Mit der Erzeugung von durchschnittlich 28 Millionen Tonnen Milch pro Jahr ist Deutschland mit einem Gesamtanteil von 19% führend in der EU und befindet sich weltweit auf Rang sechs nach Indien, den USA, China, Pakistan und Russland¹.
Innerhalb Deutschlands zählt die Milchwirtschaft mit über 21 Milliarden Euro Umsatz zu den umsatzstärksten Branchen in der Ernährungsindustrie. Kältetechnik ist hier unerlässlich. Trotzdem ist die Zukunft für den Kälteanlagenbau nicht gerade rosig, es sei denn, man findet die richtige Nische!
Preisdruck
Viele Molkereien in Deutschland haben mit Sicherheit schon bessere Zeiten gesehen, was die häufig mangelnde Investitionsfreudigkeit erklärt. So macht die EU-Milchquote, d.h. die individuelle Produktionshöchstgrenze des einzelnen Landwirts, die vom EU-Ministerrat festgesetzt und vom deutschen Zoll überwacht wird, den meisten zu schaffen. Das wird in Zukunft nicht besser. Ganz im Gegenteil: Laut Brüsseler Agrarreform soll die Milchquote bis 2015 komplett abgeschafft werden. Bis dahin ist eine kontinuierliche Erhöhung der Milchmengen bzw. eine Senkung der Quote geplant. Damit wird der Milchmarkt endgültig liberalisiert, was aber auch heißt, dass der Preisdruck mit steigendem Angebot aller Voraussicht nach zunehmen wird.
Besonders hart dürfte das die kleineren Betriebe mit bis zu 200 Kühen treffen, wie sie für Süddeutschland typisch sind. Im Osten sieht es etwas besser aus. Aufgrund der DDR-historischen Vergangenheit und der damaligen Organisation in sogenannten LPGs (Landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften) sind hier Großbetriebe mit über 1000 Tieren durchaus üblich, die durch die höheren Mengen in den meisten Fällen wesentlich rentabler arbeiten und Preissenkungen schon eher verkraften können.
Milchkühlanlagen halten ewig
Für die Kältetechnik dürften die goldenen Zeiten in der deutschen Milchwirtschaft heute wohl ebenfalls vorbei sein. Das war Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre, als die großen Molkereibetriebe in Ostdeutschland privatisiert wurden, was häufig mit einer umfassenden Modernisierung einherging.
Eines der Unternehmen, das damals in diesem Markt sehr aktiv war, ist der Dresdner Kühlanlagenbau. Heute allerdings sei das Geschäft stark zurückgegangen, so Dipl.-Ing.Steffen Bernhardt, Key Account Manager bei dem Unternehmen. Milchkühlanlagen halten ewig, wenn sie gut gewartet und gepflegt werden, fügt Bernhardt erklärend hinzu.
Irmtraud Girschner von dem Handwerksbetrieb Volker Girschner aus dem norddeutschen Stuhr bestätigt diese Analyse: Für uns war die Milchwirtschaft in den Achtzigern und Neunzigern ein interessanter Markt, in dem wir Landwirte in ganz Ostfriesland, Lüneburg etc. bedienten und daher auch ein umfangreiches Ersatzteillager hatten. Heute ist davon fast nichts übrig geblieben, denn die meisten der Betriebe gibt es inzwischen nicht mehr. Nur die ganz großen können hier überleben und davon gibt es in unserem Einzugsgebiet keine.
Und Bernhardt ergänzt noch zum Thema Ersatzteile: Der klassische Kälteanlagenbau liefert hier kaum mehr Ersatzteile. Das meiste läuft über Unternehmen wie Alfa Laval oder Westfalia, die die Molkereien mit technischer Ausrüstung beliefern, daher sowieso regelmäßig vor Ort sind und bei dieser Gelegenheit gleich noch die Wartung der Kälteanlagen, sollte sie denn erforderlich sein, übernehmen. Ein wirkliches Potenzial für die Kältetechnik sieht Bernhardt hingegen in Osteuropa, zum Beispiel in Russland. Hier sind die Betriebe ähnlich strukturiert wie damals in der DDR und es stehen vergleichbare Modernisierungen an, so dass es sicher noch einiges zu tun gibt.
Kleinvieh macht auch Mist
Ein weiteres Potenzial für die Kältetechnik liegt in der Bioproduktion, auch wenn es sich dabei um ganz andere Größenordnungen handelt als bei ostdeutschen oder osteuropäischen Großmolkereien. Interessant für den Kälteanlagenbau ist hier ganz besonders die Tatsache, dass sich die Produzenten im Allgemeinen um die gesamte Lieferkette von der Milcherzeugung über die Weiterverarbeitung bis hin zur Vermarktung kümmern und natürlich für alle Etappen die entsprechende Kältetechnik benötigen.
In Bezug auf die Milchkühlung sind hier natürlich ganz andere Anlagentypen erforderlich als bei Großbetrieben. Während bei letzteren der gesamte Ablauf inklusive Rührwerk und Reinigung automatisiert ist und die Milch teilweise über Melkrobotersysteme direkt in große Milchkühltanks mit Fassungsvermögen bis zu 20000l abgepumpt wird, setzt der Biobauer kleinere Tauchkühler oder Wannen für die Zwischenlagerung der Milch ein. Für die Weiterverarbeitung der Milch beispielsweise zu Käse werden dann zumeist Kaltwassersätze verwendet und für die Lagerung des Endprodukts vor Ort sind Kühlzellen erforderlich. Hat der Biobauer noch einen Verkaufsladen direkt am Hof, sind sogar noch Kühlmöbel nötig. Ein vielseitiger Markt also, der in Anbetracht des zunehmenden Erfolgs von Bioprodukten sicher auch noch wächst.
A.V. -
Veranstaltungen
- Anuga FoodTec 10.13.3.2009 in Köln
- World Dairy Summit 20.24.9.2009 in Berlin
- Anuga 10.14.10.2009 in Köln
- Cheese World 28.30.5.2010 in München
- InterMopro 12.15.9.2010 in Düsseldorf
Verbände und Interessengemeinschaften der Milchwirtschaft
- Bundesverband Molkereiprodukte e.V., Berlin: http://www.mopro.de
- Verband der deutschen Milchwirtschaft e.V., Berlin: http://www.vdm-deutschland.de
- Milchindustrieverband e.V., Berlin: http://www.milchindustrie.de
- Gemeinschaft der milchwirtschaftlichen Landesvereinigungen e.V., Berlin: https://milchwirtschaft.com/
- Zentralverband Deutscher Milchwirtschaftler e.V., Berlin: https://www.zdm-ev.de/
- Verband für handwerkliche Milchverarbeitung im ökologischen Landbau e.V., Freising: http://www.milchandwerk.info
- International Dairy Federation IDF, Brüssel: http://www.fil-idf.org