Während die bisherige Zwischenprüfung am Ende des zweiten Ausbildungsjahres nur der Feststellung des Kenntnisstands diente und für das Erlangen des Gesellenbriefs praktisch bedeutungslos war (gute Ergebnisse waren bestenfalls Voraussetzung für eine vorzeitige Gesellenprüfung), hat die nun zum gleichen Zeitpunkt stattfindende Gesellenprüfung Teil 1 (GP1) bereits 30 % Gewicht. Bei diesem Teil gibt es keine Bestehensregelung, denn abgerechnet wird erst am Schluss, also nach dem zweiten Teil der gestreckten Gesellenprüfung (GP2), der mit 70 % gewichtet wird. Dann erst greift die Bestehensregelung von mindestens 50 %. In der GP1 gibt es also kein „Durchfallen“, aber gemäß § 37 Berufsbildungsgesetz kann sie auch nicht separat wiederholt werden. Wer also hier unter 50 % bleibt, muss diese Bürde zur GP2 mitschleppen und dort ausgleichen, damit das Gesamtergebnis mindestens 50 % beträgt. Die Einzelheiten der neuen Prüfung zeigt die Übersicht (obere Tabelle auf S. 73):
Wie der Übersicht zu entnehmen ist, kann die Prüfung durchaus mit mangelhaften Leistungen in der schriftlichen Prüfung (2,2 und 2,3) bestanden werden, weil hier die Bestehensregel nur mindestens 30 % verlangt. Wegen der Gesamthürde 50 % muss in diesen Fällen durch entsprechende Leistungen von über 50 % im Praktischen ein Ausgleich erfolgen. Deswegen kann die Entscheidung, ob ggf. eine mündliche Ergänzungsprüfung notwendig ist, erst nach Vorliegen sämtlicher Teilergebnisse getroffen werden. Wegen der komplexen Zusammenhänge hat der Verfasser eine Excel-Tabelle entwickelt, die eine Prognose über zum Bestehen notwendige Ergebnisse in einer ggf. anzusetzenden mündlichen Ergänzungsprüfung gestattet (Download unter https://bbs-springe.de/).
Aufgrund der fünf Bestehensregelungen und möglichen Kombinationen daraus sind zahlreiche Fälle für das Nichtbestehen zu unterscheiden, von denen einige beispielhaft in einem Ausschnitt der unteren Tabelle auf S. 73 dargestellt werden. In dieser Tabelle stehen in der grau unterlegten 2. Spalte die Ergebnisse von GP1, auf die Gesamtgewichtung umgerechnet. Weitere Ergebnisse aus GP2 werden eingetragen und ergeben in der Spalte GP eine Gesamtpunktzahl, die nicht unter 50 liegen darf. Die Tabelle ist so formatiert, dass kritische Ergebnisse rot angezeigt werden. In den letzten vier Spalten wird ggf. angezeigt, welches Ergebnis eine mündliche Ergänzungsprüfung bringen muss, damit die Prüfung bestanden wird.
Fall 1: Alle Teilergebnisse im grünen Bereich, bis auf GP2-Praktisch (48 %). Ein einfacher Fall von nicht bestanden, mündliche Prüfung nicht möglich. Wiederholung der praktischen Prüfung von GP2 erforderlich.
Fall 2: GP2-Praktisch unter 50 %, GP1 mit 9 von 30 Punkten unter 50 % und Gesamtergebnis unter 50 %. Das schlechte GP1-Ergebnis, an sich noch kein Kriterium für das nicht Bestehen, belastet zusammen mit den mangelhaften Ergebnissen in Kälte/Klima (40 %) und Wi-So (40 %). Erst ein GP2-Praxis-Ergebnis von 78 % hätte den Kandidaten gerettet. Ein so hohes Ergebnis erscheint angesichts des schwachen Gesamtbilds unwahrscheinlich. Empfehlung: Wiederholung von GP1 und GP2-Praktisch (zwingend in dieser Reihenfolge).
Fall 3: GP2-Praktisch mit 52 % ausreichend, GP1 mit 18 von 30 Punkten ebenfalls, aber die mangelhafte Leistung in Kälte/Klima (40 %) zieht das Gesamtergebnis von GP2 unter die 50 Prozent-Marke (nur 33,2 Punkte von 35 nötigen). Das Gesamtergebnis liegt zwar mit 51,2 % im grünen Bereich, aber das Bestehenskriterium ist bei GP2 nicht erfüllt. Abhilfe durch eine mündliche Prüfung möglich, in der mindestens 61,6 % erreicht werden müssen. Dadurch würde das Ergebnis von Kälte/Klima auf (2* 40 % + 61,6 %)/3 = 47,2 % steigen und das GP2-Ergebnis gerade auf 35 Punkte entsprechend 50 % angehoben werden (Als Fall 3a eingetragen). Variante: Der Kandidat versagt in der mündlichen Ergänzungsprüfung und erreicht z. B. nur 30 %. Sein Ergebnis in Kälte/Klima sinkt auf (2* 40 % + 30 %)/3 = 36,67 % (Als Fall 3b eingetragen). Wiederholung der schriftlichen Prüfung in Kälte/Klima erforderlich. Dabei müssen mindestens 47,2 % erreicht werden (siehe Fall 3a).
Fall 4: GP2-Praktisch mit 51 % kann die mangelhaften Leistungen in Kälte/Klima und Wi-So nicht kompensieren. Dadurch GP2 mit 28,35 von 70 Punkten unter der 50 %-Marke. Eine mündliche Prüfung von 109,8 % ist nicht möglich. Wiederholung der schriftlichen Prüfung in Kälte/Klima erforderlich.
Fall 5: In GP2 mangelhafte Ergebnisse in Kälte/Klima lassen sich intern durch Wi-So und GP2-Praktisch noch kompensieren, so dass GP2 mit 35,25 von 70 Punkten die 50 %-Hürde schafft. Die zusätzliche Belastung von GP1 (40 % führen zu nur 12 von 30 Punkten) ergibt aber in der Endabrechnung nur 47,25 %. Eine mündliche Ergänzungsprüfung von 73 % kann retten. Dadurch würde das Ergebnis in Kälte/Klima auf (2* 40 % + 73 %)/3 = 51 Prozent steigen und GP2 auf 35 von 70 Punkten (50 %-Kriterium) angehoben (als Fall 5a eingetragen).
Fall 6: Belastet durch ein schwaches GP1-Ergebnis (37 % ergeben 11,1 Gesamtgewichtspunkte) reicht es am Ende nicht für die 50 %-Hürde in GP2 und GP. Eine mündliche Prüfung von 104,2 % ist nicht möglich. Soll jetzt GP1 und GP2 wiederholt werden? Ein Ausprobieren mit der Tabelle zeigt, dass eine Wiederholung von GP2 ausreicht, wenn überall eine Verbesserung erzielt wird, z. B. auf die Werte von Fall 6a. Der Fall 6b zeigt sogar, dass Kandidat 6 sich alleine durch Wiederholen der schriftlichen Prüfung retten kann. Dazu muss er vor allem in Kälte/Klima ordentlich zulegen, aber auch in Wi-So. Ob er sich das zutraut oder lieber auch in GP2-Praktisch versucht draufzusatteln, muss er entscheiden. Der Prüfling muss den Antrag auf Wiederholung stellen, der Prüfungsausschuss kann ihn dabei nur beraten.
Fall 7: Zum Schluss wieder ein einfacher Fall: Der Prüfling hat nur eine große Schwäche in Theorie (Kälte/Klima nur 25 %), wo er den 30 % Mindestwert nicht erreicht. Weil WiSo und GP2-Praktisch mit je 60 % das nicht auf 50 % kompensieren können, zweimal rot. Aber eine mündliche Ergänzungsprüfung von mindestens 46 % kann retten.
Die Entscheidung, ob ggf. auch GP1 wiederholt werden sollte, um die Chancen für ein Bestehen der Abschlussprüfung zu erhöhen, kann das zeigt Fall 6 nicht pauschal am Ergebnis von GP1 festgemacht werden. Falls das schwache Abschneiden in GP1 (unter 50 % bzw. 15 Punkte) eine entscheidende Ursache für das Nichtbestehen darstellt, sollte jedenfalls auch diese Teilprüfung wiederholt werden (Fall 2). In diesem Fall muss in der Reihenfolge stets GP1 zuerst und dann GP2 wiederholt werden. Würde nämlich zunächst GP2 gemacht, ginge der Kandidat gleich wieder in die Endabrechnung. Würde das zum Bestehen nicht ausreichen, müsste jetzt GP1 verbessert werden, die aber darf nicht separat wiederholt werden.
Fazit: Die komplexen Zusammenhänge der Bestehensregelungen der gestreckten Gesellenprüfung bei den Mechatronikern für Kältetechnik machen es Prüfungskandidaten, die nicht bestanden haben, nicht immer leicht, zu entscheiden, welche Teile sie wiederholen sollten. Die Prüfungsausschüsse können sie dabei kompetent beraten, wenn sie eine entsprechende Excel-Tabelle als Prognose-Instrument für mündliche Ergänzungsprüfungen bzw. Wiederholungsempfehlungen nutzen. -
Dieter Schmidt
Stellv. Schulleiter der BBS Springe