Im Schweizer Winterthur glaubt man fest daran. Deshalb wurde die Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) bereits mit einer entsprechenden Machbarkeitsstudie beauftragt. Und deshalb schauen die Schweizer ausnahmsweise einmal gern nach Deutschland herüber. Denn in Friedrichshafen, auf der hiesigen Seite des Bodensees, wurden bereits die technischen Voraussetzungen für unterirdische Latentwärmetanks aus gefrierendem Wasser für Kühl- und Heizanwendungen nahezu jeder Größenordnung und Nutzungsart geschaffen. Die Rede ist vom sogenannten SolarEis-System der Firma isocal.
In der Ausgabe 3/2011 berichtete die KK bereits ausführlich über eines der Pilotprojekte des Unternehmens. Damals ging es um die Versorgung des neuen Stuttgarter Stadtarchivs in Bad Cannstatt mit Kühlenergie aus einem unterirdischen Eistank.
Welche Erfahrungen haben die Nutzer seither mit dem System gemacht? Wie umweltfreundlich und wirtschaftlich arbeiten diese Anlagen in der Praxis? Und: Welchen Stellenwert nimmt das System mittlerweile am Markt ein? Fragen, die Bauherren, Architekten und Planer im Wohn- und Gewerbebereich gleichermaßen beschäftigen. Ausschlag für die Nutzung eines SolarEis-Speichers gaben in Bad Cannstatt zunächst ähnliche Überlegungen, wie sie nun im Schweizer Winterthur angestellt werden. Denn wer Gebäudeflächen umweltfreundlich und wirtschaftlich heizen und kühlen möchte, musste dies bisher mit getrennten Systemen tun. Das SolarEis-System kann beides heizen und kühlen. Wenn Wasser zu Eis gefriert, entsteht Kristallisationswärme. Diese kann mithilfe einer Wärmepumpe zur Warmwasserbereitung oder zum Heizen genutzt werden. Indem das Eis dabei im Speichertank nicht wie üblich von außen nach innen gefriert, sondern von innen nach außen, wird die natürliche Ausdehnung des Eises beherrschbar und damit eine mögliche Zerstörung der Tankhülle wirksam verhindert. Weitere Komponenten: ein Kollektor, der seine Energie sowohl aus der vorhandenen Lufttemperatur als auch aus der Sonnenkraft bezieht. Und eine Wärmepumpe, die das Gebäude mit der nötigen Raumwärme versorgt, die zuvor durch Sonnenenergie, Lufttemperatur oder Erdwärme im SolarEis-Speicher eingelagert wurde.
Mit dem System kann man im Sommer die gespeicherte Kälte zum aktiven Kühlen selbst großer Raumflächen verwenden. Bei Kühlbedarf leitet eine Umwälzpumpe das abgekühlte Heizwasser vom unterirdischen Eistank wohldosiert durch die Heizungsrohre. Dabei könnte der Energieaufwand nicht geringer ausfallen, denn das Wasser gefriert unter geringem Zusatz eines Kältemittels im Herbst auf natürliche Weise im Erdspeicher und lässt sich das ganze Jahr über nutzen, auch während der Tauperiode. Allein die Umwälzpumpe, die den Kühlkreislauf über die Heizungsleitungen aufrechterhält, benötigt wenige Kilowattstunden Energie pro Jahr. In den Übergangsmonaten lässt sich die Anlage besonders flexibel einsetzen: nachts zum Heizen, tagsüber zum Kühlen. Der SolarEis-Manager kontrolliert die einzelnen Komponenten. Damit kann der Nutzer die Anlage steuern, um bedarfsgerecht Kühlung, Raumwärme oder Warmwasser zu erzeugen. Das funktioniert im Eigenheim ebenso wie in den Energiezentralen großer Gebäude.
Positive Erfahrungen mit Eisspeicher
Mittlerweile konnte isocal 250 Eigenheime mit dem Heiz- und Kühlsystem ausrüsten.Rund 40 Anlagen befinden sich derzeit bei Privatanwendern im Bau (Bild 1). 500 Installationen sind noch in diesem Jahr geplant. Im Kölner Stadtteil Porz entsteht eine Klimaschutzsiedlung mit 112 Wohnungen (Bild 2). Schon bald werden hier am Rheinufer insgesamt 7500 m2 Wohnfläche mit dem Eisspeicher-System beheizt oder gekühlt je nach Bedarf. Das Wasser aus dem 1200 m3 fassenden Eistank lässt sich mithilfe einer Wärmepumpe zum Heizen auf eine Vorlauftemperatur von 32 °C bringen. In den Sommermonaten strömt auf Abruf Kaltwasser über die Wärmeübertrager in die Fußbodenheizungen und sorgt für ein angenehmes Raumklima. In Hamburg wird ein Eisspeicher mit 1,5 Millionen Liter Fassungsvermögen künftig 483 modernisierte Altbauwohnungen be-heizen und klimatisieren es wird das bisher größte eisspeichergestützte Heiz- und Kühlsystem der Welt sein.
Ein weiterer Schwerpunkt von isocal liegt in Gewerbe- und Nutzbauten wie Unternehmensverwaltungen, Hotels oder öffentlichen Gebäuden. Dazu zählen unter anderem ein Industriekomplex in Geislingen mit einer Heizleistung von 96 kW und einer Kälteleistung von 60 kW, ein Hotel in Konstanz (Heizung 280 kW, Kälte 180 kW), die Trigema Arena auf der Schwäbischen Alb (Heizung 80 kW, Kälte 60 kW), eine zum Büroensemble umgebaute Montagehalle im hessischen Viernheim (Heizung 80 kW, Kälte 34 kW) und der Elbcampus der Hamburger Handwerkskammer. Außerdem setzen Hotels in Heidelberg und Ketsch, eine Privatklinik bei Frankfurt sowie eine Unternehmensverwaltung in Düsseldorf den SolarEis-Speicher ein.
Referenzprojekt Nummer eins bleibt jedoch das Stadtarchiv der Stadt Stuttgart im Heilquellenschutzgebiet von Bad Cannstatt denn hier lagern empfindliche Materialien bei stets konstantem Raumklima: Exakt 18 °C und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit müssen es sein, um den Erhalt der alten Dokumente und Gemälde nicht zu gefährden (Bild 3). Der Sprecher des Stuttgarter Stadtarchivs, Dr. Jürgen Lotterer, zieht nach 20 Monaten Dauerbetrieb eine erste Bilanz: Das Ziel, etwa 30 Prozent Energiekosten ge-genüber der Nutzung einer konventionellen Klimaanlage einzusparen, konnte erreicht werden. Die Anlage läuft störungsfrei.
Auch der Leiter der Abteilung Stadterneuerung und Bodenordnung bei der Stadtverwaltung Stuttgart, Matthias Bertram, zeigt sich zufrieden mit der Eisspeicher-Lösung: Wir sind im Stadtarchiv auf eine wasserfreie, also luftgestützte Klimatisierung angewiesen, um mögliche Wasserschäden an den wertvollen Unikaten auszuschließen. Der Stromverbrauch für das Gebäude lag nach unseren Zahlen im ersten Betriebsjahr trotz der intensiven Luftumwälzung sogar 25000 Euro unter den ursprünglich geschätzten Verbrauchskosten. Jürgen Lotterer: Wir sind bisher das einzige Gebäude im deutschen Archivwesen, das mit einem SolarEis-Speicher ausgerüstet ist. Seit der Inbetriebnahme kommen viele Kollegen aus anderen Archiven, Museen und Bibliotheken, die sich ebenfalls für diese Lösung interessieren. Jürgen Lotterer sieht dabei gerade für Archive besondere Vorteile gegenüber konventionellen Klimamaschinen: Eine normale Klimaanlage führt stoßweise klimatisierte Umluft in die Räume, damit die voreingestellten Sollwerte für Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit erreicht und gehalten werden können. Der Eisspeicher dagegen liefert eine sehr ausgeglichene Klimatisierung, weil er selbst über ein eher träges und damit konstantes Temperaturniveau verfügt. Es kommt also zu keinen unerwünschten kurzzeitigen Schwankungen, die sich zum Beispiel auf alte Papiere nachteilig auswirken könnten.
Heiko Lüdemann, isocal-Geschäftsführer, ist zuversichtlich: Die Möglichkeiten, die unser Eisspeichersystem bietet, sind damit noch lange nicht ausgeschöpft. Zum Beispiel eignet sich der Eisspeicher, wenn es darum geht, aufgeheizte Module von Photovoltaikanlagen herunterzukühlen und damit die Leistungsfähigkeit und Stromerträge zu erhöhen. Künftig werden SolarEis-Speicher auch in Hallenbädern eingesetzt, da damit eine effiziente und wirtschaftliche Entfeuchtung erzielt werden kann. -
Uwe Herzog
Fachjournalist, Foto- und Mediendesigner, Köln