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Komfortklimatisierung mit Kältemittel Ammoniak

Vorteil statt Abseits

Als die Entscheidung zum R 22-Anwendungsverbot vor einigen Jahren gefallen war, haben sich viele Verantwortliche aus Industrie und Gewerbe mit Alternativen und Ersatzstoffen für dieses halogenierte Kältemittel beschäftigt. Wer sich als Unternehmen dem umweltbewussten Handeln verpflichtet fühlt, kann Flagge zeigen und auf natürliche Kältemittel umsteigen. Im Gegensatz zu synthetischen Kältemitteln bieten sie Investitionsschutz, denn heute gängige Sicherheitskältemittel könnten später aus Umweltgründen verboten werden.

Unabhängig vom R 22-Verbot gab es bei der Münchener Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG schon Mitte des letzten Jahrzehnts Argumente gegen R 22: Die vier mit Chlordifluormethan befüllten Kältemaschinen im obersten Stock des Gebäudes B 11 in der Mühldorfstraße waren regelmäßig störanfällig, zudem war die Ersatzteilversorgung schwierig. Bei den anfänglichen Recherchen spielte eine Neuanlage auf Basis von Ammoniak (R 717, NH3) zunächst keine Rolle. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Franz Tuma aus dem baden-württembergischen Waldenburg, das für Rohde & Schwarz tätig war, entschieden sich die dortigen Verantwortlichen dann doch für Ammoniakanlagen. Tuma, der eine bereits in Betrieb befindliche Anlagen in Selters (Westerwald) kannte, vermittelte Franz Schwarz und Christian Kaiser, den Facility Managern, sowie Josef Bachmair (Vertreter Mikroelektronik/Reinraum) von Rohde & Schwarz einen Besuch bei dem rheinland-pfälzischen Anlagenbetreiber. Der Betriebstechniker des mittelständischen Referenzunternehmens konnte bei den Münchenern die Vorbehalte gegen Ammoniak abbauen und sie von der Effizienz der Anlage überzeugen.

Diese Erkenntnisse wirkten bei der Entscheidungsfindung wie ein Katalysator. Infolgedessen wurden im sechsten Stock von Gebäude B 11 vier Anlagen vom Typ GEA Grasso Ingenium (zwei zur Entfeuchtung und zwei pure Kaltwasser-Aggregate) anstelle der bis dato verwendeten Kaltwassererzeuger aufgestellt. Herzstück der Geräte sind die GEA Grasso V 300 Hubkolbenverdichter mit einer maximalen Kälteleistung von 280 kW. Jedem der Kaltwassererzeuger ist ein luftgekühlter Verflüssiger auf dem Dach zugeordnet. Zur Kühlung benötigte Außenluft wird hier über sechs Axialventilatoren gefördert. Die Verflüssigungstemperatur des Kältemittels NH3, dessen Füllmenge bei einer GEA Grasso Ingenium 45 kg beträgt, wird auf die Außenlufttemperatur abgestimmt. Die Anlage ist besonders wirtschaftlich, da jeder Kaltwassersatz deutlich unter seiner Einsatzgrenze betrieben wird und eine ausreichende Temperaturdifferenz zur Außentemperatur gegeben ist.

Positive Erfahrungen und ­Umweltschutzgedanke

Im Betrieb zeigte sich die neue Kälteanlage von ihrer besten Seite einerseits durch die höhere Energieeffizienz (EER = 4,7), andererseits mit einer bemerkenswerten Wartungsfreundlichkeit der NH3-Chiller: Erst nach 5400 Betriebsstunden ist eine kleine Inspektion nötig. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurden noch im gleichen Jahr erste Überlegungen angestellt, ob und wie weitere Gebäude am Standort in ähnlicher Weise zu kühlen seien.

Dort war die Ausgangssituation eine völlig andere: Während die Umrüstung der Anlage in Gebäude B 11 dank der bestehenden Infrastruktur für das Kaltwassernetz ohne größere Erschließungsarbeiten auskam, waren im neuen Projekt nur Einzelsplit- und Splitanlagen eingesetzt worden. Anlagenstörungen an den R 22-Geräten waren dort keine Seltenheit und sonstige Defekte hatten immer wieder zu Ausfällen geführt.

Neben Sicherheit und Effizienz war der Umweltschutz für uns ein weiteres Argument, die Anlage umzurüsten, resümiert Franz Schwarz. Bei der Umstellung auf einen zentralen Kaltwassererzeuger sind der Ammoniak-Kältekreis und der Kälteträger Wasser strikt voneinander getrennt in Fluren und Räumen fließt nur kaltes Wasser als Medium. Auch die Raumnutzung unterscheidet sich von der in B 11: Rund 30 Prozent der Räume werden für Dauerversuche eingesetzt und erfordern rund um die Uhr eine intensivere Wärmeabfuhr. Weniger Leistung fordern Besprechungs- und Büroräume. Eine besondere Herausforderung war die Anbindung aller Räume an einen ausreichend dimensionierten Kaltwasserkreislauf bei Deckenhöhen von teilweise nur 2,80 m. Knifflig war zudem die Anpassung der F30-Übergänge.

Für maximale Flexibilität war ein effizienter Flüssigkeitskühlsatz nötig, der mit möglichst geringem Platzbedarf die erforderliche Kühlleistung erbringen konnte wie der neue GEA Grasso BluAstrum. Er überzeugt nicht nur mit einem hohen Volllast-Wirkungsgrad (EER: 4,6), sondern auch durch einen hohen M-ESEER-Wert (Modified European Seasonal Energy Efficiency Ratio) von 7,16. Diese Leistungskennzahl berücksichtigt, dass der Kaltwassersatz nur an wenigen Stunden des Tages volle Leistung erbringen muss und meist im Teillastbetrieb läuft. Die Maße des Gerätes mit einem Meter an der Schmalseite passt der GEA Grasso BluAstrum 1000 durch fast jede Tür sorgten dafür, dass der mögliche Aufstellort der Neuanlage heiß diskutiert werden konnte. So entstand die Idee, die Kältetechnik vom Obergeschoss in den Keller zu verlagern, erinnert sich Frank Baur. Der Sindelfinger Planungsingenieur fertigte auf Basis der Ideen von Franz Tuma die Ausführungsplanung für das Projekt an.

Da Ammoniak leichter als Luft ist und das Gas bei einer möglichen Leckage durchs Treppenhaus entweichen könnte, barg die Aufstellung im Keller ein zusätzliches Risiko. Daher stellten die Entscheidungsträger dem Betriebsrat und dem Werksschutz ein überzeugendes Sicherheitskonzept vor und die Entscheidung fiel schlussendlich zugunsten der Kältezentrale im Keller.

Für die Zukunft gerüstet

Um die Kälte von der Technikzentrale zu den Räumen zu transportieren, wurde ein Kaltwassernetz dimensioniert, das in den Geschossfluren mit der Mindest­dimension DN 50 ausgeführt wurde. So stehen alle Raumklimatisierungsmöglichkeiten und Erweiterungen uneingeschränkt offen. Etwa alle vier Meter wurden Rohrabgänge geschaffen, die bei Bedarf mit einem druckunabhängigen Regelventil bestückt werden können. Es besteht aus Differenzdruck-/Durchflussregler und Regelventil und vereinigt zwei Funktionen: hydraulischen Abgleich und automatische Durchflussregelung. Zur exakten Einstellung des Regelventils muss lediglich der Durchfluss, nicht jedoch wie sonst üblich die Pumpen-Förderhöhe und der Widerstand, bekannt sein.

Zur gleichmäßigen Leistungsverteilung wurden zwei Flüssigkeitskühlsätze vom Typ GEA Grasso BluAstrum 1000 angeschlossen. Beide sind samt integrierter ­Prozesssteuerung, Verflüssiger und Kombiverdampfer gut geschützt in Schallschutzschränken untergebracht. Mit neuem, wälzgelagertem Schraubenverdichter, einem Elektroantrieb mit Drehzahlregelung sowie als Standard eingebautem Frequenzum­richter erreicht diese kompakte Kältemaschine eine hohe Effizienz und eine Kälteleistung von 1000 kW. Auch der Service­aufwand wurde verringert und die empfohlenen Serviceintervalle auf 25000 Betriebsstunden (Ölwechsel) verlängert. Ein Hauptservice ist erst nach Erreichen der doppelten Laufzeit nötig. Voll verschweißte Stahlrohre minimieren außerdem die Kälte­mittelverluste.

Sicherheitsvorkehrungen nach EN 378 nötig

Da der über sieben Tonnen schwere Kaltwassererzeuger 145 kg Kältemittel enthält, sind allerlei Sicherheitseinrichtungen nach EN 378 notwendig, um Unfälle zu vermeiden und minimale Lecks sofort anzuzeigen. Dazu gehören die eingangsseitige Gasschleuse mit ppm-Messeinrichtung, Atemschutzmasken, Warnlampen und -hinweise, Notaustaster und nicht zuletzt eine Ammoniak-Neutralisationsanlage. Diese befindet sich ebenso wie die Kälteanlagen, die Schaltschränke und der obligatorische Arbeitsplatz zur Anlagensteuerung im Kältetechnik-Hauptraum. Jeweils eine Abblase-Rohrleitung führt vom Kaltwassersatz zum Bottich der Neutralisationsanlage. Wenn der Druck auf der Niederdruckseite 21 bar übersteigt, öffnet sich ein Sicherheitsventil zum Abblasen des Kältemittels NH3 in den Wasserbottich mit Füllstandsanzeiger.

In einem tiefer angelegten extra Nebenraum wurden die gesamte Verteilung mit den zugehörigen Pumpen sowie sämtliche Überwachungsaggregate wie Differenzdrucksensoren untergebracht. Der 8000-Liter-Pufferspeicher nutzt die gesamte Raumhöhe aus, an der gegenüberliegenden Wand stehen ein Regenwasserspeicher und die dazu erforderliche Wasserenthärtung.

Die Führung der Kaltwasserleitungen wurde baulich über sechs Schächte umgesetzt, von denen jeder für insgesamt 500 kW Übertragungsleistung ausgelegt wurde. Betrieben wird die gesamte Umluftanlage im Sommer mit 6/12 °C Vor-/Rücklauf, im Winter bei 10/16 °C. So lässt sich ein maximales Zeitfenster für die freie Kühlung ausnutzen. Deren Leistung beziffert der Planer Frank Baur mit etwa 500 kW eine fertiggestellte Brunnenwassernutzung soll eine ähnliche Leistung erbringen und gegebenenfalls bald als Redundanz eingesetzt werden. Noch nicht aufgestellt, aber bereits im Anlagenschema eingetragen ist der dritte Kaltwassererzeuger GEA BluAstrum, der dank des geringen Platzbedarfs noch ins Kellergeschoss passt. Wir sind froh, dass die dritte Anlage von Anfang an eingeplant wurde, erklärt Franz Schwarz. Spätestens wenn unser Neubau steht, werden wir die Mehrleistung dringend brauchen.

Dieser Lösungsweg war sicherlich aufwendig, aber Rohde & Schwarz hat sich damit viel Flexibilität geschaffen. Franz Schwarz verweist darauf, dass das gesamte Kaltwassernetz ohne Einschränkungen mit großzügig dimensionierten Rohren aufgebaut ist. Somit können jederzeit an jedem Rohrabgang Geräte angeschlossen werden egal ob für Dauerversuchsraum, Büro oder Besprechungsraum. Als Unternehmen verfolgt Rohde & Schwarz eine Politik der Nachhaltigkeit in allen Aspekten der Unternehmensführung, erklärt Schwarz. Auch die Klimatisierung folgt diesem Kurs; Energieeffizienz und Klimaschutz haben Vorrang. Mit den durchdachten Erweiterungsoptionen und Einsparmöglichkeiten zeigt das Unternehmen, dass Ammoniak als Kältemittel eine weitsichtige, weil umweltfreundliche und nachhaltige Alternative darstellt. -

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