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Wärme- und Kälteversorgungskonzepte für Lebensmittelmärkte

Integrale Planung der einzige Weg

Nach der Ölkrise in den siebziger Jahrenbegann eine Entwicklung von immer um­­fangreicheren gesetzlichen Anforderungen an die Bauausführung von Gebäuden. Was mit groben Anforderungen an die Gebäudedämmung und Heizungsanlagen begann, ist zu einem Spezialistenthema für den Primärenergiebedarf, die Betriebskosten, den CO2-Ausstoß bis hin zu den Effizienzvorgaben bei der Wärmerückgewinnung geworden.

In Kürze stehen die neue Energieeinsparverordnung EnEV 2012 sowie das er­weiterte Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz an letzteres zusätzlich mit dem erneuerbaren Anteil für Kältebedarf zur Raumkühlung. Das Thema Green Building mit Betrachtungen der Lebenszykluskosten, den ökologischen Baustoffen und Reversibilität stellt den übernächsten Anforderungslevel dar. Dieser Prozess gleicht einer evolutionären Weiterentwicklung des Verordnungsdschungels, der man nur mit einer immer weiteren Optimierung und Koordination der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) folgen kann.

Die Kühlung der Verkaufsräume wird auch in Deutschland ein größeres Thema

Zusätzlich zu den hohen Anforderungen des Gesetzgebers kommen die steigenden Komfortansprüche der Nutzer an klimatisierte Räume. Das Thema verschärft sich durch eine steigende Zahl von extremen Hitzetagen im Jahr wie auch aufgrund größerer innerer Wärmequellen durch aufwendigere Beleuchtungskonzepte. Alle neuen Märkte wie auch die Bestandsmärkte werden derzeit mit Backöfen oder Backshops aufgerüstet. Wurde bisher ein Teil der sommerlichen Erwärmung durch die Kälteverluste der offenen Kühltheken kompensiert, wird dieser klimatisierende Effekt durch die zunehmende Verdeckelung der Kühlmöbel stark vermindert. Was Strom in der Gewerbekälte­bereitstellung spart, erzeugt neuen Strombedarf bei der Raumkühlung. Das energetische Gleichgewicht auch von Bestandsmärkten verschiebt sich zu einem vermehrten Raumkühlbedarf, während bessere Dämmung den Heizaufwand mindert.

Die Entwicklung von Leuchttürmen und Prototypen

Wie reagiert die Branche auf die neuen Herausforderungen? Seit Jahren gibt es einzelne Leuchtturmprojekte, welche zukunftsfähige Technologien umsetzen. Auch wenn fast nie Betriebsdaten dieser Leuchtturmprojekte bekannt werden, ist klar, dass es nur Testprojekte für Teilkomponenten eines notwendigerweise ganzheitlichen Konzeptes waren. Bei genauer Betrachtung stellte sich oft die Frage, ob die Investitionskosten für aufwendige Konzepte wie Tiefenbohrungen für Geothermieanlagen oder gigantische Zisternenspeicher gerechtfertig sind. Schließlich decken sie nur Spitzenlasten ab, während bis zu 90 Prozent der Heizenergien aus der Abwärme der Kälteanlagen fließen. Im Gegensatz zu anderen Bauten ohne Gewerbekälte (mit parallel anfallender Abwärme) ist dies betriebswirtschaftlich gesehen ein großer Unterschied.

Realistische Prototypen oder Serienprodukte sind für einige Anbieter, wie zum Beispiel die Einzelhandelskette LIDL, bereits entwickelt worden. Sie zeichnen sich durch eine standortunabhängige ökonomische Anlagenkonzeption, sowie durch eine gewerke- und herstellerübergreifende, gut geplante Serienreife aus, welche offensichtlich durch inte­grale Planungsansätze erzeugt wurden. Oftmals sind die technischen Optionen der Weiterentwicklung klar erkennbar oder isteine spätere Darstellung als innovatives um-weltfreundliches Green Building möglich.

Lebensmittel-Einzelhandelsketten wie REWE haben sich mit ökologisch abgestimmten Marktkonzepten bereits posi­tioniert, die ihrer Kundenklientel mit nachhaltigen Konsumwünschen entgegenkommen. Die reale oder scheinbare Nachhaltigkeit der Märkte wird mit plakativ sichtbarer Photovoltaik und entsprechenden Werbekonzepten untermauert. Die Zertifikation der erreichten Effizienz durch Nachhaltigkeitssiegel und Urkunden ermöglicht die Kommunikation der komplexen Thematik für den Endverbraucher. Klar zeichnet sich hier die zukünftige Dominanz des Zertifizierungssystems der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ab, welches im deutschsprachigen Raum besser zu vermitteln ist als angelsächsische Systeme.

Daumenregeln und Überdimensionierung ersetzten Planung und Abstimmung

Noch immer dominiert ein unabgestimmtes Vorgehen, in dem verschiedene, oft miteinander konkurrierende, TGA-Anbieter mit nicht optimal abgestimmten Lösungen den Planungsprozess ersetzen. Die Auslegung oder Abstimmung verschiedener Komponenten, wie Abwärmenutzung, Spitzenlasterzeugung, Verteilung und Steuerung erfolgt entweder pauschal oder überhaupt gar nicht. Standortbezogene Anpassungen werden den bauausführenden Firmen überlassen und unterbleiben dann in der Konsequenz.

Die Optionen der integralen Planung

Komplexe, optimierte Lösungen verlangen in der Regel eine ebensolche Planung und dies verursacht einen Zeitaufwand und Planungskosten, die bisher die Betreiber von Lebensmittelmärkten vermieden haben. Es ist ja auch verständlicherweise nicht ihr Kerngeschäft. Notwendig ist ein neutral moderierter Planungsprozess in Abstimmung mit allen Erfahrungen, Bedenken und zu erwartenden Problemen. Hierfür ist ein integraler Planungsansatz unumgänglich. Das Wort integral würden wir als einen, alle Planungsbeteiligtenein­schließenden, evolutionären Prozess mit immer besserer Verfeinerung bezeichnen. In der wiederholten Abstimmung liegt die Prozess­qualität. Wobei die ungeliebte Auseinandersetzung mit Bedenkenträgern aller Art ein essentieller Bestandteil des Prozesses ist und in der Folge ein alltagstaugliches Ergebnis generiert.

Das Kernproblem des Prozesses ist oftmals die mangelnde Motivation und der mangelnde Kooperationswille bei allen Projektbeteiligten. Je nach Betreiberstrategie der Lebensmittelmärkte gibt es TGA-Hoflieferanten, welche einfach im Prozess zu motivieren sind, oder aber konkurrierende Hersteller von TGA-Komponenten, mit denen eine integrale Zusammenarbeit problematisch bis unmöglich ist. Den notwendigen Zeitaufwand darf man dabei nicht unterschätzen! Intelligente Konzeptideen gibt es viele: Erst durch die fortlaufende Weiterentwicklung und Anpassung entsteht daraus ein überzeugendes, alltagstaugliches Gebäudekonzept. Verhängnisvollerweise ist die Bereitschaft zur Honorierung von notwendigen Planungs- und Koordinationsleistungen von Seiten der Betreiber oftmals nicht gegeben. Dies erzeugt in der Folge kurzsichtige und unstimmige Lösungen, welche schon bald nicht mehr den steigenden Ansprüchen gerecht werden.

Bestes Beispiel für eine gelungene, integrale Planung ist unsere Koordinationstätigkeit für einen norddeutschen Lebensmitteldiscounter. In einem anderthalbjährigen kontinuierlichen Beratungsprozess wurde mit allen Beteiligten ein perfekt zugeschnittenes Pilotprojekt umgesetzt, was rechtzeitig vor der EnEV 2012 zu einem standortunabhängig umsetzbaren Serientyp führte. Im Mai dieses Jahres werden zwei leicht unterschiedliche Prototypen unter realen Umsetzungsbedingungen gebaut und über den Winter 2011/12 messtechnisch begleitet. Rechtzeitig zum nächsten Anforderungssprung steht eine abgestimmte und erprobte Planung zur bundesweiten Vergabe an Bauunternehmen bereit. Grundlage war auch hier ein regelmäßiger Abstimmungsprozess in zweimonatigen Abständen, in denen Konzepte und Lösungen evolutionär weiterentwickelt wurden.

Ausblick: Technikkonzepte für die Zukunft

Luftheizung und Strahlungsheizung unterscheiden sich strategisch in den Temperaturniveaus der Heizsysteme: Die bisher überwiegend eingesetzte Luftbeheizung auf einem Temperaturniveau von 55 bis 70 °C und die Beheizung mit einer Industriebodenheizung auf einem Temperaturniveau von über 30/35 °C. Beide Systeme können auch Kühlleistungen umsetzen, wobei die Niedertemperaturlösung technologisch für die Mehrzahl der zukünftigen Technikansätze effizienter zu sein scheint. Im Sanierungsbereich dagegen sind Niedertemperaturlösungen man­gels großflächiger Heizflächen fast nicht umsetzbar. Sehr vielversprechend sind hier bei gehobenen Anforderungen komplexe Luft­heizungen mit Wärmepumpentechnologie, wie z. B. die VRF-Technik von Daikin. Wir dürfen nicht übersehen: Die großen Potenziale schlummern in der intelligenten Nachrüstung der Bestandsmärkte. Die Erkenntnisse bei Neubauten müssen in die Nachrüstung einfließen. In fast allen Fällen ist allerdings eine individuelle Planungen und Abstimmung notwendig. In der Sanierung gibt es keine Patentlösungen. -

* Der Artikel gibt die Inhalte des Vortrags wieder, der anlässlich der DKA-Tagung am 8. März 2011 in Dresden sowie am 5./6. April 2011 anlässlich des ZVKKW-Supermarkt-Symposiums in Nürnberg gehalten wurde.

Dipl.-Ing. Frank W. Lipphardt

Inhaber des Ingenieurbüros Ecobau Consulting, Berlin

Frank W. Lipphardt*, Berlin

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