Die Green Building-Bewegung hat jetzt auch die Kältetechnik erreicht. Bereits im Vorfeld der Chillventa 2010 in Nürnberg, stellten fast alle namhaften deutschen Lebensmittelketten ihre Leuchttürme in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit vor. Rewe nimmt für sich in Anspruch, weltweit den ersten Supermarkt zu betreiben, der von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem Nachhaltigkeitssiegel Gold zertifiziert wurde. Lidl stellte seine neue Filialgeneration vor, die im Vergleich zu einem herkömmlichen Lebensmittelmarkt 100 Prozent weniger an Heizenergie und 10 Prozent weniger an Strom benötigt sowie 30 Prozent weniger CO2 emittiert. Der Discounter will es beim Leuchtturmprojekt nicht bewenden lassen und hat angekündigt, bis Ende 2010 allein in Deutschland 100 Lebensmittelmärkte der neuen Filialgeneration Eco2logisch zu bauen. Tengelmann hatte mit seinem Klimamarkt bereits 2008 gezeigt, dass man einen Supermarkt mit 50 Prozent weniger Energie und ganz ohne CO2-Emission betreiben kann.
Auch die Handelshof-Kette gibt sich nachhaltig und setzt beim neuen Cash & Carry-Markt in Hamm auf CO2-Kältetechnik von Carrier. Epta Deutschland meldet, Edeka-Märkte mit R 134 a-Kaskaden auszustatten, die im Tiefkühlbereich mit CO2 arbeiten. Das sei weit wirtschaftlicher als eine komplette Umstellung auf CO2. Aldi Süd betont, bereits seit 1996 bei Neuanlagen auf ozonschädigende Kältemittel zu verzichten. Seit 2010 erhielten alle neuen Aldi-Süd-Filialen nur noch Kühlregale, die mit dem Kältemittel CO2 arbeiten. Dieses Kältemittel habe herausragende Wärmeübertragungseigenschaften und eine hervorragende Energieeffizienz bei einer äußerst geringen Treibhauswirkung, so Aldi.
Zu den Leuchtturmprojekten der ersten Stunde zählt auch der Edeka Aktiv-Markt im schwäbischen Schömberg bei Balingen. Bereits im Jahr 2005 entschied sich die Koch Handelsgesellschaft als Betreiber des Marktes für eine nachhaltige Lebensmittelkühlung. Das von Hafner-Muschler und Zent-Frenger entwickelte geothermische Heiz-/Kühlkonzept basiert auf einem integrierten Kälte-/Wärmepumpenaggregat, das die Abwärme aus der Kälteerzeugung primär für Heizzwecke nutzt bzw. über Erdsonden im Erdreich für den Winterbetrieb einlagert. Typisch für die neue Generation von Lebensmittelmärkten sind folgende Effizienzmaßnahmen (Auswahl)
- Isolierglastüren in den Wandkühlregalen
- Isolierglasabdeckungen auf den TK-Inseln
- Energiesparlüfter und -Ventilatoren in EC-Technologie in allen Bereichen der Kältebereitstellung, der Kälteerzeugung und der Rückkühlung
- Erdsonden für Wärmepumpensysteme und als Teilersatz für Rückkühler
- R 134 a Kälteanlage im Normalkühlbereich mit CO2-Kaskade für die Tiefkühlung, alternativ auch komplette CO2-Kälteanlage
- drehzahlgeregelte Verdichter und Verflüssiger-Ventilatoren
- Anhebung der Verdampfungstemperatur bzw. Absenkung der Verflüssigungstemperatur
- elektronische Expansionsventile
- Bedarfsabtauung
- Taktung der Scheiben-/Rahmenheizung
- Wärmerückgewinnung der Abwärme aus den Kälteanlagen für Heizung, Trinkwarmwasser und Luftvorwärmung der Klimaanlage
- LED-Beleuchtung
- Tageslicht über Fenster und Lichtkuppeln
- tageslichtabhängige Beleuchtung.
Breites Angebot an grüner Kältetechnik
Auffällig schnell und flexibel haben die Anbieter von kältetechnischen Komponenten und Systemen auf die Wünsche der Lebensmittelketten, aber auch auf die Forderungen von anderen gewerblichen und industriellen Kälteanwendern reagiert. Verdichter und Kälteaggregate für CO2 und andere natürliche Kältemittel standen in Nürnberg bei vielen Ausstellern im Mittelpunkt der Messepräsentation. So bietet Bitzer beispielsweise kältemitteloptimierte Hubkolbenverdichter für CO2, NH3 und Propan an, wahlweise auch mit integriertem Frequenzumrichter für den stufenlosen Betrieb. Rohrbündelverflüssiger und Flüssigkeitssammler sind heute ausdrücklich mit dem Hinweis auch für natürliche Kältemittel gekennzeichnet.
Aus Sicht von Bock Messeslogan: responsable refrigeration verantwortungsvolle Kältetechnik gehört den natürlichen Kältemitteln in vielen Anwendungsgebieten die Zukunft. Neben CO2 und NH3 sehen die Marktstrategen von Bock auch Kohlenwasserstoffe wie R 290 (Propan), R 600 a (Isobutan) und R 1270 (Propylen) wieder im Kommen, insbesondere als Ersatz für R 22 und R 502. Bock bietet für den Einsatz von Kohlenwasserstoffen (Hydrocarbons) spezielle HC-Verdichtervarianten an, die aufgrund der Brennbarkeit von Kohlenwasserstoffen sicherheitstechnisch modifiziert sind. Neben der eingebauten Energieeffizienz in den Bock-Verdichtern sieht das Unternehmen in der Koppelung von Verdichter und Frequenzumformer ein erhebliches zusätzliches Energieeinsparpotenzial. Als vorprogrammierte Plug-&-Play-Lösung soll diese Art der Leistungsregelung 25 Prozent und mehr an Energie einsparen.
Um den Anlagenbauern Angst vor den Tücken des modernen Kältemittels (gemeint ist CO2) zu nehmen, hat Danfoss ein spezielles Einspritzsystem im Rahmen der Adap-Cool-Baureihe entwickelt. Es besteht aus einem elektronischen Regler, einem elektronischen Expansionsventil sowie Druckumformer und Temperaturfühler. Das Besondere ist ein speziell auf die Eigenheiten von CO2 angepasster Regelalgorithmus, der extrem schnelle Reaktionszeiten erlaubt.
Großhandel übernimmt Schlüsselrolle
Insgesamt scheint die Nachfrage nach Kälte- und Wärmepumpen-Anwendungen mit Kohlenwasserstoff-Kältemitteln wieder zu steigen. So führt Walter Meier neuerdings ein Allround-Gerät im Programm, das mittels R 290 heizt, kühlt oder Trinkwasser erwärmt. Die Wärmepumpen/Kältemaschinen-Baureihe ES Basis deckt Heizleistungen von 39 bis 252 kW und Kühlleistungen von 42 bis 271 kW ab. Der COP variiert zwischen 4,6 für die kleinste und 4,4 für die große Maschine. Der Wärmepumpen-Flüssigkeitskühler ist so gebaut, dass das Chassis die Vorgaben eines Maschinenraums erfüllt. Kernkomponente ist ein Ex-geschützter Ventilator, der das Gehäuse ständig be- und entlüftet, auch bei ausgeschalteter Maschine.
Auch der Kältegroßhandel sieht weiteren Bedarf an grüner Kältetechnik. So hat der Fachgroßhändler Frigotherm, München/Berlin, sein Portfolio um Kälteanlagen mit CO2, Kohlenwasserstoffen und NH3 nochmals deutlich erweitert. Im Rahmen des Systemangebots werden wichtige Baugruppen von Frigotherm-Mitarbeitern ausgelegt und geplant, von Partnerfirmen produziert und als anschlussfertiges Aggregat an den Kälteanlagenbauer geliefert, der die dazu gehörende Anlage erstellt und gemeinsam mit den Fachleuten von Frigotherm in Betrieb nimmt. Wichtig sei, dass Anlage und Regelung bzw. Automationssystem aus einer Hand komme, so das Unternehmen.
Die Großhandelskette Fischer Kälte-Klima, Stuttgart, bietet dem Fachhandwerk maßgeschneiderte, auftragsbezogene Kälteanlagen für natürliche Kältemittel wie CO2 und NH3 an. Das Portfolio umfasst Standardanlagen für Gewerbe, Gastronomie und Supermarktkälte, außerdem Großkälteanlagen bis über 1 MW Nennkälteleistung sowie verfahrenstechnische Kälteanlagen. Fischer betont, hierbei eng mit dem Fachhandwerk zusammenzuarbeiten. Aktuelles Highlight unter den grünen Kälteanwendungen sei der Bau der größten transkritischen CO2-Kälteanlage der Welt für das neue Kühllager des dänischen Discounters Netto mit 1200 kW Nennkälteleistung für die Normalkühlung und 230 kW für die Tiefkühlung. Speziell für eine große Supermarktkette in der Schweiz hat Fischer eine R 134 a/CO2-Kaskadenverbundanlage realisiert, die aufgrund der subkritischen Ausführung mit kostengünstigen und handelsüblichen Komponenten auskommt. Durch die verbesserten Leistungszahlen (COP) seien solche R 134 a/CO2-Kaskadenlösungen sehr wirtschaftlich, so das Unternehmen. Durch den Wechsel des in der Gewerbekälte sonst üblichen Kältemittels R 404 A zu R 134 a/CO2 könne das Treibhauspotenzial (GWP) von 3 260 für R 404 A auf 1300 für R 134 a gesenkt werden, betont Fischer. CO2 wird mit einem GWP von 1 angesetzt.
Grüne und blaue Komponenten
Auch der Komponentenmarkt kommt durch die anhaltende Nachfrage nach natürlichen Kältemitteln in Bewegung. Der Pumpenspezialist Grundfos stellte eine mehrstufig arbeitende Spezialpumpe für das Kältemittel CO2 vor, die sich für CO2-Hochdruckanwendungen eignet. Damit müsse die Branche nicht mehr mit modifizierten Chemie-Pumpen arbeiten, so Grundfos. Die Besonderheit der Pumpe liege darin, dass sie auch Medien fördere, die nahe am Siedepunkt seien. Das über den Saugstutzen zufließende Kältemittel dürfe deshalb auch in begrenztem Maße Dampfblasen enthalten.
Auch GEA hat ihr CO2-Programm erweitert und bietet mit den Küba Green Line- und Blue Line-Programmen spezielle Luftkühler für CO2- und NH3-Kältemittel an. Konsequent soll jetzt auch die Searle-Produktpalette von GEA für CO2-Systeme ausgebaut werden, wobei diese Baureihe für Drücke bis 75 bar zugelassen sei. Ebenso führt GEA jetzt Plattenwärmeübertrager für CO2-Systeme im Programm, die sowohl für transkritische als auch für subkritische CO2-Kältesysteme zugelassen sind. GEA betont in diesem Zusammenhang die hohe Wirtschaftlichkeit von CO2-Kälteanlagen, da sämtliche Anlagenkomponenten aufgrund des hohen Drucks mit kleineren Leitungsquerschnitten auskommen und wesentlich kompakter gewählt werden könnten. Ab 2011 will GEA mit dem neuen hocheffizienten NH3-Schraubenverdichter Grasso BlueAstrum auf den Markt, der aufgrund seines hohen Teillastwirkungsgrades saisonale Leistungszahlen (ESEER = European Seasonal Energy Efficiency Ratio) von 8,53 erreichen soll.
R 290-Klimagerät in Vorbereitung
Der Trend zu natürlichen Kältemitteln scheint jetzt auch bei den Massenherstellern von Klimageräten angekommen zu sein. So arbeitet die chinesische Gree Electronic Appliance Inc., nach eigenen Angaben größter Spezialhersteller von Raumklimageräten der Welt, an einem Klimagerät mit Propan (R 290) als Kältemittel. Nach Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die das Projekt der Chinesen technisch und wirtschaftlich unterstützt, ist im ersten Schritt eine Produktion von 180000 Geräten pro Jahr geplant.
Auch am oberen Ende der Leistungsskala von Kältemaschinen zeichnen sich gravierende Neuerungen ab. So hat Cofely Refrigeration, Lindau, zusammen mit dem Forschungsinstitut ILK, Dresden, eine Turbokältemaschine für das Kältemittel Wasser zur Serienreife entwickelt. Cofely will nach ausführlichen Tests am Standort Lindau schon Ende 2011 mit dem Wasserturbo Aquaquantum auf den Markt kommen.
Angst vor Zerrüttung des Kältemittelmarktes
Daraus zu schließen, die Ära der synthetischen Kältemittel wäre damit zu Ende, scheint jedoch verfrüht. Wir werden noch viele Jahre mit synthetischen Kältemitteln leben müssen, sagt Cofely-Geschäftsführer Andreas Eyd. Und weiter: Derzeit beobachten wir bei den Herstellern von synthetischen Kältemitteln eher eine Zunahme der Aktivitäten, um die noch vorhandenen negativen Auswirkungen auf das Klima und die Ökologie zu eliminieren.
Fest steht: Das lukrative Geschäft mit den synthetischen Kältemitteln lassen sich Hersteller und Vertriebsfirmen so schnell nicht aus der Hand nehmen. Das zeigt das bevorstehende Verwendungsverbot von R 134 a in Kfz-Klimaanlagen, bei denen nicht das ökologisch korrekte Billig-Kältemittel CO2 das Rennen machte, sondern das teure synthetische Kältemittel R 1234 yf, das bei einem Motorbrand Fluorwasserstoff und Flusssäure bilden soll.
Wer sich ausführlicher über den aktuellen Stand bei den Kältemitteln informieren will, dem sei der sehr informative Kältemittel-Report Nr. 16 von Bitzer empfohlen ( http://www.bitzer.de/ger/products/docu/doc_det/1 ). Knapper formuliert und näher an der Entwicklung des Marktes ist das Strategiepapier Kältemittelsituation heute und in Zukunft von Danfoss (Bestellung über https://www.danfoss.com/en/, unter Literatur/Literaturbestellung). Fazit des Dossiers: Auf globaler Ebene setzt die Industrie mehr und mehr auf natürliche Kältemittel, wenn dies aus technologischer Sicht machbar ist. Synthetische Kältemittel werden in der Kälte- und Klimatechnikindustrie voraussichtlich auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen, dies jedoch in Systemen mit niedrigem Treibhauspotenzial. Danfoss befürwortet einen praktikablen Übergangs- und Ausstiegsplan aus den HFKW-Kältemitteln, um eine gefährliche Zerrüttung des Marktes oder Preisschwankungen während der Übergangszeit zu vermeiden und um die langfristige Herstellung sehr kleiner Mengen an HFKW-Kältemitteln für besondere Anforderungen zu sichern. Danfoss geht davon aus, dass in Europa bereits fünf Prozent aller Supermärkte ganz oder teilweise mit dem Kältemittel CO2 arbeiten.-
Wolfgang Schmid
freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München