KK: In welchem Maße teilt sich heute der Markt in synthetische/natürliche Kältemittel auf, wie spiegelt sich dies in den Verkaufszahlen entsprechender Verdichter wider und welche Entwicklungen sind zu beobachten? Insbesondere: Welche natürlichen Kältemittel entwickeln sich im Markt überproportional?
Rainer Große-Kracht: Der Markt für Kältemittel ist so differenziert wie die Anwendungen, die sie bedienen, und die Regionen, in denen sie angewendet werden.
In den gewerblichen Kälteanwendungenin Europa, in denen keine gesetzlichen Nutzungsbeschränkungen vorliegen, dominieren die synthetischen Kältemittel. Kältemittel wie CO2 oder Kohlenwasserstoffe nehmen allerdings in der ganzen EU und Australien in gewerblichen Anwendungen kontinuierlich zu und gewinnen je nach gesetzlichen Vorgaben und Qualifikation von Technikern und Servicepersonal stark unterschiedlich an Bedeutung. In industriellen Anwendungen ist und war Ammoniak das Kältemittel der Wahl. Dies wird sich wohl auch in Zukunft nur geringfügig ändern.
KK: Spielen die neuen Kältemittel wie HFO 1234 yf, die ein reduziertes Treibhauspotenzial haben sollen, schon eine Rolle? Lassen sich hier schon Zahlen nennen? Sind im Zusammenhang mit ihnen technische Anpassungen der Verdichter und der anderen Anlagen erforderlich und wenn ja, welche?
Rainer Große-Kracht: Bitzer steht seit der Entwicklung der HFO-Kältemittel in Diskussion mit den Kältemittelherstellern und potenziellen Anwendern in den gewerblichen Einsatzbereichen. Unabhängig von den Entscheidungen der Fahrzeugindustrie gibt es bereits Anwendungen mit HFO, wie zum Beispiel als Schaumtreibmittel. In stationären Anwendungen lässt sich das Treibhauspotenzial durch HFO und HFO-Gemische erheblich reduzieren.
Im Zuge der Bitzer-Kampagne zur Reduzierung der direkten und indirekten CO2-Emissionen aus Supermarktanwendungen, in der wir den Einsatz von Hybridanlagen aus R 134 a und CO2 als energieeffizienteste technisch realisierbare und ökonomisch sinnvollste Variante vorschlagen, haben wir den Einsatz von HFO und HFO-Gemischen untersucht. Sowohl die Materialverträglichkeit als auch die Kälteleistung und Effizienz zeigen gute Ergebnisse. Ein weiterer Vorteil der Hybridlösung ist die langfristige Nachhaltigkeit durch den Ersatz von R 134 a durch HFO-Gemische zur weiteren Reduzierung des Treibhauspotenzials. Nur für R 134 a gibt es in der HFO-Familie Kältemittel, die als echte Drop-in-Varianten ohne Temperaturgleit oder erhebliche Minderleistung angesehen werden können.
Schraubenverdichter für Flüssigkeitskühlsätze und Hubkolbenverdichter für Supermarktanwendungen sind seit einigen Jahren mit HFO-Gemischen in Europa, Australien und Amerika im Einsatz. In einigen Anlagen wurden HFO-Gemische als Drop-in für R 134 a verwendet und laufen bisher ohne Beanstandungen hinsichtlich Verfügbarkeit und Effizienz. Der weitere Verlauf der Langzeitfeldversuche sowie die Frage der Verfügbarkeiten und Preise wird die weitere Verbreitung der HFO-Gemische bestimmen.
KK: Was leisten Sie speziell zur schnellen Versorgung mit Ersatzteilen oder Ersatzkompressoren, wenn mal der Kälteanlagenbauer bzw. sein Kunde in Not gerät, oder reicht die Betreuung durch den Großhandel hier aus?
Albrecht Höpfer: Die beste Lösung für unsere Kunden sind zuallererst zuverlässige Verdichter, auf die er sich in allen Anwendungen verlassen kann. Sollten Ersatzteile benötigt werden, so sind diese über die Bitzer-Ersatzteil-Software Eparts schnell und zuverlässig zu identifizieren. Wir halten alle gängigen Ersatzteile lagernd vor und garantieren eine schnelle Versorgung unserer Kunden. Eine zuverlässige Betreuung mit Ersatzteilen und Ersatzverdichtern garantiert darüber hinaus der Großhandel mit seinen gut sortierten Lagerbeständen.
KK: Wenn Sie die Entwicklung der Verdichter seit Anbeginn betrachten: Wo war der Einstieg von Bitzer und wie hat sich Bitzer etabliert?
Albrecht Höpfer: Bitzer ist mit kleinen offenen Hubkolbenverdichtern vor über 70 Jahren in die Produktion und den Vertrieb von Verdichtern eingestiegen und hat die Entwicklung über halbhermetische Verdichter bis hin zu Schrauben- und Scrollverdichtern begleitet. Dabei sind wir von einem deutschen Hubkolbenverdichterproduzenten zueinem globalen Hersteller von Kolben-, Schrauben- und Scrollverdichtern geworden. In der Zwischenzeit haben wir uns nicht nur zum Technologieführer in unseren Marktbereichen entwickelt, sondern uns auch eine Reputation in Industrie und Politik als kompetenter Partner für innovative Lösungen und Services erarbeitet. Mit über 30 Tochtergesellschaften sind wir stets nahe an den Märkten und an den Kunden mit ihren Wünschen und Problemen.
Albrecht Höpfer: Die beste Lösung für unsere Kunden sind zuallererst zuverlässige Verdichter.
KK: An welchen konkreten Entwicklungen arbeitet Bitzer aktuell? Oder anders: Wo geht die Reise hin?
Rainer Große-Kracht: Bitzer arbeitet kontinuierlich an der Erweiterung und Verbesserung seiner Produktpalette. Im April dieses Jahres wurde die komplette Hubkolbenverdichterfamilie New Ecoline erfolgreich in den Markt eingeführt. In über 60 Verdichtern der Serie wurden neue Ideen verwirklicht und neue Technologien umgesetzt. Das beweist, dass sie weiterhin der Standard im Hubkolbenverdichtermarkt sind. Die wesentlichen Punkte bei der Entwicklung sind die Effizienzsteigerung, die modernste, flexibelste und intelligenteste mechanische Leistungsregelung auf dem Markt und die Flexibilität in der Anwendung mit weiten Einsatzgrenzen und für nahezu alle Kältemittel. Dies sind auch die Themen für weitere Entwicklungen in anderen Produktfamilien. Die Integration von Frequenzumrichtern in die Verdichter ist ein weiteres zentrales Thema der Bitzer-Entwicklung. Die Effizienz herkömmlich zusammengestellter Frequenzumrichter-Verdichter-Kombinationen ist in Volllast und besonders im Teillastbereich nicht ausreichend. Zudem lassen sich die zusätzlichen Kosten für einen Umrichter so nur schwer kompensieren. Hier haben wir mit den neuen Schraubenverdichtern der CSV-Serie für beide Probleme einen ersten Schritt in Richtung auf die Lösung derselben gemacht, und in den nächsten Jahren werden wir den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen.
KK: Wie viele Verdichter wurden 2013 verkauft, wohin, von welcher Art und für welche Einsatzgebiete? Wie groß ist der Exportanteil am Gesamtumsatz und wie viel Prozent der verkauften Verdichter werden in Deutschland gekauft?
Rainer Große-Kracht: In jeder Verdichtertechnologie steckt noch Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz.
Albrecht Höpfer: Bitzer hat 2013 mehr als 300000 Verdichter produziert und verkauft. Es handelt sich dabei überwiegend um Hubkolbenverdichter in offener und halbhermetischer Bauart für stationäre Anwendungen und den mobilen Einsatz in Omnibussen. Dazu kommen Schraubenverdichter hermetischer Bauart für die Eisenbahnklimatisierung, halbhermetische Einheiten für Wasserkühlsätze und offene Verdichter großer Leistung für die Industriekühlung. Seit einigen Jahren baut Bitzer auch Scrollverdichter in horizontaler und vertikaler Ausführung für mobile und stationäre Klimaanwendungen. Der Exportanteil inklusive aller ausländischen Produktionsstätten beträgt weit mehr als 90 Prozent.
KK: Gibt es noch Potenzial, zum Beispiel die Energieeffizienz eines Verdichters zu erhöhen, oder ist die Technik ausgereizt?
Rainer Große-Kracht: In jeder Verdichtertechnologie steckt noch Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz. Dabei ist besonders der Fokus auf die jeweilige Anwendung zu legen. Einen universellen Verdichter für beste Effizienz in allen Anwendungen kann es so nicht mehr geben. Ein Beispiel sind die Bitzer-Scrollverdichter der Boreal Serie, eine spezielle Variante für Systeme mit niedrigen Verflüssigungstemperaturen, zum Beispiel in wassergekühlten Flüssigkeitskühlsätzen. Hier wurden die Verdichter auf beste Effizienz bei niedrigen Druckdifferenzen optimiert, wobei die normale Serie weiter beste Effizienzen für höhere Druckdifferenzen aufweist. In fast allen Anwendungen werden die Anlagen überwiegend in Teillast betrieben. Dies bedeutet je nachdem, ob sich ein oder mehrere Verdichter in einer Anlage befinden, mehr oder weniger Betriebsstunden in Teillast. Im Hinblick auf die Verdichter bedeutet das, dass die Regelungsmethoden immer weiter zu niedrigeren Leistungsstufen erweitert werden müssen und gleichzeitig die Effizienz in diesen Betriebsmodi weiter verbessert werden muss und aus unserer Sicht auch weiter gesteigert werden kann.
KK: Einige der Bitzer-Verdichter sind intelligent. Was bedeutet das genau?
Rainer Große-Kracht: Wenn wir von intelligenten Verdichtern sprechen, meinen wir damit im Wesentlichen zweierlei: Erstens den sinnvollen Einsatz von Elektronik am Verdichter, um die Effizienz der Verdichter, insbesondere auch bei Teillast, in der Anlage zu steigern oder die Zuverlässigkeit zu erhöhen. Dies heißt für den Einsatz von Frequenzumrichtern, die Betriebszustände selbstständig zu erkennen und die effizienteste Betriebsweise zu wählen, die Einsatzgrenzen zu überwachen und mit dem Systemcontroller zu kommunizieren. Dies bedeutet auch, intelligente technische Lösungen zu finden, die es erlauben, die Systemverfügbarkeit zu erhöhen, wie die neue Leistungsregelung der Ecoline-Verdichter, die flexibel und schnell auf die Leistungsanforderungen der Anlage reagieren kann.
Zweitens die Anwendung des Verdichters mit Frequenzumrichter für den Nutzer so einfach wie möglich zu machen. Dies umfasst nicht nur die komplette Verkabelung und Parametrierung der Umrichter und Verdichter, sondern auch das Kommunikationskonzept mit dem übergeordneten System und den Gebäudereglern. Oder im Servicefall die Bitzer-Software BEST zur Analyse und Diagnose der Frequenzumrichterparameter im aktuellen Betrieb und zur Datenaufzeichnung der letzten Monate.
Eines ist uns allerdings wichtig: Intelligenz ist für uns nicht einfach, Elektronik an den Verdichter zu bauen, die nur den Verdichter schützt und abschaltet, wenn die Einsatzgrenzen überschritten sind, weil zum Beispiel ein Lüfter im Verflüssiger ausgefallen ist. Uns geht es mehr um den Schutz der Ware, die vom System gekühlt wird. Daher die Erweiterung der Einsatzgrenzen unserer Hubkolbenverdichter und die immer weiter verbesserte Zuverlässigkeit der Verdichter, auch außerhalb der normalen Einsatzgrenzen. Auch in diesem Bereich wird es von Bitzer weitere Entwicklungen geben, die die Verdichter effizienter machen sowie die Kommunikation und Anwendung erleichtern.
KK: Herr Große-Kracht, Herr Höpfer, vielen Dank für das Gespräch.