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INTERVIEW

„Effizienter lüften mit dezentraler Regelung“

KK: Herr Hartmann, im Gebäudesektor liegt immer noch ein großes Potenzial, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu senken. Wo sehen Sie die wichtigsten Anknüpfungspunkte im Hinblick auf die Klima- und Lüftungstechnik?

Hartmann: Was wir heute oft haben, ist zum Beispiel die Trennung der Aufgabe Heizen und Kühlen von der Aufgabe Lüften, indem Umluftgeräte oder aktivierte Flächen das Temperieren übernehmen und eine Lüftungsanlage unabhängig davon für den Luftwechsel sorgt. Dadurch ist ein geringerer Luftaustausch nötig, was weniger Stromkosten und einen kleineren Wärmeverlust bedeutet. Aber das Lüften erfolgt meistens nicht konsequent am Bedarf orientiert. Die Bedarfslüftung bietet noch ein großes Sparpotenzial.

KK: Was meinen Sie mit Bedarfslüftung?

Hartmann: Ich meine, die Luftmengen
jederzeit an den wirklichen Bedarf an­zupassen. Sind wenige Leute im Raum, müssen geringere Luftmengen gefahren werden als bei einer starken Raumbelegung. Und abseits der Betriebszeiten
kann die Lüftung oft ganz ausbleiben, wenn andere Systeme – zum Beispiel die eben erwähnten Umluftgeräte – für das Einhalten der Wunschtemperatur sorgen. Eine Bedarfslüftung lässt sich
für jede einzelne Klimatisierungszone separat regeln. Konsequent umgesetzt wird das heute aber selten.

KK: Warum wird das Potenzial der Bedarfslüftung noch nicht ausgeschöpft?

Hartmann: Bei Objekten mit Zentrallüftung wie einem Bürogebäude oder einem Shoppingcenter benötigen Sie entweder mehrere, unabhängig voneinander regelbare Zentralanlagen oder entsprechend viele Stellglieder – zum Beispiel Volumenstromregler – im Kanalnetz, um Luftmengen gezielt regeln zu können und die einzelnen Klimatisierungszonen individuell zu bedienen. Diese Anpassung der Luftmengen geschieht zwar heute schon, allerdings eher auf größere Zonen bezogen. Ein Beispiel sind Eventlocations wie Theater oder Konferenzzentren: Dort werden die Luftmengen oft entsprechend der Belegung bzw. der Spiel- und Pausenzeiten geregelt. Ein anderes Beispiel sind die Gebäudeflügel oder Etagen in Bürohäusern, wo sich der Einsatz der Lüftung an den Betriebszeiten oder Zeiterfassungssystemen orientiert.

Im Bürosektor besteht aber die Möglichkeit, durch Bedarfslüftung noch viel mehr zu sparen. Man könnte Großraumbüros, Besprechungsräume und sogar Einzelbüros individuell belüften. Dadurch könnten Betreiber ihre Energiekosten erheblich senken. Voraussetzung ist die richtige Technik – zum Beispiel eine dezentrale Lüftung.

KK: Wieso empfehlen Sie in diesem Zusammenhang dezentrale Lüftungstechnik? Was kann sie besser als eine Zentrallüftungsanlage?

Hartmann: Bei der dezentralen Lüftung haben Sie mehrere Vorteile: Sie saugen die Luft dort an der Fassade an, wo sie benötigt wird. Sie müssen die Zuluft also nicht durch das Gebäude führen. Das spart Energie für den Lufttransport und es spart Platz, weil Sie ja keine Lüftungskanäle benötigen. Der zweite und wesentliche Vorteil ist, dass Sie bei dezentralen Geräten die Luftmengen gut exakt dosieren können, denn jedes Gerät lässt sich einzeln ansprechen.

KK: Ist eine dezentrale Lüftung mit Fassadengeräten nicht teurer als eine Zentrallüftungsanlage?

Hartmann: Das sieht auf den ersten Blick so aus, wenn man nur die Gerätekosten vergleicht. Werden aber die Sekundärkosten, zum Beispiel für die Lüftungskanäle einer Zentrallüftung, und die Betriebs­kosten einbezogen, sieht die Rechnung ganz anders aus. Und man gewinnt Raum, weil keine Kanäle in Versorgungsschächten oder abgehängten Decken untergebracht werden müssen. Der nutzbare
Raum wird also größer. Zudem bedeutet der Verzicht auf das Lüftungsnetz auch, potenzielle Hygieneprobleme von vornherein zu vermeiden.

Was für dezentrale Lüftungsgeräte spricht, ist aber vor allem ihr niedriger Stromverbrauch und dass Sie die Geräte individuell regeln können. Auf eine hochwertige Wärmerückgewinnung müssen Sie bei einem modernen Fassaden­lüftungsgerät auch nicht verzichten – bei unseren FVPpulse-Geräten ist die Wärmerückgewinnung einer Zentralanlage ebenbürtig.

KK: Lässt sich abschätzen, welche Lebenszykluskosten eine Lüftungslösung – dezentral oder zentral – mit sich bringt?

Hartmann: Dazu haben wir den „System Finder“. Dieses Tool berücksichtigt die architektonischen Daten, den Standort, Heiz- und Kühllasten, die Anforderungen an die Luftqualität und akustische Qualität, die Ansprüche an den Klimatisierungskomfort und vieles mehr. Anhand dieser Informationen analysiert das Tool die Total Cost of Ownership [TCO] für rund 80 Klimatisierungskonzepte und zeigt, welche die in der Anschaffung günstigsten sind, wo die geringste TCO zu erwarten ist und welche Lösung am klimafreundlichsten arbeitet. Sie wären sicherlich überrascht, wie oft die günstigsten Systeme auf dezentralen Komponenten basieren.

KK: Was ist neben dezentralen Lüftungsgeräten noch erforderlich, um eine Bedarfslüftung umzusetzen?

Hartmann: Jede Regelungszone benötigt Sensoren, welche die Anwesenheit bzw. Luftqualität erfassen. Ideal sind CO2- oder VOC-Sensoren, sodass die Luftmenge sich nicht nach der Personenzahl richtet, sondern eine vorgegebene Luftqualität eingehalten werden kann. Und natürlich benötigen Sie die Regelungstechnik, damit Wärme, Kälte und die Luftmengen dem Bedarf entsprechend gesteuert werden.

KK: … was eine klassische Aufgabe für die Gebäudeleittechnik ist. Aber wirft die Vernetzung mit den Sensoren und den dezentralen Geräten nicht hohe Kosten auf, wenn man kleine Regelzonen bilden möchte?

Hartmann: Bisher war das so, dass die Gebäudeleittechnik [GLT] diese Aufgaben übernommen hat. Und ja, tatsächlich bedeutete das einen erheblichen Vernetzungsaufwand, denn alle Sensoren und Aktoren mussten mit der GLT ver­bunden werden. Einfacher geht das, wenn die Regelungsaufgaben auf die lokale
Ebene, die Feldebene, verlagert werden. Dazu haben wir das System „Connected Intelligence“ entwickelt. Es handelt sich um eine dezentrale MSR-Technik für das bedarfsgerechte, raumindividuelle Lüften und Klimatisieren, und diese Lösung ist Modbus-fähig und unabhängig von der Gebäudeleittechnik.

Die Regler enthalten für unsere dezentralen Geräte optimierte Regelkreise für Raumtemperatur und Luftqualität sowie Schnittstellen zu typischen Sensoren und Raumbediengeräten. Somit können die Vorgaben des Raumbediengeräts und die Werte eines CO2-Sensors in der Regelungszone ausgewertet werden, und die dezentralen Geräte in der Zone werden passend gesteuert, ganz ohne Zutun der Gebäudeleittechnik.

KK: Für welche Geräte ist Connected Intelligence verfügbar?

Hartmann: Zurzeit bieten wir es für unsere Fassadenlüftungsgeräte, die dezentralen Schullüftungsgeräte und unsere Ventilatorkonvektoren an.

KK: Sie erwähnten eben das Sparpotenzial, das eine dezentrale Regelungstechnik eröffnet. Meinten Sie damit die Energieeinsparungen durch die Bedarfslüftung, oder zielte Ihre Bemerkung auf niedrigere Investitionskosten?

Hartmann: Beides. Einerseits lässt sich die Bedarfslüftung einfacher umsetzen, weil
die Regelung auf Feldebene geschieht und Sie sehr leicht Klimatisierungs- bzw. Regelzonen bilden können. Da in jeder Steuerplatine die Regelkreise für Raumtemperatur und Luftqualität sowie komfort- und energieoptimierte Regelszenarien für das Gerät integriert sind, erreichen Sie auch direkt die maximale Energieeffizienz und müssen nicht erst Kennlinien studieren und die Regelungstechnik parametrieren. Arbeiten mehrere Geräten in einer Regelungszone, dient eines als Master und steuert die anderen, die dann im Slave-Modus arbeiten. Auf der anderen Seite sparen Sie durch eine dezentrale Regelungstechnik Netzwerkkosten, also Installationskosten, denn Sie müssen die Regler nicht in die GLT einbinden.

KK: Wie hoch schätzen Sie die Investitionseinsparungen durch die dezentrale Regelung?

Hartmann: Für jeden an die GLT anzubindenden Datenpunkt – ob Sensor oder Aktor – wären etwa 200 Euro zu veranschlagen. Des Weiteren ergeben sich Einsparungen bei der Verkabelung, bei I/O-Modulen und Gateways etc. Bei Großobjekten wie einem mehrgeschossigen Bürogebäude können die Investitionskosten also leicht um Hunderttausende niedriger ausfallen.

KK: Ist die Gebäudeleittechnik – zumindest zum Heizen, Kühlen und Lüften – somit überflüssig?

Hartmann: Im Grunde brauchen Sie für das Regeln von Luftmengen und Temperatur keine GLT mehr, denn die dezen­trale Regelung sorgt ja für die Wunschtemperatur und Luftqualität. Sie könnten alle
Aufgaben für eine optimale Klimatisierung und Lüftung im Inselbetrieb erledigen lassen, was übrigens die Nachrüstung im Bestand vereinfacht. Sollen jedoch Betriebs- und Störungsmeldungen an eine Zentrale geleitet werden, ist die Anbindung an eine GLT durchaus sinnvoll. Aber dann benötigen Sie nur noch einen Datenpunkt je Regelzone. Daher wäre es also immer noch erheblich billiger als eine Bedarfslüftung, die von der Gebäudeleittechnik gesteuert wird.

KK: Herr Hartmann, vielen Dank für das Gespräch.

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