Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
10. Klima-tag 2016

Dicke Luft im Niedrigenergiehaus – Energieeffizienz und Behaglichkeit

Professor Pfeiffenberger stellte zu der weitgespannten Thematik zwei Thesen in den Raum, nämlich dass

die Klimaanlagen im Sommer entfeuchten müssen und dass sich

die inneren Wärmelasten von Bürogebäuden zukünftig verringern werden.

Energieeffizienz und Behaglichkeit im Niedrigenergiehaus

Den Reigen der namhaften Referenten eröffnete Prof. Dr.-Ing. Uwe Franzke vom Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH (ILK Dresden). Er sprach über die Lüftungstechnik als Chance für Behaglichkeit, Hygiene und Energieeffizienz. Dabei ging es ihm um ein paar grundsätzliche Fragen bezüglich Luftqualität und Behaglichkeit in Niedrigenergie-Wohngebäuden. Für Behaglichkeit ist jedenfalls eine ausreichende Luftzufuhr erforderlich und dafür ist ein Energieaufwand zu betreiben. Die Fensterlüftung ist keine ausreichende Lösung. Die installierte Lüftungsanlage kann gleichzeitig die Luftbefeuchtung im Winter übernehmen. Die raumlufttechnische Anlage ist das Mittel gegen zu dicke Luft“ im Niedrigenergiehaus. Die Erfahrung zeigt, dass in lüftungstechnisch sanierten Gebäuden die Bewohner nicht mehr das Gefühl haben, über die Fensteröffnung lüften zu müssen.

Die Themen Energieeffizienz und Behaglichkeit verknüpfte anschließend Prof. Dr.-Ing. Dirk Müller von der RWTH Aachen. Ausgehend von der höchsten Leistungsfähigkeit des Menschen im Arbeitsprozess im Temperaturbereich von 21 bis 26 °C ergibt sich die Notwendigkeit, außerhalb dieses optimalen Bereiches energetischen Aufwand zu betreiben. Dabei wird noch kaum die Wechselwirkung von Energiebereitstellung und Energieverbrauch der raumlufttechnischen Anlagen berücksichtigt. Mit zunehmendem Anteil erneuerba-rer Energien wird dabei das Speicherproblem immer dringender und das zeitliche Zusammenwirken von raumlufttechnischen Anlagen und Energieerzeugern rückt in den Fokus der aktuellen Aufgaben. Parallel dazu verstärkt sich die Notwendigkeit der rationellen Energieverwendung. Die Raumlufttechniker können durch die Gestaltung der Komponenten entspre-chend dazu beitragen. Beispiele dafür sind die druckverlustarme Gestaltung der Schalldämpfer, die Verwendung von Wärmeübertragern mit luftseitigem Bypass für den Betriebsfall, in dem keine Wärme übertragen wird, aber Luft gefördert werden muss. Eine Beispielrechnung weist dafür eine 40-prozentige Energieeinsparung aus. Zur Bereitstellung der erwünschten Raumluftfeuchte sind die internen Feuchtelasten heranzuziehen. Das gilt auch für Wärmerückgewinnungssysteme. Die Kombination von maschineller Lüf-tung und Fensterlüftung, mit deren je-weiligen Vorteilen, ergibt ebenfalls eine Möglichkeit der Energieeinsparung. Und für größere Anlagen, z. B. bei der Klimatisierung und Kühlung von Supermärk-ten, kann die Lüftungseffektivität durch die kombinierten Luft-Wasser-Systeme deutlich verbessert werden. Gerade auf diesem Gebiet besteht noch ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Pfeiffenberger trat dann noch einmal ans Pult, um konkret über die Luftqualitätsfragen im Niedrigenergiehaus aus Planersicht zu sprechen. Die Luft ist ein Lebensmittel, dessen Qualität wesentlich durch den CO2-Gehalt, den VOC-Gehalt (flüchtige organische Verbindungen) und die Belastung durch Schimmelpilze beeinflusst wird. Beim CO2-Gehalt wird eine Konzentration unterhalb von 1 000 ppm als unbedenklich angesehen und über 2 000 ppm als inakzeptabel. Gemeinsam mit den beiden anderen Lasten ergibt sich daraus die Bestimmungsgröße des Lüftungsvolumenstromes zur Einhaltung der Zielwerte. Voran steht natürlich die Aufgabe, die Lasten durch bauliche und natürliche Maßnahmen gering zu halten. Er wiederholte die schon von den Vorrednern benannte Tatsache, dass Niedrigenergiegebäude nur durch mechanische Be- und Entlüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung mit Luft von erforderlicher Qualität versorgt werden können. Zielwerte für Luftwechsel bzw. Luftmengen je Bewohner bzw. je Quadratmeter Wohnfläche sind in Normen als Grundlage für die Planung festgelegt.

Der Hausarzt Dr. med. Walter Hugentobler näherte sich dem Thema aus medizinischer Sicht. Er stellte an den Anfang die These: Heute sind die Gebäude, in denen wir uns zu mehr als 80 Prozent unserer Zeit aufhalten, zu einem wichtigen, krankmachenden Faktor geworden … Nur wenige merken es – wie ist das möglich?“ Und er gab gleich die Antwort: Zwischen dem Mikrobiom eines Gebäudes (d. h. der Ge-samtheit aller präsenten Mikroorganismen), den Bewohnern sowie dem Gebäudeklima bestehen intensive Interaktionen.“ Und weiter: Die Luftverschmutzung der Atmosphäre unter Kontrolle zu bekommen, ist eine Frage des Überlebens der Menschheit …“ Es scheint demnach aus medizinischer Sicht dramatisch zu sein, worüber sich die Klimatechniker gegenwärtig Gedanken machen. Die geringe Luftfeuchtigkeit in den Gebäuden im Winter bezeichnet er als das Hauptübel. Zu trockene Luftzustände nehmen zu, auch durch zunehmendes Wärmebedürfnis mit höheren Raumtemperaturen, sodass in vielen Räumen nur noch Luftfeuchtigkeiten um die 30 Prozent und weit darunter vorherrschen. Der ausführlichen Begründung dieser Tatsache fügte er die Erkenntnis an, dass feuchte Luft vor allem Schadstoffe bindet, womit er auch die These stützt, dass in Reinräumen durchaus die Luft trocken sein kann, ohne dass es als schlechter Luftzustand empfunden wird. Nach medizinischer Regel werden oberhalb 45 Prozent Luftfeuchte Viren inaktiviert, während sie bei niedrigeren Werten konserviert werden. Im Atmungsprozess wird die Luft in den Bronchien auf jeden Fall befeuchtet, aber mit dem Ergebnis der Gefährdung der Atemwege, wenn dieser Prozess ständig volle Leistung erbringen muss. Sein Aufruf zum Schluss lautete: Nehmen Sie die ingenieur-technischen Herausforderungen einer höheren, natürlichen und physiologischen Innenraumfeuchte an!” Und er gab noch den Hinweis auf den Beipackzettel, nämlich die Risiken und Nebenwirkungen zu beachten. Fragen Sie den HVAC-Ingenieur und den Architekten!

Wahrnehmung dynamischer Vorgänge bei der Klimatisierung

Wenig hilfreiche Ergebnisse zum Wohlfühlverhalten existieren für dynamische Vorgänge bei der Änderung der Umgebungsbedingungen. Diesem Thema hat sich PD Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert vom Insti-tut für Energietechnik der TU Dresden gewidmet. Er berichtete über den Zwischenstand der Untersuchungen und über die Ergebnisse. Ausgangspunkt ist der Fakt, dass alle Regler mit Regelabweichungen arbeiten und beispielsweise bei der Temperaturregelung (je nach Regelgüte und Raumbedingungen) dadurch verursachte Temperaturschwankungen auf die im Raum befindlichen Personen wirken.

Eine sehr detaillierte Versuchseinrichtung und das vielseitig ausgewählte Spektrum von 60 Probanden als Versuchspersonen wurden be-schrieben. Diese tendieren bei der Bewertung der Raumtemperatur in der Mehrheit zu Temperaturen von 22 °C und darüber. Änderungen der Raumtemperatur zu höheren Werten werden weniger wahrgenommen und als nicht störend empfunden, jedoch die nachfolgende Absenkung, also die negative Änderung, wird als störend empfunden. Bei hohem Temperaturniveau gibt es kaum den Wunsch nach Verringerung, während eine negative Änderung mit dem Wunsch nach oben verknüpft ist. Als Fazit kann formuliert werden, dass das Beharrungsvermögen des Menschen signifikant ist und dass es kaum ein Toleranzband nach unten gibt. Die Arbeiten werden weiter geführt, dabei soll die Probandenzahl noch erhöht werden, und die Kühlung und die Lüftung sind in ähnlicher Weise zu untersuchen wie bisher die Heizung.

Bewertung der Innenraumluftqualität

Für die Arbeitsgruppe Wohnungslüftung bei der Europäischen Lüftungsindustrie-Vereinigung (EVIA) sprach Rick  Bruins zu den Bestrebungen, ein Beurteilungslabel für die Innenraum-Luftqualität IAQ als Arbeitsgrundlage für Planer, Architekten, Endkunden und Installateure von Niedrig- bzw. Nullenergiehäusern zu schaffen. Das Label soll sowohl die Gesundheits- als auch die Komfortaspekte berücksichtigen und basiert auf der Art des Lüftungssystems (natürlich oder mechanisch), auf der Wärmerückgewinnung, auf dem Bezugsvolumen (Wohnung oder Raum) und auf der Art des Raumes (Toilette, Bad, Küche …). Die einzubeziehenden IAQ-Parameter sind CO2, relative Luftfeuchte, Außenluftpartikel, VOC. Insgesamt werden 256 Parameter auf den jeweiligen Raum bezogen. Damit das Label zuverlässige Werte vorgibt, ist eine externe Expertenvalidierung geplant.

Luftqualität in Schulen

Über Nutzererfahrungen mit der Lüftungstechnik in modernisierten Schulen referierte Prof. Dr.-Ing. Runa T. Hellwig von der Hochschule Augsburg. Sie bezeich-nete die Luftqualität in Schulen generell als mangelhaft. Bei der Sanierung von Schulen wird dieser Thematik nun entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet. Um die Sanierungsergebnisse objektiv einschätzen zu können, wurden umfangreiche Un-tersuchungen an 96 Schulen durchgeführt, die von 2008 bis 2013 gebaut oder modernisiert worden sind. Die Lüftungssysteme waren dabei sehr unterschiedlich und 89 Gebäude hatten einen außen liegenden Sonnenschutz. 56 Schulen hatten freie Lüftung und 40 Schulen eine mechanische Lüftung in diversen Ausführungen (zentral, Decke, Wand, Fassade) sowie diverse Volumenströme mit Vor- und Nachlauflüftung, zeitgesteuert, personenabhängig, Präsenz- oder CO2-gesteuert. Ebenso wurde die Raumtemperatur abhängig von der Außentemperatur einbezogen. 136 Lehrer und 356 Schüler gaben an, den Luftzustand vor und nach der Modernisierung vergleichen zu können. Bei den Lehrern wurde ca. in 60 Prozent der Fälle eine Verbesserung festgestellt, während bei den Schülern nur knapp die Hälfte zu dieser Aussage kam. In Schulen mit sehr hoher Zufriedenheit lag der Anteil der öffenbaren Fenster bei über 70 Prozent. Insgesamt wird eingeschätzt, dass die Nutzer, gemessen an den hohen Erwartungen an die Modernisierung, mit Lüftungstechnik sehr zufrieden sind, trotzdem kann der Betrieb weiter optimiert werden. Und die subjektiven Nutzerwahrnehmungen sind entscheidend für die Art des zu wählenden Lüftungssystems.

Messungen und Normung

Einer messtechnischen Komponente zur Beurteilung von Raumluftströmungen widmete sich Dr.-Ing. Ralph Krause vom Institut für Luft- und Kältetechnik, gGmbH Dresden. Er stellte vernetzbare 3d-Sensoren vor, die gekennzeichnet sind durch einen Kugelkopf mit sechs Strömungskanälen in drei orthogonal aufeinander stehenden Ebenen, mit jeweils zwei Kanälen. Damit wird ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Anströmgeschwindigkeit und statistischen Signalkenngrößen erreicht. Das Signal des Strömungssensors wird in einer digitalen Auswerteeinheit verarbeitet. Das ganze System ist einfach handhabbar und sein Einsatz erfolgt vorzugsweise bei kleinen Strömungsgeschwindigkeiten und hohem Turbulenzgrad. Abschließend wurden zwei Anwendungsbeispiele (Klimaprüfraum und Großraumbüro) gezeigt.

Einen umfangreichen Überblick zum aktuellen Stand der europäischen und nationalen Normung hinsichtlich Energieeffizienz, Behaglichkeit und Innenraumluftqualität gab Dipl.-Ing. Claus Händel vom Fachverband Gebäude-Klima (FGK). Nach einem Einblick in die Wertevorgaben der sehr umfassenden Normen und ihrer Bearbeitungsziele kam er zu der Schlussfolgerung, dass es eine verwirrend große Vielfalt von Verfahren und Werten für den erforderlichen Luftvolumenstrom gibt, womit die Verantwortung des Planers steigt und die Schaffung nationaler Festlegungen dringend notwendig ist. Der Trend geht unter Berücksichtigung energetischer Parameter zu geringeren Luftvolumenströmen und die Nutzungsprofile spielen bei der Planung eine immer größere Rolle. Man kann aus diesem Grund aber auch erkennen, wie wichtig die fachlich kompetente Mitarbeit bei der Erarbeitung der Normen ist, darf aber auch die Gefahr der Überregulierung nicht unterschätzen.

Die Tagung bot einen Überblick zur Problematik der Luftqualität im Niedrigenergiehaus und es kann empfohlen werden, dass sich die Fachkollegen, die auf diesem Gebiet arbeiten und nicht dabei waren, mit dem Inhalt der Vorträge vertraut machen. Die Referenten aus den verschiedensten Fachgebieten legten dar, welche Aspekte dabei beachtet werden müssen. UA

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ KK E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus KK: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen

Tags