Sie arbeiteten schon als Gleisbauer, Koch, Elektriker oder Schreiner, kommen aus Kuba und Portugal. Die ersten Anwärter für den neuen Kurs Fachhelfer Kälte- und Klimatechnik“ an der Bundesfachschule in Maintal haben alle bereits einen Berufsabschluss und bilden einen repräsentativen Querschnitt der beruflichen Quereinsteiger. Aber was hat jeden einzelnen von ihnen dazu bewogen, einen neuen Anfang zu wagen? Interessante und auch erstaunliche Antworten lieferte ein Besuch an der Bundesfachschule.
Die Hälfte liegt bereits hinter ihnen, als ich mich mit der kleinen Gruppe während der sechsten Blockwoche Mitte November 2016 in Maintal treffe. Gerade noch standen sie in der Werkstatt, bogen Kupferrohre, löteten, bauten eigenständig eine funktionstüchtige Kälteanlage auf. Es scheint, als hätten sie diese Arbeiten schon immer erledigt. Jetzt sitzen sie im Klassenzimmer und lernen. Diese Woche steht Elektro- und Steuerungstechnik“ auf dem Stundenplan. Keine einfache Kost, wie ich beim Zuhören feststelle. Und mir drängt sich automatisch die Frage auf: Wer stellt sich dieser Herausforderung, wenn man schon eine abgeschlossene Ausbildung hinter sich hat?“ Jeder hat einen Beruf erlernt und einige Jahre darin gearbeitet. Warum dann aber ein Neuanfang? Die Gründe sind vielschichtig und ein Spiegel unserer globalisierten Arbeitswelt.
Gelebte Integration
Da ist zum Beispiel Pedro Manuel Furtado Melo (46). Er ist Portugiese. In seiner Heimat arbeitete er 20 Jahre als Elektrotechniker, zuletzt als SPS-Programmierer. Betroffen von der Arbeitslosenwelle in Südeuropa kam er vor zwei Jahren nach Deutschland. Die Combitherm GmbH, Fellbach, verschaffte ihm eine Möglichkeit zum beruflichen Quereinstieg. Mein Arbeitgeber bot mir einen beruflichen Neuanfang. Ich bin dankbar dafür und kann bereits bei vielen Arbeiten mithelfen, werde später im Kundenservice arbeiten. Der Fachhelfer Kälte- und Klimatechnik kam für mich zur rechten Zeit. Mein Arbeitgeber hat mich angemeldet und finanziert die Fortbildung, wird mich auch danach längerfristig beschäftigen.“
Pedro Manuel Furtado Melo kommt aus einem technischen Beruf, was eine der Mindestvoraussetzungen ist. In seinem Fall beeindruckt aber eine andere notwendige Anforderung, um zugelassen zu werden. Sprachbarrieren dürfen die kompakten Unterrichtseinheiten nämlich nicht bremsen, die deutsche Sprache muss also beherrscht werden. Aber wie gut er nach zwei Jahren bereits spricht, ja während des Unterrichts fachliche Diskussionen führt, das beeindruckt mich. Eine gelungene Form der Integration“, fällt mir dazu nur ein. Und ein schönes Beispiel dafür, dass auch die aktuelle Flüchtlingswelle dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann, wenn unsere Sprache gelernt und die vorhandenen Angebote angenommen werden. Vielleicht finden sich sogar vorqualifizierte Arbeitnehmer für die neue Weiterbildung.
Nicht jeder Abschluss ist global“
In einer vergleichbaren Situation ist Raidel Bandera-Lacret (30). Er kam vor einigen Jahren aus Kuba und erzählt mir, dass er bereits ausgebildeter Kältetechniker ist. Seine beruflichen Nachweise finden aber als Nichteuropäer bei uns keine Anerkennung. Darum schickte ihn sein Arbeitgeber, die Kälte- und Klimatechnik Kaul GmbH aus Rüsselsheim, zum Kurs nach Maintal. Ich brauche die Zertifizierung, um in Deutschland arbeiten zu dürfen. Die Technik kenne ich natürlich und vieles ist für mich nicht neu. Aber es gibt dennoch einiges dazuzulernen, weil hier ja andere Gesetze und Verordnungen als in Südamerika gelten. Und die Produkte, überhaupt der ganze Markt, das ist schon etwas ganz anderes. Die Zeit in Maintal hilft mir, um für meine Firma dann im nächsten Schritt vielleicht bald einen Berufsabschluss als Mechatroniker für Kältetechnik zu absolvieren.“ Denn Raidel Bandera-Lacret wird versuchen, mit dem Fachhelferabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung nachträglich seine Gesellenprüfung abzulegen – die zweite in seinem Leben.
Schreiner mit Tatendrang
Einen anderen Handwerksberuf erlernt hat hingegen bereits Alexander Rothmüller (40), und zwar als Schreiner. In der Pause erzählt er mir seine Geschichte. Durch meine Frau bekam ich im elterlichen Fachbetrieb KOS Klima-Anlagenbau, Projektierung und Service GmbH, Weinheim, die Möglichkeit des beruflichen Neuanfangs. Um aber als selbstständiger Monteur arbeiten zu dürfen, brauche ich Ausbildungsnachweise im Kälteanlagenbau, die ich als Schreiner ja nicht besitze. Dazu verhilft mir die Fachhelferqualifikation, ohne dass ich nochmals eine komplette Gesellenausbildung abzulegen brauche.“ Ich staune, wie Alexander Rothmüller aus der Not eine Tugend macht, denn sicher hätte er in seinem angestammten Beruf gerne weitergearbeitet. Das war aber nicht möglich. Er hat Familie und ist auf ein festes Einkommen angewiesen. Wie bei ihm öffnet der Fachhelfer vielen weiteren beruflichen Quereinsteigern im Kälteanlagenbau jetzt eine Tür, die es bislang nicht gab. Denn während man sein Gehalt weiter bezieht und im Betrieb arbeitet, verschaffen die 12 Blockwochen Kenntnisse und Fertigkeiten, Montage- sowie Wartungsarbeiten sicher und fachgerecht ausführen zu können.
Auch die anderen beiden angehenden Fachhelfer, die ich kennenlerne, haben Berufe. Aus unterschiedlichsten Motiven üben sie diese nicht mehr aus. Marvin Freimuth (25) ist ausgebildeter Koch und Elektriker, arbeitet aber inzwischen bei der Kälte-Klima Stück GmbH in Wiesbaden im Anlagenbau. Sebastian Powung (36) hat Gleisbau gelernt, war Zeitsoldat und kam über verschiedene weitere Stationen schließlich zur Strabag FS GmbH. Im Facility Management tätig betreut er heute ein Rechenzentrum. Dafür werden mir die Fachhelferkenntnisse sehr hilfreich sein“, erzählt er mir und schließt an, dass er sich selbst um den Kurs gekümmert hat. Ich bin daran interessiert, mich weiterzubilden. Darum machte ich mich auf die Suche und stieß über das Internet auf das Angebot der Bundesfachschule. Mein Arbeitgeber fand die Idee gut. Wenn die Erfahrungen positiv sind, sollen weitere Kollegen folgen.“
Ein gutes Zwischenzeugnis
Aber wie sind die bisherigen Erfahrungen des ersten Fachhelferkurses zur Halbzeit? Ich will es genau wissen und werfe diese Frage in die Runde. Wir haben prima Lehrer, die aus der Praxis kommen, selbst Anlagen projektiert und gebaut haben. Sie kennen also die Dinge, die uns tagtäglich beschäftigen genau. Das merkt man im Unterricht.“ Der Tenor ist einhellig. Obgleich die Lebensläufe der kleinen Gruppe unterschiedlicher nicht sein können, fühlt sich keiner abgehängt. Ich spüre sogar so etwas wie Teamgeist. Zwar sieht man sich über einen Zeitraum von 15 Monaten verteilt nur während der Blockwochen. Der Kontakt ist dann aber intensiv. Alle unterstützen sich gegenseitig, gleichen Stärken und Schwächen untereinander aus. Der Unterricht macht mit den angehenden Fachhelfern große Freude“, erzählt mir Fachlehrer Christopher Bösel, der die Blockwoche leitet. Man merkt, dass hier Schüler sitzen, die etwas lernen wollen, einen Quereinstieg, vielleicht sogar einen Neuanfang wagen. Darum ist jeder besonders motiviert. Und obwohl wir in den Blockwochen ein strammes Programm haben, sind alle auf einem guten Level, um am Ende ihre Prüfungen zu bestehen.“ Im April 2017 ist es dann so weit“, erfahre ich von der Runde. Aber schon heute steht fest, dass alle den Fachhelferkurs weiterempfehlen werden. Wir haben im Betrieb noch andere Quereinsteiger unterschiedlichster Vorbildung. Denen werde ich als Testkandidat die Teilnahme auf jeden Fall empfehlen“, meint Alexander Rothmüller. Und Sebastian Powung will bei der Strabag das Gleiche tun. Mich haben schon einige Kollegen gefragt, wie es läuft. Darum werde ich im Nachhinein innerhalb der Konzernabteilung darüber informieren, dass der Fachhelfer ein gutes Angebot ist.“
Schulung, die der Markt braucht
Ein Angebot, das für Kälte-Klima-Fachbetriebe entwickelt wurde“, so Jörg Peters Geschäftsführer Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik, zum Abschluss meines Besuchs. Der wachsende Fachkräftemangel und Nachfragen unserer Innungsbetriebe waren der Auslöser für die neue Zusatzqualifikation in Maintal und Harztor. In Thüringen gibt es ein vergleichbares Angebot übrigens schon seit einigen Jahren. Wir haben die 12 Blockwochen den Marktanforderungen angepasst. Der Klimatechnik kommt daher eine besondere Bedeutung zu, weil sie zu einem wichtigen Standbein für die meisten Betriebe geworden ist. Mit dem Fachhelferabschluss wird aber je-der Teilnehmer Grundkenntnisse erlernen, die kältetechnische Arbeiten selbstständig erlauben.“ Meinen nächsten Gedanken liest mir Jörg Peters dann wohl von der Stirnfalte ab. Damit hat man natürlich noch keinen Gesellenabschluss. Was wir aber derzeit prüfen, sind Möglichkeiten, die Fachhelferabsolventen eine nachträgliche Gesellenprüfung im Rahmen der Handwerksordnung erlaubt. Denn wenn eine mehrjährige Praxis im Kälteanlagenbau vorhanden ist, dann wäre es nur folgerichtig, ein solches Angebot zu schaffen.“
Das macht Sinn. Denn alle Teilnehmer des ersten Fachhelferkurses an der Bundesfachschule in Maintal haben ja schon mindestens eine Berufsausbildung hinter sich, schießt es mir zum Abschied durch den Kopf. Aber vor allem ist es eine sehr gute und pragmatische Idee, dem Fachkräftemangel zu begegnen und Arbeitssuchenden oder Quereinsteigern eine zweite Chance zu bieten. Darum müssen sich alle betroffenen Arbeitgeber selbst kümmern. Sie müssen ihre Mitarbeiter dafür begeistern und zum Kurs anmelden. Am Ende ist das aber eine klassische Win-win-Situation und mein Fazit für einen begeisternden Tag in Maintal.
Gleich anmelden zum Fachhelfer 2017
Der nächste Kurs Fachhelfer Kälte- und Klimatechnik“ in Maintal beginnt im Februar 2017 und endet im April 2018. Nach insgesamt 12 Blockwochen erhalten alle Teilnehmer eine Bescheinigung. Nach bestandener schriftlicher und praktischer Prüfung wird nach der halben Ausbildungszeit ein Zertifikat der Kategorie II gemäß Durchführungsverordnung (EU) 2015/2067 verliehen. Am Ende des Kurses legen die Teilnehmer eine Prüfung für die Zertifizierung nach Kategorie I ab. Außerdem werden die Hartlötzertifizierung gemäß DIN EN ISO 13585 und die Hygieneschulung nach VDI 6022 Kategorie B absolviert. Der Kurs ist ein Angebot für Kälte-Klima-Fachbetriebe, die Quereinsteiger aus anderen Berufen oder technisch Interessierte ohne Berufsabschluss beschäftigen und weiterqualifizieren wollen. Weitere Informationen und Anmeldeunterlagen finden sich unter www.bfs-kaelte-klima.de der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik.
Dipl.-Ing. Achim Frommann,
PR Werkstatt NutzWort, Sasbach