werte so: „Die Forderung nach Effektivität – die richtigen Dinge zu tun – und Effizienz – die Dinge richtig zu tun – gibt es in der TGA schon lange. Wären wir diesen Forderungen bisher schon konsequent nachgekommen, dann würden wir viele technische und gesetzliche Regelwerke nicht benötigen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Dichtheitsklasse für Luftleitungssysteme – welche auch immer – wäre nicht erforderlich. Um am Prozess der Herstellung, Planung, Errichtung und Betrieb von Lüftungs- und Klimaanlagen beteiligt sein zu dürfen, müssen wir fachkundig sein, und darüber besteht wohl kein Zweifel. Sollte bei einem Fachkundigen die Effektivität und Effizienz nicht zu seinem Ethos gehören? Ich denke, dass dem so sein müsste.“
Christian Podeswa bestätigt diesen Anspruch und ist der Meinung, dass die Zeit reif für einen Wandel ist: „Da Lüftungsleitungen einen erheblichen Teil einer Anlage darstellen, sollte hier angesetzt werden, um diese zukünftig dichter zu gestalten und somit einen ruhigen und effizienten Betrieb der Ventilatoren bzw. der Gesamtanlage zu ermöglichen. So wird ein Trend kommen, der sich mit unseren Ansprüchen entwickelt, Luftleitungsnetze in Zukunft dichter und somit effizienter zu gestalten.“
Auch Valerie Leprince sieht Handlungsbedarf: „Es braucht einen Sinneswandel, der dazu führt, dass das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung dichter Luftleitungssysteme gestärkt und sensibilisiert wird. Hierzu sollte bei der Inbetriebnahme systematisch eine vorgeschriebene Luftdichtheitsprüfung des ganzen Systems durchgeführt werden. Denn so können Bauherren, Planer und Anlagenbauer schnell und einfach sehen, dass die Luftdichtheit in der Regel ohne zusätzliche Maßnahmen schlecht ist. Wie viel an Mehrkosten dies bedeutet – auch hinsichtlich der Heiz- und Kühllasten sowie des Energieverbrauchs von Ventilatoren – kann einfach mit Gleichungen berechnet und anhand vieler Untersuchungsergebnisse aus Feldmessungen aufgezeigt werden. Ein guter Ansatz wäre hierbei auch, die Auswirkung von Leckagen auf bisher unbeachtete Aspekte, wie zum Beispiel Lärm, Staubansammlung und Raumluftqualität, in weiteren Forschungsarbeiten zu untersuchen und dann in die Gleichungen mit einfließen zu lassen. Und last but not least sollte eine geringere Messunsicherheit gewährleistet sowie ein international vereinheitlichtes und verbessertes Messprotokoll und eine gesetzlich vorgeschriebene Dichtheitsklasse C eingeführt werden.“
Dichtheitsklasse C als verpflichtender Standard
Mit dem Wunsch nach dichten Luftleitungssystemen stehen Podeswa und Leprince nicht allein da. Den Wunsch einer Festschreibung der Dichtheitsklasse C als Mindestforderung äußern auch immer mehr Experten, Verbände und Fachleute. Eine Chance, diesen Paradigmenwechsel auch normativ vorzugeben, wäre die Verankerung einer Mindestdichtheitsklasse (C) im Gebäudeenergiegesetz (GEG) gewesen.
So wäre es sinnvoll, eine im Leistungsverzeichnis verpflichtend auszuschreibende Mindestdichtheitsklasse festzuschreiben, die bei der Übergabe einer Lüftungs- oder RLT-Anlage für das gesamte Luftleitungssystem durch unabhängige Prüfer nachgewiesen werden muss. Für Neuanlagen oder sanierte Altanlagen wäre eine Übergabe mit Einregulierungsprotokollen empfehlenswert.
Realistisch umsetzbar sind all diese Forderungen jedoch nur dann, wenn die bisherige Prozesskette im Luftleitungsbau neben der für das ganze System verpflichtend einzuhaltenden und nachzuweisenden Mindestdichtheitsklasse um einen weiteren Schritt komplettiert wird: die nachträgliche Abdichtung ganzer Luftleitungssysteme mit zuverlässigen und innovativen Methoden. Denn nur so kann die Dichtheitsklasse C als neuer Standard für komplette Luftleitungssysteme zuverlässig und auf lange Sicht gewährleistet und bereits von Anfang an garantiert werden.
Es gibt Lösungen
Eine Lösung zur Abdichtung kompletter Luftleitungssysteme ist beispielsweise das in den USA entwickelte und patentierte Aeroseal-Verfahren, welches 2015 von der MEZ-Technik GmbH nach Deutschland eingeführt und seitdem europaweit verbreitet wurde. Anwendbar bei neuen als auch Lüftungs- und RLT-Anlagen im Bestand lassen sich mit Aeroseal Luftleitungssysteme innerhalb kurzer Zeit zuverlässig von innen heraus und ohne vorherige Suche der Leckagen abdichten.
Bis zu einem Durchmesser von 15 mm werden dabei Undichtigkeiten durch das Einbringen eines den Anforderungen der VDI 6022 entsprechenden hygienisch unbedenklichen Dichtstoffs dauerhaft beseitigt. In der Regel ist dafür nicht einmal ein Eingriff in die Bausubstanz nötig und die Anlage kann mit Ausnahme des Abdichtungsprozesses – der meist innerhalb weniger Stunden und mit nur ein bis zwei Personen abgeschlossen ist – ungestört genutzt werden.
Daher liegen im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren die Amortisationszeiten mehrheitlich bei nur ein bis fünf Jahren. Die Gesamtkosten eines Gewerks können bei einer integrativen Planung reduziert werden und sowohl die Kosten als auch der Zeitaufwand für die Abdichtung selbst sind gering. Ein Gesamtkonzept, das mittlerweile in 16 Ländern von 32 im Wettbewerb stehenden Vertragspartnern der MEZ-Technik GmbH einsetzt wird.
Vorreiter in Sachen Energieeffizienz
So wurde das Aeroseal-Verfahren beispielsweise von der Aerotechnik GmbH, Münsingen, verwendet, die mit dem Bau der Lüftungsanlage des BV Daimler Office V in Vaihingen beauftragt war. Um die im Leistungsverzeichnis geforderte Dichtheitsklasse C für das gesamte System zu gewährleisten, wurden zunächst ausschließlich Luftleitungskomponenten der Dichtheitsklasse C bestellt, geliefert und verbaut. Die Aufhängung erfolgte mit Hilfe von Profilschienen, um Undichtigkeiten durch Schrauben zu vermeiden. Lediglich in den Schächten konnte auf Bohrungen in den Luftleitungen zur Aufhängung nicht verzichtet werden.
Nach Fertigstellung der Anlage zeigte sich bei einer Dichtheitsprüfung, dass in den Steigschächten statt der geforderten Dichtheitsklasse C nur Dichtheitsklasse A erreicht wird. Wie von Anfang an eingeplant, folgte im nächsten Schritt die Abdichtung des gesamten Systems mit dem Aeroseal-Verfahren.
Hierzu mussten die Brandschutzklappen zur Abtrennung der Stränge in den einzelnen Etagen geschlossen werden. Zudem wurde das Abdichtungsgerät mit den abzudichtenden einzelnen Steigschächten verbunden. Dies konnte über einen einzigen Anschlusspunkt erfolgen, einen Steigschacht im Dachbereich, über welchen alle weiteren Steigschächte über das Luftleitungssystem miteinander verbunden und somit zu erreichen waren.
Nach der Verbindung von Abdichtungsgerät und Steigschacht über einen Folienschlauch erfolgte die Einleitung des mit Hilfe von Druck und Temperatur in feinste Teilchen zerstäubten Dichtstoffs, der dann zusammen mit der Luft durch das undichte Luftleitungssystem strömte. Da an undichten Stellen lokal der Druck absinkt, wird die mit Dichtstoff beladene Luft in deren Richtung umgelenkt und durchströmt die Undichtigkeiten von innen nach außen. Auf diese Weise lagern sich beim Durchströmen kleinste Mengen des Dichtstoffs an den Rändern der Leckagen ab, sodass Leckagen bis zu einem Durchmesser von 15 mm nach und nach dauerhaft verschlossen werden. Ohne vorherige Suche, ohne zusätzlichen Aufwand, ohne Dreck und ohne Staub.
Das Ergebnis: Innerhalb nur weniger Stunden konnten die Leckagemengen so reduziert werden, dass ausgehend von der Dichtheitsklasse A die geforderte Dichtheitsklasse C erreicht wurde. Neben einem Luftleitungssystem, das in seiner Gesamtheit die gestellten Anforderungen erfüllt, profitiert der Auftraggeber von einer langfristigen Dichtheitsgarantie sowie minimalen Betriebskosten.
Staatliche Förderung für mehr Effizienz
Aspekte, die dazu führen, dass Planer und Anlagenbauer den Einsatz einer nachträglichen Abdichtung mit Aeroseal bereits von Anfang an mit einplanen und ausschreiben. Unterstützt wird dieser Trend durch eine staatliche Förderung, die greift, wenn der Einsatz von Aeroseal in Bestandsgebäuden zur einer EnEV-relevanten energetischen Aufwertung der Lüftungs- oder RLT-Anlage führt. Beispielsweise kann über ein Förderprogramm für Einzelmaßnahmen in Bestandsgebäuden die Erstinstallation oder Erneuerung einer Lüftungsanlage subventioniert werden, wenn durch die Erneuerung oder Instandsetzung mindestens eine mit Messungen nachgewiesene Dichtheitsklasse B (gemäß DIN 1507:2006-07 beziehungsweise DIN 12237:2003-07) erreicht wird. Konkret werden bis zu 20 Prozent Tilgungszuschuss auf einen Kredit der KFW Bank gewährt.
Im Bereich der Prozesslüftungstechnik ist über das technologieoffene Förderprogramm „Energieeffizienz in der Wirtschaft (EEW)“ eine Förderung von bis zu 40 Prozent möglich. Auch hier gilt die Dichtheitsklasse B als Maßgabe. Als Anhaltspunkt für die Förderrate werden die erwarteten CO2-Einsparungen, die einer Energieeinsparung gleichgesetzt werden, gegenüber dem Bestand herangezogen.
Inwieweit die Vorgabe einer Dichtheitsklasse B als Standard für eine Förderung ausreichend sein sollte, ist für viele Experten strittig. Nichtsdestotrotz wird der Ansatz positiv gesehen und so sagt Marcel Riethmüller: „Man kann oft froh sein, wenn die Firmen das Luftleitungssystem überhaupt auf Dichtigkeit überprüfen. Und um eine Förderung zu erhalten, muss diese mit einem Messprotokoll nachgewiesen werden.“
Eine nachgewiesene Dichtheitsklasse B mit Leckageraten von 2 Prozent bedeutet im Vergleich zu der bisherigen Leckageraten von 15 Prozent und mehr – und damit nicht einmal Dichtheitsklasse A, obwohl selbst geschriebene Verordnungen, Standards und Normen besseres fordern – immerhin einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Einen Schritt in Richtung dichter Luftleitungssysteme, deren Dichtheitsklasse (C) festgeschrieben wird und wichtige Basis für jegliche energiesparenden und effizienzsteigernden Maßnahmen im Bereich Lüftungs- Teilklima- und RLT-Anlagen ist. Zudem einen wichtigen und richtigen Schritt in Richtung eines (nahezu) klimaneutralen Gebäudebestands, der spätestens 2050 deutschlandweit erreicht werden soll.