KK: Wie hat sich Chemours seit der Trennung von DuPont entwickelt?
Joachim Gerstel: Die Mitarbeiter des Unternehmens Chemours, gegründet durch die Ausgliederung des Geschäftsbereichs DuPont Performance Chemicals, feierten am 1. Juli 2016 ihr einjähriges Firmenjubiläum. Chemours ist ein globales Chemieunternehmen mit führenden Marktpositionen in Titan-Technologien, Fluorprodukten und chemischen Lösungen. Zu unseren Flaggschiff-Produkten gehören bekannte Marken wie Opteon™, Freon™, Teflon™, Ti-Pure™, Krytox™, Viton™ und Nafion™. Chemours beschäftigt ca. 8 400 Mitarbeiter in 36 Produktionsstätten und bedient mehr als 5 000 Kunden in Nordamerika, Lateinamerika, Asien-Pazifik und Europa. Chemours hat seinen Hauptsitz in Wilmington, Delaware/USA.
Im Fluorchemikalien-Geschäft konzentrieren wir uns auf die Einführung und das Wachstum unserer Opteon™-Familie von HFO-Lösungen. Gleichzeitig gehören auch unsere Basis-Kältemittel (HFKWs), die unter dem Markennamen Freon™ konsolidiert werden, zum Angebot. Chemours wird in eine neue HFO 1234yf-Anlage am Standort Chemours Corpus Christi in Ingleside, Texas 230 Mio. US-Dollar investieren. Die voraussichtliche Inbetriebnahme ist im dritten Quartal 2018 geplant. Diese Investition wird die Kapazität der Opteon™-Produkte verdreifachen. Eine weitere Investition in eine Großanlage zur Produktion von HFO-1336mzz ab 2017 wurde bereits zuvor veröffentlicht. Das ist ein Unterschied zwischen den beiden Firmen. Bei DuPont wären Investitionen in dieser Höhe im Fluorchemikalien-Geschäftsbereich nur schwerlich vorstellbar gewesen.
KK: Wie klappt die Umsetzung der F-Gase-VO EU 517/2014 in der Europäischen Union?
Joachim Gerstel: Bei der Beantwortung dieser Frage konzentrieren wir uns auf den Kältemittelbedarf und deren Preisentwicklung in der EU. Der Trend zu neuen Niedrig-GWP-Kältemitteln wird in den einzelnen EU-Staaten sehr unterschiedlich umgesetzt. Dieses Phänomen kennen wir bereits aus vorhergehenden Verordnungen, so z. B. beim R 22-Ausstieg. Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und auch Skandinavien haben bereits drei Jahre vor dem Ausstieg in 2010 begonnen, R 22-Anlagen auf Alternativen umzustellen. Im Osten und im Süden Europas wurde quasi bis zur letzten Minute gewartet. Das hatte zur Konsequenz, dass die Preise für R 22-Recycleware explodierten“ und die Nachfrage von Alternativen, wie z. B. der ISCEON™-Familie, sich fast verzehnfachten. Das stellte eine enorme logistische Herausforderung dar.
Im Fall der F-Gase-VO EU 517/2014, die im Wesentlichen auf die stufenweise Reduzierung des CO2-Äquivalents und das Einsatzverbot von Hoch-GWP-Kältemitteln, z. B. R 404 A / 507 A in Neuanlagen und Service setzt, befinden wir uns in diesem Jahr kurz vor dem Kipppunkt. Die Kältemittelpreise für R 404 A / 507 A steigen kontinuierlich, werden aber aus Wettbewerbsgründen nur sehr zögerlich an die nächste Ebene in der Handelskette weitergegeben. Ebenfalls können die weit verbreiteten Serviceverträge mit teilweise konstanten Kältemittelpreisen einem Preisanstieg im Wege stehen. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, dass die Preisspannen in der Handelskette in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich ausfallen und damit auch den Antrieb zur Veränderung unterschiedlich stimulieren. Spanien, einer der größten Märkte für R 404 A / 507 A, hat eine GWP-Steuer“ auf Kältemittel eingeführt. Ein Kilogramm R 404 A, eingesetzt im Servicebereich, kostet mehr als 60 Euro für den Kälteanlagenbauer in 2016. Welche Konsequenzen hat das für den spanischen Markt?
Die offiziellen R 404 A Verbrauchsmengen haben sich um > 50 Prozent zu 2014 reduziert
Der inoffizielle Handel mit R 404 A (Einfuhr aus Nachbarländern steigt stark an)
Der Einsatz von Niedrig-GWP-Alternativen, z. B. Opteon™ XP40 hat sich vervielfacht
Basierend auf der EPEE-Studie von Ray Gluckmann*, soll die CO2e-Reduzierung in 2018 (– 44 Prozent) von drei Hauptanteilen getragen werden. Das sind a) Neuanlagen mit Niedrig-GWP-Lösungen, b) Umstellungen von R 404 A-Anlagen auf Niedrig-GWP-Lösungen (wie Opteon™ XP40) und c) den steigenden Einsatz von wiederaufgearbeitetem R 404 A. Im Bereich Neuanlagen wird mehr oder weniger auf Alternativen wie CO2, Kohlenwasserstoffe und auch fluorierte Stoffe mit Niedrig-GWP gesetzt. Aus diesem Bereich sollten laut EPEE-Studie (siehe Diagramm) 36 Mio. t CO2e herkommen (inkl. 12 Mio. t CO2e durch die MAC-Direktive). Der Bereich Umstellungen auf Niedrig-GWP-Alternativen mit einem Anteil von 30 Mio. t CO2e Reduzierungspotenzial ist, bis auf wenige positive Ausnahmen, so gut wie noch gar nicht begonnen worden. Angenommen diese 30 Mio. t CO2e kommen ausschließlich aus den Umstellungen von R 404 A verwendenden Supermärkten, dann müssten bei einer durchschnittlich verwendeten Füllmenge von 300 kg pro Markt, etwa 12 000 Märkte in Europa in den nächsten 15 verbleibenden Monaten umgestellt werden. Nach unseren Schätzungen wurden erst 2 500 bis 3 000 Märkte auf entsprechende Alternativen umgestellt. Der 3. Bereich mit 24 Mio. t CO2e kann nur erfüllt werden, wenn die beiden ersten Bereiche entsprechende R 404 A-Mengen liefern. Die 24 Mio. t CO2e entsprechen 6 000 t R 404 A, d. h. 30 Prozent vom jährlichen Bedarf in der EU. Dafür müssten neben weiteren Kosten z. B. 0,6 Mio. kleine Kältemittelflaschen mit einem Investitionsumfang von 15 Mio. Euro zur Verfügung stehen.
Im nächsten Jahr werden die importierten, mit HFKW vorbefüllten Anlagen zum ersten Mal unter die Quoten für das Inverkehrbringen fallen“
KK: Welche Auswirkungen hat der stark erhöhte Einkauf von HFKW-Kältemitteln Ende 2014, vor Inkrafttreten der Verordnung?
Joachim Gerstel: Der EEA Technical Report No 22/2015 der European Environmental Agency erfasst die Produktion, den Im- und Export von fluorierten Treibgasen in der Europäischen Union. Demzufolge hat es einen starken Anstieg der importierten HFKW-Mengen von durchschnittlich 170 Mio. t CO2e in den Jahren zuvor auf 270 Mio. t CO2e in 2014 gegeben. Der Markt scheint sich mit preiswerter Ware aus Asien bevorratet zu haben. Ein genauerer Blick in den Report zeigt jedoch auch, dass die in Europa produzierten HFKW-Mengen nach unten gehen, die exportierten Mengen nach oben und auch die vorbefüllten Anlagen zum ersten Mal in dem Report erfasst werden. Diese Mengen relativieren somit die Importzahlen und somit die dem Markt zur Verfügung stehenden CO2e-Mengen. Nichtsdestotrotz hat sich die Menge der zur Verfügung stehenden HFKWs in 2015, zu Beginn der F-Gase-VO, deutlich erhöht. Das hat in den meisten EU-Ländern eine negative Auswirkung auf die Umsetzung der Verordnung. Der Mechanismus, eine Verknappung von Kältemitteln mit hohem GWP zu erwirken, ging kurzfristig nicht auf. Wir gehen von einer Verschiebung von ein bis zwei Jahren aus. Anderseits hält diese Situation illegale Importe weitestgehend aus der EU heraus.
Im nächsten Jahr werden die importierten, mit HFKW vorbefüllten Anlagen (Einrichtungen) zum ersten Mal unter die Quoten für das Inverkehrbringen fallen, d. h. dass etwa zwölf Prozent der zugelassenen CO2-Äquivalente für den herkömmlichen Markt nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Des Weiteren ist der Bedarf an Hoch-GWP Kältemitteln, wie R 404 A/507 A, immer noch sehr stark. Aus diesen Gründen empfehlen wir Betreibern mit großem R 404 A/ 507 A-Anlagenbestand, Vorkehrungen zu treffen. Hier geht es nicht nur um die Budgetierung von Neuanlagen oder Umbauten, sondern auch um die Reduzierung der CO2-Bilanz durch aktives Umstellen auf Niedrig-GWP-Kältemittel (s. auch Antwort zu 2. Frage – Umsetzung der F-Gase-VO).
KK: Was halten Sie von Artikel 11 (1) und dem Artikel 2 Definition 38 der EU 517/2014 (Supermarkt-Kaskaden-Anlagen)?
Joachim Gerstel: Im Artikel 11 Absatz 1 heißt es Mehrteilige zentralisierte Kälte-anlagen für die gewerbliche Verwendung mit einer Nennleistung von 40 kW oder mehr, die fluorierte Treibhausgase mit einem GWP von 150 oder mehr enthalten oder zu ihrem Funktionieren benötigen, außer im primären Kältemittelkreislauf in Kaskadensystemen, in dem fluorierte Treibhausgase mit einem GWP von weni-ger als 1 500 verwendet werden dürfen.“ Auf den ersten Blick geht der Fachmann von Kaskaden nach der Definition in EN 378-1 § 3.1.11 aus. Leider weit gefehlt, da die Definition 38 im Artikel 2 der EU 517/2014 von Indirekter Kühlung im mittleren Temperaturbereich“ ausgeht. Es ist sehr unglücklich, dass Gesetz und Norm den Begriff Kaskaden Anlagen unterschiedlich definieren.
Heutzutage werden direkte Hybridkaskadensysteme im Vergleich zu anderen Technologien wie indirekten oder transkritischen CO2-Anlagen häufig wegen ihres deutlich reduzierten Beitrags zur Erderwärmung, besseren Wirtschaftlichkeit, höheren Energieeffizienz und einfachen Installation und Wartung gewählt. Das derzeitige Verbot erlaubt keine solchen direkten Hybridsysteme mehr ab 2022, und deshalb wird dem Betreiber eine begrenzte Auswahl zwischen indirekten oder transkritischen CO2-Systemen aufgezwungen. Diese Systeme sind nicht notwendigerweise kostengünstiger, energieeffizienter und wartungsfreundlicher für alle Regionen und Anwendungsgebiete. Ein indirektes System, bedingt insbesondere durch den zusätzlichen Wärmeübertrager und die Pumpen im Sekundärkreislauf, benötigt im Vergleich zu einem DX-System bis zu 15 Prozent mehr Strom. Das haben kürzlich durchgeführte Untersuchungen von der Jaume Universität in Spanien bestätigt. Wir empfehlen daher einen technologieneutralen Ansatz, der den Einsatz von HFKWs mit einem GWP von < 1 500 sowohl in der indirekten“ als auch in der direkten“ Kaskadenanlage ermöglicht. Somit könnten direkte Hybridkaskadensysteme auch dort eingesetzt werden, wo sie die beste Kombination aus Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz und Benutzerfreundlichkeit darstellen.
KK: Welche neuen Niedrig-GWP-Kältemittel werden in Deutschland und Europa bereits eingesetzt und in welchen Anwendungen?
Nicolas Dietl: Für den Automobilbereich hat sich nach einiger Diskussion nun ganz klar HFO 1234yf (Chemours Markenname: Opteon™ YF) als das Kältemittel der Wahl durchgesetzt. Alle Hersteller haben klar signalisiert, dass sie dieses Kältemittel ab dem 1. Januar 2017 in nahezu allen ihrer Fahrzeuge ausliefern werden. Es erfüllt einerseits die regulatorischen Anforderungen und gewährleistet gleichzeitig einen effizienten und sicheren Betrieb. In der stationären Kälte ist allen voran sicherlich Opteon™ XP40 (R 449 A) zu nennen. Dieses Kältemittel ersetzt R 404 A in neuen und bestehenden Anlagen und ist bereits in weit über 2 500 Installationen europaweit zum Einsatz gekommen. Es wird zur Umrüstung, im Umbau bestehender Anlagen sowie im Neubau als kostengünstige Gesamtlösung zu R 404 A/507 A/R 407 F eingesetzt. Auch in Deutschland laufen bereits zahlreiche Anlagen in der Gewerbe- und industriellen Kälte erfolgreich mit diesem Niedrig-GWP-Kältemittel und viele weitere sind in Planung. R 449 A ist seitens seiner thermodynamischen Eigenschaften prädestiniert, eine große Anzahl von existierenden Kältemitteln zu ersetzen. Dazu gehören nicht nur R 404 A und R 507 A, sondern auch R 407 A/F, R 407 C, R 22, R 422 A/D. Neben Opteon™ XP40 wird auch Opteon™ XP44 (R 452 A) erfolgreich als R 404 A-Ersatz in Spezialanwendungen eingesetzt, die auf eine möglichst geringe Heißgastemperatur angewiesen sind, wie etwa die Transportkälte oder kleine hermetisch geschlossene Systeme in der Tiefkühlung. Als weitere, kommerziell verfügbare Alternative bietet auch Opteon™ XP10 (R 513 A) dem Betreiber bereits heute die Möglichkeit, seine R 134 a-Anlagen ohne größere Umstände auf ein Kältemittel mit niedrigerem GWP umzustellen.
Der Anlagenbauer sollte sich nicht durch neue Kältemittel-Anmeldungen irritieren lassen, sondern mit den bewährten Lösungen arbeiten“
KK: Es werden immer mehr neue Kältemittel vorgestellt und sogar für eine Kältemittel-Nomenklatur beim ASHRAE-Standard SP34 eingereicht. Wie kann der Kälteanlagenbauer mit dieser Vielzahl umgehen?
Joachim Gerstel: Da kann man am besten aus der Geschichte lernen. Anfang der 1990er-Jahre, als die HFKW-Kältemittel neu auf den Markt kamen, hatten wir eine ganz ähnliche Situation. Damals gab es auch von jedem Hersteller eine eigene Alternative für bestehende HFCKW- und FCKW-Kältemittel. So gab es allein für R 502 bis zu fünf Alternativen, die damals angeboten wurden. Letztendlich hat sich gezeigt, dass sich die beiden Kältemittel durchgesetzt haben, die als erste auf den Markt kamen, nämlich R 404 A (damals als Suva™ HP62 von DuPont) und R 507 A (Solkane 507 von Solvay). Die anderen Kältemittel verschwanden relativ schnell wieder in der Versenkung. Wenn man jetzt auf die Situation heute schaut, dann wird sich aller Voraussicht nach eine ähnliche Situation ergeben. Nehmen wir als Beispiel wieder R 404 A/R 507 A, die nach erfolgreichen 25 Jahren ebenfalls ersetzt werden müssen. Es gibt bereits zwei etablierte, nicht-brennbare Lösungen im Markt: R 407 F und das nachhaltigere Opteon™ XP40 (R 449 A). Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Kältebranche keine weiteren Alternativen mehr braucht.
Darüber hinaus hat die Geschichte auch gezeigt, dass der Großteil der Kältemittel-Anmeldungen nie vermarktet wurde. Der Anlagenbauer sollte sich nicht durch neue Anmeldungen in diesem Bereich irritieren lassen, sondern vielmehr mit den bewährten Lösungen arbeiten und möglichst zeitnah mit der Umstellung von Bestandsanlagen beginnen.
KK: Bedingt durch die Anforderungen der F-Gase VO EU 517/2014 werden immer mehr Kältemittel mit niedrigerem GWP benötigt. Der durchschnittliche GWP aller Kältemittel, die in 2030 vermarktet werden, sollte bei etwa 400 liegen. Wie werden sich die nichtfluorierten (natürlichen) im Vergleich zu fluorierten Kältemitteln in Zukunft nebeneinander entwickeln?
Nicolas Dietl: Beide Gruppen von Kältemitteln werden zur erfolgreichen Umsetzung der F-Gase-Verordnung benötigt. Es wird genug Bedarf für beide Technologien im Markt geben. In einigen Bereichen können die nicht-fluorierten Kältemittel durchaus Vorteile bieten, aber auch in den kommenden Jahren werden die fluorierten Kältemittel den Großteil im Markt ausmachen. Nur mit diesen Stoffen ist eine zeitgerechte Umsetzung der F-Gase-Verordnung möglich, beispielsweise durch die so wichtigen Umstellungen von Bestandsanlagen (siehe auch 2. Frage – Umsetzung der F-Gase-VO). So sehen aktuelle Prognosen von Experten, Herstellern und Verbänden im Jahre 2030 fluorierte Kältemittel bei etwa 70 Prozent des gesamten Marktvolumens. Außerdem gilt auch weiterhin, dass nicht-fluorierte Kältemittel durch ihre ungünstige Drucklage oder hohe Brennbarkeit bzw. Toxizität nur in begrenzten Anwendungen wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden können. HFO-basierende Kältemittel bieten im Gegensatz dazu weiterhin die Vorteile hoher Effizienz im Betrieb und optimierter Sicherheit, die unter anderem größere Füllmengen zulassen.
Schnelle, unkomplizierte und nachhaltige Lösung ohne nennenswerte Störungen im Betriebsablauf“
KK: Welche technischen Vorteile bieten die neuen Niedrig-GWP-Kältemittel dem Handwerker bzw. Betreiber der Anlage?
Nicolas Dietl: Im Vordergrund steht bei den A1-Kältemitteln ganz klar, dass diese neuen Opteon™-Kältemittel dem Betreiber in Anbetracht der F-Gase-Verordnung einen ressourceneffizienten und kostengünstigen Weiterbetrieb seiner bestehenden Anlagen ermöglicht. Darüber hinaus ist beispielsweise Opteon™ XP40 deutlich energieeffizienter und ermöglicht, je nach An-wendung, Einsparungen im Bereich von acht bis zwölf Prozent für die Normal- und zwei bis sieben Prozent für die Tiefkühlung im Vergleich zu R 404 A. Das bemerkt der Betreiber dann auch im eigenen Portemonnaie. Nicht zuletzt ist die Umstellung auf diese Kältemittel denkbar einfach: Es können die gleichen Komponenten wie Öle und Dichtungen verwendet werden und die Füllmengen sind nahezu identisch. Das ermöglicht dem Serviceunternehmen, seinen Kunden eine schnelle, unkomplizierte und nachhaltige Lösung anzubieten, ohne nenneswerte Störungen im Betriebsablauf zu verursachen. Darüber hinaus ist kein Technologie-Wechsel erforderlich. Der Anlagenbauer kann auf seine bewährte Technik bzw. sein Wissen setzen und diese weiterhin für seine Anlagen nutzen.
Die neuen A2L-Kältemittel betreffend liegt der Vorteil ganz klar im Bereich der erlaubten Füllmengen basierend auf Normen und Standards, z. B. EN 378-1. Als Beispiel erlaubt der Einsatz von Propan als A3-Kältemittel nur 150 g als maximale Füllmenge ohne zusätzliche Sicherheitsbetrachtung/Risikobewertung. Bei den neuen Opteon™-A2L-Kältemitteln dürfen unabhängig von der Anwendung und dem Aufstellungsort mindestens 1,7 kg (oder mehr) als Füllmenge eingesetzt werden. Darüber hinaus sind diese Kältemittel trotz oder gerade wegen ihrer schwereren Entflammbarkeit deutlich sicherer im Gebrauch als entsprechende A3-Kältemittel. Mit Opteon™ XL20 (R 454C) bieten wir auch eine Alternative zur R 22- bzw. R 404 A-Technologie mit einem GWP unter 150 an.
KK: Was können wir noch an neuen Kältemitteln bzw. Technologien von Chemours erwarten?
Nicolas Dietl: Chemours hat bereits die wesentlichen Kältemittel für die nächsten Dekaden entwickelt. Dazu gehören Alternativen der Sicherheitsklasse A1 und auch die neuen Lösungen der Klasse A2L (Tabelle). Wir werden auch weiterhin daran arbeiten, Speziallösungen, z. B. im Bereich der Hochtemperatur-Wärmepumpe oder ORC-Prozesse für unsere Kunden, zu entwickeln. In naher Zukunft werden wir unsere neuen A2L-Kältemittel der Opteon™-XL-Familie kommerzialisieren. Damit ermöglichen wir dem Endkunden, seinen ökologischen Fußabdruck weiter zu reduzieren, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu lassen oder die Sicherheitsstandards seiner Anlagen zu kompromittieren.
Längerfristig arbeitet Chemours auch daran, das mögliche Anwendungsspektrum der Branche zu vergrößern. Ein Beispiel dafür ist das neue HFO 1336mzz(Z), das ab dem nächsten Jahr in die Produktion geht. Dieses Molekül hat einen GWP von 2, ist nicht brennbar und stabil bis über 200 °C. Dadurch ist es extrem nützlich für Anwendungen im Bereich der Wärmerückgewinnung und in ORC-Systemen. Es liefert in Wärmepumpenanwendungen außerdem Temperaturen bis 160 °C, was völlig neue Möglichkeiten im Bereich der industriellen Hochtemperaturwärmepumpen ermöglicht. Nicht zuletzt ist dieses vielseitige Molekül auch als Treibmittel für Schäume und als Spezialreinigungsfluid einsetzbar. Dieses ist dabei nur eines der vielen Beispiele, die in den nächsten Jahren noch von Chemours zu erwarten sind.
KK: Das Jahr 2016 befindet sich im letzten Abschnitt. Wie wird die Kältemittelversorgung in den nächsten zwei Jahren aussehen?
Joachim Gerstel: Die Nachfrage von fluorieren Kältemitteln insbesondere nach R 404 A ist ungebrochen. Glaubt man der von EPEE in Auftrag gegebenen Studie Gapometer“ zur Analyse der Marktveränderungen in 2018, dem Jahr mit einer 44-prozentigen Quoten-Reduzierung zu 2015, dann bewegt sich Die Titanic“ (= Markt) auf einen Eisberg zu. Die Studie besagt, dass 50 Prozent aller Supermärkte in der EU bis 2018 auf Niedrig-GWP-Kältemittel, wie Opteon™ XP40 (R 449 A), umgestellt werden müssen, und dass 40 Prozent des Bestandes auf nichtfluorierte Lösungen (z. B. CO2) um- oder neugebaut worden sind. Die Mehrzahl der EU-Länder, bis auf Ausnahmen, wie Spanien und die Niederlande, ist noch sehr weit davon entfernt.
Im nächsten Jahr fallen vorbefüllte, in die EU importierte Anlagen unter die CO2-Quote, d. h. die Verfügbarkeit wird etwa um zwölf Prozent zu 2016 reduziert. Ich gehe von einer Kältemittel-Verknappung nach dem Sommer 2017 aus. Das darauf folgende Jahr, das bereits in 15 Monaten beginnt, wird zum Schlüsseljahr. Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Hersteller kein oder nur sehr wenig R 404 A/507 A anbieten kann. Die stark reduzierte, verfügbare Quote wird ab 2018 den Alternativen mit niedrigerem GWP, wie R 449 A oder R 407 A, vorbehalten sein.
KK: Meine Herren, vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Weitere Informationen auf der Chillventa 2016 (11. bis 13. Oktober) Stand 7-224
oder unter
Fußnoten
*Ray Gluckmann ist Gründer & CEO von Gluckmann Consulting und berät in dieser Rolle das europäische Komitee und verschiedene Verbände zu Fragen der F-Gase-VO.