Kälteanlagen in Supermärkten sind schon seit einer ganzen Weile unter Beschuss geraten. Nicht etwa wegen ihres Energieverbrauchs, sondern vielmehr wegen ihrer direkten F-Gase-Emissionen aufgrund von undichten Kälteanlagen. Allerdings kann es recht irreführend und sogar umweltschädlich sein, nur das Kältemittel in Betracht zu ziehen, nicht aber den Energieverbrauch des Systems und andere Parameter wie zum Beispiel das Klima. Tatsächlich gehen durchschnittlich 60 bis 80 Prozent der Klimawirkung von Kälteanlagen über ihren gesamten Lebenszyklus auf das Konto des Energieverbrauchs. Eine neue Studie des britischen Instituts SKM Enviros, die von dem europäischen Industrieverband EPEE in Auftrag gegeben wurde, zeigt deutlich die relative Bedeutung der Kältemittelwahl für die Gesamtklimawirkung eines Kältesystems und macht ein für alle Mal Schluss mit dem Mythos, dass der Einsatz eines bestimmten Kältemittels die universelle Lösung für alle Supermarktanwendungen sein kann.
Vier Modelle, drei Klimazonen
Das hauptsächliche Ziel der SKM Enviros-Studie bestand darin, die Leistung verschiedener Kälteanlagenmodelle, wie sie normalerweise in europäischen Supermärkten installiert sind, miteinander zu vergleichen und zu analysieren. Zu diesem Zweck bestimmte Enviros, gemeinsam mit Experten aus der Branche, vier typische Kältetechnologien: Modell 1 (das Ausgangsmodell: R 404A DX NK / R 404A TK), Modell 2 (R 404A DX NK / CO2-Kaskade DX TK), Modell 3 (R 404A indirekt NK / CO2-Kaskade DX TK)und Modell 4 (transkritisch CO2 DX NK /Kaskade CO2 DX TK).
Als Nennwerte wurden für die vier Modelle eine Kälteleistung von 75 kW für die Normalkälte und von 20 kW für die Tiefkühlung angesetzt. Die Leistung der vier Modelle wurde dann analysiert unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. Dabei wurden drei typische europäische Klimazonen zugrunde gelegt: kalt (Helsinki), EU-Durchschnitt (Straßburg) und warm (Athen).
Warm und kalt
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass alle Systeme mehr Energie in warmen Klimazonen verbrauchen. Während der Energieverbrauch des R 404A-Ausgangsmodells (Modell 1) und der R 404A / CO2-Kaskade (Modell 2) fast identisch sind, verbraucht das indirekte System (Modell 3) grundsätzlich wesentlich mehr Energie als alle anderen Modelle. Zwischen Modell 1, 2 und dem transkritischen CO2-Modell (Modell 4) kommt es zu einer klaren Umkehr der Leistungsfähigkeit bei Umgebungstemperaturen von ca. 15 °C. Das heißt, bei Außentemperaturen unter 15 °C hat Modell 4 klar den geringsten Energieverbrauch aller vier Systeme, ab 15 °C und darüber kehrt sich das Verhältnis um. Dabei ist zu beachten, dass in kalten Klimazonen (Helsinki) die Temperaturen zu rund 80 Prozent des gesamten Jahres unter diesem kritischen Schwellenwert bleiben, während dies in gemäßigten Klimazonen (Straßburg) zu nur 65 Prozent des Jahres der Fall ist und in warmen Klimazonen (Athen) gar nur zu 37 Prozent. Mit anderen Worten: Transkritische CO2-Systeme sind am energieeffizientesten in kalten Klimazonen, in denen sie rund zehn Prozent weniger Energie verbrauchen als typische R 404A DX Systeme und in gemäßigten Klimazonen, in denen der Energieverbrauch um ca. fünf Prozent abnimmt.
In Anbetracht der Tatsache, dass Kältetechnik einen so hohen Anteil am Gesamtenergieverbrauch eines Supermarkts hat, ist es wahrscheinlich, dass Betreiber bei der Wahl des Kältemittels nicht das Treibhauspotenzial (GWP) in den Vordergrund stellen, obwohl dies den Vorteil geringerer direkter Treibhausgasemissionen im Falle von Leckagen bietet, sondern vielmehr den Energieverbrauch und die dafür anfallenden Kosten.
Direkt und indirekt
Neben den indirekten CO2-Emissionen aufgrund des Energieverbrauchs tragen natürlich auch Leckagen konventioneller HFKW-Kältemittel aus Supermarktkältesystemen entscheidend zu den Gesamttreibhausgasemissionen eines Supermarkts bei. Aus einer Erhebung bei verschiedenen großen Supermarktketten in Großbritannien, Frankreich und Deutschland geht hervor, dass Kältemittelleckagen für 15 bis 39 Prozent der Gesamtemissionen bezogen auf CO2-Äquivalente stehen. Das Leckageniveau schwankt dabei stark und hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie zum Beispiel Technologie, Standort, Betreiber und Land. Neue Systeme sind im Allgemeinen dichter als alte, was an besserem Design und geringerer Abnutzung der Systemkomponenten liegt. Die SKM Enviros-Studie geht bei dem R 404A-Ausgangsmodell (Modell 1) von einer durchschnittlichen Leckagerate von 15 Prozent pro Jahr der installierten Kältemittelbefüllung aus, auch wenn dieser Wert in manchen Ländern sicher wesentlich geringer und in anderen wesentlich höher ausfallen kann.
Alle weiteren Treibhausgasemissionen, zu denen Emissionen bei Produktion und Herstellungsprozess sowie bei Installation und Entsorgung am Ende der Lebensdauer der Anlagen zählen, tragen mit weniger als zwei Prozent zu den Gesamtemissionen während des Lebenszyklus aller vier Modelle bei. Auch wenn die indirekten Emissionen aufgrund des Energieverbrauchs mit mehr als 60 Prozent dominieren, spielen direkte Emissionen aufgrund von Kältemittelleckagen eine wichtige Rolle besonders dann, wenn das Kältemittel R 404A mit seinem hohen Treibhauspotenzial (GWP = 3780) eingesetzt wird. Daher hat Modell 1, unabhängig von den Umgebungsbedingungen, grundsätzlich die höchsten Treibhausgasemissionswerte, während Modell 4 die geringsten aufweist. Daraus geht deutlich hervor, dass die Reduzierung der Leckageraten bei HFKW-basierten Systemen von entscheidender Bedeutung ist und hier eine wesentliche Verbesserungsmöglichkeit darstellt.
Ökologisch und wirtschaftlich
Die Ökoeffizienzmethode von SKM Enviros ermöglicht den Vergleich der Gesamtleistung der vier Technologien aus ökologischer und wirtschaftlicher Perspektive. So wurden die Kosten für Energie, Wartung, Kältemittel und Kapital kombiniert zu durchschnittlichen jährlichen Kosten während des Lebenszyklus der Anlage. Die Tatsache, dass Energieverbrauch und Kapital (Investitionen in Verdichterverbundanlagen, Kühlvitrinen und Installation) die größte Auswirkung auf die Gesamtkosten während des Lebenszyklus haben, macht sich besonders bei Modell 4 (transkritische CO2-Anlage) bemerkbar. Sobald jedoch der Markt für CO2-Technologien weiter ausgereift ist, werden die Kosten hierfür sinken. Auf der anderen Seite werden die Kosten für nicht effiziente HFKW-Systeme (besonders alte Anlagen, die anfällig für Leckagen sind) mit der Umsetzung der europäischen F-Gase-Verordnung 842/2006 und deren Anforderungen in Bezug auf Wartung etc. erheblich ansteigen.
Heute und morgen
Bevor die verschiedenen Verbesserungsmöglichkeiten der vier untersuchten Modelle im Einzelnen analysiert wurden, bildete SKM Enviros die Ergebnisse hinsichtlich Gesamtkosten und Gesamtemissionen bezogen auf den gesamten Lebenszyklus mithilfe der Ökoeffizienzgrafik ab. Das Ergebnis fiel wie erwartet aus: Zum heutigen Zeitpunkt und in gemäßigtem Klima (Straßburg) weist Modell 1 (R 404A-Ausgangsmodell) die geringsten Gesamtkosten, aber die höchste Klimawirkung, d. h. Gesamtemissionen auf. Modell 4 (transkritisches CO2) hingegen hat die geringste Klimawirkung (43 Prozent im Vergleich zu Modell 1), aber die höchsten Kosten (+17 Prozent im Vergleich zu Modell 1).
Natürlich sind diese Ergebnisse keineswegs als statisch zu betrachten. Es sind vielmehr weitere Entwicklungen und Verbesserungen zu erwarten. Das zeigt ganz deutlich der zweite Teil der SKM Enviros-Studie: Durch die Reduzierung der Leckagerate, den Einsatz von Kältemitteln mit geringerem GWP-Wert (z. B. R 134a) und effizienterer Technologie sowie durch ausreichend Zeit für die Ausreifung der CO2-Technologie können die Treibhausgasemissionen der Modelle 1, 2 und 4 um 50 bis 60 Prozent reduziert werden, wobei die Lebenszykluskosten um nur rund fünf Prozent ansteigen bei ca. 20 Euro pro Tonne eingespartem CO2. Mit anderen Worten: Die Lücke zwischen den verschiedenen Kältemittellösungen kann geschlossen werden und die Wahl des Kältemittels spielt keine entscheidende Rolle mehr.
Schlüsselfaktor Zeit
Ganz unabhängig davon, ob es um CO2-Technologie oder HFKW-Systeme geht: Die Kälteindustrie und der Lebensmitteleinzelhandel brauchen Zeit, um die Leistung ihrer Systeme zu optimieren und die Klimawirkung der Systeme so weit wie möglich zu reduzieren. Die Studie zeigt, dass dies durch technologische Verbesserungen aller untersuchten Technologien möglich ist. Sei es durch die Optimierung HFKW-basierter Systeme im Einklang mit der F-Gase-Verordnung, sei es durch die Ausreifung CO2- basierter Kälteanlagen. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, dann rücken Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit der untersuchten Modelle so dicht zusammen, dass das Kältemittel selbst kaum mehr einen Unterschied macht. Dabei ist die weitere Verbesserung der Energieeffizienz der Weg nach vorn. Daher ist es an der Kälteindustrie, ihr wahres Potenzial und ihren Willen, die Klimawirkung der Kälteanlagen weiter zu reduzieren, deutlich zu demonstrieren, und am Gesetzgeber, zu verstehen, dass sich Lösungen nicht über das Knie brechen lassen. A.V. -