Energiesparen ist das zentrale Thema in der Öffentlichkeit. Dramatisch steigende Energiekosten und die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels rücken den Energiebedarf für unsere Gebäude in den Mittelpunkt der Betrachtung. Während man noch vor zwei Jahren fast keine energetischen Beschränkungen für Komponenten und Systeme der Lüftungs- und Klimatechnik kannte, so vergeht derzeit kaum ein Monat, in dem nicht neue Ideen, Lösungen und auch Beschränkungen diskutiert werden. Grundsätzlich ist dies auch ein richtiger Weg, denn insbesondere die Klima- und Lüftungstechnik bieten sehr viele besonders energieeffiziente Technologien, die allerdings in der Vergangenheit aus Kostengründen nur wenig zum Einsatz kamen.
Es ist jedoch in der Politik und auch bei einzelnen Planern und Architekten eine andere Tendenz festzustellen, die Energieeinsparungen durch Verzicht auf Behaglichkeitskriterien zu erreichen. Dabei zeigt sich hier in der breiten Praxis der Nutzer ein genau gegenläufiger Trend. Aus Gründen der Energieeinsparung sollten eigentlich die Raumtemperaturen im Winter gesenkt und im Sommer höher sein, um den Aufwand für die Heizung und Kühlung zu minimieren. Tatsächlich ist jedoch die Tendenz genau umgekehrt. Die winterlichen Raumtemperaturen nehmen zu (Bild 1 und 2) und die im Sommer tolerierten Raumtemperaturen nehmen ab. Steigende Absatzzahlen von Klimasystemen in Europa belegen diese Entwicklung (Bild 3).
Analog verhält es sich mit den Parametern Raumluftfeuchte und Luftfilterung. Die Einhaltung von Grenzwerten an Staub und Feinstaub auch in der Raumluft (warum soll Raumluft schlechter sein als Außenluft) fordert effizientere Filtertechniken. Der unter energetischen Aspekten wesentliche Parameter ist jedoch in Mittel- und Nordeuropa der Außenluftvolumenstrom. Im Folgenden sollen diese wichtigen Parameter im Zusammenhang mit den energetischen Anforderungen etwas beleuchtet werden. Doch zunächst sollen die allgemeinen Randbedingungen diskutiert werden.
Zielvorgaben
Das Ziel der Lüftungs- und Klimatechnik (nebenbei gesagt gilt dies genauso für die Beleuchtung und die Heizungstechnik) ist, dem Nutzer behagliche Gebäude mit geringem Energiebedarf zu schaffen. Die einzuhaltenden Ziele und die notwendigen Technologien muss man deshalb differenziert betrachten; dabei sind die Aufgaben nicht immer widerspruchsfrei zu lösen.
Die energetisch richtige Forderung nach einer dichten Gebäudehülle zur Verminderung der unkontrollierten Lüftungswärmeverluste hat zur Folge, dass zielgerichtete lüftungstechnische Maßnahmen notwendig werden. Ein besonders hoher Wärmedämmstandard oder die gezielte Nutzung solarer Wärmegewinne kann zur Folge haben, dass die Gebäude unter der Beachtung der möglichen Nutzerszenarien auch im Sommer nicht mehr auskühlen können. Energieeffiziente Gebäude dürfen demnach nicht nur im Hinblick auf einzelne Raum- und Komfortparameter geplant werden, sondern es müssen alle Aspekte gleichrangig in die Bewertung und in den Entwurf einfließen.
Dabei fordert schon die Europäische Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) in Artikel 1, dass in den Methoden zum Nachweis der Gesamtenergieeffizienz die jeweiligen außenklimatischen Anforderungen sowie die Anforderungen an das Innenraumklima Berücksichtigung finden müssen. Dies bedeutet, dass die für den Raumkomfort und die Behaglichkeit wichtigen Größen Raumlufttemperatur, Raumluftfeuchte und die Raumluftqualität (in der Praxis meist der Außenluftvolumenstrom) bei der energetischen Bewertung von Gebäuden gleichrangig betrachtet werden müssen. Dieser Umstand wurde im Rahmen der mandatierten CEN-Normung zur EPBD schon frühzeitig berücksichtigt und im Rahmen der DIN EN 15251 umgesetzt.
Die DIN EN 15251 regelt im Zusammenhang mit der Europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) noch einen weiteren Aspekt, der in Deutschland aber mit der Energieeinsparverordnung (EnEV 2007) nicht in vollem Umfang umgesetzt wurde. Der Energiebedarf von Gebäuden kann nicht ohne eine gleichzeitige Bewertung des Raumkomforts bewertet werden. Es macht keinen Sinn, den Energiebedarf von Gebäuden gleicher Nutzung zu vergleichen, wenn diese einen unterschiedlichen Außenluftbedarf oder unterschiedliche Raumtemperaturen und Feuchte sicherstellen müssen. In dieser Norm werden Verfahren definiert, wie der Raumkomfort ermittelt und bewertet werden kann.
Temperaturen
Erstmalig definiert die DIN EN 15251 neben den einzuhaltenden Grenzwerten für gekühlte Gebäude von 25,5 bis 27°C auch zulässige Temperaturen für Gebäude ohne maschinelle Kühlung (Bild 4). Befragungen über die von den Nutzern bevorzugten Zimmertemperaturen (Bild 5) zeigen das für den Klimaingenieur keineswegs überraschende Bild, dass die Temperaturen in der Heizperiode in den Aufenthaltsräumen ca. 21 bis 23°C betragen sollten. Dies deckt sich weitgehend mit den wissenschaftlichen Untersuchungen, nach denen die optimale Temperatur für die meisten Menschen unter normaler Aktivität und Bekleidung ca. 2324°C beträgt.
Nichtwohngebäude nach EnEV
Im Rahmen der Bewertung nach EnEV wird ein sogenanntes Referenzverfahren angewendet. Wenn man von der Forderung ausgeht, dass der einzuhaltende Raumkomfort in die Bewertung einfließen muss, dann müssen Referenzgebäude und tatsächliches Gebäude im Hinblick auf diese Behaglichkeitsparameter gleichwertig sein.
Die EnEV 2007 ist diesem Grundsatz bis auf die folgenden Ausnahmen gefolgt. Für die Nutzungsarten
- Büro (Nutzungsarten 13)
- Klassenzimmer (Nutzungsart 8)
- Bettenzimmer (Nutzungsart 10)
- WC, Neben- und Verkehrsflächen (Nutzungsarten 1620)
- Turnhallen (Nutzungsart 31)
darf im Referenzfall der Kühlbedarf nicht angerechnet werden. Er ist gleich null zu setzen. Bei der Veränderung von bestehenden Gebäuden und bei der Erstellung von Energieausweisen kann der Referenzwert mit Kühlung jedoch als Vergleichswert aufgenommen werden.
In der Praxis werden demnach voraussichtlich im Energieausweis von klimatisierten Bürogebäuden drei Kennwerte stehen müssen:
- Referenzbedarf ohne Kühlung
- Referenzbedarf mit Kühlung
- tatsächlicher Bedarf
Diese von der EnEV geforderte Vorgehensweise ist physikalisch falsch, man vergleicht den Energiekennwert eines gekühlten Gebäudes mit dem Referenzwert eines ungekühlten Gebäudes ohne Rücksicht auf die jeweils einzuhaltenden Temperaturen. Der Sinn dieser Sichtweise soll darin liegen, die Kühlung von Gebäuden nicht durch die EnEV zu fördern und den Architekten zu veranlassen Gebäude mit geringen sommerlichen Lasten zu bauen. Man vergisst aber dabei die folgenden wesentlichen Aspekte:
- Die inneren Raumlasten entstehen durch die Nutzung.
- Die äußeren Lasten entstehen durch die Gebäudehülle.
Man muss Ursache und Wirkung im Zusammenhang sehen. Wenn man die Kühlung gleich Null setzt, dann gibt es nichts mehr zu verbessern (jedenfalls nicht im Referenzfall). Weniger als Null geht nicht. Welche Temperaturen dann auch immer im Gebäude herrschen.
Die Instrumente der EnEV (DIN V 18599 usw.) sind nicht dazu geeignet, die voraussichtlichen Raumtemperaturen zu bewerten. Wenn man den Architekten dazu bewegen will, Gebäude mit geringen äußeren Kühllasten zu bauen, dann muss man auch diese Parameter benennen und begrenzen. Die geplante Fassung der EnEV 2009 hat diesen Zusammenhang nur teilweise berichtigt, indem nun 50% der notwendigen Kühlenergie im Referenzfall angerechnet werden können. Wiederum nicht konsequent, denn gleichzeitig hat man sogar die einzuhaltenden Randbedingungen für Ganzglasfassaden gelockert. Zusätzlich hat man den anzusetzenden Referenzbedarf für die Kühlung von Wohngebäuden von bisher 100% komplett gestrichen. Für den einen Fall etwas mehr zulassen und für den anderen Fall etwas weniger oder streichen. So ist jedenfalls keine ganzheitliche Bewertung mit allen Randbedingungen, die im Gebäude auftreten, möglich.
Raumluftfeuchtigkeit
Bezüglich der einzuhaltenden Werte der Raumluftfeuchtigkeit ist die wissenschaftliche Basis etwas dünner. Allgemein werden relative Feuchtigkeiten zwischen 40 und 60% als optimal empfunden. Kurzzeitige Abweichungen auf 30% und geringer werden toleriert. Diese Erfahrungswerte decken sich mit den Bereichen der Raumluftfeuchtigkeit, bei denen biologische Organismen die geringsten Wechselwirkungen mit dem Menschen eingehen (Bild 6).
Höhere Werte werden weniger gut toleriert, weshalb man als Obergrenze im Allgemeinen ca. 1112g/kgtrockeneLuft als Grenzwert angibt. Bezüglich der energetischen Betrachtung im Rahmen der EnEV gibt es derzeit keine Begrenzungen. Der Energiebedarf für die Befeuchtung wird in jedem Fall als Referenz zugelassen. Dies ist zwar physikalisch und physiologisch richtig, aber man könnte hier etwas mehr Anreize zur Förderung effizienterer Technologien stellen.
Raumluftqualität
Einer der wichtigsten Parameter für die Behaglichkeit und nicht zu vergessen die Leistungsfähigkeit der Nutzer ist die Raumluftqualität. Leider hat der Mensch mit seiner Nase nur ein im technischen Sinne unzureichendes Messinstrument zur Verfügung und eine klare Bewertung fällt schwer. Die einzige einigermaßen planbare Größe ist der Außenluftvolumenstrom, wobei man unterstellt, dass die (sensorische, olfaktorische) Qualität der Außenluft der Vergleichsmaßstab ist.
Allgemein akzeptiert ist heute die Festlegung des Außenluftvolumenstromes nach einer gebäudeabhängigen und einer personenabhängigen Komponente (DIN EN 15251, Bild 7). Für den praktischen Gebrauch in einer frühen Planungsphase ist dieser Ansatz jedoch schwer zu greifen. Deshalb hat man in der EnEV und der DIN V 18599 den Ansatz eines flächenabhängigen Mindestaußenluftstromes gewählt. Dieser Wert ist für den energetischen Nachweis im Referenzfall zu verwenden, wenn
- in einer frühen Planungsphase keine anderen Daten vorliegen,
- die geplante Nutzung genau dem dokumentierten Nutzungsprofil entspricht und
- auch wenn der geplante Luftvolumenstrom aus der Kombination der thermischen Bedingungen im Raum und der gewählten anlagentechnischen Lösung größer ist (z.B. Nur-Luft-Klimaanlagen, Zweikanalanlagen, VVS-Klimaanlagen).
Er ist aber entsprechend nach oben anzupassen, wenn
- die Belegungsdichte der Personen und
- nutzungsspezifische Randbedingungen (z.B. Labore, Druckhaltungen, Reinheitsklassen usw.)
einen höheren Außenluftvolumenstrom erfordern. Die derzeitige Interpretation der EnEV ist aber diesbezüglich nicht einheitlich und der Planer ist aufgefordert, diese Sachlage aus planerischer Sicht darzustellen und hierzu eine Dokumentation als Anlage zum EnEV-Nachweis zu erstellen (Bild 8).
Mit den Methoden der DIN EN 15251 kann man sehr einfach den Außenluftbedarf, z.B. für eine Schule oder einen Kindergarten festlegen (Bild 9). Unterstellt man Gruppengrößen von 20 Kindern plus Lehrer, dann ist der personenabhängige Anteil in einer Schule und einem Kindergarten je nach Alter ca. 440 bis 700m³/h. Leider werden in der derzeitigen Planungspraxis immer wieder Fragen gestellt, ob in diesem Zusammenhang ein Außenluftwechsel von n=0,31/h für ein Passivhaus ausreichend sei. Eigentlich sprechen die hier beispielhaft dargestellten Zahlen für sich selbst. Der Energiebedarf darf nicht zum allein bestimmenden Maßstab werden.
Die Festlegung des notwendigen Außenluftvolumenstromes (Referenzbedarf nach EnEV) kann nach Meinung des Autors entsprechend dem vorher vorgestellten Prinzip erfolgen, denn die EnEV sagt in Abschnitt 2.3 zur Zonierung:
Für Nutzungen, die nicht in DIN V 18599-10: 2007-02 aufgeführt sind, kann die Nutzung Nr. 17 der Tabelle 4 in DIN V 18599-10: 2007-02 verwendet werden. Abweichend von Satz 1 kann eine Nutzung auf der Grundlage der DIN V 18599-10: 2007-02 unter Anwendung gesicherten allgemeinen Wissensstandes individuell bestimmt und verwendet werden.
Die gewählten Angaben sind zu begründen und dem Nachweis beizufügen.
Die DIN V 18599 Teil 10 Abschnitt 6 führt aus:
In Tabelle 4 sind Nutzungsrandbedingungen für unterschiedliche Nutzungen festgelegt. Bei der Nutzungsrandbedingung ,Mindestaußenluftvolumenstrom (siehe Tabelle 4, Spalte 19) sind die angegebenen Werte wie folgt zu verwenden:
- bei freier Lüftung (Fensterlüftung) sind die Werte aus Tabelle 4, Spalte 19 zu verwenden;
- bei Lüftung über RLT-Anlagen (mechanische Lüftungsanlagen) ist der Mindestaußenluftvolumenstrom nach DIN V 18599-7, Anhang H zu bestimmen und bei der energetischen Bewertung zu berücksichtigen. Der Mindestaußenluftvolumenstrom aus Tabelle 4, Spalte 19, ist zu verwenden, falls der nach DIN V 18599-7, Anhang H ermittelte Wert kleiner ist als der Wert aus Tabelle 4, Spalte 19.
Fazit
Zusammengefasst müssen insbesondere bei energieeffizienten Gebäuden die notwendigen Behaglichkeitsparameter exakt definiert und für den Referenzfall aufbereitet werden. Ausgehend von diesem Wert sind dann für die Planungsaufgabe wert- und technologieneutral die Lösungen auszuwählen und letztendlich auszuführen, die natürlich auch unter wirtschaftlichen Erwägungen den geringstmöglichen Energiebedarf haben. Die Vernachlässigung von Parametern wird langfristig nicht zielführend sein. Nur so lassen sich die gemeinsamen Ziele
hoher Raumkomfort und
geringer Energiebedarf
erreichen.-
Dipl.-Ing. Claus Händel,
technischer Referent beim Fachinstitut Gebäude-Klima e.V. (FGK), Bietigheim-Bissingen