Ausgehend von durchschnittlichen – bisher stillschweigend oder unwissend akzeptierten – Leckageraten von 15 Prozent und mehr, liegt der energetische Mehrbedarf von Lüftungs- und RLT-Anlagen aktuell bei bis zu 100 Prozent. Dies zu ändern und mit dichten Luftleitungssystemen das Erreichen des vorgegebenen Ziels der Bundesregierung zu unterstützen, ist kein Problem und sollte daher verpflichtend festgelegt werden.
Rund 35 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emssionen werden in Deutschland momentan durch den Gebäudesektor verursacht. Nach etlichen Vorläufer-Gesetzen wurde daher 2017 der erste Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vorgelegt. Dieses soll wesentliche Aspekte und Anforderungen des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG), der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) zusammenfassen, vereinheitlichen und vereinfachen. Das GEG wurde am 19. Juni 2020 im Bundestag verabschiedet.
Neben dem Ziel den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen deutlich herunterzufahren, verfolgen alle genannten Leitfäden, Verordnungen und Gesetze den Zweck, die Gesamteffizienz im Gebäudesektor zu steigern. Vor diesem Hintergrund ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, den Wärmebedarf von Gebäuden eindeutig zu senken und bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Ein ehrgeiziges Ziel, für dass der Bedarf an Primärenergie um rund 80 Prozent gesenkt werden muss und neue Impulse und Ansatzpunkte im Gebäudebereich unabdingbar sind.
Dichte Luftleitungssysteme als Basis für Energieeinsparungen
Einen dieser Ansatzpunkte stellen Lüftungs- und Klimaanlagen dar. Deren Luftleitungssysteme weisen zahlreichen Studien und Untersuchungen zufolge fast in ganz Europa durchschnittliche Leckageraten von 15 Prozent und mehr auf. Dies entspricht gemäß der DIN EN 16798-3 der Dichtheitsklasse ATC 6 und damit 2,5-Mal der schlechtesten Dichtheitsklasse A (gemäß der früheren DIN EN 13779). Fast ein Sechstel des gesamten geförderten Luftvolumens geht dadurch in Zwischendecken, Schächten und andernorts verloren, statt in den Räumen anzukommen, die bestimmungsgemäß mit Luft versorgt werden sollen.
Neben dem Verlust an Luft bedeuten die Leckagen Effizienzeinbußen und in der Folge unnötig hohe Kosten. Ergebnissen des ICEE-Reports „Energy savings estimates of duct sealing applications“ (Energieeinsparungen durch die Abdichtung von Luftleitungssystemen) zufolge können durch eine Beseitigung von Leckagen Energieeinsparungen von rund 46 Prozent und Stromkosteneinsparungen von etwa 50 Prozent erreicht werden.
Diesen Befund bestätigt auch Marcel Riethmüller, Geschäftsführer der ecogreen Energie GmbH & Co. KG: „Beispielhaft kann durch eine Reduzierung des Luftvolumenstroms um rund 20 Prozent der Energieeinsatz um etwa 50 Prozent verringert werden. Deshalb gilt grundsätzlich, dass eine Anpassung des real geförderten Luftvolumenstroms an den Bedarf – der sich ohne Leckagen ergeben würde – die Basis für eine energieeffiziente Lüftungsanlage ist. Und dafür werden als Grundlage zuverlässig dichte Luftleitungssysteme benötigt.“
Luftleitungssysteme bieten damit enormes Potenzial für Energieeinsparungen, Effizienzsteigerungen und zudem Kostensenkungen. Weiterhin sind sie eine grundlegende Voraussetzung, um die Wirksamkeit der seitens der Politik proklamierten Maßnahmen wie BIM, smarte Gebäudetechnik, Quartiers-Konzepte, effiziente und energiesparende Ventilatoren oder eine verpflichtende Wärmerückgewinnung auszuschöpfen.
Und auch in punkto Luftreinigung und dem damit verbundenen Brand- und Bautenschutz stellen dichte Luftleitungen eine wichtige Grundvoraussetzung dar. So erklärt Sven Rentschler, CEO der Reven GmbH, „Bei der Luftreinigung, wie sie zum Beispiel für lebensmittelverarbeitende und Maschinenbaubetriebe typisch ist, werden aus den Bearbeitungsmaschinen Aerosole von Kühl- und Schmiermitteln beziehungsweise Frittier-, Brat-, und Backölen abgesaugt. Diese lagern sich dann auf den Luftleitungssystemen ab und kondensieren. Weisen die Luftleitungssysteme Undichtigkeiten auf – und das ist bei fast allen Anlagen der Fall – regnen die Öle sprichwörtlich aus den Leitungssystemen vom Dach. Die Folge sind oftmals unvermeidbare Schäden an Schaltschränken und teuren Produktionsanlagen. Weiterhin bleibt zu bedenken, dass es sich bei den aus den Luftleitungssystemen tropfenden Flüssigkeiten in schöner Regelmäßigkeit um reine und leicht entzündliche Öle handelt. Also um eine erhebliche zusätzliche Brandlast, an die meist so lange keiner denkt, bis es dann brennt.“
In Anbetracht dieser vielfältigen Aspekte erscheint es als logische Konsequenz, der Dichtheit von Luftleitungssystemen die Bedeutung einzuräumen, die ihr zusteht und zudem die Vorgaben der VDI 2067 Blatt 1 (wirtschaftlicher Betrieb) und der VDI 6022 (hygienischer Betrieb) unterstützt. Denn nur mit zuverlässig dichten Luftleitungen können Luftleitungssysteme mit geringen Kosten, hoher Effizienz und wenig Energieeinsatz betrieben und hygienisch reine Luft erreicht werden.
Prozesskette mit Dichtheitsverlusten
Eine hohe Dichtheit von Luftleitungssystemen setzt allerdings voraus, dass die aktuelle Prozesskette im Luftleitungsbau um zwei wesentliche Arbeitsschritte ergänzt wird:
Denn wird bei einer verpflichtend durchzuführenden Funktionsmessung festgestellt, dass die messtechnisch ermittelte Dichtheit in der Errichtungsphase die vereinbarte Dichtheitsklasse unterschreitet, sollte eine Nachbesserung ebenso verpflichtend durchgeführt werden müssen. Bisher können nämlich weder Planungsvorgaben noch Produktions- und Montagestandards durch Normen und andere Regelwerke eine gute Dichtheit und damit hohe Energieeffizienz einer Lüftungs- oder RLT-Anlage garantieren. Der Grund ist eine im Folgenden aufgezeigte graduelle Verschlechterung der Dichtheit entlang der gesamten Prozesskette (Ausschreibung, Planung, Herstellung, Transport, Handhabung und Montage), welche wesentlich zu den in der Praxis meist angetroffenen Leckageraten von 15 Prozent und mehr beiträgt.
Ausschreibung einer zu geringen Dichtheitsklasse
Angefangen bei Ausschreibungen im Gebäudebereich wird häufig nur die Mindestanforderung der DIN EN 16798-3 bzw. der EnEV für Sanierung und Neubau, nämlich die Dichtheitsklasse B, gefordert. Diese bedeutet, dass in Standardbauwerken eine Undichtheit von 2 Prozent (Dichtheitsklasse B oder ATC 4) stillschweigend akzeptiert und erlaubt wird. Werden besondere Anforderungen an die Hygiene oder Energieeffizienz gestellt, wird in Anlehnung an die VDI 3803, die VDI 6022, die EnEV sowie die DIN 16798-3 und 15780 die Dichtheitsklasse C (0,67 Prozent Leckage oder ATC 3) empfohlen und im Idealfall auch ausgeschrieben.
Dazu erklärt Reinhard Siegismund, Sachverständiger und Beratender Ingenieur VBI, „Weit verbreitet ist heute bei der Planung und Ausführung von raumlufttechnischen Anlagen, dass Regeln und Normen gerade so erfüllt werden. Oft wird mir als Sachverständiger bei der Abnahme dann die Messtoleranz erläutert, mit der meine Messergebnisse zu bewerten sind. Dies entspricht in der Regel +/- 20 Prozent, wobei zum Erreichen einer gerade noch akzeptablen Abweichung des Soll- vom Istwerts fast immer – 20 Prozent angesetzt wird. Die Ziele Energieeinsparung, Umweltschutz und die Gesundheit der Menschen werden dabei viel zu oft und leichtsinnig wegen einer meist nur geringen Kosteneinsparung verspielt.“
Dementsprechend ist eine Ausschreibung der besten Dichtheitsklasse D und damit eine Leckagemenge von nur 0,22 Prozent im gesamten System in kaum einer Ausschreibung zu finden. Und das, obwohl die Herstellung von Luftleitungsbauteilen in der Dichtheitsklasse D (= ATC 2) unter Einhaltung der DIN 1507 bzw. HFL 2002 (für eckige Luftleitungsbauteile), der DIN 12237 bzw. HFL 2003 (für runde Luftleitungsbauteile) sowie der DIN EN 15727 und DIN EN 1751 in der Praxis meist kein Problem darstellt.
Dichtheitsverluste durch den Transport zur Baustelle
Problematisch in punkto Dichtheitsklasse wird es jedoch mit dem Transport der Bauteile vom Hersteller zur Baustelle sowie dem sich anschließenden Handling. So geht durch die Handhabung der Bauteile, beispielsweise das Heben in und aus dem LKW, das Ver- und Entladen, das Stapeln der Bauteile im LKW oder auf der Baustelle und vieles mehr, in der Praxis meist eine Dichtheitsklasse verloren.
Der Grund dafür sind unter anderem unvermeidbare leichte Formänderungen durch Verzug sowie beschädigte Falze und Dichtungen. Ausgehend von einer nach wie vor häufig ausgeschriebenen, geplanten und produzierten Dichtheitsklasse B resultiert nach dem Transport und dem Handling häufig nur noch die Dichtheitsklasse A (= ATC 5). „Umgerechnet auf die Leckagemenge bedeutet dies statt einer Leckage von 2 Prozent eine Verdreifachung und damit Undichtigkeiten von bereits rund 6 Prozent des Gesamtvolumenstroms.
Montage unter Hochdruck
Eine weitere Verschlechterung der Dichtheit bringt dann die Montage der Bauteile. So sind selbst unter Einhaltung der Montageempfehlungen des HFL-Verbands Undichtigkeiten unvermeidbar. Gründe hierfür sind zum Beispiel, dass Luftleitungsbauteile oftmals nicht mehr zu 100 Prozent ihrer ursprünglichen Form entsprechen und damit nicht exakt zueinander passen. Die Zugänglichkeit zu einigen Bauteilen ist erheblich eingeschränkt und die Herangehensweise „Versuch, Irrtum, neuer Versuch“ führt insbesondere bei Schrauben, Nieten und Klammern zu neuen Leckagen. Denn werden alte, nicht mehr benötigte Löcher einfach belassen und nicht abgedichtet entstehen neue Leckagen.
Eine weitere Ursache für Undichtigkeiten sind Aufmaßteile und Passlängen, die auf der Baustelle unter oftmals schwierigen Bedingungen nach Produktionsstandards gefertigt werden und die Unterschiede zwischen Planung und realer Situation vor Ort ausgleichen sollen. Zudem ist auf der Baustelle für ein optimales Montageergebnis Verantwortungsbewusstsein, Fachverstand sowie eine fundierte Ausbildung notwendig. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Deutschland allerdings den Ausbildungsberuf Lüftungsmonteur nicht; lediglich die VDI 6022 schreibt vor, dass für Planung, Errichtung und Betrieb eine durch Ausbildung und Berufserfahrung nachzuweisende Fachkunde zwingend erforderlich ist.
Zwei weitere wichtige Aspekte für dichte Luftleitungssysteme sind ausreichend Zeit und Platz bei der Montage. Beides Dinge, die laut Christian Podeswa, Schulungsreferent bei der Helios Ventilatoren GmbH & Co. KG, in der Praxis oft fehlen „Es wird zunehmend schwerer, aufgrund der baulichen Anforderungen in Planung und Umsetzung die Luftleitungssysteme so auszulegen und zu installieren, wie es der Baustandard fordern würde. Fehlender Platz und immer kürzere Installationszeiten führen zu einem hohen Druck. Und das bei einer Arbeit, die eigentlich ein hohes Maß an Besonnenheit und Genauigkeit fordert. Das Ergebnis wirkt sich dann leider nachteilig auf die Dichtigkeit der Anlage aus.“
„Günstigster Bieter“, Montagemix aus A bis D
Ein weiterer Grund für eine Verschlechterung der Dichtheitsklasse bei der Montage kann die Auswahl des billigsten – und damit oftmals auch weniger erfahrenen – Bieters sein. Ein Auswahlkriterium, dass nach Reinhard Siegismund zu überdenken wäre. „Vielleicht sollten wir die Vergabeordnung ändern und bei öffentlichen Ausschreibungen den billigsten und den teuersten Bieter aus dem Vergleich herausnehmen. Denn momentan regiert bei der Vergabe in unserem Land oft das Motto: „Der billigste Bieter ist zu beauftragen“. Der Auftragnehmer führt den Auftrag dann im Sinne „Das Billigste ist für unseren Kunden gut genug“ aus, meist mit den entsprechenden Nachteilen für die Dichtheit.
Viel sinnvoller wäre es hingegen, wie in der Vergabeverordnung des Bundes vorgegeben, bei der Vergabe den wirtschaftlichsten Bieter zu beauftragen. Den zu bestimmen, ist zugegebenermaßen – ohne Vorerfahrung mit den Bietern – oft schwierig bis unmöglich. Es wäre jedoch eine Chance, um wegzukommen von Luftleitungssystemen, die aus den billigsten Komponenten vom günstigsten Anlagerbauer so aufgebaut werden, dass sie mit maximaler Messtoleranz gerade noch die Mindestanforderungen einer per se schlechten Dichtheitsklasse erfüllen.
Hinzu kommt, dass bei der Montage eine Verbindung verschiedenster Komponenten erfolgt. Je nachdem, um welches Bauteil es sich handelt, wurde es nach anderen Kriterien zertifiziert und erfüllt nicht exakt die gleichen Dichtigkeitsstandards. Auch werden auf Baustellen immer mal wieder einzelne Bauteile eingesetzt, die nicht der Dichtheitsklasse des Gesamtsystems entsprechen. So kann es vorkommen, dass in einem Luftleitungssystem, dass in der Gesamtheit die Dichtheitsklasse B oder C erfüllen soll, einzelne Bauteile mit der Dichtheitsklasse A verbaut werden.
Das Erreichen der vorgegebenen Dichtheitsklasse für das Gesamtsystem (B oder C) ist ohne Austausch des Bauteils mit der Dichtheitsklasse A oder eine nachträgliche Abdichtung damit nicht möglich. Gleiches gilt für bereits montierte Luftleitungsbauteile mit einer guten Dichtheitsklasse, die im Zuge der Montage des restlichen Luftleitungssystems von parallel arbeitenden Gewerken als Sitzgelegenheit und ähnliches „missbraucht“ werden, sich dadurch verformen, nicht mehr der ursprünglichen Dichtheitsklasse entsprechen und so die Dichtheit des Gesamtsystems verschlechtern.
Teil 2 der Artikelserie, der in der KK 04 / 2021 erscheinen wird, beschreibt die weitreichenden Folgen von Undichtigkeiten in Luftleitungssystemen.