KK: Welche Bedeutung hat der Ausnutzungsgrad in der Ventilatorentechnik?
Lindl: Eine höhere Ausnutzung in Geometrie und Funktion macht Spitzenwerte in Energieeffizienz und Geräuschreduktion möglich. Ausnutzungsgrad bedeutet aus der zur Verfügung stehenden Grundfläche eines Ventilators die maximale Luftleistung zu erzielen. Der wesentliche Parameter dabei ist die Laufrad- und Düsengeometrie. Wir sind nach wie vor dabei, in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten deutliche Potenziale auf den Ge-bieten der Aerodynamik und Aeroakustik zu heben – vor allem bei den Laufrädern.
KK: Disruptive Innovation oder Innovationssprung“ – was ist das?Lindl: Immer wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu neuen technologischen Lösungen führen, werden Innovationen in der Regel disruptiv, d. h. es gibt sprunghafte Änderungen. Ein Beispiel ist die Entwicklung von der magnetischen Speicherung auf einer Floppy Disk hin zur optischen Speicherung auf einer CD. Die nächste Stufe war der USB-Stick mit Datenspeicherung in der Kristallstruktur von Silizium: Es kommen bei jedem Sprung gänzlich andere Technologien zum Einsatz. Hingegen ist für Räder an Fahrzeugen derzeit keine disruptive Innovation zu erwarten, da das Rad einerseits die Distanz zur Fahrbahn gegen die Gravitationskraft hält und gleichzeitig den Vortrieb liefert. Alle anderen Möglichkeiten sind ungleich aufwendiger und ineffizienter – da müsste schon das sprichwörtliche Rad neu erfunden werden, um als Innovationssprung zu gelten.
KK: Sehen Sie anstehende, disruptive Innovationen im Bereich der Ventilatoren bzw. Antriebstechnik?Lindl: Ähnlich wie bei den Rädern ist das bei Ventilatoren, auch hier ist kein Innovationssprung in Sicht. Die effektivste Lösung ist die Erzeugung von Luftleistung über die Druckdifferenz von Rotoren. Es bestehen allerdings noch erhebliche Potenziale in Effizienz und Geräusch, die gehoben werden können. Außerdem bieten die verhältnismäßig jungen Bereiche wie Connectivity und Internet of Things durch intelligente Vernetzung neue Anwendungsmöglichkeiten.
KK: Eine der neuen Möglichkeiten ist die Zentralelektronik: wann lohnt sich das?Lindl: Wenn mehrere elektrische Verbraucher in einem Gerät verbaut sind – wie z. B. in Wäschetrocknern, Wärmepumpen, kältetechnischen Anlagen etc., macht eine zentrale Ansteuerung Sinn. Die Potenziale liegen in der Leistungselektronik und EMV, weitere Synergien liegen in Kommutierungsverfahren und Regelung. Die Vorteile sind höhere Energieeffizienz im System und Vermeidung von Redundanzen.
KK: Wie wird wiederum Connectivity er-reicht?Lindl: Auf der Platine der Zentralelektronik befindet sich darüber hinaus eine intelligente Regelung durch Mikroprozessoren und Embedded Systems. Diese Prozessoren ermöglichen gleichzeitig eine Vernetzung mit der Außenwelt für bedarfsgerechten Leistungsabruf, Servicemeldungen, Überwachung des Betriebszustandes etc. In übergeordneten Systemen, z. B. wenn viele Geräte involviert sind, werden über eine bedarfsgerechte Regelung weitere Effizienzvorteile freigelegt. Auf diese Weise können neue Geschäftsmodelle entstehen.
KK: Mit der Beteiligung an dem spanischen Elektronikspezialisten IKOR im Januar 2016 hat ebm-papst seine Elektronik- und Systemfähigkeit weiter ausgebaut. Was versprechen Sie sich davon?Lindl: Der Vorteil der globalen Elektronikfertigung war der Hauptbeweggrund für die Mehrheitsbeteiligung an IKOR. Damit können wir unsere Kunden weltweit an ihren unterschiedlichen Standorten mit lokalen Elektroniken beliefern. Das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Local-for-local“-Strategie, d. h. in den Märkten für die Märkte produzieren zu können. IKOR hat außer-dem technologisches Know-how auf dem Gebiet der Connectivity, was wir auch für unsere Gesamtstrategie einsetzen können.
KK: Sie arbeiten an der Gründung eines In-stituts für elektrische Antriebe – wie ist der Stand?Lindl: Die Forschung in den Bereichen Elektromagnetismus und Elektronik – im Sinne von Messen, Steuern und Regeln – ist für uns sehr wichtig. Das hilft uns dabei, die Effizienz der Produkte, wie Antriebe für Ventilatoren, Ventile und Automatisierungssysteme, funktional und ökonomisch kontinuierlich zu verbessern. Außerdem wollen wir den Hochschulstandort stärken. Der Architekturwettbewerb wurde im Mai 2017 abgeschlossen, ein Entwurf wurde ausgezeichnet. Am Campus Künzelsau der Hochschule Heilbronn sind ein Hörsaalgebäude, gespendet von der Stiftung Würth, und ein Institutsgebäude, gespendet von ebm-papst, in der Planungsphase. Zurzeit wird die Ausgestaltung der Innenräume sowie die Infrastruktur und Gebäudetechnik ausgearbeitet. Parallel läuft die Ausgestaltung der Verträge, die Eröffnung ist Ende 2018 geplant.
KK: Auf welchem Gebiet wird das Institut tätig sein?Lindl: Die Themenschwerpunkte – wie im Memorandum of Understanding festgehalten – gliedern sich in drei Bereiche. Zum einen Motoraspekte: Darunter fallen insbesondere Phänomene aus den Bereichen der Thermo- und Elektrodynamik sowie elektromagnetische und mechanische Phänomene von elektrischen Antrieben. Dazu gehören auch deren Auslegung und Konstruktion. Der zweite Bereich wird sich mit Steuerung- und Regelungsaspekten befassen. Forschungsgegenstand wird u. a. die Leistungselektronik unter Berücksichtigung der elektromagnetischen Verträglichkeit sein. Außerdem werden Embedded Systems zur Steuerung und Regelung elektrischer Antriebe und deren Vernetzung mit umgebenden Systemen erforscht. Als Ergänzung gibt es dann den dritten Bereich, in dem wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen sollen. Schwerpunktmäßig sollen hier Herstell- und Projektkosten abgeschätzt und kalkuliert werden. Uns ist es wichtig, dass Studierende industrienah ausgebildet werden, es wird viel Wert auf praxisorientierte Ausbildung gelegt werden. Gleichzeitig können am Institut Transferprojekte von Unternehmen realisiert werden, Stichwort Angewandte Forschung“.
KK: Vielen Dank für das Gespräch!