KK: Vor knapp vier Jahren führten wir ein Interview über typische Probleme mit Wärmepumpengeräten und Wärmepumpenanlagen. Sie nannten damals eine Reklamationsrate in der Schweiz von 0,3 bis 0,5 Prozent bei einem damaligen Jahresabsatz von 20000 Anlagen. Das sind unter 100 Anlagen pro Jahr. Was hat sich seither bei der Qualität von Wärmepumpenanlagen in der Schweiz verändert?
Peter Hubacher: Relativ wenig. Die Problemfälle sind mengenmäßig noch etwa gleich. Das ist für mich ein gutes Zeichen. Die Branche arbeitet vorwiegend gut, doch dies schreibe ich auch den intensiven Bestrebungen zur Verbesserung der Qualitätssicherung bei Wärmepumpen zu, die vom Bundesamt für Energie, BFE, und vor allem von der Fachvereinigung für Wärmepumpen Schweiz, FWS, und weiteren Organisationen unternommen werden.
KK: Auf Tagungen und Kongressen wird die Schweiz zusammen mit Ländern aus Skandinavien als reifes Wärmepumpenland bezeichnet. Deutschland scheint in puncto Wärmepumpe noch ein Schwellenland zu sein. Wie beurteilen Sie das aktuelle Qualitätsniveau bei Geräten und Installationen in Deutschland?
Peter Hubacher: Ich hatte in den letzten Jahren etwas weniger Kontakte zu den deutschen Fachkollegen, doch aus meiner Sicht ist die Branche auch in Deutschland sehr gut aufgestellt. Inzwischen bekomme ich nur noch selten Anrufe aus Deutschland an die Adresse des Wärmepumpendoktors. Der Bundesverband Wärmepumpen, BWP, kooperiert recht eng mit dem FWS, sodass unsere Erfahrungen und Erkenntnisse sicher auch in Deutschland bekannt sind und in die Qualitätssicherung einfließen. Die Geräte sind ja ohnehin fast dieselben wie in der Schweiz. Leider werden Wärmepumpen zunehmend im Internet angeboten, ohne die notwendige Beratung. Endkunden vergleichen dann nur noch die günstigsten Angebote miteinander. Die spezifischen Auslegungs- und Rahmenbedingungen werden ignoriert. Hier sind die Probleme bereits vorprogrammiert.
KK: Wo liegen heute die Herausforderungen bei Wärmepumpengeräten, wo bei Wärmepumpenanlagen?
Peter Hubacher: Bei den Wärmepumpengeräten muss bei der Dimensionierung und Geräteauswahl noch genauer vorgegangen werden. Dies beginnt bereits bei der Bestimmung des Wärmeleistungsbedarfs. Besonders im Sanierungsbereich wird nach unseren Erfahrungen zu wenig genau recherchiert und gerechnet. Für die Berechnung des aktuellen Primärenergieverbrauchs auf der Basis von Heizöl, Erdgas, Holz oder Elektroenergie bei Elektrospeicherheizungen sollten entweder mehrere Jahresverbräuche ausgewertet oder ein genau bestimmter Jahresenergieverbrauch über die Heizgradtage normgerecht korrigiert werden.
Um einen möglichst genauen Nutzwärmebedarf für die Auslegung der Wärmepumpe ermitteln zu können, spielt aber auch das Alter und die Funktion des bestehenden Heizkessels sowie der Gebäudezustand und der Warmwasserkonsum eine Rolle. Aus einer ungenau bestimmten Heizleistung entsteht eine ganze Kette an Folgeabhängigkeiten, die sich negativ auf die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpenanlage auswirken. Eine zu große Heizleistung führt beispielsweise bei einer Sole/Wasser-Wärmepumpenanlage zu einem überdimensionierten Wärmepumpengerät mit einer ebenfalls überdimensionierten Erdwärmesondenanlage. Das Resultat sind höhere Investitionen und eine höhere Taktrate der Wärmepumpe und damit eine schlechtere Effizienz.
Ein typisches Problem bei Wärmepumpenanlagen ist die oft zu komplexe Hydraulik. Meine Empfehlung ist seit Jahren gleich: Je einfacher die Anlage, desto besser die Effizienz und die Betriebssicherheit. Oft werden Kombispeicher eingebaut, ohne dass ein Bedarf besteht. Kombispeicher lohnen sich nur, wenn eine Solarunterstützung gewünscht ist. Da viele Kombispeicher nicht sauber schichten und oftmals auch die Speicheranschlüsse nicht optimal platziert sind, ergibt sich im Kombispeicher eine Durchmischung der Warmwasserzone mit der Heizungszone. Viele dieser Anlagen arbeiten deshalb deutlich weniger effizient.
KK: Die Trinkwassererwärmung schmälert die Effizienz der Heizwärmepumpe. Ist es sinnvoll, das Warmwasser über ein separates Wärmepumpengerät aufzuheizen? In Japan scheinen die mit dem Kältemittel CO2 arbeitenden EcoCute-Geräte sehr erfolgreich zu sein. Lassen sich die Erfahrungen in Japan auf Mitteleuropa übertragen?
Peter Hubacher: Es ist nicht ganz richtig, dass durch die Warmwasserbereitung die Effizienz einer Wärmpumpenanlage stark beeinträchtigt wird, da der deutlich schlechtere COP nur am Ende des Ladebetriebs entsteht. Inzwischen kommen die separaten Warmwasser-Wärmepumpen auch in Europa vermehrt auf den Markt. Gerade im Sommerhalbjahr ist deren Effizienz dank der höheren Außentemperaturen gut. Das Kältemittel CO2 eignet sich für die Warmwasserbereitung sehr gut, da sich bei diesem Kältemittel ein größerer Temperaturhub positiv auf die Effizienz auswirkt.
KK: Durch die Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, ISE, Freiburg, sowie der lokalen Agenda 21, Gruppe Energie der Stadt Lahr, wird der Einsatz von Luft/Wasser-Wärmepumpen in unserer Klimazone kritischer gesehen. Woran liegt es, dass Luft/Wasser-Wärmepumpen energetisch so schlecht abschneiden, aber ihr Marktanteil dennoch zunimmt?
Peter Hubacher: Die Wärmepumpeneffizienzhängt sehr stark vom Temperaturhub zwischen Wärmequelle und Wärmesenke beziehungsweise der Kondensator-Austrittstemperatur ab. Die durchschnittliche Wärmequellentemperatur ist bei der Luft/Wasser-Wärmepumpe über die Heizsaison gerechnet aufgrund des saisonalen Außentemperaturverlaufs tiefer als bei einer Sole/Wasser-Wärmepumpe, deren Wärmequellentemperatur bei etwa 3 bis 5 °C liegt. Zudem verschlechtert das regelmäßige Abtauen des Verdampfers die Effizienz einer Luft/Wasser-Wärmepumpe. Insgesamt ist der Betrieb einer Luft/Wasser-Wärmepumpe komplexer und regeltechnisch aufwendiger.
Es ist richtig, dass im heutigen Markt die Luft/Wasser-Wärmepumpen von der Effizienz her gesehen deutlich schlechter dastehen. Aber der Markt verhält sich trotzdem anders. Luft/Wasser-Wärmepumpenanlagen sind um einiges günstiger in der Anschaffung. Auch kann man nicht überall eine Erdwärmesonde für eine Sole/Wasser-Wärmepumpe abteufen. Im Jahr 2012 wurden in der Schweiz rund 20 000 Wärmepumpen verkauft, davon über 60 Prozent Luft/Wasser-Wärmepumpen. Das ist ein beachtlicher Anteil.
KK: Ist der Trend zur Luft/Wasser-Wärmepumpe der richtige Weg? Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Peter Hubacher: Man muss diese Frage sowohl aus energiepolitischer als auch aus umweltpolitischer Sicht betrachten. Primärenergetisch gesehen ist die geringere Effizienz einer Luft/Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 3,0 bis 3,5 gar nicht mal so schlecht. Es ist immer noch besser eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 3,0 zu wählen als eine Öl- oder Gasheizung einzubauen. Die CO2-Emissionen sind bei einer Luft/Wasser-Wärmepumpe deutlich niedriger. Wichtig ist auch, dass die Abhängigkeit eines Landes von Energieimporten damit verringert wird. Gesamtwirtschaftlich betrachtet schneidet die Luft/Wasser-Wärmepumpe aufgrund der geringeren Investitionskosten praktisch genauso günstig ab wie eine Sole/Wasser-Wärmepumpe. Leider verläuft die Entwicklung bei den Wärmepumpengeräten in den letzten Jahren eher etwas schleppend.
Speziell bei den am Markt angebotenen Luft/Wasser-Wärmepumpen gibt es aktuell nur wenige Innovationen. Allerdings sehe ich neue Ansätze für die Effizienzsteigerung bei Luft/Wasser-Wärmepumpen mit Inverter-Maschinen. Ziel ist eine Jahresarbeitszahl von mindestens 4,0. Bisher lag diese im Durchschnitt bei 2,6. Diese Effizienzverbesserung ist dringend notwendig, da in den Ländern, in denen Elektrizität mehrheitlich mit thermischen Kraftwerken erzeugt wird, zumindest eine Jahresarbeitszahl von 3,0 notwendig ist, um die CO2-Bilanz nicht negativ zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere für Deutschland.
KK: Welche Effizienzzuwächse sind bei Luft/Wasser-Wärmepumpen kurzfristig möglich?
Peter Hubacher: In den nächsten fünf Jahren könnte die Jahresarbeitszahl nach meinen Erkenntnissen auf 3,5 bis 4,0 gesteigert werden. Allerdings muss auch der Lärmschutz verbessert werden, denn wir benötigen leisere Wärmepumpengeräte. Damit hätten wir die wesentlichen Nachteile der Luft/Wasser-Wärmepumpe ausgeräumt. Nochmals: Die Luft/Wasser-Wärmepumpe hat nach wie vor ihre Marktberechtigung. Sie muss aber gezielter verbessert werden.
KK: Sondenbohrungen sind teuer und je nach geologischem Untergrund siehe Baden-Württemberg nicht unproblematisch.Müssen wir künftig alternative Wärmequellen erschließen, beispielsweise kalte Fernwärme?
Peter Hubacher: Der erweiterte Einsatz von Wärmepumpen, speziell auch im Zusammenhang mit der Wärmequellenseite, ist unbestritten. Gerade eine kalte Wärmeverteilung hat große Vorteile. Hier stehen wir noch am Anfang einer Entwicklung. Ein kaltes Wärmeverteilnetz kann in einer gemischten Bebauung enorme Vorteile bringen. Wichtig ist, dass nicht nur Wärme aus dem Netz bezogen wird, sondern Kälte- und Klimaanlagen auch Wärme an das Netz abgeben. Durch die gleichzeitige Einspeisung von Wärme und Kälte entsteht bei richtiger Bewirtschaftung des Netzes für alle Teilnehmer eine Win-win-Situation, das heißt, die Effizienz der Wärmepumpenanlagen und die der Kälteanlagen ist höher als bei singulären Anlagen.
Auch bei Grundwasserzonen ist ein kaltes Verteilnetz sinnvoll und meist wirtschaftlicher als einzelne Grundwasserbrunnen. Hier kann mit einer zentralen Grundwasser-Brunnenanlage ein ganzes Quartier oder eine Einfamilienhaussiedlung mit kalter Nahwärme versorgt werden. Jedes Haus hat seine eigene Wärmepumpe und bezieht die Umweltwärme aus dem kalten Verteilnetz.
KK: Vermehrt werden auch die hybriden Heizsysteme, also Luft/Wasser-Wärmepumpe in Kombination mit einem klassischen Heizgerät, angeboten. In welchen Fällen ist so eine Lösung sinnvoll?
Peter Hubacher: Ich kann mir solche Kombisysteme gut vorstellen. Bivalente Systeme gibt es ja schon länger. Die Frage ist, bei welcher Außentemperatur der konventionelle Wärmeerzeuger anstelle der Luft/Wasser-Wärmepumpe die Wärmeerzeugung übernimmt. Aus meiner Sicht muss die Luft/Wasser-Wärmepumpe unterhalb des Bivalenzpunkts des konventionellen Wärmeerzeugers weiterhin mitlaufen. Nur so kann der Anteil der umweltfreundlichen Wärmeerzeugung mit Wärmepumpe hoch gehalten werden. Die Wirtschaftlichkeit einer solchen Kombinationslösung sehe ich jedoch nicht bei Kleinanlagen, sondern bei größeren Objekten mit mehr als 100 kW Heizleistung. Bei den Einfamilienhäusern empfehle ich, vor der Sanierung der Heizungsanlage die energetische Sanierung von Fenstern, Dach und Außenwänden vorzuziehen. Dadurch wird die Heizleistung geringer. Bei Kleinanlagen halte ich eine hybride Lösung sofern vom Bauherrn gewünscht mit einer Solarthermie- oder Photovoltaik-Anlage für sinnvoll.
KK: Wie stark wird der Ausstieg aus den F-Gasen, also die Kältemittelfrage, den Markt für Wärmepumpen beeinflussen? Gibt es inzwischen genügend Alternativen bei den natürlichen Kältemitteln?
Peter Hubacher: Heute haben wir leider noch wenig Spielraum, wenn es um die Wahl des richtigen Kältemittels geht. Für die umweltneutralen Kältemittel stehen immer noch zu wenig Komponenten zur Verfügung. Gerade mit Propan, das eigentlich ein ideales Kältemittel für die Heizwärmepumpen wäre, gibt es immer noch Probleme, da die Kompressorenhersteller ihre Verdichter nur beschränkt dafür freigeben. Die Kompressorenhersteller müssen sich den noch offenen Fragen und Problemen stellen und ihre Komponenten weiterentwickeln.
Ammoniak, ebenfalls ein umweltneutrales Kältemittel, ist für Kleinanlagen nicht geeignet. Leider hat das Kältemittel CO2 für den heiztechnischen Prozess eine schlechte Effizienz. Es ist jedoch für die Warmwasserbereitung gut geeignet. Über einsatzfähigeneue synthetische Kältemittel ist praktisch nichts bekannt, warum auch immer. Trotzdem sind wir guter Hoffnung, dass die Ablösung der fluorhaltigen Kältemittel der Umwelt zuliebe weiter voranschreitet.
KK: In Deutschland wird das Smart-Grid-ready-Label vom Bundesverband Wärmepumpen stark beworben. Allerdings fehlt es bisher an Geschäftsmodellen, um überschüssigen, preisgünstigen Strom aus erneuerbaren Energien zum Betrieb von Wärmepumpen zu nutzen. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass von den Energieversorgern zeitvariable Stromtarife für Wärmepumpen angeboten werden?
Peter Hubacher: Die Zukunft geht auf jeden Fall in diese Richtung. Wir müssen einerseits den Energieversorgern die Möglichkeit einräumen, Wärmepumpenanlagen so zu managen, dass die teuren und unnützen Stromspitzen kleiner werden und günstigeStromangebote sinnvoler genutzt werden können. Gerade die Wärmepumpe ist ein geeignetes Elektrogerät, das man nach den Lastbedürfnissen der Energieversorger und Netzbetreiber zu- und abschalten kann. Es gibt allerdings zwei Bedingungen: Erstens die tägliche Freigabe einer akzeptablen Stundenzahl und zweitens die zusammenhängende Sperrung nicht länger als maximal zwei Stunden pro Sperrung. In keinem Fall darf durch die Sperrzeiten der Komfort des Nutzers eingeschränkt werden. Aus dieser Sicht ist das Smart-Grid-ready-Label eine gute und wichtige Voraussetzung zur Stabilisierung des Netzes. Bezüglich der zeitvariablen Stromtarife sind wir noch am Anfang einer Entwicklung. Ich bin der Meinung, sobald die Stromverteilnetze entsprechend ausgebaut sind und die Kommunikation zwischen Energieversorgung und Gebäudetechnik funktioniert, werden Smart-Grid-ready-Wärmepumpen dem Markt einen zusätzlichen Impuls geben.
KK: Sie haben durch Ihre Tätigkeit einen guten Einblick in die kommenden Entwicklungen. Auf der Schweizerischen Fachtagung Wärmepumpen in Burgdorf war viel von Niederhub-Wärmepumpenanlagen und einer leistungsbezogenen Regelung nach der Außentemperatur mit Raumaufschaltung die Rede. Wann kommen diese Geräte auf den Markt und mit welchen Effizienzverbesserungen ist zu rechnen?
Peter Hubacher: Es wird schon längere Zeitüber solche neue Systeme gesprochen. Scheinbar gibt es nun an der Fachhochschule Luzern den Prototyp einer Niederhub-Anlage mit Turboverdichter, mit dem bereits Versuche gefahren werden. Um jedoch diese Geräte in der Praxis einzusetzen, braucht es schon noch einige Anstrengungen, wie beispielsweise die Lagerung von kleinen Turbinen, die ja mit sehr hohen Drehzahlen laufen.
Die Regelung eines Einfamilienhauses nach Außentemperatur mit zusätzlicher Raumtemperaturkompensation wird schon heute praktiziert. Soviel mir bekannt ist, sind die meisten Regelfabrikate dafür konzipiert. Es ist mehr eine Frage der Planung, dass diese energetisch sinnvolle Ergänzung mit einer kostengünstigen Raumtemperatur-Erfassung realisiert wird.
KK: Vielen Dank für das Gespräch! -
Vita Peter Hubacher
Peter Hubacher hat eine Grundausbildung im Elektrotechnikbereich und ist Dipl.-Ing. HTL/HLK (HTA-Luzern). Er ist Inhaber eines Ingenieurbüros für Energietechnik (Hubacher Engineering). Seine langjährige Tätigkeit und Erfahrung in der Konzeption und Planung von Heizungs- und Klimaanlagen, auch mit erneuerbarer Energie, speziell Wärmepumpen, die Forschungstätigkeit im Bereich Wärmepumpenanlagen für das Bundesamt für Energie (BFE) sowie als Experte für Analysen, etc. kann er bei seinem Engagement bei der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz FWS bestens nutzen. Dort ist er als Ressortleiter Qualitätssicherung und speziell als Anlaufstelle für Problemfälle von Wärmepumpen (Wärmepumpendoktor) tätig.