Die weltweit tätigen Automobilhersteller, die den europäischen Markt beliefern, stehen vor einer wichtigen Entscheidung bei der Entwicklung künftiger Klimaanlagen für neue Modelle. Denn die EU-Richtlinie zu Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen (2006/40/EG) vom 17. Mai 2006, auch Mobile Air-Conditioning Directive (MAC) genannt, stellt aus Gründen des Klimaschutzes strenge Anforderungen an die in Klimaanlagen für Kraftfahrzeuge verwendeten Kältemittel. Auslöser ist dabei das weltweit zum Standard gewordene Kältemittel R 134a. Dieser teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoff (HFKW) wurde eingeführt, um die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) abzulösen, die die Ozonschicht schädigen. HFKWs wie das R 134a schonen zwar die Ozonschicht, haben aber ein gewisses Potenzial, zum Treibhauseffekt beizutragen (Global Warming Potential, GWP).
R 134a hat dem Intergovernmental Panel on Climate Change 4th Assessment Report (AR4) zufolge für die Dauer von 100 Jahren ein GWP von 1430. Neue Kältemittel in Fahrzeugklimaanlagen müssen aber einen Wert von unter 150 aufweisen. Bis vor Kurzem galt Kohlendioxid mit einem GWP von 1 als der führende Kandidat für die Nachfolge von R 134a. Allerdings hat CO2 einige Nachteile, darunter einen höheren Druck und eine geringere thermodynamische Effizienz. Diese Eigenschaften machen erhebliche Konstruktionsänderungen erforderlich, die ihrerseits zu höheren Kosten führen, Fragen der Zuverlässigkeit aufwerfen und zu weiteren Umstellungskosten für Systemwartung, Werkzeuge und Schulung führen.
Seit geraumer Zeit gilt HFO 1234yf als mögliche Alternative, hat es doch ähnliche thermodynamische Eigenschaften wie das R 134a, aber nur ein GWP von 4, erfüllt also die Anforderungen der EU-Vorschriften bei Weitem. Außerdem baut es kein Ozon ab und hat eine im Vergleich zu R 134a und CO2 exzellente LCCP-Einstufung (Life Cycle Climate Performance), die darauf hinweist, dass HFO 1234yf beim Einsatz in Kraftfahrzeugklimaanlagen die geringsten Auswirkungen auf die Erderwärmung hat.
Die LCCP wird mit Hilfe der Life Cycle Climate Protection Analysis (LCCPA) ermittelt, einer Analyse sämtlicher klimarelevanten Auswirkungen eines Kältemittels von der Herstellung über den Einsatz bis hin zur Entsorgung. Diese Analysemethode ist also noch aussagekräftiger als der GWP-Wert und wird auf der ganzen Welt als geeignet zur Bewertung der Umweltfreundlichkeit mobiler Klimaanlagen anerkannt.
Die exzellente Einstufung von HFO 1234yf mittels dieser grundlegenden Analyse zeugt für die Umweltfreundlichkeit der neuen Substanz. So könnte sie nicht nur für den Einsatz in mobilen Anlagen wichtig sein, sondern könnte auch helfen, eventuelle zukünftige Regulierungen für stationäre Anlagen zu erfüllen.
Thermodynamische Eigenschaften
Die thermodynamischen Eigenschaften von HFO 1234yf gleichen denen von R 134a (siehe Tabelle 1). Siedepunkt, kritischer Punkt sowie Flüssigkeits- und Dampfdichte sind mit denen von R 134a vergleichbar. Der Dampfdruck ist bei Temperaturen unter 25 °C etwas höher und bei Temperaturen über 60 °C etwas niedriger, woraus sich ein niedrigeres Kompressionsverhältnis und eine höhere Kompressoreffizienz ergeben können.
Toxizität
Gemäß den OECD-Richtlinien wurden ausführliche Tests zur Toxizität mit HFO 1234yf durchgeführt. Alle Tests auf akute Toxizität wurden abgeschlossen und darüber hinaus eine 13-wöchige Inhalationsstudie und Entwicklungstests an Ratten mit vielversprechenden Ergebnissen absolviert. Obwohl ein Ames-Test eine leichte Aktivität zeigte, haben nachfolgende In-vitro-Tests, darunter Mikronukleus- und UDS-Tests (Unscheduled DNA Synthesis) an Mäusen und Ratten keine Aktivität gezeigt. Dies deutet darauf hin, dass HFO 1234yf nicht mutagen ist. Die Ergebnisse von Umwelttests mit Daphnien, Fischen und Algen gleichen denen von R 134a.
Umwelteigenschaften
Die chemischen Wirkungen von HFO 1234yf in der Atmosphäre wurden experimentell bewertet (Nielsen et al. 2007). HFO 1234yf hat kein Ozonabbaupotenzial. Die Lebensdauer in der Atmosphäre wurde mit 11 Tagen im Gegensatz zu 14 Jahren bei R 134a ermittelt. Es wurde ein GWP von 4 ermittelt, im Vergleich zu 1 430 bei R 134a. Auch die atmosphärisch wirksamen Abbauprodukte gleichen denen von R 134a, es entstehen keine Produkte mit einem hohen GWP.
Entflammbarkeit
HFO 1234yf zeigte beim ASTM-E681-04-Test untere und obere Zündgrenzen und wurde deshalb als brennbar eingestuft. Allerdings weisen die Ergebnisse auf eine geringe Entflammbarkeit hin, wenn man die untere Zündgrenze mit den Zündgrenzen anderer Kandidaten vergleicht (siehe Tabelle 2). Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Energie, die aufgewendet werden muss, um das Kältemittel zu entzünden, also die minimale Zündenergie. Bedeutend ist auch das Schadenspotenzial bei einer Entzündung, gemessen an der Brandgeschwindigkeit.
Von den relevanten Vergleichsstoffen in Tabelle 2 weist HFO 1234yf den kleinsten Abstand zwischen den unteren und oberen Zündgrenzen auf. Dies deutet auf einen kleineren Entflammbarkeitsbereich hin, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung sinkt. Die minimale Zündenergie (MIE) wurde unter Verwendung von ASTM E-582 (ASTM, 2007) bestimmt, wobei ein 1-Liter-Gefäß und Metallelektroden zur Erzeugung eines Funkens mit bis zu 1 000 mJ verwendet wurden.
Propan und R 152a haben sehr niedrige MIE-Werte. Das bedeutet, es gibt mehr Zündungsquellen, die diese Kältemittel entzünden könnten. Da R 32, Ammoniak und HFO 1234yf langsamer verbrennen, wurde ein 1-Liter-Gefäß als zu klein für den Test dieser Kältemittel befunden, da die Gefäßwände möglicherweise einen Einfluss auf ein Erlöschen der Flamme haben könnten. Deshalb wurden diese Kältemittel in einem 12-Liter-Gefäß erneut getestet. Bei 5 000 mJ hat sich HFO 1234yf nicht entzündet. Bei 10 000 mJ erfolgte eine Entzündung. Dieser Wert liegt bedeutend höher als bei R 32 (das sich bei Werten zwischen 30 und 100 mJ entzündet) und bei Ammoniak (das sich bei Werten zwischen 100 und 300 mJ entzündet), obwohl die beiden Stoffe als schwerentflammbare Kältemittel gelten. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es bei HFO 1234yf weniger potenzielle Entzündungsquellen gibt.
Schließlich gibt die Brandgeschwindigkeit Aufschluss über mögliche Schäden bei einer Entzündung. HFO 1234yf wurde in einem Kugelgefäß getestet (Takizawa 2007); dabei wurde bei Raumtemperatur eine Brandgeschwindigkeit von 1,5 cm/s ermittelt. Dies ist ein sehr niedriger Wert im Vergleich zu Propan und R 152a, und er ist niedriger als bei R 32 und Ammoniak, was darauf hinweist, dass HFO 1234yf ein niedriges Schadenspotenzial bei einer Entzündung hat.
Diese Entflammbarkeitsergebnisse werden als Faktoren bei der Risikoeinschätzung verwendet und sollen bestätigen, dass HFO 1234yf sicher in Direktexpansionssystemen ohne Sekundärkreislauf verwendet werden kann. Außerdem wurde ein Funkenzündtest unter Verwendung einer 12-Volt-Autobatterie durchgeführt, die mit Elektroden in einem 12-Liter-Gefäß mit HFO 1234yf/Luft-Gemischen zwischen 8 und 9 % (dem entzündungsanfälligsten Bereich) verbunden war. Bei 20, 60 und 80 °C wurden Funken durch die 12-V-Batterie erzeugt. Es gab keine Entzündung von HFO 1234yf. Zum Vergleich wurde ein 20%iges Ammoniak/Luft-Gemisch getestet, das sich sowohl bei 20 als auch bei 60 °C entzündete.
Verträglichkeit mit anderen Stoffen
HFO 1234yf wurde mit Hilfe des ASHRAE Standard 1997-99 (ASHRAE, 1999) auf thermische Stabilität getestet. Die Tests wurden mit Kältemittel und entweder Polyalkylenglykol (PAG) oder Polyolester (POE)-Schmiermittel und variierenden Wasserkonzentrationen von unter 100 ppm bis zu 10 000 ppm durchgeführt. Kältemittel und Schmiermittel wurden in versiegelte Glasröhren mit Aluminium-, Kupfer- oder Karbonstahl-Coupons gegeben und bei 175 °C oder 200 °C zwei Wochen lang gelagert. Die Resultate zeigten, dass HFO 1234yf thermisch stabil ist und an den Metallen keine bedeutsame Korrosion erkennbar war.
Ferner wurden HFO 1234yf und R 134a auf Kompatibilität mit den typischen, in Autoklimaanlagen verwendeten Kunststoffen und Elastomeren getestet. Allgemein verwendete Kunststoffe und Elastomere wurden in versiegelten Röhren mit HFO 1234yf und PAG-Schmiermittel verschlossen und zwei Wochen bei 100 °C gelagert. Die Kunststoffe wurden nach 24 Stunden auf Gewichtsverlust und Aussehen geprüft. Die Elastomere wurden unter Verwendung eines Durometers auf lineare Ausbuchtungen, Gewichtszunahme und Härte geprüft.
Die Resultate spezieller getesteter Kunststoffe und Elastomere haben gezeigt, dass sich HFO 1234yf sehr ähnlich zu Kunststoffen und Elastomeren verhält wie R 134a. Das deutet darauf hin, dass viele in den gängigen Klimaanlagen verwendete Materialien mit HFO 1234yf kompatibel sein könnten. Dies wurde auch durch eine umfassende Bewertung durch ein Konsortium der Automobilindustrie bestätigt, das speziell für die Prüfung der Kompatibilität von HFO 1234yf mit verschiedenen in Autoklimaanlagen verwendeten Materialien eingerichtet wurde. Das Konsortium, das die Kompatibilität der gegenwärtig verwendeten Materialien mit HFO 1234yf untersuchte, arbeitete unter dem Dach der SAE (Society of Automotive Engineers) und setzte sich aus Experten eines Großteils der Fahrzeughersteller und Fahrzeugzulieferer zusammen. Auch diese Ergebnisse zeigten, dass es keine grundlegenden Permeations- und Kompatibilitätsprobleme bei der Verwendung der gängigen Materialien gab. Abb. 5 zeigt vergleichende Permeationsresultate zwischen R 134a und HFO 1234yf bei Verwendung eines gängigen Schlauches.
Systemleistung
Die Systemleistung wurde mit einem Laborversuchsgerät unter Verwendung von Komponenten aus Fahrzeugklimaanlagen eines Kleinwagens gemessen. Das voll ausgestattete Laborgerät wurde in einer Klimakammer installiert, um Temperatur und Luftfeuchtigkeit variieren zu können. Es wurden Basisleistungstests mit R 134a durchgeführt und dann das Kältemittel durch HFO 1234yf ersetzt. Weitere Systemänderungen wurden nicht vorgenommen, auch keine Justierungen am Expansionsventil (TXV). Die Testmatrix deckte das ganze Spektrum des Betriebes eines Kraftfahrzeuges ab und ist durch den aktuell vorgeschlagenen SAE-Standard (SAE J2765) definiert.
Die Ergebnisse für die Kühlkapazität und Energieeffizienz (Leistungszahl, COP) im Vergleich zu R 134a sind in Bild 3 dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kühlkapazität und Energieeffizienz nur um etwa 48 % von R 134a abweichen. Es wird erwartet, dass durch kleinere Systemoptimierungen, beispielsweise eine Anpassung des Expansionsventils und einen größeren Durchmesser der Ansaugleitung, signifikante Verbesserungen zu erzielen sind.
Life Cycle Climate Performance (LCCP)
Der Ausstoß an CO2 oder einer äquivalenten Menge anderer Treibhausgase über den gesamten Lebenszyklus, auch Life Cycle Climate Performance, kurz LCCP, genannt, wird sehr häufig in der Fahrzeugklimaindustrie verwendet und hat sich zu einem nützlichen Hilfsmittel für das Verständnis der gesamten Auswirkungen eines Produkts auf die Umwelt entwickelt über das direkte Erderwärmungspotenzial (GWP) des Kältemittels hinaus. Es handelt sich dabei um eine Analyse der Umweltauswirkungen für alle Stationen des Produktlebenszyklus, inklusive Herstellung der Komponenten, Systembetrieb und endgültiger Entsorgung. Das Modell GREEN-MAC-LCCP 2007 wurde als Grundlage für diese Analyse verwendet. Obwohl es verschiedene andere Modelle für LCCP-Berechnungen für Fahrzeuge gibt, wurde dieses Modell wegen seiner Zuverlässigkeit und der verfügbaren Datenmenge ausgewählt. Die Daten aus dem im vorherigen Abschnitt beschriebenen Laborversuch wurden als Modell-Input zur Berechnung von LCCP-Werten für HFO 1234yf im Vergleich zu R 134a an verschiedenen Orten, darunter kühlere und wärmere Klimazonen, verwendet. Die Resultate in Bild 4 zeigen eine durchschnittliche LCCP-Reduktion von 15 % beim Übergang von R 134a zu HFO 1234yf und bis zu 27 % Reduktion in Teilen von Europa. An jedem ausgewerteten geografischen Ort wurde eine LCCP-Reduktion erzielt.
Fazit
HFO 1234yf hat ein hervorragendes Potenzial als neues Kältemittel mit niedrigem Erderwärmungspotenzial für Fahrzeugklimaanlagen und potenziell auch für stationäre Anwendungen. Es weist ausgezeichnete Umwelteigenschaften auf, die nachhaltige positive Auswirkungen auf den Klimawandel möglich machen und sowohl gegenwärtigen als auch künftigen Gesetzen zum Klimaschutz entsprechen. Aussagekräftige Toxizitätstests wurden mit zukunftsweisenden Ergebnissen abgeschlossen. HFO 1234yf ist mit der bestehenden R 134a-Technik kompatibel, wodurch ein reibungsloser und kostengünstiger Umstieg möglich sein sollte. Die schwere Entflammbarkeit von HFO1234y hat dessen großes Potenzial beim Einsatz in Direktexpansionssystemen aufgezeigt. Die Society of Automotive Engineers (SAE), die die Mehrheit aller Fahrzeughersteller der Welt repräsentiert, hat nach umfassender Bewertung verkündet, dass HFO 1234yf die beste Alternative für den Ersatz von R 134a in Fahrzeugklimaanlagen ist. -
Quellen:
ASHRAE Standard 97-99, 1999, Sealed Tube Thermal Stability Test, American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers, Inc., Atlanta, GA.
ASTM E582-07, 2007, Standard Test Method for Minimum Ignition Energy and Quenching Distance in Gaseous Mixtures, American Society for Testing and Materials (ASTM), West Conshohocken, PA.
ASTM E681-04, 2004, Standard Test Method for Minimum Ignition Energy and Quenching Distance in Gaseous Mixtures, American Society for Testing and Materials (ASTM), West Conshohocken, PA.
GREEN-MAC-LCCP© model 2007. http://www.epa.gov/cppd/mac/.
Nielsen, O.J. et al., 2007, Atmospheric Chemistry of CF3CF=CH2, Chemical Physics Letters, vol. 439, p. 1822.
Rüdiger Fleischer,
Sales Manager Northern Europe, Honeywell Fluorine Products Europe B.V., Amsterdam