Menschen sind leichtgläubig, wenn es darum geht, eine Lösung für schwerwiegende Probleme zu finden. Je gravierender das Problem, desto spannender werden Lösungsvorschläge, die auf den Tisch kommen und auch noch Gehör finden. Es ist nun mal menschlich, einfach darauf zu hoffen, dass es irgendwie weitergeht“ – und das mit möglichst einfachen Mitteln. Und so wurde in den vergangenen Jahren immer wieder die sprichwörtliche neue Sau“ in Form eines weiteren Wunder-Kältemittels“ durch das Dorf getrieben. Ungiftig, nicht brennbar, einfach und schnell herzustellen bzw. bereits in der Natur vorhanden, keinerlei Potenzial zur Schädigung der Umwelt – und natürlich mindestens genauso effizient wie die derzeit eingesetzten Kältemittel.
Dabei sind die Spielregeln für mögliche neue Kältemittel am Markt in der Prioritäts-Rangfolge recht klar:
Ein neues Kältemittel muss ohne Wenn und Aber umweltschonender sein als das vorhergehende. Das bedeutet letztendlich: Das Treibhauspotenzial in Form des GWP muss deutlich geringer ausfallen. Wie gering – das regelt u. a. die F-Gase-Verordnung.
Parallel dazu darf aber die Effizienz des technologischen Prozesses insgesamt nicht leiden oder geringer werden. Denn das würde in Summe wieder mehr Energie verbrauchen und so dem Gesamtziel des Umweltschutzes widersprechen. Geregelt wird dies nicht durch die F-Gase-Verordnung, sondern durch die Ökodesign-Richtlinie (ErP).
Ist ein neues Kältemittel gefunden und es ist in der Lage, mindestens eine ähnlich hohe Wirtschaftlichkeit zu erbringen wie sein Vorgänger, muss die Investitionssumme für die jeweilige Technologie weiterhin passen. Erhebliche Preissprünge werden vom Markt abgestraft. Ist die Effizienz einer Technologie durch das neue Kältemittel nur geringfügig niedriger, müssen die Aggregate etwas größer ausfallen. Steigt die Gesamtinvestition dadurch im überschaubaren Rahmen, wird dies vom Markt toleriert.
Natürlich spielen auch die weiteren Eigenschaften eines Kältemittels eine große Rolle. Ist es toxisch? Ist es leicht entflammbar? Wie hoch liegt der maximale Betriebsdruck? Gibt es bereits zugelassene Komponenten am Markt?
Und letztendlich stehen auch die gute Verfügbarkeit und die Kosten für das Kältemittel im Fokus des Marktes.
Naturgemäß beantworten die Hersteller der Branche diese Fragen anders und bewerten auch die jeweiligen denkbaren Risiken unterschiedlich. Und doch zeichnen sich nach einiger Zeit Trends und gleichläufige Entwicklungen am Markt ab. Beispielsweise in puncto Wärmepumpen – wer aufmerksam über die SHK Essen und IFH Nürnberg gegangen ist, wird gesehen haben, dass auch neue Wärmepumpen-Modelle im kleinen Leistungsbereich für die Wärme- und Warmwasserversorgung von Ein- und Mehrfamilienhäusern mehrheitlich mit dem Kältemittel R410A betrieben werden.
R410A bleibt noch lange Standard im VRF-Segment
Und auch die Chillventa wird in diesem Jahr mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein ähnliches Bild in der VRF-Technologie zeigen. Ganz offensichtlich wird sich R410A noch längere Zeit im Markt halten. Kältemittel ist nun mal kein Verbrauchsmaterial wie Benzin im Auto, sondern es wird in einem hermetischen Kreislauf immer wieder im gleichen Prozess eingesetzt. Die Leckageraten bei VRF-Anlagen sind denkbar gering.
Zwar beschert das Phase-Down-Szenario und damit die künstliche Verknappung von R410A einen höheren Preis für das Kältemittel. Dennoch setzen namhafte Hersteller und vor allem auch die Verarbeiter auf die weitere Verwendung von R410A im VRF-Segment. Das ist nachvollziehbar und wir werden diese Entwicklung so lange wie notwendig begleiten“, beschreibt Michael Lechte, Leiter Produktmarketing bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems. R410A wird sicherlich noch einige Jahre als ein bewährtes und effizientes Kältemittel in den VRF-Systemen eingesetzt. Wer sich heute für ein System mit R410A entscheidet, kann dies in der Gewissheit tun, dass er über die Lebensdauer der Anlage ein Kältemittel verwendet, das alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt.“
Dennoch wird langfristig – bedingt durch die Verknappung des Angebotes und das weitere, starke Marktwachstum der VRF-Technologie – eine andere Alternative benötigt. Denn das auf lange Sicht angelegte Phase-Down-Szenario sorgt dafür, dass das Angebot an R410A knapper wird. Gleichzeitig expandiert der Markt für beispielsweise VRF-Anlagen sprunghaft. Doch die eine Alternative, die künftig allen Aufgabenstellungen gewachsen ist, wird es nach Ansicht von Branchenexperten nicht geben.
Deswegen bietet eine Technologie wie das Hybrid VRF-System (HVRF) die beste Basis, um langfristig sicher sein zu können, quasi jederzeit das Kältemittel der Wahl einsetzen zu können. Bei der HVRF-Technologie handelt es sich um das weltweit erste 2-Leiter-System zum gleichzeitigen Kühlen und Heizen mit Wärmerückgewinnung, das die Vorzüge eines direktverdampfenden mit denen eines wassergeführten Systems kombiniert.
Eine HVRF-Anlage besteht aus einem VRF R2-Außengerät der City Multi-Serie und einem speziell aufgebauten Hybrid BC-Controller. Das Kältemittel zirkuliert ausschließlich zwischen Außengerät und HBC-Controller. Zwischen HBC-Controller und allen Innengeräten ist Wasser als Energieträger im Einsatz. Hierdurch ist im Vergleich zu konventionellen Systemen die notwendige Kältemittelmenge erheblich reduziert. Für das gleichzeitige Heizen und Kühlen sind – genau wie bei der weltweit patentierten VRF R2-Anlagentechnik – lediglich zwei Rohrleitungen nötig. Die HVRF-Technologie ist unabhängig von einem bestimmten Kältemittel und damit eine klare Antwort auf die F-Gase-Verordnung“, so Lechte dazu.
HFO-Kältemittel als Ersatz für R134a in Chillern
Doch was passiert bei Kaltwassererzeugern? R134a ist mit seinem hohen Treibhauspotenzial schon nicht mehr die erste Wahl. Hier haben in den letzten Jahren insbesondere die HFO-Kältemittel (Hydro-Fluor-Olefine) oftmals für Ersatz sorgen können. Fluorierte HFO-Moleküle wirken sich kaum auf die Umwelt aus, da sie sehr schnell in der Atmosphäre zerfallen. Die nicht gesättigten Moleküle mit mindestens einer Kohlenstoff-Doppelbindung sind sehr reaktionsfreudig und haben deswegen in der Atmosphäre nur eine kurze Lebensdauer. Die mittlere Lebenszeit liegt bei ca. 12 Tagen. Das Ergebnis daraus ist ein äußerst niedriges Treibhauspotenzial.
Als bestes Beispiel dafür dient das HFO-Kältemittel R1234ze. Es hat einen GWP von 7 – zum Vergleich: R134a hat einen GWP von 1430 – und ist darüber hinaus nicht toxisch. Zudem wird es als schwer entflammbar eingestuft (Klasse A2L). Dennoch bietet es ähnliche thermodynamische Eigenschaften wie die bekannten HFC-Kältemittel. Dadurch erreicht es eine hohe Energieeffizienz.
Dabei ist uns das europäische Umfeld derzeit im Einsatz von HFO-Chillern weit voraus – unter allen klimatischen Bedingungen haben sich die Geräte bereits überzeugend bewährt. So z. B. in Finnland beim multinationalen Kommunikationsanbieter Ericsson. Hier speist das finnische Energieunternehmen Fortum die Abwärme des Rechenzentrums von Ericsson in sein Fernwärmenetz ein. Der Hintergrund dazu: Ericsson brauchte für seine wachsende Wärmebelastung durch die IT-Technik dringend eine größere Kälteleistung. Dafür suchte das Unternehmen nach einer passenden, umweltschonenden Lösung. Zur gleichen Zeit war Fortum auf der Suche nach einer nachhaltigen Möglichkeit zur Einspeisung einer konstanten Heizleistung in sein Fernwärmenetz. Bei geringen Investitionskosten sollte die Amortisationszeit gleichzeitig möglichst kurz sein. Die effizienteste Lösung wurde mit den Wärmepumpen FOCS2-W von Climaveneta gefunden, die das HFO-Kältemittel R1234ze verwenden.
Generell sehen wir in den HFO-Kältemitteln eine der denkbaren Alternativen für den Ersatz von R134a bei Kaltwassererzeugern. Dabei müssen natürlich die unterschiedlichen Betriebsbedingungen von Kaltwassererzeugern berücksichtigt werden“, so Lechte. Denn wir reden hier von teils sehr heterogenen Prozessanwendungen bis hin zur Kühlung von Rechenzentren und Komfortklimatisierungen. Das bedingt jeweils gänzlich unterschiedliche Ein- und Austrittstemperaturen. Um dann die gewünschte Effizienz erreichen zu können, kann nicht ein einziges Kältemittel angesichts der weiteren Betriebsbedingungen die universelle Lösung bilden.“
HFO-Kältemittel – auch für Wärmepumpen?
In einem anderen Markt – der Automobilindustrie – hat ein HFO-Kältemittel dagegen für negative Schlagzeilen gesorgt. HFO R1234yf wurde in den einschlägigen Boulevardmedien bereits als Killer-Kältemittel“ verschrien. Der Grund dafür: Bei einer Crashsimulation von Daimler-Benz entzündete sich das ausströmende Kältemittel an den heißen Motorteilen und geriet in Brand. Dabei entstand als Verbrennungsprodukt auch hochgiftige Flusssäure. Die Folge: Daimler-Benz weigerte sich jahrelang, das Kältemittel in seinen Fahrzeugen einzusetzen. Erst als mit dem Edelgas Argon ein Mittel gefunden wurde, um bei einem Unfall die erhitzten Motorteile so abzukühlen, dass das Kältemittel nicht in Brand geraten kann, verwendete der Automobilhersteller HFO R1234yf. Mittlerweile dreht sich der Markt der Auto-Klimatechnik in Richtung CO2 – ein unbrennbares, natürliches Gas, das aber unter vergleichsweise erheblichem Druck stehen muss, um die gewünschten Eigenschaften zu entwickeln. Mit rund 120 bar arbeiten die neuen Auto-Klimaanlagen – das ist rund zehnmal so viel wie bei herkömmlichen Anlagen.
Dass der Einsatz von HFO R1234yf in Automobilen kritisch bewertet wird, lässt sich dabei nachvollziehen. Schließlich handelt es sich um Klimatechnik im beweglichen Einsatz, die letztendlich nachvollziehbaren vielfältigen Gefahren in Form von Unfällen ausgesetzt ist. Sprich: Beim Crash ist die Gefahr, dass HFO R1234yf austritt, real vorhanden. Doch die Auswahl an industriell herstellbaren Kältemitteln, die alle Grundbedingungen erfüllen, ist denkbar gering.
HFO R1234yf erfüllt von seiner Struktur und seinen technischen Daten her beispielsweise ideal alle Voraussetzungen für den Einsatz in klassischen Wärmepumpen. Hier ist weder ein Crash noch ein Brand zu befürchten, wie beim mobilen Einsatz. Vielmehr befindet sich das Kältemittel in einem hermetisch geschlossenen Kreislauf. Und auch bei Wärmepumpen wird angesichts der deutlich steigenden Absatzzahlen im Markt früher oder später die Frage aufkommen, welches Kältemittel R410A ersetzen kann.
Fazit
Egal ob natürlich oder synthetisch – die Marktbedingungen sind für alle Kältemittel gleich. Nicht alle Kältemittel haben dabei jedoch die gleichen Chancen. Toxische und leicht entzündliche Kältemittel haben es naturgemäß schwerer. Dabei wird das Angebot an Kältemitteln aktuell auch dem Trend der immer weiter individualisierten Gerätetechnologie folgen. Die Hersteller bieten hier eine immer heterogenere Struktur an Lösungskonzepten an – mit dem Ziel, die Energieeffizienz weiter zu erhöhen und die Klima- und Wärmepumpentechnik in den Anwendungen deswegen perfekt an die objektspezifischen Bedingungen anzupassen. Auch wenn sowohl der Markt als auch die Hersteller so wenig Kältemittel wie möglich wollen, werden sich Anwender und Verarbeiter derzeit auf einen Markt einstellen müssen, in dem es nicht mehr die eine, sondern viele Kältemittel-Lösungen gibt. Langfristig jedoch könnten sich dann nach und nach wieder Kältemittel für bestimmte Technologien am Markt durchsetzen.