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Deutsche Kälte- und Klimatagung 2019 in Ulm

Energie und Kältemittel im Mittelpunkt

Es gab viele hörenswerte Beiträge mit Erkenntnissen, Anregungen und Mitteilungen sowohl für Wissenschaftler wie auch für Praktiker. Der Werbecharakter mancher Darbietung war dabei allerdings nicht zu überhören. Und wissenschaftliche Höhenflüge ohne praktische Bodenhaftung gehören offenbar unter dem Blickwinkel der Zukunftslösungen auch dazu. Die Veranstaltungen waren überwiegend gut besucht, es gab auch überfüllte Vortragsräume. Eine besondere Bedeutung hatten wie immer die persönlichen Begegnungen der Teilnehmer in den Pausen. Neben persönlichen Gesprächen fand auch viel fachlicher Austausch statt, besonders wenn man sich lange nicht getroffen hatte. Gekennzeichnet war die gesamte Tagung von der Energie- und vor allem der Kältemittelproblematik, die die Branche mit Verbots- und Phase-down-Szenarien beschäftigt. Die Fachtagung zeigte, dass an vielen Stellen erfolgreich Lösungen gefunden worden sind und weiter nach Lösungen gesucht wird.

Bild: Christian Stöckel / UA

Verdichter

Die Arbeitsabteilung Anlagen und Komponenten startete des Vortragsprogramm mit der Vorstellung eines elektrisch angetriebenen Verdichters für PKW-Anwendungen durch Florian Wieschollek von Rheinmetall Automotive AG. Er ging von den veränderten Anforderungen an das Klimasystem bei Elektro- und Hybridfahrzeugen aus. Die bisher übersichtliche Struktur des Thermomanagements mit getrenntem Motor- und Klimasystem wird unübersichtlicher, da die Batteriekühlung einbezogen werden muss. Besonders bei Schnellladesystemen für die Batterie ist ein erhöhter Kühlbedarf erforderlich. Deshalb kommt es für den Kühlprozess auf einen hohen Gütegrad an. Ein fünf Prozent besserer Gütegrad führt zu etwa 10 km mehr Reichweite des Fahrzeuges. Die akustischen Anforderungen sind höher, da das Verdichtergeräusch nicht mehr vom Geräusch des Fahrzeugmotors überdeckt wird, und die Wärmepumpenanwendung erfordert ein höheres Druckverhältnis für den Verdichter. Für die technischen Herausforderungen mit geringem Gewicht, hohem Güte­grad und geringem Bauraum wurde ein sauggasgekühlter Scrollverdichter mit besonders guter innerer Dichtheit entwickelt. Als zukunftsträchtig sieht der Referent bei der Bordspannung von 40 V die Kältemittel R744 und R290 an und es wird an die Fahrzeuggeometrie angepasste Designvarianten mit modularem Aufbau geben.

Ein weiteres Verdichterthema mit eher wenig zukunftsträchtigem Charakter trug Christian Stöckel von der Bitzer-Professur der TU Dresden vor. Dabei handelt es sich um die Leistungsregulierung von Kältemittelverdichtern mittels steuerbarer Druckventile. Bekannt sind Leistungsanpassungen durch Drehzahländerung, Schadraumzuschaltung, Sauggasabsperrung oder Offenhalten der Saugventile. Das zeitweise Offenhalten der Druckventile als neuartige Lösung wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit untersucht. Dabei wird nach dem Erreichen des oberen Totpunktes des Kolbens das Druckventil pneumatisch mit dem Gasdruck der Hochdruckseite ohne äußere Energiezufuhr einige Kurbelwinklel offen gehalten, sodass das ausgeschobene Druckgas in den Zylinder zurück pendeln kann. Der offen zu haltende Winkel­bereich ist mittels eines Reglers von der erforderlichen Kälteleistung bestimmt. Als Problem werden die Kurbelwinkeldetektion, der erforderliche Bauraum und die hohe Schaltfrequenz des Stellgliedes betrachtet. Es wird an der mathematischen dynamischen Modellierung des Steuersystems für einen R744-Verdichter für Boosteranwendung im Supermarkt gearbeitet. Experimentelle Studien sollen folgen.

Bild: Karl Steinjan / UA

Bild: Stefan Elbel / UA

Expansionsturbine

Für die Nutzung der Entspannungsarbeit bei der Verwendung von R744 als Kältemittel wurde von Karl Steinjan vom Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH die Verwendung einer Entspannungsturbine untersucht. Das ist eine Möglichkeit, die thermodynamischen Nachteile dieses Kältemittels zu kompensieren. Gegenwärtig wird das mit Ejektoren, Schrauben- oder Kolbenexpandern realisiert, wobei die einfach gestalteten Ejektoren schlecht regelbar sind. Das Potential mit Turbinen wird als hoch eingeschätzt, aber es gibt noch keinen praktischen Nachweis. Auf der Basis der unterschiedlichen verwirklichten R744-Prozesse entstand eine 45-kW-Turbine als Versuchsmuster. Die Leistungs- und Funktionsprüfung erfolgte zunächst ohne Kältekreislauf, indem die Turbine auf einen Generator in einem gemeinsamen halbhermetischen Gehäuse arbeitet. Als erstes Ergebnis kann die erwartete Funktion bestätigt werden, aber es sind noch Optimierungen nötig. Das betrifft vor allem das Schwingungsverhalten bei hohen Drehzahlen. Die energetische Leistungsfähigkeit wird gegenwärtig geprüft und die Fragen der Kosten und der Langlebigkeit sind noch zu beantworten.

Ejektor

Mit der kon­struktiven Gestaltung von Ejektoren befasste sich Stefan Elbel, University of Illinois, USA. Er sprach über die konstruktive Gestaltung von Ejektoren unter dem Gesichtpunkt eines low-cost-Produktes für die Anwendung in transkritischen R744-Kältesystemen für kleine Kälteleistungen, bei denen gegenwärtig die Ejektorkosten einer verbreiteten Anwendung entgegen stehen. Die zu untersuchenden Konstruktionen erstreckten sich von der Aneinanderfügung von zylindrischen Rohrstücken mit dem für die Expansion erforderlichen Durchmessersprung bis zu weiteren preisgünstigen Optimierungen des Treibdüse-Diffusor-Elementes. Zur Beurteilung der Effektivität dient bei der experimentellen Untersuchung der gewählten Varianten der Druckanstieg am Ejektorausgang. Auch Versuche mit Düsennadeln wurden einbezogen und deren Einfluss als bestimmend für das Ergebnis erkannt. Bei höheren Drücken wächst der Einfluss des Düsendesigns. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, dass die low-cost-Ausführungen für eine Massenproduktion für kleine Kälteleistungen verwendbar sind, da die Kälteleistung und der COP-Wert nur wenig abhängig von der konstruktiven Gestaltung sind.

Bild: Simon Bergs / UA

Bild: Tobias Guth / UA

Bild: Lutz Boeck / UA

Kältemittel

Über die Effizienz und Betriebssicherheit von Bestandsanlagen nach Umstellung auf das Kältemittel R290 sprach Simon Bergs von der CoolTool Technology GmbH. Ausgehend von den Eigenschaften von R290 und den erforderlichen Sicherheitsanforderungen sieht der Vortragende die Möglichkeit der Umstellung von konventionellen Kältemitteln auf R290 oder R290/R600 a mit dem Treibhauspotenzial GWP von nahezu Null. Er geht dabei von der Atex-Zone 2 mit dauerhaft dichten Anlagen aus, was auch halbhermetische und hermetische Verdichter einschließt. Dafür sind im öffentlich zugänglichen Bereich Anlagenfüllmengen von 1,5 bis 5 kg zulässig. Die Vorbehalte wegen der Explosivität sind wenig begründet, wenn man den Umgang mit diesem Stoff z. B. in Spraydosen oder am heimischen Gasherd als Vergleich heranzieht. Er beschreibt die Umstellung von Kühlzellen mit Kaltwassersätzen von R404A bzw. R134a auf R290 und leitet daraus Erfahrungen ab, wie geringes Gefährdungspotential bei sachgemäßer Handhabung, bei Ausnutzung der gegenüber des abzulösenden Kältemittels geringeren Füllmenge und dem besseren Anlagengütegrad. Die vorhandenen Komponenten sind dabei weiter benutzbar. Diesen Aussagen liegen umfangreiche Messdatenerfassungen zu Grunde.

Zum gleichen Kältemittel referierte Tobias Guth von der Hochschule Ruhr West. Er stellte Leistungsmessungen an einer R290-Kälteanlage vor. Mit drehzahlge­regeltem hermetischem Emerson-Scroll-Verdichter, R290-Füllmenge von unter 2,5 kg und dauerhaft dichter Anlagen­ausführung und belüftetem Gehäuse mit Atex-Ventilator ist der Versuchsstand selbst keine explosionsgefährdete Zone. Der Versuchsstand schließt Speicher auf der kalten und warmen Seite ein. Die Anlagenmodule können je nach Prüfplan unterschiedlich kombiniert werden. Die Versuche haben Leistungsmessungen bei verschiedenen Temperaturregimes und Drehzahlen zum Ziel. Aus den Messergebnissen geht hervor, dass im Vergleich mit konventionellen Kältemitteln mit R290 die besten Werte für den EER erreicht werden. Die Sicherheit und Effizienz für R290 in praktischen Anlagen wurde nachgewiesen. Aus den bisherigen Erfahrungen ergeben sich auch Möglichkeiten zur Optimierung der Versuchsanlage für deren weiteren Betrieb.

Mit der Risikoanalyse bei der Verwendung brennbarer Kältemittel in Bahnklimageräten beschäftigte sich Lutz Boeck von der Faiveley Transport Leipzig GmbH & Co. KG. Gegenwärtig werden in Bahnklimageräten vorwiegend die Kältemittel R134a und R407C verwendet, außerdem teilweise R729 (Luft). R744 befindet sich in der Demonstration und kommt in Einzelfällen zum Einsatz. Die Bahnbetreiber verlangen zunehmend natürliche Kältemittel oder als Alternative HFOs bzw. Blends daraus mit GWP-Werten unter 150, wie z. B. das HFO 1234yf. R513A oder R450A mit einem GWP größer 150 werden als Übergangslösung eingeschätzt. Dabei ist bei den HFO und R290/R1270 vorteilhaft, dass die bisherige Bordarchitektur des Klimagerätes beibehalten werden kann. Die vorgetragenen Untersuchungen beziehen sich auf brennbare Kältemittel, mit dem Ziel, die grundsätzliche Machbarkeit im Bahneinsatz zu klären. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Lösungen so sicher wie die bisherigen sein sollen. Als Akzeptanzkriterien gelten dabei die Sicherheit im Fahrbetrieb, beim Stillstand, bei Unfallsituationen oder bei missbräuchlicher Verwendung. Diese Kriterien sind in Expertenworkshops zu bewerten, und es ist davon auszugehen, dass die brennbaren Kältemittel nicht von vornherein ­ausgeschlossen werden sollten.

Bild: Stefan Volkmer / UA

Bild: Katharina Brinkmann / UA

Energieeffektivität

Die energetisch optimierte Betriebsführung von Kälteanlagen war Inhalt des Vortrages von Stefan Volkmer von der Hochschule Biberach. Er beschreibt die Effektivität mittels Total Coefficient of Performance TCOP nach der VDMA-Regel 24247-7 für die Gesamtbilanz einschließlich der Hilfsaggregate Pumpen und Ventilatoren. Die Validierung der Anlage erfolgt am Labormodell mit 32 stationären Betriebspunkten zur Optimierung des TCOP. Die Ergebnisse sind abhängig von der Außentemperatur dargestellt und ergeben bei optimierter Betriebsstrategie bis zu zehn Prozent geringeren Energieverbrauch. Zukünftig sind die Untersuchungen mit erweiterten Eingangsparametern und für eine dynamische Betriebsweise geplant.

Katharina Brinkmann von der RTWH Aachen, E.ON Energieforschungszentrum, widmete sich der energetischen Optimierung von elektrisch angetriebenen Wärmepumpen mit dem Hintergrund, ihren Einsatz mit der Möglichkeit der CO2-Senkung höchstmöglich auszuweiten. Die Entwicklung von versorgungssicheren Systemen auf der Basis einer fundierten Auslegungs­strategie kann dazu wesentlich beitragen. Zugrunde liegt die simulationsbasierte Auslegung der Komponenten mit Pufferspeichervolumen für die Heizungsseite und getrennt davon für die Warmwassserbereitung für den gesamten Jahresverlauf. Dafür ergibt sich ein hoher Rechenaufwand mit nichtlinearen Zusammenhängen zwischen Auslegungs- und Betriebsparametern, wofür iterative Lösungsansätze erforderlich sind. Aus den Berechnungsergebnissen ist die Konfliktsituation zwischen Betriebs- und Investitionskosten erkennbar, aber mit den Ergebnissen kann die Wärmepumpen-Auslegungsleistung mit vergrößertem Pufferspeicher gegenüber der Norm-Auslegung wesentlich verringert werden. Damit sinkt der Investaufwand, aber durch steigende Benutzung der elektrischen Zusatzheizung nehmen die Betriebskosten zu.

Bild: Michael Lauermann / UA

Bild: Manuel Lämmle / UA

Wärmepumpen

Über ein internationales Untersuchungsprojekt zum effektiven Einsatz von Wärmepumpen in Sanierungsgebäuden informierte Michael Lauermann vom Austrian Institut of Technology GmbH. Im Rahmen des Projektes GEOFIT werden an fünf Standorten in Europa unterschiedliche Gebäude vergleichsweise untersucht und Schluss­folgerungen für deren zukunftssichere Auslegung abgeleitet. Dem ist die zweck­mäßige Ausführung der Geräte am jewei­ligen Standort nach vorhandenen Erkenntnissen vorausgegangen. Es handelt sich um ein historisches Gebäude in Italien, eine Schule in Spanien, ein Hallenbad und ein Einfamilienhaus in Irland und ein Bürogebäude in Frankreich. Es sind alles Erdwärmepumpen mit den gegenüber Neubauten erhöhten Vorlauftemperaturen für die Heizung mit Jahresarbeitszahlen von 3,5 bis 5. Als Kältemittel wird das Niedrig-GWP-1234ze(E) eingesetzt. Die verglichenen Ausführungen sind in den Varianten monovalent, bivalent alternativ oder bivalent parallel gestaltet. Für hohe Vorlauftemperaturen der Heizung sind zwei Wärmepumpen günstig, um unterschiedliche Verflüssigungstemperaturen für Heizung und Warmwasser bereitstellen zu können. Damit konnte der COP um fünf bis 15 Prozent verbessert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die Nutzung erdgestützter Wärmepumpen bei Sanierungen auszuweiten, um auf dem Sektor der Gebäudeheizung die CO2-Emissionen zu reduzieren.

Ein Großprojekt, in dem im Rahmen eines Quartierenergie­konzeptes die Wärmepumpen eine wichtige Rolle spielen, stellte Manuel Lämmle vom Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme, Freiburg, vor. In der Kombination Wärmepumpe, BHKW und Photovoltaik werden 5 mehrgeschossige Mehrfamiliengebäude mit jeweils mehreren Eingängen unter dem Gesichtspunkt Eigenverbrauchsoptimierung in einem Betreiberkonzept vereint. Es existiert ein Areal-Stromnetz mit vor­rangigem Mieterstromverbrauch. Als Optimierungskriterium gilt die Minimierung der CO2-Emissionen. Bei Strommangel arbeitet das BHKW, bei Stromüberschuss arbeiten die Wärmepumpen. Im Speziellen befasste sich der Vortrag mit den Entscheidungen unter dem Kostengesichtspunkt zum Heizkörperaustausch in den Bestandsgebäuden beim Start des Projektes. Knapp dimensionierte Heizkörper wurden, auf der Grundlage einer raumweisen Bedarfsberechnung abhängig von den Vorlauftemperaturen, gezielt ausgetauscht. Bei 55 °C Vorlauf mussten im Gebäudetyp 1 17 von 150 Heizkörpern getauscht werden, beim Typ 2 79 von 180. Dazu fanden
individuelle Beratungen mit den Mietern statt. Für die Wärmepumpenanlage wurde ein Simulationsprogramm erstellt. Die Anlage ist bivalent mit einem Spitzenlast-Gaskessel ausgeführt und hat getrennte Speicher für Heizung und Trinkwarm­wasser. Bei den erdgestützten Wärme­pumpen sinkt bei 55 °C Vorlauf der Strombezug um 22 Prozent, wodurch sich der Heizkörperwechsel als wirtschaftlich erweist. Bei Trinkwasser gibt es eine Ultrafiltration, um bei der Temperatursituation keine hygienischen Probleme zu bekommen. Das gesamte Projekt soll im Jahr 2020 umgesetzt werden. UA

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