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Kältetechnik des Trawlers „Lira“ für großen Fang fit gemacht

Fisch frostfrisch

Ein sonniger Tag Ende Mai dieses Jahres: An Deck der Lira pfeift einem der Wind kräftig um die Nase. Mit an Bord sind dieses Mal nicht nur die Besatzung der Lira, sondern auch Wolfgang Arndt, Krzysztof Klim und Christian Voss von der GEA Refrigeration Technologies in Berlin und Gdynia. In den nächsten Tagen werden sie auf der schwimmenden Fischfabrik überprüfen, ob die neu installierte Kältetechnik perfekt funktioniert, die Inbetriebnahme durchführen und die Kälte- und Gefrieranlage danach an den Auftraggeber übergeben. In den vergangenen Monaten haben die drei und ihre Kollegen die Kälteanlage projektiert und eine Vielzahl an neuen Ausrüstungen geliefert.

Grund für die Sanierung und Modernisierung war kein Defekt, vielmehr sprach das Alter der Lira für die Umbauten. Seit 22 Jahren fährt sie unter russischer Flagge zum Fang und der Verarbeitung von Makrele, Hering, Blauem Wittling, Lodde oder anderen Schwarmfischen. Wie vielen der Mitte der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre gebauten 37 Fabriktrawler des Typs Atlantik 488 sieht man dem stabilen und gut gebauten Schiffsrumpf der Lira die Jahrzehnte auf See kaum an. Daher soll sie noch viele weitere Jahre Fischfang betreiben. Als Hecktrawler mit 120 m Länge ist sie wie geschaffen für den Fang und die Verarbeitung von Schwarmfisch. Mit einer Lagerkapazität von 2300 Tonnen ist genügend Stauraum an Bord, um mehrere Tage oder Wochen auf See mit aktiver Fischerei zu verbringen.

Konservenlinie wich neuen Frostern

Während der langen Fangreisen gilt es jedoch, den Fisch frisch zu halten. Genau hierin bestand der größte Nachteil der Lira: Bis vor Kurzem bot die Lira nur eine Gefrierkapazität von 60 Tonnen pro Tag, denn Schiffe des Typs Atlantik 488 wurden früher auch mit einer Konserven-Linie ausgestattet, sagt Voss. Die Produktion von Fischkonserven an Bord von Fangschiffen ist jedoch nicht mehr effektiv. Daher beschloss die russische Fischfang-Reederei Morskaya Zvezda (Maritime Star) aus Kaliningrad, die tägliche Gefrierleistung von rund 60 auf etwa 180 Tonnen zu erhöhen. Nur so lässt sich ein großer Fang zeitgemäß und zugleich wirtschaftlich verarbeiten, denn der kann bis zu 100 Tonnen pro Hol so nennen die Fischer es, wenn sie das Netz gefüllt wieder einholen betragen.

Als die Lira im Mai zur Probefahrt von Danzig zu den Färöer Inseln aufbricht und die Motoren das Schiff mit ihren rund 7 000 PS auf etwa 15 Knoten (das entspricht knapp 30 km/h) beschleunigen, ist die Umrüstung abgeschlossen. Die GEATechniker werden auf der ersten Ausfahrt nach dem Umbau die neuen Anlagen im Hochseeeinsatz auf einwandfreie Funktion prüfen und eventuelle Optimierungen an der Regelung vornehmen.

Erneuerung binnen eines halben Jahres

Vor der Probefahrt hatte das GEA-Team Einiges zu leisten: Im Herbst 2011 erhielt GEA den Auftrag zu Modernisierung und Erweiterung der Kältetechnik. Die Arbeiten sollten parallel zum Austausch der Schiffsdiesel und der Erneuerung der Fischfabrik erfolgen. So stand den Kälteexperten ein Zeitraum von etwa drei Monaten für die Planung und Fertigstellung des Projekts und die Lieferung zur Verfügung.

Bei der ersten Begehung im November 2011 fanden die Techniker Vertrautes vor: Die sechs Kompressoren zur Kälteerzeu­-gung waren von dem VEB Kühlautomat Berlin (kurz KAB) gefertigt worden. Die KAB ist eine Vorgängerin des deutschen Marinebereichs von GEA Refrigeration Technologies, sodass wir auf alle Projektunterlagen und Zeichnungen zu der an Bord existierenden und originalen Kälteanlage zurückgreifen und viele Erfahrungen einbringen konnten, berichtet Voss. Der 34-jährige Versorgungsingenieur ist erst seit 2009 im Unternehmen und freute sich, dass sich ein erfahrener Projektingenieur helfend in der Planungsphase eingebracht hat.

Zum Anlagenbestand der Lira gehörten neben der vertrauten KAB-Kältetechnik auch die oben erwähnte Konservenfa­brik, zwei an Bord verbleibende Luftgefrierapparate mit einer Tagesleistung von etwa 60 Tonnen sowie eine mittlerweile überalterte Elektrik. Die Steuerungstechnik und Schaltschränke funktionierten nach wie vor, aber bei einem Defekt hätte es keine Ersatzteile mehr gegeben, begründet Voss den Austausch der Schaltschränke gegen neue, die auf Basis der SPS S7 arbeiten. Aufgebaut wurden diese Schaltschränke an der gleichenStelle wie ihre Vorgänger, sodass alle Kabel nach Prüfung auf ihre einwandfreie Funktion weiterverwendet werden konnten.

Kompressoren mit alter Peripherie kombiniert

Erneuert wurden außerdem Hauptkomponenten der Kältetechnik sowie die dazugehörigen Armaturen und Regelgeräte. Die Rohrleitungen mussten teilweise vergrößert und neu verlegt werden. Die wichtigsten Komponenten zur Erhöhung der kombinierten Gefrier- und Laderaumkühlleistung sind ein neues, einstufiges Schraubenverdichter-Aggregat mit Economizer-Betrieb sowie zwei neue Niederdruck-Schraubenverdichter, dazu Flüssigkeitsunterkühler, ein zusätzlicher Verflüssiger und Sammler, die im oberen und unteren Kältemaschinenraum aufgebaut wurden. Weiterhin wurde der frühere Konservenstauraum in einen zusätzlichen Tiefkühlladeraum mit ca. 700 m³ umgerüstet. Dafür wurden zwei Schiffsluftkühler mit Armaturen zur Trockenexpansion geliefert.

Die verbleibenden technischen Verbraucher wie die Kühlung der Maschinenleitzentrale und der Fischmehlstauraum wurden statt mit Sole nun als Seitenlast an die zweistufige Gefrier- und Laderaumanlage direkt angeschlossen. Dafür wurden zwei neue Luftkühler mit Armaturen zur Trockenexpansion und Saugdruckregelung geliefert.

Zur Erweiterung der Gefrierleistung waren darüber hinaus zehn vertikale Plattengefrierapparate erforderlich, von denen jeder etwa zwölf Tonnen täglich verarbeiten kann. Die Plattengefrierapparate stammen zwar nicht aus den Werken der GEA, wurden aber von dem Berliner Team mitgeplant, geliefert und wie die anderen Erzeugnisse von der Danziger Reparaturwerft Remontowa installiert. Zum Betrieb der zehn Plattengefrierapparate war die Installation eines komplett neuen Kältemittelabscheider-Pumpenkreislaufs für eine überflutet geregelte Verdampfung erforderlich.

Bei den zwei neuen und leistungsstärkeren Niederdruck-Schraubenverdichtern für die zweistufige Kälteanlage erkannte dasProjektteam Sparpotenzial: Sie sind den alten bezüglich Größe und Anschlüssen ähnlich, weswegen sich bei diesen die vorhandenenÖlabscheider, Motoren und die Aggregatrahmen nach Prüfung weiterverwenden ließen. Für Morskaya Zvezda ergab sich somit ein geringeres Investitionsvolumen.

Die Umbauten wurden von der Reparaturwerft vorgenommen. Vielleicht noch akribischer als es an Land üblich ist, wurden die Maschinen angeschlossen, Teile des Rohrnetzes erneuert, Ventile installiert und die Steuerungstechnik ausgetauscht. Alles, was GEA geliefert hat, genügt den russischen Richtlinien für Schifffahrt (Russian Maritime Register of Shipping, kurz RS) und ist entsprechend zertifiziert. Das Team von GEA hat nach dem Einbau die Vorbereitungen zur Inbetriebnahme und für den Testlauf durchgeführt. Parallel wurde die Steuerung den Anforderungen des Kunden entsprechend programmiert.

Christian Voss: Man darf nicht vergessen, dass die Anlagen auch bei Windstärke acht und entsprechendem Seegang einwandfrei arbeiten müssen. Das erfordert viel Sorgfalt. Selbst wenn die Lira schlingert und durch die Wellen stampft, soll jeder der Kompressoren vibrationsarm und zuverlässig laufen. Ein Ausfall der Kältetechnik auf See könnte schlimmstenfalls den Fang von Wochen ungenießbar machen. Umso wichtiger ist es, die Funktion der Anlagen unter realen Belastungen zu prüfen.

Abschlusstest bei einwöchiger Probefahrt

Die einwöchige Ausfahrt dient dem Test. Entsprechend gespannt ist das Trio von GEA auf den ersten großen Fang und der lässt nicht lange auf sich warten. Nachdem ein Teil der etwa hundertköpfigen Besatzung ein gut gefülltes Netz einholen konnte, gleiten die Fische in die Bunker der Lira. Wenig später gelangen sie auf einem Förderband in die Fabrik, wo die Plattengefrierapparate sie auf mindestens 18 °C gefrieren sollen. Christian Voss steht zu diesem Zeitpunkt in der umgebauten Produktion und wartet gespannt darauf, ob alles funktioniert. Die Mitarbeiter an den Plattengefrierapparaten füllen diese Lage für Lage. Jeder der Apparate hat 38 Stationen mit drei Ebenen, pro Apparat werden also jeweils 114 Blöcke mit einem Gewicht von etwas über zehn Kilogramm gefroren. Dieser Prozess dauert etwa zwei Stunden.

Gefrieren im Zwei-Stunden-Takt

Nach Ablauf von zwei Stunden werden die gefrorenen Blöcke entnommen. Dazu müssen die Gefrierplatten der Plattengefrierapparate kurzfristig mit Heißgas durchströmt werden, damit sich der Frostblock lösen kann. An einigen Blöcken wird sofort die Kerntemperatur gemessen. Die Kerntemperatur soll mindestens 18 °C betragen, erwünscht sind deutlich unter 20 °C: Vor dem Einlagern werden jeweils drei Blöcke in Kartons verpackt und die Temperatur darf von nun an 18 °C nicht mehr übersteigen; die Kühlkette darf bis zum Endverbraucher nicht unterbrochen werden. Daher sind die Kälteanlagen im Tiefkühlladeraum für eine mittlere Raumlufttemperatur von 28 °C ausgelegt.

Das Messergebnis der Kerntemperatur ist beruhigend: Die Digitalanzeige des Geräts zeigt 24,9 °C und auch weitere Stichproben belegen die einwandfreie Funktion der Froster. Die Lira ist also bestens gerüstet, um ihre Tages-Gefrierleistung zu steigern. Voss ergänzt: Künftig könnte der Trawler die Gefrierleistung sogar noch besser ausnutzen. Die Kältetechnik sei bereits dafür ausgelegt, eine RSW-Anlage zu betreiben. RSW steht für refrigerated sea water und bedeutet, dass der Fang im Fischbunker bis zur Verarbeitung in circa 1 °C kaltem Seewasser vorgekühlt wird. Mit diesem Zwischenlager ließe sich der Fang frischhalten, sowie eine minimale Eingabetemperatur des Fisches gewährleisten, bevor er in die Gefrierapparate kommt. Dadurch wird die Dauer des eigentlichen Gefrierprozesses weiter reduziert. -

Ralf Dunker

München

Ralf Dunker, München

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