Gerade am Beispiel Supermarkt sieht man, wie wichtig dieses Zusammenwirken ist. Auch wenn bei Einzelkomponenten bereits viel erreicht wurde und diese weiter optimiert werden, ein gravierender Technologiesprung ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Geht man jedoch von der Fokussierung auf Einzelaspekte zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise über, sind erheblich energieeffizientere Gesamtsysteme möglich.
Beim Pkw wird niemand auf die Idee kommen, das Gaspedal voll durchzutreten und die Geschwindigkeit durch Bremsen zu regulieren, wie es ein Referent ausdrückte und sei der Motor noch so effektiv. Im Supermarkt wird jedoch häufig noch die Heizung von der Kälteanlage leer gesaugt. Oder völlig auf die Gebäudehülle fixierte Baubehörden fordern Dämmschichtdicken, die bei einer Gesamtbetrachtung gar nicht notwendig sind, insbesondere dann, wenn man die Abwärme der Kälteanlage, die notwendigerweise anfällt, nicht mehr an die Umgebung abgibt, sondern zum Heizen verwendet.
Die Referenten beschäftigten sich daher mit allen Themen rund um den Supermarkt. So ging es nicht nur um Einzelkomponenten, sondern auch um eine Betrachtung der Gebäudehülle, ganzheitliche Regelkonzepte und ein übergreifendes Monitoring. Im Rahmen dieser Berichterstattung ist es allerdings nicht möglich, auf alle Referate aus dem umfangreichen Vortragsprogramm (s. Kasten) ausführlich einzugehen, so dass wir gezwungenermaßen Schwerpunkte setzen müssen. Die Kurzfassungen aller Vorträge finden Sie jedoch im Download-Bereich auf der Homepage des ZVKKW (s. Links am Ende des Beitrags).
Im ersten Vortragsblock gab Dr.-Ing. Rainer Jakobs, DMJ Beratung und ESaK Maintal, einen Überblick über die Struktur des Lebensmittelhandels und die aktuelle Entwicklung Jakobs hatte übrigens das gesamte Vortragsprogramm organisiert. Gemäß seinen Ausführungen hatte und hat der dominierende Trend zu der Marktform Discounter in Europa Einfluss auf die Kälteerzeugungssysteme und die Kühlkette. Der Kältebedarf und damit der Bedarf nach Energieeinsparung werde steigen. Daher stellen die Möglichkeiten durch die Kombination von Kälteerzeugung, Wärmerückgewinnung, Klimatisierung und Heizung ein bedeutendes Potenzial dar.
Verschiedene Vorträge beschäftigten sich natürlich auch mit den einzelnen Komponenten wie Verdichtern, Wärmeübertragern etc. Die Referenten stellten die technischen Weiterentwicklungen und noch vorhandenen Potenziale dar, beklagten aber auch, wie Stefano Filipini, Lu-Ve Contardo, Stuttgart, dass die Betreiber meist das günstigere Produkt kaufen würden, obwohl sich die Mehrinvestition bereits nach relativ kurzer Zeit rechne.
Es wurde jedoch bald klar, dass entscheidende Fortschritte hinsichtlich der Energieeinsparung nur durch eine ganzheitliche Systembetrachtung möglich sein werden.
Der ganzheitliche Ansatz
In einem der ersten Vorträge referierte Dr.-Ing. York Ostermeyer von der ETH Zürich über Sinnvolle Gebäudehüllen für Lebensmittelmärkte und zeigte dabei, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtungsweise ist. Er wies darauf hin, dass die Auslegung der Gebäudehülle oft nur dämmorientiert erfolge, ohne Berücksichtigung der Nutzung und der Anlagentechnik. So sinkt bei einer singulären Betrachtung natürlich der Heizenergiebedarf, wenn man im Haus z.B. zehn Fernsehgeräte laufen lässt. Es ist immer eine Frage der Bilanzgrenzen!
Da jedoch der Gesetzgeber im privaten Bereich, also innerhalb der häuslichen vier Wände, kaum Regelungsmöglichkeiten hat, konzentriert er sich auf die Gebäudehülle. Überträgt man diese Herangehensweise auf einen Supermarkt, ohne die Anlagentechnik und das Nutzungsprofil einzubeziehen, führe dies ohne einen wirklichen Mehrwert zu hohen Mehrkosten für die Dämmung, so Ostermeyer. Letztlich müsse die Gebäudehülle aber nur so dicht sein, dass der Markt mit der Abwärme klimatisiert werden kann und ein guter COP erreicht wird. Ziel muss also eine sinnvolle Verknüpfung von Gebäude und Anlagentechnik unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung sein.
Auch Fritz Nüßle, geschäftsführender Gesellschafter der Zent-Frenger Gruppe in Heppenheim, empfahl, eine reine COP-Betrachtung einzelner Komponenten fallen zu lassen und einen gewerkeübergreifenden Ansatz anzustreben. Die Unternehmensgruppe Hafner-Muschler/Zent-Frenger entwickelte übrigens als eine der ersten eine ganzheitliche Markttechnik für den Lebensmitteleinzelhandel mit einer innovativen Kombination der bekannten Anlagentechniken zur Erzeugung von Gewerbekälte, Heizungswärme, Klimakühlung, Raumluftkühlung und Trinkwassererwärmung.
Nüßle stellte dann auch in seinem Vortrag Ganzheitliche Konzepte und Betriebserfahrungen von Kälte-Wärme-Verbund-Systemen mit innovativer Speichertechnik einige Beispiele und die prinzipielle Herangehensweise vor. Dabei wird die gesamte Immobilie als energetische Einheit betrachtet. Wärmeenergie kommt solange ausschließlich aus der Kälteerzeugung, wie diese Wärme liefern kann. Als zusätzliche Energiequelle steht dann, an sehr kalten Tagen, thermische Energie aus Erdsonden oder Grundwasser (Geothermie) zur Verfügung. Der Untergrund wird im Sommer mit Abwärme aus der Kälteerzeugung thermisch aufgeladen und liefert im Winter die erforderliche Restwärme zur Gebäudeheizung. Die Speicherung von Abwärme in Gebäudebauteilen, Erdsonden und anderen innovativen Speicherträgern ist einer der Schlüssel zum Erfolg. Besondere Bedeutung hat auch das ganzheitliche MSR-Konzept, das enorme Einsparungen erwirkt. Am Beispiel eines Edeka-Marktes wies er eine Stromeinsparung von 33 684 Euro/a (= 46 %) nach.
Zusammenfassend hob Nüßle folgende Punkte hervor:
- Hohes Energiesparpotenzial ist nur mit ganzheitlicher Markttechnik möglich
- Gemeinsames Regelsystem für Kälteerzeugung und Gebäudetechnik als Voraussetzung für ganzheitliche Markttechnik
- Kälte-Wärme-Verbund erzeugt Kälte- und Wärmeenergie und ermöglicht die vollständige Substitution fossiler Brennstoffe
- Geothermie oder Airthermie dient dem Ausgleich der Wärme-bedarfsspitze
- Energie-Monitoring ist wesentliche Grundlage einer fortlaufenden Verbrauchsoptimierung
Monitoring
Zum Thema Datenfernübertragung und -überwachung sprach Gunter Schill, Dresdner Kühlanlagenbau, zwei wichtige Probleme an:
1. Dadurch, dass die Bedeutung dieser Technik in den letzten Jahren stetig zunehme, es aber zahlreiche Hersteller gibt, sei der Kältetechniker gezwungen, je nach Anlage mit verschiedenen Regelungs- und Leittechniksystemen zu arbeiten.
2. Ein anderes Problem stelle die Auswertung der in das Leitsystem einlaufenden Parameter dar, deren Anzahl in großen Supermärkten im fünfstelligen Bereich liegen könne. Eine manuelle und/oder visuelle Auswertung der Parameter ist nicht mehr möglich.
Aus diesen und weiteren Gründen entwickelt die Dresdner Kühlanlagenbau GmbH derzeit ein herstellerunabhängiges Servicemanagementsystem für den Lebensmitteleinzelhandel, das in naher Zukunft auch eingesetzt werden soll. Das System verfügt über einige standardbasierte Schnittstellen (OPC, BAC-net ), wird aber auch in der Lage sein, mit den Komponenten der namhaften deutschen Regelungstechnikhersteller der Kältebranche zu kommunizieren. Schill gab zu dieser Neuentwicklung einen ausführlichen Zwischenbericht.
Hinsichtlich der Auswertung von Anlagendaten stellte Prof. Dr.-Ing. Berthold Stanzel von der Fachhochschule Erfurt eine Online Optimierung der Energieverbräuche vor. Auch er stellte fest, dass in Filialen der Stromverbrauch für z.B. die Klimatisierung, Beleuchtung und Gewerbekälte zwar registriert werde, eine Verbrauchskontrolle oder -analyse meist aber nicht stattfinde.
Mit mathematischen Verfahren der Parameteridentifizierung ist es Stanzel nun gelungen, das energetische Verhalten von Filialen zu erlernen und durch eine mathematische Funktion, die sogenannte Marktfunktion, zu beschreiben. Durch Vergleiche der vorhergesagten und der gemessenen Verbräuche konnte er nachweisen, dass diese Marktfunktion den aktuellen Energieverbrauch richtig vorausberechnet.
Damit ist es nun nicht nur möglich, automatisch die Filialen zu identifizieren, deren Effizienz sinkt bzw. bereits sehr schlecht ist, sondern auch Optimierungsmaßnahmen nachzuweisen. Zudem ließen sich die optimalen Marktfunktionen für den jeweiligen Filialtyp identifizieren und somit feststellen, wie gut oder schlecht eine Filiale an die Beste dieses Typs herankommt. Die Marktfunktion ist das EKG (Elektrokardiogramm) der Filiale; es lassen sich weitere, energetische Krankheitssymptome einer Filiale erkennen, so Stanzel.
Was Prof. Stanzel theoretisch berechnet, setzt Martin Wenzel von der Hörburger AG Control Systems, Erfurt, mit seinem ShopInsight Managementsystem in die Praxis um. Dieses ganzheitlich konzipierte Managementsystem ist für die verschiedensten Bereiche und Marktgrößen ausgelegt und bietet letztlich auch den unterschiedlichen Anwendergruppen allen Komfort von der Einbindung diverser Fabrikate und Datenprotokolle bis hin zur automatischen Datenanalyse. Wenzel berichtete über die Erfahrungen der Hörburger AG mit diesem System, das europaweit bereits für viele Hundert Filialen unterschiedlichster Kunden angewendet wird.
Fazit
Das Symposium gab einerseits den Anlagenbetreibern einen Überblick über die technischen Möglichkeiten und andererseits den Anlagenbauern Hinweise, in welche Richtung sie ihr Geschäftsfeld entwickeln können. So kann es durchaus sinnvoll sein, wenn sich der Kälteanlagenbauer auch mit dem Thema Heizung beschäftigt, weil er damit die Abwärme der Kälteanlage sinnvoll loswerden kann.
Die Vorträge deckten alle Bereiche ab: Selbstverständlich angefangen bei einzelnen kältetechnischen Komponenten (Verdichter, Wärmeübertrager etc.) über die Gebäudehülle bis hin zu Regelkonzepten und ein übergreifendes Monitoring. Obwohl die Referenten natürlich die Lösungen ihres jeweiligen Unternehmens darstellten, ermöglichten der gute Mix und die Vielfalt der Beiträge den Teilnehmern in der Summe einen neutralen Überblick. Schade nur, dass sich einige Firmen diesem Vergleich nicht gestellt haben obwohl deren Vertreter im Auditorium anwesend waren.
Mit seiner ersten größeren Veranstaltung ist es dem ZVKKW gelungen, alle Beteiligten zusammenzubringen und durch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gewerken, der Industrie und den Anwendern ein besseres Gesamtverständnis zu schaffen. Wie zu hören war, soll das Symposium im nächsten Jahr eine Fortsetzung finden. M. S. -
Links
https://www.zvkkw.de/ (Im Download-Bereich finden Sie die Kurzfassungen aller Referate.)