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Günther Mertz (FGK) und Fabian Lober (Systemair) im Gespräch:

Energiewende kann nur über Einbeziehung der Kälte gelingen!“

Im Kontext der Energieeinsparverordnung (EnEV) und ihrer sukzessiven Verschärfungen sinkt zwar der Heizwärmebedarf in Gebäuden – gleichzeitig steigt aber speziell in Nichtwohngebäuden der Energieaufwand für Klimatisierung bzw. Kühlung massiv an. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Der erste ist der sogenannte Thermoskannen-Effekt“ der Gebäudedämmung in Verbindung mit externen Wärmeeinträgen durch großzügig verglaste Fassaden. Ein zweiter Grund sind die hohen internen Wärmelasten, beispielsweise aufgrund von EDV-Ausstattung. Trotzdem sei das Thema aktive Kühlung“ noch nicht wirklich im Markt angekommen, sagt Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-Klima e. V. (FGK): Es wird zwar zunehmend über stille Kühlung durch Flächentemperierung gesprochen. Die ist aber leistungsmäßig begrenzt und führt nicht zu mehr Behaglichkeit im Raum. Das kann über die parallele Entfeuchtung nur die aktive Kühlung.“

Schreckt komplexere Planung ab?

Ein Grund für dieses Missverhältnis zwischen Kühlbedarf und installierten Anlagen mag in der komplexeren Planung und dem höheren Grundinvest liegen, der für die Kältetechnik notwendig ist, vermutet Mertz: Deswegen werden wir von Verbandsseite künftig verstärkt über Praxisbeispiele deutlich machen, warum beispielsweise auch kontrollierte Wohnraumlüftung kein angemessener Ersatz für präzise geplante und abgestimmte Klimaanlagen ist – wie viele TGA-Planer immer noch zu glauben scheinen.“

Fabian Lober, Produktmanager Kälte-technik beim Hersteller Systemair, sieht das in seiner täglichen Arbeit bestätigt: Im Gegensatz zur Heizungs- und Lüftungstechnik fehlt es im Markt augenscheinlich noch an Fachwissen, welche Potenziale in Split-, Chiller- oder auch Wärmepumpenanlagen in diesem Bereich überhaupt bestehen – und wie sie dann ebenso effizient wie wirtschaftlich in der Praxis aktiviert werden können.“ Entsprechend intensiv hat Systemair in den vergangenen Monaten das Weiterbildungsangebot in diesem Bereich ausgebaut, setzt dabei auch ganz gezielt auf die Verknüpfung von Lüftungs- und Kältetechnik: Die Kältetechnik muss viel stärker zum integralen Bestandteil der Gebäudetechnik werden, denn künftig wird nicht mehr die Wärme und ihre Erzeugung im Vordergrund stehen, sondern die Frage, wie aus Lüftungs- und Kältetechnik ein Wohlfühlklima wird. Wärme ist dann nur noch ein Abfallprodukt‘.“ Das aber bedinge wiederum einen ganzheitlichen Planungs- und Installationsansatz, der dann letztlich in der vergleichbar aufgestellten Systemtechnik eines entsprechenden Herstellers, möglichst sogar einem integrierten Produkt münde …

So weit, bezogen auf den planerischen und handwerklichen Part, ist die Realität in der Praxis allerdings noch lange nicht, zumindest nicht in der Breite, schränkt Günther Mertz aus Sicht des FGK ein: Die Kälteanlagenbauer mit ihren rund 3 200 Betrieben bundesweit sind zwar in dieser Hinsicht gut ausgebildet und ebenso gut aufgestellt, tragen beispielsweise die Vision von der Kältetechnik mit, die zur Leitgröße in der Gebäudetechnik wird.“ Aber, und da schließt sich die Einschränkung direkt an, dem gegenüber steht mindestens die etwa zehnfache Zahl an Heizungsbaubetrieben, die ebenfalls potenzielle Multiplikatoren für diese Technologie sein könnten – aber wie viele TGA-Planer vor dem Gewerk noch zurückschrecken.

Fabian Lober: Perspektivisch kann man den Unternehmen jedoch nur anraten, frühzeitig einen Kälteanlagenbauermeister einzustellen und dieses Geschäftsfeld mit zu besetzen. Ähnlich dem Elektromeister, den es in den meisten SHK-Unternehmen mittlerweile ja auch schon gibt. Denn der wachsende Bedarf an Klimaanlagen ist Realität und die Systemtechnik der namhaften Hersteller so weit, dass über kompakte, werksseitig zu erheblichen Teilen schon vorkonfektionierte Geräte und Anlagen auch die Installation als solche deutlich schneller und einfacher geworden ist.“ Der Markt ist mit seinen Zuwachsraten auf jeden Fall groß genug für die klassischen Kältebau-Betriebe wie für entsprechend qualifizierte Heizungsbauer“, so die eindeutige Botschaft des Branchenkenners auf Basis von Marktdaten, die Systemair erhoben hat: Er muss nur aktiv bearbeitet werden.“ Gestützt wird diese Einschätzung im Übrigen durch eine anerkannte Studie des britischen Beratungsunternehmens BSRIA. Danach ist in Deutschland binnen fünf Jahren bis 2017 beispielsweise ein Marktwachstum von über 30 Prozent zu erwarten.

Berührungsängste bei Kältemitteln?

Ein wichtiges Stichwort ist in diesem Zusammenhang allerdings zweifellos der Umgang mit Kältemitteln, der bei altgedienten SHK-Fachhandwerkern – im Gegensatz zu Kälteanlagenbauern – noch Zurückhaltung“ auslöst, wenn sie mit diesem Part der technischen Gebäudeausrüstung konfrontiert werden. Gerade im Vergleich zu den vielen dringend sanierungsbedürftigen Altanlagen (die teilweise noch mit dem Kältemittel R 22 laufen) wurde deren Einsatz aber ohnehin schon stark reduziert, bei Systemair beispielsweise um bis zu 75 Prozent. Darüber hinaus helfen zusätzlich die Gerätekonzeptionen nach dem Plug-and-play-Prinzip“, die besonders montagefreundlich sind – also gerade solch zögerlichen Installateuren entgegenkommen.

Dennoch, räumt Fabian Lober ein, seien auch die Hersteller weiter in der Pflicht, neben ihren Kommunikationsaufgaben rund um das Thema Kälte“ in der TGA die systemische Optimierung der Anlagentechnik weiter voranzutreiben: Systemair testet beispielsweise schon seit geraumer Zeit alternative Kältemittel in Prüfstandsläufen, um so unabhängig vom Gesetzgeber und der novellierten F-Gase-Verordnung, die eine Absenkung des Anteils an F-Gasen bis 2030 um 79 Prozent fordert, über alle Leistungsbereiche hinweg zu einer Reduzierung der Kältemittel zu kommen.“

Fehlt ganzheitlicher Denkansatz?

Diese industriellen Vorleistungen“, sind sich Günther Mertz und Fabian Lober einig, können aber nur den Rahmen setzen, die Ausgangsbasis sein. Die Realisierung, das Aufbrechen des Marktes für die aktive Kühlung im größeren Stil liege als Handlungsticket“ vielmehr auf dem Tisch der TGA-Fachplaner: Der Absatz an einfach zu installierenden Split-Geräten lässt Rückschlüsse auf den aktiv vorhandenen Bedarf wie in Bürogebäuden, Praxen oder ähnlichen Objekten zu, vor allem angesichts der enormen Zuwachsraten in den vergangenen Jahren. Mit diesen Geräten aber wird das Thema thermische Behaglichkeit‘ immer nur punktuell und vor allem produkt- oder problemgetrieben angegangen.“

Für Betreiber wie Nutzer wesentlich zielführender sei hingegen ein ganzheitlicher planerischer Ansatz, über den die Klimatechnik von Anfang an in ein das Gebäude und seine Funktionalitäten einschließendes Energiekonzept eingebun-den würde, so Günther Mertz: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) hatte diese Zielsetzung als integrale Planung schon vor zwanzig Jahren auf der Agenda. Über das Building Information Modeling (BIM) gewinnt das Thema jetzt wieder dynamisch an Aktualität.“ Zusätzlich getragen werde das Ganze über die ambitionierten Ziele der Energieeinsparverordnung zur Senkung des CO2-Ausstoßes, die ohne Berücksichtigung des steigenden energetischen Aufwands für Kühlung definitiv nicht zu erreichen seien: Eine Studie von Ecofys im Auftrag des Bundesumweltamtes weist aus, dass derzeit für Gebäudekühlung rund 21 000 GWh Energie aufgewandt werden – pro Jahr! Je nach Szenario ließen sich davon völlig problemlos 36 bis 64 Prozent einsparen, wenn insbesondere im Einzelhandel und in Büros alte Geräte ausgetauscht und effizientere Techniken eingesetzt würden.“ Im Gegensatz zur möglichen Energieeinsparung in der Wärmeerzeugung oder dem Effekt von Gebäudedämmung gegen Transmissionswärmeverluste sei dieses Potenzial aber in der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unerkannt, so Mertz und Lober.

Das werde sich aber – und hier schließt sich der Kreis zur ganzheitlichen Planung – spätestens dann ändern, wenn die Verbrauchsreduzierung bei Einzelsystemen (z. B. Heizen oder Lüften) ausgereizt ist und die aktive Kühlung insbesondere durch Kaltwassersätze über einen abgestimmten Systemverbund noch zusätzliches Einsparpotenzial eröffnet, so Fabian Lober: Vor allem jüngere Kälteanlagenbauer haben jetzt schon hochinteressante Ideen, wie man energetische Lasten in den Gebäuden unter Einbeziehung der gesamten Wärme-, Lüftungs- und Kältetechnik verschiebt, um ein Maximum an Effizienz zu erreichen. Diese Ansätze gilt es weiter aktiv zu verfolgen. Hersteller, Planer, Fachhandwerker und Interessenvertretungen müssen nun aber gemeinsam dafür sorgen, dass die Kältetechnik in der Technischen Gebäudeausrüstung den Stellenwert bekommt, der ihr sowohl aufgrund ihres Anteils am Energieverbrauch wie auch aufgrund ihrer Bedeutung für klimatisch komfortable Arbeits- und Lebensbedingungen in den Gebäuden zukommt.“

https://www.systemair.com/

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