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Ausbildungsoffensive bei der M. Westermann GmbH in HamburG

Wir bekommen jeden Cent doppelt und dreifach zurück“

Kern: Das Thema Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und es wurde darüber ja auch schon viel berichtet und diskutiert. Das betrifft ja nicht nur uns, sondern alle Bereiche und Branchen. Wir befinden uns hier in einer Abwärtsspirale, die durchbrochen werden muss. Das haben nicht nur wir, sondern alle anderen auch erkannt. Es gibt schon tolle Aktionen vom BIV, der Handwerkskammer und der Industrie mit dem N.I.K.K.I.-Programm und anderen Hilfestellungen, z. B. die Werbung auf Ausbildungsmessen. Davon kommt aber praktisch nichts in den kleinen Betrieben an. Diese Programme zielen meist auch nur auf die Lehrlinge ab. Hier wollen wir einen Schritt weitergehen. Deshalb werden wir dieses Jahr auch zum ersten Mal statt einem Lehrling pro Jahrgang drei Lehrlinge ausbilden.

Doch damit nicht genug, Quantität ist nicht gleich Qualität. Also haben wir die gesamte Ausbildung infrage gestellt und ein neues Ausbildungskonzept erstellt. Statt wie früher die Lehrlinge nach Bedarf einem stationären Monteur mitzugeben, damit sie möglichst viel sehen und lernen, bleiben unsere Lehrlinge jetzt erstmal in der Firma. Sie rotieren im ersten Jahr durch unsere verschiedenen Abteilungen. So lernen sie in der Produktion grundlegende handwerkliche Fähigkeiten, in der Fahrzeugabteilung (Kfz und Lkw) Kälte bzw. Klima und in der Forschung & Entwicklung lernen sie Anlagen kennen, die es nicht von der Stange zu kaufen gibt. Erst nach ca. einem Jahr kommen sie dann in die stationäre Abteilung und dürfen Service mitfahren.

KK: Warum haben Sie das Konzept geändert?

Kern: Mein Chef, Rainer Voß, ist auch Obermeister der Innung Hamburg, mein Kollege Michael Mönnig ist Vorsitzender der Lernort- kooperation Hamburg, die das Zusammenspiel zwischen Schule und Betrieb verbessern soll. Ich leite zusammen mit einem Kollegen, Thomas Angele von der Firma Kältetechnik Nord, überbetriebliche Kurse für die Hamburger Innung im Bereich Anlagenbau, Biegen und Bördeln, Vorbereitung auf die Gesellenprüfung und bin im Gesellenprüfungsausschuss vertreten. Wir drei verbringen viel Zeit mit dem Thema Lehrlinge und bekommen aus anderen Betrieben viel Feedback.

Nehmen wir meine Kurse: Hier erleben wir immer wieder, dass die Lehrlinge im dritten Lehrjahr weder Biegen noch Bördeln können und große Probleme haben, eine einfache kleine Kälteanlage zu montieren. Es gibt zwar einen Pflichtkurs Biegen und Bördeln, den diese Lehrlinge besucht hatten, doch wenn sie diese erworbenen Fähigkeiten in der Praxis nicht anwenden, vergessen sie das alles wieder.

Mit unserer Konzeptänderung wollen wir erreichen, dass diese grundlegenden Fähigkeiten nicht nur erworben, sondern auch vertieft werden. Hier lernen die Lehrlinge ja nicht nur Biegen und Bördeln. Auch das Errichten von Kabelbäumen usw. gehört ja dazu. Zusätzlich sollen die Lehrlinge einen Tag pro Woche in der neu errichteten Ausbildungswerkstatt arbeiten. Hier haben wir aber noch etwas Arbeit vor uns.

KK: Und wie sieht sie aus?

Kern: Als ich vor etwa über einem Jahr bei Westermann angeheuert habe, hatte Frau Voß mich gebeten, mich um den Aufbau der Lehrlingswerkstatt zu kümmern. Bei der letzten Firmenerweiterung wurde ein separater Raum für die Ausbildung der Lehrlinge berücksichtigt. Gestartet bin ich mit der Aufgabenstellung, hier eine Lehrlingswerkstatt zu errichten. Inzwischen haben wir die Vorgabe auf eine allgemeine Ausbildungswerkstatt erweitert. Hier sollen künftig nicht nur die Auszubildenden, sondern auch die Monteure weiter geschult werden.

KK: Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?

Kern: Unser Handwerk hat sich grundlegend verändert. Früher haben die Monteure und die Lehrlinge, die sie begleitet haben, fast alles selber aus Einzelteilen zusammengebaut. Das ist heute nur noch selten der Fall. Meist wird eine fertige Verbundanlage bestellt, selbst die Verdampfer und Schaltkästen kann man fertig bestellen. Das bedeutet, die Monteure und Lehrlinge legen fast nur noch Verbindungsleitungen und installieren sogenannte Plug-and- play-Lösungen. Das geht schnell und ist wirtschaftlich. Die Probleme tauchen erst im Service auf. Da stehen dann Monteure vor einer Anlage und wissen nicht, wie diese im Einzelnen funktioniert.

Selbst so elementare Begriffe wie Überhitzung und Unterkühlung können nicht sicher erklärt werden bzw. angewandt werden. Jetzt bekommen diese Monteure aber neue Lehrlinge an die Seite gestellt und sollen denen eigentlich etwas beibringen, dadurch wird das Niveau von Generation zu Generation immer schlechter. Hier befinden wir uns in einer immer schneller drehenden Abwärtsspirale. Hier müssen wir dringend eingreifen und handeln.

KK: Wie genau soll das Eingreifen und Handeln aussehen?

Kern: Wir haben verschiedene Anlagen aufgebaut, an denen sowohl Lehrlinge als auch Monteure arbeiten und üben können. Die ersten drei Anlagen sind kleine Tischanlagen mit kleinen Verflüssigungssätzen und kleinen Verdampfern. Danach kommen dann größere Leistungsklassen mit fertigen Verflüssigungssätzen für die Außenaufstellung. Das Finale ist dann eine Verbundanlage mit zwei Plattenwärmeübertragern und einem herkömmlichen Schaltschrank. Aber der Reihe nach.

Man startet mit einer ganz einfachen Anlage. Die vier Hauptkomponenten müssen verrohrt und verkabelt werden. Die Steuerung übernimmt ein fertiger Schaltkasten. Anschließend muss diese Anlage in Betrieb genommen und dokumentiert werden. Danach kommt man an die zweite Anlage. Hier wird die Anlage um eine Heißgasabtauung erweitert, ein Startregler wird montiert. Der Schaltschrank ist mit normalen Schützen zu verdrahten.

Die dritte Anlage stellt sich den gesteigerten Herausforderungen und hat zusätzlich ein elektronisches Expansionsventil, das montiert werden muss. Und statt einem Druckschalter wird der Verflüssigerlüfter über einen Drehzahlregler angesteuert. Die vierte Anlage simuliert eine klassische Kühlraummontage. Ein Aggregat für Außenaufstellung und ein Kühlraum-Verdampfer müssen montiert werden. Hier haben wir das Aggregat in 400 V ausgeführt und den Verdampfer in 230 V. Damit die Monteure sich auch um solche Sachen Gedanken machen müssen.

Die letzte Anlage ist eine Verbundanlage mit zwei Plattenwärmeübertragern. Hier er-leben wir immer wieder große Berührungsängste, die wir versuchen abzubauen. Die meisten Kältetechniker mögen erfahrungsgemäß das Medium Wasser nicht so gerne.

Außerdem haben wir mehrere Druckschalter montiert, an denen die Lehrlinge üben müssen, die Druckschalter mit Stickstoff einzustellen. Des Weiteren sind wir dabei, eine Fernüberwachung für die Kälteanlagen zu montieren, damit die Monteure sich mit dieser Technik auseinandersetzen.

KK: Es klingt, als ob man viel Zeit und Geld investieren muss!

Kern: Zeit definitiv: Ja. Geld wahrscheinlich nicht so viel, wie es sich im ersten Moment anhört. Hier gibt es tolle Unterstützung vom Großhandel und der Industrie, wenn man entsprechend gute Kontakte hat. Ich denke auch, dass fast jede Firma noch verwertbares Material hat, das man nutzen kann. Den Rest muss man natürlich kaufen. Aber ich glaube, dass jeder Cent gut investiert ist und wir jeden Cent doppelt und dreifach zurückbekommen, wenn wir gut ausgebildete Monteure ins Rennen schicken.

KK: Vielen Dank für das Gespräch.

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