Daher ist es an der Zeit, dass in technischen Regeln für die Raumlufttechnik verbindliche Werte auch für eine Mindestraumluftfeuchte festgelegt werden, durch die gleichzeitig der Gesundheitsschutz signifikant gesteigert wird. Zur Problematik einer zu geringen Raumluftfeuchte stellt eine Broschüre ausführlich die technischen, medizinischen und wirtschaftlichen Aspekte vor. Diese sollen nachfolgend zusammengefasst werden.
Symptome durch zu wenig Luftfeuchtigkeit
Jeder kennt die unangenehmen Auswirkungen von zu trockener Luft: Die Haut wird schuppig und rissig, Nasen- und Rachenschleimhäute, aber auch die Augen trocknen aus und werden gereizt. Dadurch fühlen wir uns unbehaglich, sind weniger konzentriert und leistungsfähig und werden anfälliger für Atemwegserkrankungen.
Eine viel zu geringe Raumluftfeuchte ergibt sich, wenn in kühlen Jahreszeiten trockene Außenluft durch Lüftungsanlagen oder geöffnete Fenster ohne eine geregelte Befeuchtung in warme Räume einströmt. Häufig stellen sich in so belüfteten Räumen dann relative Luftfeuchten von deutlich unter 20 Prozent ein, die die zuvor beschriebenen negativen Symptome auslösen.
Raumluftfeuchte und Behaglichkeit
Seit vielen Jahren ist in der Lüftungs- und Klimatechnik das sogenannte Behaglichkeitsdiagramm bekannt und etabliert, das den Zusammenhang zwischen der Raumlufttemperatur und der relativen Raumluftfeuchte darstellt. In diesem Diagramm wird für einen behaglichen Raumluftzustand bei einer Temperatur von etwa 18 bis 24 °C eine Raumluftfeuchte zwischen rund 35 Prozent (untere Grenze) und etwa 70 Prozent (obere Grenze) empfohlen.
In aktuellen technischen Regeln für Lüftungs- und Klimasysteme in Wohn- und Nichtwohngebäuden dominieren Vorgaben zu Mindest-Außenluftvolumenströmen und zu angenehmen Temperaturen. Zum Unterschreiten einer Schwülegrenze wird bei einer Raumtemperatur von 26 °C ein Maximalwert der relativen Feuchte von rund 60 bis 65 Prozent empfohlen (absolute Feuchte 12 g / kg). Im Vergleich dazu spielt eine Mindestraumluftfeuchte in kühleren und trockenen Jahreszeiten bislang eine untergeordnete Rolle und wird fast sträflich vernachlässigt.
Hierzu gibt es bisher nur einige Empfehlungen ohne konkret einzuhaltende Vorgaben. So schreibt die VDI 3804 "Raumlufttechnik - Bürogebäude" wie folgt: "Es wird empfohlen, als Untergrenze die Kategorie 1 der DIN EN 15251 mit 30 % r. F. anzustreben. Hierzu ist in der Regel eine Befeuchtungseinrichtung erforderlich... Feuchten < 30 % r. F. können zu Reizungen der Augen und der Luftwege führen und damit Infektionskrankheiten begünstigen... Bei tiefen Außentemperaturen ist eine Unterschreitung einer Raumluftfeuchte von 30 Prozent zu erwarten."
Der vom Deutschen Netzwerk Büro erstellte „Ratgeber Büro“, empfiehlt eine Raumluftfeuchte von 40 bis 60 Prozent, der DGUV Ratgeber 215-510 „Beurteilung des Raumklimas“ gibt einen behaglichen Bereich der Luftfeuchte von 45 Prozent + /- 15 Prozent an und die Infobroschüre des DGUV 202-090 „Klasse(n) – Räume für Schulen“ spricht von einer relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 65 Prozent (bei Tätigkeiten mit hohem Sprechanteil).
Zur Erhaltung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit von Menschen werden relative Raumluftfeuchten über 40 Prozent angeregt, die aber im Winter dauerhaft nur mit einer aktiven Luftbefeuchtung erreicht werden können.
Leider werden diese Empfehlungen zu einer gesunden und behaglichen Raumluftfeuchte von mindestens 40 Prozent bei vielen Projektierungen von Klimaanlagen zu wenig bzw. nicht beachtet. Sehr viele Anlagen arbeiten noch immer ohne Systeme für eine geregelte, ausreichende Luftbefeuchtung.
Winterzeit gleich Grippezeit?
Seit vielen Jahren erfasst das Robert-Koch-Institut (RKI) die in Deutschland durch Grippe ausgelösten Krankheits- und Todesfälle. In seinem Bericht für 2017 / 2018 kommt das Institut zu folgenden Ergebnissen:
Doch gibt es tatsächlich einen direkten Zusammenhang zwischen einer trockenen Luft mit einer relativen Feuchte unter etwa 30 Prozent und der Ausbreitung und den Erkrankungen an Grippe? Dieses auch in der Medizin kontrovers diskutierte Thema wurde nun in langjährigen Untersuchungen von Forschern der amerikanischen Universität Yale analysiert. Die wichtigsten Ergebnisse der dazu im Mai 2019 veröffentlichten Studie "Low ambient humidity impairs barrier function and innate resistance against influenza infection" lauten:
Auf Basis dieser Ergebnisse ziehen die Yale-Forscher folgendes Fazit: Eine geringe Feuchte ist zwar nicht der einzige Faktor, der zur Verbreitung von Grippeviren und zu Krankheiten führen kann. Das Sicherstellen einer relativen Luftfeuchte von mindestens 40 Prozent besonders in den kühlen und trockenen Jahreszeiten ist aber eine geeignete Maßnahme, um die Ausbreitung von Grippeviren und die Zahl der Erkrankungen erheblich zu verringern.
Positive Beurteilung durch Büronutzer
Neben einer Verringerung des Erkrankungsrisikos hat eine Mindestraumluftfeuchte auch positive Auswirkungen auf die Erhöhung der Behaglichkeit und der Leistungsfähigkeit. Dazu hat das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in der Studie "Luftfeuchtigkeit am Büroarbeitsplatz" die Bedeutung und die Wirkungen von zu geringen (etwa 25 % r. F.) und von ausreichend hohen Luftfeuchten (rund 40 % r. F.) an Büroarbeitsplätzen untersucht.
Zur Studie wurde in einem Gebäude über mehrere Monate in Referenzbüros (Temperatur etwa 22 bis 23 °C) das System zur Luftbefeuchtung ein- und ausgeschaltet. Die Ergebnisse belegen sehr deutlich, dass Personen in Büros ohne eine geregelte Luftbefeuchtung Störungen durch eine trockene Luft beklagen, die ihr Befinden und ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
Bei einer aktiven Erhöhung der Raumluftfeuchte auf etwa 40 Prozent empfand keiner der Befragten die Luftfeuchte als zu gering, für sogar 84 Prozent war die Luftfeuchte angenehm. Demgegenüber klagten in den nicht befeuchteten Räumen fast 70 Prozent der Teilnehmer über eine zu geringe Luftfeuchte. Zudem beurteilten 54 Prozent der Befragten die Raumluftbefeuchtung als sehr erfrischend. Auch bei der Beurteilung der Symptome "trockene Atemwege" und "brennende Augen" wurden in den befeuchteten Räumen die Ergebnisse signifikant um jeweils etwa 20 Prozent besser.
Fazit
Es ist mittlerweile medizinisch bewiesen, dass durch das Sicherstellen einer Mindestraumluftfeuchte von 40 Prozent die Gefahren zur Ausbreitung von Krankheiten wie zum Beispiel Grippe auf ein Minimum verringert werden. Gleichzeitig werden ab einer relativen Feuchten von rund 40 Prozent auch die zuvor beschriebenen unangenehmen Auswirkungen von zu trockener Luft vermieden und die Menschen fühlen sich nun gesund, behaglich und leistungsfähig.
Das in der Klimatechnik seit vielen Jahren etablierte Diagramm mit den Vorgaben zu behaglichen und gesunden Raumluftfeuchten spiegelt die Forderungen nach einer Mindestraumluftfeuchte von etwa 35 bis 40 Prozent im Feld "behaglich" durchaus in etwa wieder - aber diese Werte sollten dringend in der künftigen Normung und in der täglichen Praxis der Lüftungs- und Klimatechnik auch beachtet und umgesetzt werden.
Daher wird empfohlen - auch für die künftige technische Regeln, das bisherige Behaglichkeitsdiagramm an die neuen medizinischen Erkenntnisse anzupassen und es dafür leicht zu modifizieren.
Neue Broschüre „Luftfeuchte am Arbeitsplatz“
In der Broschüre „Luftfeuchte am Arbeitsplatz - Voraussetzung für Behaglichkeit und Gesundheit“ werden auf 44 Seiten technische, gesundheitliche und wirtschaftliche Aspekte zur allgemeinen Luftbefeuchtung dargestellt. Anhand von Studien, vielen Beispielen und Abbildungen wird die Forderung zur Einhaltung einer Mindestraumluftfeuchte von 40 Prozent anschaulich nachgewiesen und verdeutlicht.