Als eines der weltweit dominierenden Themen zeichneten sich klar die Kältemittel ab. In einer Art Zeitreise konnte man, je nach geographischer Lage, den Stand der jeweiligen Gesetzgebung ablesen und auch ohne Kristallkugel weise Voraussagen zu den weiteren Entwicklungen auf diesem Gebiet treffen. Die Zeitreise beginnt in China, denn hier ist aktuell der Ausstieg aus den ozonabbauenden Substanzen angesagt. Mit anderen Worten: man fühlte sich zurückversetzt in die 1990er-Jahre bzw. die Jahrtausendwende in Europa, als die Branche angesichts des Ausstiegs aus R 12 und dann aus R 22 über die wachsende Anzahl an Kältemitteln zu klagen begann, die nötig schienen, um diese beiden sogenannten Universalprodukte zu ersetzen.
Der feine Unterschied: Während wir in Europa ohne mit der Wimper zu zucken von R 22 auf R 404 A in der Kälte oder auf R 407 C und später R 410 A im Klimabereich umgestiegen sind, müssen Entwicklungsländer (zu denen auch China nach der Kategorisierung des Montrealer Protokolls zählt) heutzutage wesentlich weiter denken. Denn am weltweiten Kältemittel-Horizont zeichnet sich zunehmend ein Phase-Down der HFKWs ab – also auch ein Ende jener Kältemittel, die wir in Europa seit dem Ausstieg aus R 22 und Konsorten in großem Umfang einsetzen.
Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach?
Was heißt das für ein Land wie China? Sieht man dort nun dieselben Kältemittel wie in Europa vor 20 Jahren oder eher deren Nachfolger? Und falls Letzteres der Fall sein sollte, welche Nachfolger? Ein Gang über die China Refrigeration im April in Peking schafft schnell Klarheit. R 22, R 404 A und R 410 A dominieren klar, natürliche“ Kältemittel glänzen durch allgemeine Abwesenheit. So drängt sich die nüchterne Schlussfolgerung auf, dass die Chinesen nicht aus den Fehlern der Industrieländer lernen bzw. dass sich ohne direkten Druck durch entsprechende Gesetzgebung so schnell nichts ändern wird.
Doch – ein Unterschied zeichnete sich ganz klar ab im Vergleich zum Europa der Neunziger: Das Kältemittel R 32 hält bereits Einzug in China. Dies wiederum könnte bedeuten, dass die Etappe R 410 A zumindest mittelfristig übersprungen wird. Gut oder schlecht? Eine Frage von Perspektive und Philosophie, frei nach dem Motto Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach“. Verfechter der natürlichen“ Kältemittel, insbesondere der Kohlenwasserstoffe, halten wenig von R 32. Obwohl so der GWP-Wert im Vergleich zu R 410 A um weit über die Hälfte reduziert wird, handelt es sich dennoch um ein HFKW, also um eine Etappe“ aus Sicht der natürlichen“ Kältemittellobby, die unnütz ist und auf jeden Fall vermieden werden sollte. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass Kältemittel wie R 32 den Weg zu brennbaren Kältemitteln ebnen und bereits ganz erhebliche Reduzierungen des GWP-Werts im Vergleich zu Produkten wie R 410 A ermöglichen.
And the winner is …
Wie wird sich der Markt also angesichts dieser unterschiedlichen Philosophien entwickeln? Wir setzen unsere Zeitreise fort und schlendern über die HVACR Tokyo in Japan und die Mostra Convegno in Mailand – beides Länder bzw. Regionen, in denen es bereits eine Gesetzgebung zum Phase-Down der HFKWs gibt. Die Antwort könnte deutlicher nicht ausfallen und lässt sowohl in Japan als auch in Europa keine Fragen offen – zumindest nicht, was den Produktbereich der kleineren Split-Klimageräte anbelangt. The winner is: R 32!“ In Japan hat R 32 bereits den Stellenwert von R 410 A und kann klar als State of the Art“ bezeichnet werden. In Europa ist das Bild zwar gemischter und R 410 A spielt nach wie vor eine wichtige Rolle, dennoch gab es auch in Mailand so gut wie keinen Hersteller, der nicht mindestens ein Modell mit R 32 im Sortiment hatte. Kohlenwasserstoffe und Konsorten hingegen können in Japan in diesem Produktbereich mit der Lupe gesucht werden und stellen auch in Europa noch immer eine Minderheit dar.
Bestätigt sich dieser Trend auch in den USA und in Australien? Die AHRI Show in Orlando und ARBS in Melbourne belehren uns eines Besseren. Hier hat bislang noch R 410 A die absolute Vorherrschaft im Bereich der Split-Klimageräte. Doch das könnte sich bald ändern, zumindest in Australien. Denn dort wird derzeit an einer neuen Gesetzgebung inklusive Phase-Down der HFKWs gestrickt. Verschiedene japanische Hersteller haben bereits mit der Einführung von R 32-Modellen begonnen und beispielsweise Schulen bieten Trainingsprogramme mit R 32 an, sodass sich dieses Kältemittel durchaus auch auf der anderen Seite des Globus behaupten könnte.
Anders die Lage in den USA, was sich auf der AHRI Show in Orlando zeigte, auf der R 410 A nach wie vor die Nummer eins im Bereich der Split-Klimageräte war. Allerdings werden dort gerade strikte Verbote basierend auf GWP-Werten für HFKWs in speziellen Produktgruppen diskutiert. Ganz oben auf der Hitliste des amerikanischen Umweltamts EPA stehen dabei nicht die Split-Klimageräte, sondern vielmehr die Chiller, in denen ab 2024 der Einsatz von Kältemitteln wie R 134 a, R 410 A etc. verboten werden soll. Vielleicht nicht weiter verwunderlich in Anbetracht der Tatsache, dass die größten Produzenten der HFOs, die sich unter anderem als Ersatzstoffe für diese Anwendungen anbieten, ebenfalls aus den USA kommen … Wie dem auch sei: HFOs (z. B. R 1234 ze) gehörten auch in Mailand untrennbar zur Mostra Convegno, was zu der Annahme verleitet, dass sich dieses und ähnliche Kältemittel im Bereich der Chiller langfristig weltweit durchsetzen könnten.
Kälte – Quo vadis?
Im Kältebereich ist das Gesamtbild wesentlich gemischter und weniger durch weltweite Trends geprägt als im Klimabereich der Fall. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass hier mehr maßgeschneidert wird und weniger Massenproduktion anfällt. Außerdem bieten sich gleich mehrere Kandidaten an. So waren insbesondere in Mailand alle möglichen Lösungen zu sehen, von CO2 und Ammoniak über zahlreiche Varianten an Kältemittelgemischen bis hin zu Kohlenwasserstoffen. Für den Optimisten ist die Vielfalt an Lösungen ein positives Zeichen, ermöglicht sie doch, immer oder zumindest meistens das richtige Produkt zu finden. Der Pessimist hingegen argumentiert, dass die große Anzahl an verschiedenen Kältemitteln zu einer unhaltbaren Situation führt, die den Markt lähmt, weil keiner mehr weiß, wo die Reise nun eigentlich hingehen soll.
Das EPEE-Gapometer: Wege zum Phase-Down
Hier endet die Zeitreise und setzt das Gapometer“ von EPEE, dem europäischen Herstellerverband von Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik, an. EPEE will aufrütteln und Lähmungen“ zuvorkommen, die der Erfüllung des Phase-Down in Europa im Wege stehen könnten. So ist es Ziel des Gapometer“, in einem ersten Schritt Wege zur Erfüllung des Phase-Down aufzuzeigen und in einem zweiten Schritt anhand von Marktdaten auf mögliche Schwachstellen hinzuweisen. Das Gapometer beruht auf aufwendigen Simulationen, die der Verband in der Vergangenheit gemeinsam mit dem britischen Consultant Ray Gluckman (Gluckman Consulting) entwickelt hat.
Aus der ersten Phase, dem Gapometer-Fahrplan, geht deutlich hervor, dass der Schwerpunkt kurzfristig auf dem Ausstieg aus R 404 A liegen muss, um die Phase-Down Vorgaben in Europa zu erfüllen. Dazu gehört sowohl die frühzeitige Umstellung von rund der Hälfte aller bestehenden Kälteanlagen in Supermärkten auf Kältemittel mit niedrigerem GWP-Wert als auch der unbedingte Verzicht auf R 404 A in neuen Anlagen. Weitere wichtige Parameter sind die Reduzierung der Leckageraten auf einen europäischen Durchschnitt von unter 10 Prozent sowie die Verbesserung von Recycling und Rückgewinnungsraten von Kältemitteln. Für den Klimabereich mahnt das Gapometer an, möglichst bald auf R 410 A-Alternativen mit niedrigerem GWP-Wert umzustellen.
Die zweite Phase des Gapometers läuft demnächst an. Anhand von Umfragen im Markt soll erhoben werden, ob die Prioritäten aus dem Fahrplan in der Realität auch tatsächlich umgesetzt werden. Gerade der Kältebereich ist kritisch, denn es ist keineswegs sicher, ob kurzfristig eine Umstellungsrate von durchschnittlich rund 50 Prozent in Supermärkten in ganz Europa erzielt werden kann. Weitere Informationen zum Gapometer auf der EPEE-Website (www.epeeglobal.org) und dem EPEE-YouTube-Channel (EPEE Secretariat – The EPEE-Gapometer Roadmap auf Deutsch).
Ohne Druck geht gar nichts
Die Zeitreise durch Länder und Kältemittel zeigt, dass letztendlich Druck durch Gesetzgebung den entscheidenden Ausschlag gibt, um neue Wege in der Kälte- und Klimatechnik einzuschlagen. Japan und Europa sind hierfür die besten Beispiele, wobei Europa mit seiner F-Gase-Verordnung eine Lawine losgetreten hat, die sogar in China mit dem Wort F-Gas“ (stellvertretend für F-Gase-Verordnung) Einzug gehalten hat. Wie schnell nun tatsächlich die Umstellung auf Kältemittel mit niedrigerem GWP-Wert, egal welcher Art – weltweit stattfinden wird, hängt zum einen von einer Einigung auf einen weltweiten HFKW-Phase-Down im Rahmen des Montrealer Protokolls statt und zum anderen davon, wie schnell und umfassend europäische und weltweite Normen an den zunehmenden Einsatz brennbarer Kältemittel angepasst werden können. Was das Montrealer Protokoll anbelangt, so stehen die Chancen auf eine Einigung in 2016 nicht schlecht. Der politische Druck wächst, denn die USA wollen diese unbedingt noch vor Ende der Amtszeit Obamas erzielen. Diese Eile“ schafft wiederum ideale Ausgangsbedingungen für Entwicklungsländer, die finanzielle Unterstützung durch Industrienationen für den Ausstieg aus ozonabbauenden Substanzen (und die Einführung von Nachfolgeprodukten) verhandeln. Selbst wenn bis Ende des Jahres kein konkreter Fahrplan für einen weltweiten Phase-Down vorliegen sollte, so ist dennoch zu hoffen, dass eine Einigung zumindest auf das Prinzip eines solchen erzielt wird.
Mindestens ebenso wichtig und noch mit einigen Fragezeichen versehen ist die weltweite Situation zu Normen und Gebäudevorschriften in Bezug auf den Einsatz brennbarer Kältemittel. Tatsächlich steigt mit sinkendem GWP-Wert die Wahrscheinlichkeit der Brennbarkeit von Kältemitteln und Fakt ist, dass die derzeit geltenden Normen dafür noch nicht ausgelegt sind. Das muss sich schleunigst ändern, Normungskomitees arbeiten hieran bereits mit Hochdruck und beispielsweise in den USA wurde vor Kurzem ein rund 5 Mio. Dollar schweres Forschungsprogramm ins Leben gerufen, dessen Ergebnisse auch in diese Arbeit mit einfließen sollen. Für Hersteller ist die Klärung der Sicherheitsnormen besonders wichtig, denn letztlich tragen sie die Verantwortung dafür, dass der Einsatz brennbarer Kältemittel kein Risiko für die Sicherheit von Anlagenbauern und Nutzern darstellt.
Auch Energieeffizienz weltweit im Trend
Wer glaubt, dass Mindestenergieeffizienz-Anforderungen à la Ökodesign inklusive Energielabel eine europäische Spezialität sind, hat sich geschnitten. Rund um die Welt setzen Regierungen solche Anforderungen für verschiedene Produktgruppen fest. Die Schwierigkeit für Hersteller besteht hierbei unter anderem darin, dass sich diese Anforderungen von Region zu Region erheblich unterscheiden können. Daraus wiederum ergeben sich unterschiedliche Produktreihen, je nach Region. Die derzeitigen Veränderungen im Kältemittelbereich machen es für Hersteller nicht leichter, denn in manchen Fällen kann es eine echte Herausforderung sein, ambitionierte Energieeffizienzanforderungen, den Übergang zu Kältemitteln mit niedrigerem GWP-Wert und die Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern unter einen Hut zu bringen. Hinzu kommt eine ganze Latte an freiwilligen Zertifizierungsprogrammen. Diese verfolgen zwar alle ein hehres Ziel, nämlich das, sicherzustellen, dass die gesetzlichen Vorgaben zu Energieeffizienzanforderungen auch tatsächlich eingehalten werden, was angesichts des Mangels an Marktaufsicht zumindest in Europa durchaus nicht selbstverständlich ist. Allerdings konkurrieren zahlreiche dieser Programme miteinander. Dies stellt die Hersteller vor die Qual der Wahl, welches Programm nun das Beste ist. Die Antwort darauf hängt wiederum von der Region oder sogar dem Land ab und selbst innerhalb Europas gibt es hier Unterschiede. Im Zweifelsfall muss der Hersteller dann seine Produkte von mehreren Programmen zertifizieren lassen, was natürlich die Kosten in die Höhe treibt. Leider scheint es keine allgemeingültige Lösung für dieses Dilemma zu geben. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich das eine oder andere der Zertifizierungsprogramme in möglichst großem geografischem Umfang durch seine Qualität langfristig durchsetzt – oder aber, dass die staatliche Marktaufsicht besser funktioniert und mehr Ressourcen in die Überprüfung von Energieeffizienzvorgaben investiert als bislang der Fall!AV